Erinnerung an Königgrätz - Teil 2
In Österreich steht die Zeit des Nationalsozialismus im geschichtlichen Fokus und im Mittelpunkt der Erinnerungskultur. Um diese Zeit besser zu verstehen, ist es jedoch notwendig, den Preußisch-Österreichischen Konflikt des 19. Jahrhunderts zu betrachten. Darin liegt auch der Ursprung für das ambivalente Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland.
Teil 2 - Denkmäler und Museen
Denkmäler
Kriegerdenkmäler oder Ehrenmale sind die häufigste Form militärischer Erinnerungsorte und in erster Linie gefallenen Soldaten gewidmet. Sie werden im Andenken einer einzigen Person, einem kleineren Kontingent oder einer ganzen Armee des jeweiligen Landes geweiht. Die Kriegerdenkmäler weisen sowohl eine direkte als auch indirekte Verbindung zu einem konkreten kriegerischen Akt auf. Dieser doppelte Kontakt wurzelt in dem Brauch, dass verstorbene Soldaten beziehungsweise aufgeriebene militärische Einheiten neben dem eigentlichen Ort ihres Todes meistens auch ein Ehrenmal von ihren Heimatstädten erhielten.
Die äußere Erscheinungsform solcher Denkmäler kann stark variieren. Die Bandbreite erstreckt sich vom einfachen Kreuz bis zum monumentalen Kunstwerk. Aufgrund der großen Anzahl der Erinnerungsorte werden auf der fiktiven Achse Wien-Königgrätz-Berlin drei ausgewählte und besonders bedeutende Monumente vorgestellt.
Tegetthoff-Denkmal in Wien
Das Monument des österreichischen Admirals Wilhelm von Tegetthoff befindet sich im 2. Wiener Gemeindebezirk (Leopoldstadt) auf dem Praterstern vor dem gleichnamigen ÖBB-Bahnhof. Es handelt sich dabei um eine Siegessäule, die den Triumph der Kaiserlichen Marine über die Italiener bei Lissa verkündet. Als Ort der Erinnerung besitzt das Ehrenmal einen symbolischen Wert.
Das Tegetthoff- Denkmal wurde im Jahre 1886 in Anwesenheit des Kaisers feierlich enthüllt. Die wichtigsten Bestandteile bilden, neben einer 19,5 m hohen Granitsäule mit sechs Zierelementen in Form eines Rammspornes, die 3,5 m hohe Statue des Admirals an der Säulenspitze. Am Fuße des Denkmales ist eine Gruppe von kämpfenden Seepferden, zwei römische Siegesgöttinnen (Victoria) und eine antike Ausrüstung zu sehen.
Der Namensgeber, Admiral Wilhelm von Tegetthoff, war neben Erzherzog Albrecht und dem General Ludwig von Gablenz der erfolgreichste österreichische Militär im Jahre 1866. Er wurde 1827 in Maribor (Slowenien) geboren und trat bereits 1845 in den aktiven Flottendienst. Während des Dänischen Krieges gelang es ihm in der Schlacht vor Helgoland die feindliche Blockade von Hamburg zu durchbrechen. Den Höhepunkt seiner Karriere stellte die Seeschlacht bei Lissa dar, die ihn an die Spitze der kaiserlichen Marine brachte. Im Jahre 1868 wurde Tegetthoff zum Marinekommandanten ernannt und mit dem Neuaufbau der Seestreitkräfte beauftragt. Bis zu seinem Tod im April 1871 blieb er der Marine und der See treu.
Das fehlende Denkmal in Berlin
In der deutschen Hauptstadt wird man bei der Suche nach einem zentralen Kriegerdenkmal schnell enttäuscht. In ganz Berlin gibt es kein einziges 1866er-Ehrenmal. Lediglich zerstreut und in den Außenbezirken versteckt, können heute kleinere, für die Gefallenen aller drei Einigungskriege gewidmete, Monumente besichtigt werden. In Alt-Litzow im Ortsteil Charlottenburg-Wilmersdorf befindet sich das Gefallenendenkmal für die preußischen Kriege von 1864, 1866 und 1870. Es ist ein solides Kunstwerk mit einem Löwen, der auf einem Sarkophag liegt. Ähnliche Denkmäler sind in den Bezirken Wedding und Lichtenberg zu finden.
