Führungstraining an der MilAk - Teil 1

Führung und Taktik, wie passen diese beiden Begriffe zusammen? Der Offizier galt und gilt nach wie vor als militärischer Führer, er führt also seine Soldaten. Der Zweck der Führung ist dabei, das Überleben des Unternehmens zu sichern. Dieses Unternehmen kann mit dem Gemeinwesen, dem Staat, gleichgesetzt werden. Es kann aber auch als die Teileinheit, die Einheit oder der Verband verstanden werden. Dies ist die unmittelbarere Ebene der taktischen Führung. Sie führt weiter bis zur eigentlichen Kampfgemeinschaft.
Das Ziel der militärischen Führung ist dabei der Erfolg in der Überlebenssicherung und sie hat sich diesbezüglich an den möglichen besonderen Bedingungen des Einsatzes zu orientieren. In militärischen Organisationen geht die Leistung Einzelner meist in der Gesamtleistung auf. Das bedeutet, dass das Militär um die Idee der Zusammenarbeit herum aufgebaut ist. Dabei geht es nicht um die Addition der Einzelleistungen, sondern der Leistung durch gleichzeitigen Einsatz aller. Dies ist eines der wesentlichen Prinzipien, welches sich auch in der Taktik wiederfindet - der sogenannte Kampf bzw. Einsatz der verbundenen Waffen und Mittel.
Führung
Führung ist demnach das Ermöglichen von Zusammenarbeit. Die wesentliche Triebfeder für die Zusammenarbeit ist eine gemeinsame Aufgabe, ein Problem. Das charakteristische an einem Problem, das zur Zusammenarbeit auffordert, ist die Tatsache, dass es alleine nicht bewältigbar ist. Dabei gilt: Umso fundamentaler es ist, desto mehr fördert es die Zusammenarbeit. Im militärischen Zusammenhang sind diese Problemstellungen oder besser Einsatzaufgaben so gestaltet, dass sie bis an die physischen und psychischen Grenzen heranführen.
Trotz der Intensität einer Problemstellung, muss diese als solche auch erkannt werden, sie muss quasi selbsterklärend sein. Wird ein Problem nicht als solches erkannt, fördert es keine Zusammenarbeit. Dies ist auch bei der Ausbildung miteinzubeziehen. Äußerst komplexe Szenarien sind vor allem am Anfang der Führungsausbildung zu vermeiden, da sie die (eindeutige) Identifizierung eines Problems be- oder verhindern. Bei der Führung geht es also um die Überlebenssicherung im Rahmen einer zusammenarbeitsstiftenden Problemlösung, für die sich der militärische Führer entschieden hat.
Taktik und Wissenschaft
Hier knüpft die Taktik direkt an. Mit dem „Taktischen Führungsverfahren“ wird eine Problemlösungsmethode angeboten, die die oben beschriebenen Eigenschaften in sich vereint. Daher ist die Taktik als ein Teil der Führungsausbildung ein wesentlicher Aspekt, um die Führungsfähigkeit der Offiziersanwärter zu entwickeln.
Die Verbindung von Führung und Taktik manifestiert sich in der Truppenführung. Um im Sinne der übergeordneten Ebene handeln zu können, ist es notwendig diese auch zu verstehen. Daraus lässt sich die Auseinandersetzung mit der Taktik in der Offiziersausbildung erklären. Hier geht es darum, die eigene Ebene (Teileinheit und Einheit) zu beherrschen und die untergeordnete Ebene zu befehlen. Taktik ist somit die Basis für einen erfolgreichen Truppenführer und eine erfolgreiche militärische Führung. Grundsätzlich lässt sich die Taktik in Elementar- und angewandte Taktik unterteilen.
In der Elementartaktik werden alle Grundlagen zusammengefasst, wobei die angewandte Taktik sich mit Lagen, Planspielen, Geländebesprechungen oder Simulationen beschäftigt. Die Ausbildung an der Militärakademie beschäftigt sich mit beiden Aspekten der Taktik gleichermaßen. Nachdem nun der Zusammenhang zwischen Taktik und Führung etwas beleuchtet wurde, stellt sich die Frage der Wissenschaftlichkeit der Taktik. Nach Riener ist Taktik in Teilen wissenschaftlich und zwar nicht als eigenständige Wissenschaft, sondern als Teil der Militärwissenschaften. In der Taktik geht es vor allem um eine Methode zur Lösung von Problemstellungen, welche sich des taktischen Führungsverfahrens als Werkzeug bedient. Seiner Definition nach ist Taktik eine angewandte Wissenschaft. Daraus lässt sich die Notwendigkeit der Vermittlung im akademischen Umfeld ableiten.