Ossarium in Chlum
Das Ossarium (Beinhaus) zählt zu den schönsten Monumenten der Schlacht von Königgrätz und erstreckt sich in einer Waldparzelle zwischen den Ortschaften Chlum und Lípa, nordöstlich der Europastraße E442. Der Bezirk Hradec Králové und insbesondere der Schauplatz der Entscheidungsschlacht bieten heute einen prächtigen, aber zugleich dramatischen Anblick. Die Kriegerdenkmäler und Grabmäler gehören zum Landschaftsbild. Auf engstem Raum sind hunderte davon rund um das Dorf Chlum zu finden. Diese Denkmäler wurden größtenteils über Massengräber gebaut und befinden sich heute zum Teil in bewohnten Gebieten. 150 Jahre nach der Schlacht sind die Gefallenen so immer noch präsent.
Aus österreichischer Sicht ist der zentrale Erinnerungsort in Königgrätz das bereits erwähnte Ossarium. Es bildet den Teil einer Denkmalgruppe und besteht aus zwei überlebensgroßen Löwen und dem Christus am Kreuz, das von einem Zaun umgeben sind. Das im neugotischen Stil errichtete Ossarium hat die Form eines Sarkophages, der von einem Thronhimmel überwölbt ist. Jedes Jahr werden am Gedenktag der Schlacht sterbliche Überreste von Soldaten darin beigesetzt. Es handelt sich dabei um Knochen von gefallenen Soldaten, die in der Umgebung in einem Jahr gefunden wurden. Durch diese symbolische Tat sollen die Toten von 1866 ihre letzte Ruhe und den Weg zu ihren Kameraden finden.
Museen und Ausstellungen
Heeresgeschichtliches Museum
Das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) zählt zu den ältesten Museen der österreichischen Bundeshauptstadt. Der Gebäudekomplex wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in neugotischem beziehungsweise maurisch-byzantinischem Stil errichtet und diente zunächst militärischen Zwecken. Das Arsenal fungierte als Waffenlager und -fabrik, weshalb der Bau für die Vorbereitung des Krieges von 1866 eine bedeutende Rolle spielte. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude stark beschädigt - mit dem Wiederaufbau ab 1946 begonnen.
Das HGM gilt heute als eine der sammlungsreichsten militärischen Einrichtungen in Mitteleuropa und wird jedes Jahr von über 200.000 Menschen besucht. Der Ausstellungsbereich „Österreich und Europa 1789-1866“ im ersten Stock des Museums bietet ausreichend Platz für den Preußisch-Österreichischen Krieg, wobei das Museum die vermutlich detaillierteste Sammlung zum Thema 1866 aufweist. Neben dem Monumentalgemälde von Václav Sochor, das die „Batterie der Toten“ darstellt, sind Waffen und Ausrüstungen aller Art ausgestellt: Uniformstücke und Kopfbedeckungen, alle Schuss- und Hiebwaffen der Epoche, Beutefahnen, persönliche Gegenstände von Generälen, Originalfotos und Zeitungsartikel sowie eine vierpfündige Feldkanone M1863. Rund um diese beeindruckenden Exponate wurde im Jubiläumsjahr 1966 eine Sonderausstellung organisiert und eine Gedenkschrift veröffentlicht.
Deutsches Historisches Museum
Das Deutsche Historische Museum (DHM) ist das Nationalmuseum Deutschlands. Es befindet sich in der Berliner Innenstadt in unmittelbarer Nachbarschaft des Doms sowie des in Bau befindlichen Stadtschlosses. Es wurde erst 1987 im historischen Gebäude des Zeughauses eröffnet und verfügt nach eigenen Angaben über 900.000 Exponate. Trotz dieser stolzen Zahl fallen dem Besucher bereits beim Betreten des Gebäudes die vielen Bilder, Gemälde, Fotos und Dokumente ins Auge. Auf konkrete Objekte stößt man hingegen weit seltener. Zu 1866 besitzt das Museum eine bescheidene Sammlung. Lediglich das Ölgemälde „Die Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866“ von Georg Bleibtreu sowie fünf preußische und zwei österreichische Schusswaffen erinnern in der deutschen Hauptstadt an den, für das Land so wichtigen, Sieg.
Museum in Chlum
Das kleine Museum westlich der Ortschaft Chlum (Muzeum války 1866 na Chlumu) wurde am Ort des ehemaligen Gefechtstandes von Feldzeugmeister Benedek während der Schlacht von Königgrätz aufgebaut. Aufgrund seiner Größe kann diese Einrichtung nicht mit den großen staatlichen Museen mithalten - seine Aufgabe als lokales Informationszentrum für 1866 ist jedoch enorm.
Das moderne Museumgebäude lockt die Interessenten hauptsächlich mit Exponaten, darunter Duplikate an, die Waffen und Uniformen mit einschließen. Darüber hinaus helfen Karten und ein Diorama mit ausgemalten Modellfiguren, um die damaligen Geschehnisse besser zu verstehen. Zu den Hauptattraktionen des Museums zählen ein Film, dessen Trailer online abrufbar ist und der 55,60 m hohe Aussichtsturm neben dem Gebäude. Dieser Turm stand bereits zu den Zeiten der Monarchie, der ursprüngliche Aufbau von 1899 wurde jedoch im Jahr 1999 durch eine moderne Stahlkonstruktion ersetzt. Von hier aus kann das gesamte Schlachtfeld betrachtet werden.
Floridsdorfer Schanzen
Die „Floridsdorfer Schanzen“ waren ein, nördlich der Donau gelegenes Verteidigungssystems aus Erdwerken und befestigten Artilleriestellungen zwischen dem Bisamberg und Kagran. Sie sollten eine mögliche preußische Offensive auf Wien abwehren. Bereits in den Monaten vor dem eigentlichen Kriegsausbruch wurde über die Errichtung eines Brückenkopfes bei Floridsdorf heftig diskutiert. Die Schanzen sollten, zumindest offiziell, nicht Wien selbst schützen, sondern die Donauübergänge und hauptsächlich die strategisch wichtige Trasse der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn decken. Mit dem Herannahen der Front beziehungsweise nach der unglücklichen Schlacht von Königgrätz waren die Festungen noch nicht vollständig ausgebaut, obwohl die Beschleunigung der Arbeiten immer wieder angeordnet wurde.
Die Floridsdorfer Schanzen verfügten über zwei Verteidigungslinien: Die innere bestand aus einem zusammenhängenden Fortsystem und deckte die Ortschaft Floridsdorf ab. Die äußeren Schanzen hingegen bestanden aus selbstständigen Erdbauten, die so angelegt waren, dass sie sich im Kampf gegenseitig unterstützen hätten können. Die Preußen haben diese Stellungen erheblich überschätzt und wagten im weiteren Verlauf der Kriege nicht, diese anzugreifen. Nach dem Krieg wurden die Befestigungen ihrem Schicksal überlassen und unter anderem als Mülldeponie verwendet.
Die Ruinen dieser militärischen Bauwerke sind heute noch westlich der Bundesstraße B7 in der Höhe von Föhrenhein (Niederösterreich) zu besichtigen. Es handelt sich um vier erhaltene Erdwerke (Werke X, XI, XII, XIII). Des Weiteren ist in der Leopoldau auf dem Wiener Stadtgebiet noch eine Festung (Werk VI) bekannt, die aber nur noch namentlich existiert. Die Verteidigungsanlage selbst blieb nicht erhalten, da das Gebiet stark bebaut wurde. Der heutige Eigentümer des Werks VI. ist der Zentralverband der Kleingärtner Österreichs, der sich rechtlich auf eine Ministerialverordnung aus dem Jahr 1917 (Reichsgesetzblatt 427) stützt. Die Werke X bis XIII haben seit 1981 den Status eines Naturdenkmales.