Führungsprizpien
Die militärische Führungsausbildung basiert auf drei Säulen:
- der Taktikausbildung,
- dem Führungstraining auf gefechtstechnischer Ebene und
- dem Einsatz als Kommandant einer Teileinheit, im Rahmen der Truppenoffizierslehrgänge.
Die beiden ersten Säulen werden durch den „Fachbereich 1“ des Institutes für Offiziersausbildung und der Truppenoffizierslehrgang durch das Akademikerbataillon durchgeführt. Führung kann nur dann etwas bewirken, wenn die Mitarbeiter dieser auch zustimmen, wenn die Geführten die Führung auch wollen. Militärisch wird zwischen zwei Führungsprinzipien unterschieden.
Die Befehlstaktik gibt neben dem Ziel auch vor, wie dieses zu erreichen ist, während die Auftragstaktik nur an einer Zielsetzung/Problemlösung orientiert ist. Zweites führt eher zu einem gewollten Durchführen, weil der Geführte durch die freie Wahl der Durchführung quasi vom alleinig Geführten auf die Ebene des Führers (bezogen auf die Wahl der Durchführung) gehoben wird. Die Befehlstaktik als zweites Prinzip in diesem Zusammenhang folgt strikt dem Grundsatz von Befehl und Gehorsam und trennt Führer und Geführten.
Betrachtet man den Ebenenbezug, so ist zu erkennen, dass je tiefer die Ebene ist, umso unmittelbarer die Führung wird. Sie geht vom Führungsdenken bzw. Planen immer mehr zum Ausführen bzw. Handeln über.
Ausbildung
Die Führungsausbildung an der Theresianischen Militärakademie orientiert sich vor allem an der Taktik und der Gefechtstechnik, also am Planen, Führen (Entscheiden) und Tun. Die Ausbildung zum militärischen Führer durchläuft im Österreichischen Bundesheer mehrere Ebenen. In der Offiziersgrundausbildung liegt das Hauptaugenmerk vor allem in der Vermittlung einer Denkschule, dem Taktischen Führungsverfahren, die die Basis für eine weitere Ausbildung, aber vor allem für den Berufsvollzug selbst darstellt. Die Taktikausbildung fördert vor allem die Fachkompetenz, entwickelt aber auch die anderen Kompetenzen der Berufsoffiziersanwärter. Diese Denkschule wird von interkultureller Kompetenz, physischer und mentaler Stärke getragen.
Die Führungsausbildung am Modell der Taktik ermöglicht ein strukturiertes Analysieren einer Problemstellung und darauf aufbauend ein Erarbeiten von Lösungen, um letztlich eine Entscheidung zu treffen und das entsprechende Tun veranlassen zu können. Dabei werden auch die akademisch - wissenschaftlichen Fähigkeiten vorangetrieben. Es ist, wie beschrieben, notwendig, eine Analyse einer Problemstellung durchzuführen, um darauf basierend eine Problemlösung zu synthetisieren, welche in der Umsetzung einer quasi experimentellen Erprobung unterzogen wird.
Die Zielsetzung des Studienganges ist es, jene Qualifikationen bzw. Kompetenzen zu vermitteln, die der Truppenoffizier für seine Einstiegsfunktion benötigt. Für den Offizier ist die Einstiegsverwendung in den Berufsvollzug die gefechtstechnische Ebene. Doch wie bereits dargestellt, bedingen das Führungsprinzip der Auftragstaktik und daraus abgeleitet die Notwendigkeit, die übergeordnete Ebene zu verstehen, die intensive Auseinandersetzung mit der Taktik auf Ebene des Bataillons. Dies stellt auch die Basis der Taktikausbildung dar.
Ausbildungsablauf
Zur Vermittlung dieser Basis bedient sich das Lehrpersonal des taktischen Führungsverfahrens, welches diese Vorgehensweise unterstützt. Am Beispiel aller Einsatzarten (Verteidigung, Angriff, Verzögerung und Schutz), werden im Rahmen von Planspielen die Schritte des Planungsverfahrens, als Teil des Führungsverfahrens, durchschritten. Aufbauend auf die Elementartaktik steht die angewandte Taktik im Fokus der Ausbildung.
Die Elementartaktik vermittelt taktische Prinzipien, Normen, Einsatzgrundsätze, taktische Verfahren, Formen des Manövers, taktisches Führungsverfahren und das Gefechtsbild, um diese schließlich im Rahmen der angewandten Taktik benutzen zu können. In Summe werden für die Taktikausbildung 45 European Credit Transfer System (ECTS) Punkte vergeben. Den jeweiligen Grundlagen-Vorlesungen folgen Planspiele auf Ebene des Bataillons als Ausgangspunkt für eine Ausbildung im Gelände, im Rahmen des Führungstrainings, auf Ebene der Kompanie.
Ergänzt wird dieser Wechsel zwischen Theorie und Praxis durch Ausbildungsabschnitte an Simulationsanlagen (Führungssimulator und Steel Beasts) und durch die Ausbildung während der Zugskommandantenlehrgänge. Der Beitrag durch das Referat Taktik schafft hier mit Schwergewicht theoretische Grundlagen und ermöglicht erste Schritte im Bereich der angewandten Taktik. So werden im ersten Semester im Modul „Grundlagen des militärischen Führungssystems“ die Grundsätze und Grundlagen der militärischen Führung, des militärischen Führungsprozesses, der Militärgeografie und der Systeme konventioneller Einsatzführung vermittelt. Dabei wird jenes Basiswissen gelehrt, welches für die Ausbildung in den verschiedenen Einsatzarten benötigt wird.
Der Einstieg in die angewandte Taktik erfolgt mit der Einsatzart Verteidigung, bei der zunächst noch das Hauptaugenmerk auf der richtigen Anwendung des Führungsverfahrens liegt. Nach der Bearbeitung der Bataillons-Planspiele im Hörsaal wird das Führungstraining auf Ebene der Kompanie im Gelände und auf dem Simulationssystem „Steel Beasts“ durchgeführt.
Im zweiten Semester findet die Taktik- und Führungstrainingsausbildung in den Einsatzarten „Angriff“ und „Verzögerung“ ihre Fortsetzung. Diese beiden Ausbildungsblöcke werden durch eine Führungssimulation, bei der die Berufsoffiziersanwärter auf Gegenseitigkeit üben, ergänzt.
Die Grundlagen in der Führungsausbildung werden im dritten Semester mit der Einsatzart „Schutz“ abgeschlossen. Dieses Basiswissen wird im Rahmen des Moduls „Einsatz im multinationalen Verbund“ im fünften Semester nochmals wiederholt und gefestigt.
Aktuelle Entwicklungen
Vermehrt ist in der jüngeren Vergangenheit zu beobachten, dass sich in den diversen Lehrgängen eine sehr starke Prozessorientierung herausgebildet hat. Das bedeutet, vielfach werden von den Lehrgangsteilnehmern Checklisten, sogenannte Bearbeitungshilfen, herangezogen, um eine taktische Problemstellung strukturiert abarbeiten zu können. Diese Orientierung am Prozess verhindert jedoch die Auseinandersetzung mit dem Zweck der einzelnen Bearbeitungsschritte. Diese Prozesshörigkeit steht in einem krassen Widerspruch zur vielgerühmten Auftragstaktik. Sie entspricht eher einer befehlstaktischen Herangehensweise.
Aktuelle Entwicklungen
Bei der Taktik handelt es sich um eine Denkschule und nicht um ein Orientieren an Checklisten ohne über den Beurteilungsschritt im Detail nachzudenken. Nachdem die Taktik nach Lösungen für Problemstellungen sucht, liegt eine Möglichkeit der Verbesserung der Schulung der Entscheidungsfindung in einem neuen Konzept, welches erstmals im Internationalen Semester, nur ausländischen Hörern offenstehend, angeboten wird. In diesem Semester wird das taktische Führungsverfahren als Werkzeugsatz präsentiert, aus welchem die Studenten jene Werkzeuge auswählen können, die sie für angebracht halten, um zu einer Entscheidung zu gelangen.
Als Kern dieses Ausbildungsmodells dienen die sogenannten Hosentaschenlagen: Situationen, welche mit einer Beschreibung und/oder einem kurzen Befehl dargestellt werden und mit deren Hilfe die Entscheidungsfindung der Studenten gefördert werden soll. Schritte, die aus dem Führungsverfahren jedenfalls darzustellen sind, sind die vermutliche Absicht der Konfliktparteien, das Gelände im Großen, eigene Möglichkeiten des Einsatzes und der Plan der Durchführung sowie der eigene Entschluss. Dieses verkürzte Verfahren entspricht den geringen Zeitansätzen, welche im Einsatz für die Entscheidungsfindung zur Geltung kommen. Kurzlagen erlauben auch eine größere Anzahl an Entscheidungsfindungen im selben Zeitrahmen wie sie für eine klassische Schullage zur Anwendung kommt. Der Einzelne erhält somit mehr Gelegenheit, seine Entscheidungsfähigkeit zu trainieren. Neben der drillmäßigen Bearbeitung der Kurzlagen im Hörsaal, werden diese Kurzlagen auch im Gelände bei verkürzten Führungstrainings zur Anwendung gebracht.
Die in diesem Führungstraining beurteilten Lösungsansätze werden schließlich auf der Simulation „Steel Beasts“ durchgespielt. So erfolgt eine Verschmelzung aller, für die Führung wichtigen Aspekte, dem Denken, dem Planen und dem Tun oder Handeln. Diese Vorgehensweise soll die Studierenden weg vom empirischen Abarbeiten von Checklisten, hinführen zu einem vom Denken geleiteten Verstehen von Problemen und deren Lösung.
Motivationsfaktoren
Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Lehre mehrere Stufen zu durchlaufen hat und diese Systematik nicht in der Anlernstufe greifen kann, sondern erst in fortgeschrittenen Semestern zur Anwendung gelangt. Hier muss stets im Fokus der Lehrenden bleiben, dass die Offiziersanwärter das System Militär erlernen sollen. Dazu ist es wesentlich, die Problemstellungen so zu formulieren, dass sie im Sinne von Sprenger auch als solche erkennbar sind. Eine tendenzielle Überforderung mit komplexen Situationen, in denen stets die übergeordnete Ebene zu hinterfragen ist, soll hier als Norm nicht zur Anwendung gelangen. Vielfach wurde die Taktik in dieser Art und Weise vermittelt und so den Offiziersanwärtern durch ihr aufkeimendes Unverständnis die Freude an der Taktikausbildung genommen. Taktik ist ein wesentlicher Bestandteil im Berufsvollzug des Offiziers und soll bzw. muss auch Spaß machen.
Dies wird nur durch eine entsprechende Gestaltung der Problemstellungen ohne latente Überforderung erreicht. Einen wesentlichen Schritt zur Akzeptanz der Taktik bei den angehenden Offizieren bilden auch Erfolgserlebnisse. Hiezu wird an der Militärakademie im Rahmen der Beurteilung von Taktikklausuren das sogenannte Benchmark-System angewandt. Dabei werden alle Kandidaten, die einundfünfzig Prozent der maximalen Punkteanzahl erreicht haben, am besten der positiven Kandidaten abgeglichen. Das bedeutet, ausgehend vom Besten, der mit „Sehr Gut“ beurteilt wird, werden die positiven Noten vergeben. Somit gibt es in jedem Fall mit „Sehr Gut“ benotete Arbeiten und es entsteht keine Frustration ob der Nichterreichbarkeit einer solchen Note. Zudem stellt die Größe der Taktikgruppen einen weiteren Faktor für eine positive Motivation der Studierenden dar. Stärken von zwölf Offiziersanwärtern pro Gruppe lassen eine intensive Beschäftigung mit dem Einzelnen zu. Das Eingehen auf individuelle Fragen und das Erläutern vor dem Plenum - sowie die Präsentation aller Schritte des Beurteilungsverfahrens durch jeden Studierenden - festigen das Verständnis für die Taktik enorm.
Fazit
Taktik und hier im Speziellen das Taktische Führungsverfahren wird als Problemlösungsmethode zur Entscheidungsfindung herangezogen und ist somit ein wesentlicher Beitrag zur Führungsausbildung. Zusammen mit den entsprechenden Rahmenbedingungen ist die Methode und Denkschule wichtig, um dem jungen Offizier die Möglichkeit zu geben, als Führungskraft im Berufsalltag zu bestehen.
Neben der physischen Leistungsfähigkeit zählen auch mentale Stärke und interkulturelle Kompetenz zu den Rahmenbedingungen für erfolgreiches Führungshandeln. Die mentale Stärke wird durch wachsendes Selbstvertrauen unterstützt, das durch passende Maßnahmen zu fördern ist. Hier, wie auch bei der Entwicklung interkultureller Kompetenz, muss auch die Taktikausbildung einen wesentlichen Beitrag leisten. Es gilt, respektvoll mit den Ausarbeitungen der Berufsoffiziersanwärter umzugehen, diese wertschätzend zu beurteilen und auch andere als die Musterlösung zuzulassen.
Abschließend lässt sich die Führungsausbildung am Modell der Taktik als äußerst vielschichtig und wertvoll für die Entwicklung von potenziellen militärischen Führungskräften beurteilen, wobei die Verbindung von Theorie und Praxis auch dem wissenschaftlichen Anspruch voll Rechnung trägt. In Fortsetzung zur bisherigen Darstellung der Führungsausbildung werden in den kommenden Teilen die Einbindung von Simulationssystemen und Führungstrainings in die Ausbildung der potentiellen militärischen Führungskräfte gezeigt.
Oberst dG Ing. Mag.(FH) Georg Kunovjanek, MSD ist HLO Taktik & Versorgung an der TherMilAk; derzeit Chef des Stabes der 7. Jägerbrigade.