Kriegsspiele in Chlum
Historische Kriegsspiele sind heute unter dem englischen Begriff „Reenactment“ bekannt. Darunter wird die Neu-Inszenierung von historischen Schlachten mit möglichst originalgetreuen Waffen sowie Teilnehmern in historischen Uniformen verstanden. Dieses Phänomen wird zwar als Hobby angesehen, gewinnt aber stetig an Bedeutung und bildet einen Teil der „Living History“. Ein solches Kriegsspiel wirkt lebendig und lockt deutlich mehr Interessenten an als herkömmliche Erinnerungsmethoden. Wenngleich das Reenactment Museen nicht ersetzen kann, ist seine vitale Rolle an der Stärkung des kollektiven Gedächtnisses nicht abzustreiten.
Das Nachspielen von historischen Schlachten erfreut sich auf der ganzen Welt großer Popularität. Dabei werden praktisch alle kriegerischen Auseinandersetzungen der Menschheitsgeschichte dargestellt. In Österreich sind das beispielsweise Schlachten aus der Römerzeit beim Römerfest in Carnuntum. Königgrätz bildet dabei keine Ausnahme. Jahr für Jahr findet in Chlum ein dreitägiges Kriegsspiel mit über 500 Reenactment-Soldaten statt. Die Schauspieler sind Angehörige verschiedener historischer Vereine. Alleine in Tschechien beträgt ihre Zahl über 30 mit dutzenden Mitgliedern pro Verein.
Königgrätz 2016
Der Preußisch-Österreichische Krieg wirkt trotz seiner lückenhaften wissenschaftlichen Aufarbeitung noch immer ausgesprochen „lebendig“. 150 Jahre nach der militärischen Entscheidung westlich der Festungsstadt Königgrätz sind es neben Museen und sporadisch erschienen Fachbüchern hauptsächlich Menschen, die die Erinnerung an 1866 wach halten. Reenactment-Soldaten, Privatvereine und Hobby-Historiker sind Jahr für Jahr bemüht, dieses wichtige historische Ereignis einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. Unterstützt werden sie dabei, wenn auch indirekt, auf staatlicher Ebene. Straßennamen und Plätze, Denkmäler und ähnliche Objekte erinnern heute an diesen Konflikt und werden unbewusst von den Einwohnern dieser Ortschaften rezipiert.
Die damaligen Kämpfe werden in Österreich, Deutschland und Tschechien unterschiedlich wahrgenommen. In Österreich wird das Thema zurückhaltend behandelt, in Deutschland ist es kaum präsent. In Tschechien erfreut es sich hingegen einer großen Beliebtheit. Königgrätz entwickelte sich dort zu einem eigenständigen Zweig des Tourismus, der kräftig propagiert wird. Auch im Jubiläumsjahr 2016 war die Republik Tschechien das „Flaggschiff“ der Erinnerung an 1866. In Österreich wird Königgrätz vor allem als eine Schlacht begriffen, in der das preußische Zündnadelgewehr gegenüber dem österreichischen Vorderlader zum Sieg führte. Der Krieg und seine Auswirkungen auf die Geschichte werden seltener thematisiert.
In Deutschland leidet der Preußisch-Österreichische Krieg unter Desinteresse. Hier ist die unterschiedliche Schwerpunktsetzung der Geschehnisse der Hauptgrund. Die nationale Vereinigung wurde erst durch den dritten Einigungskrieg in den Jahren 1870/71 möglich. Das Jahr 1866 wird dabei als eine nötige geschichtliche Station auf dem Weg zur Reichsbildung verstanden.
Abschließend ist der aktuelle Stand der Geschichtswissenschaft in Bezug auf Königgrätz zu erwähnen. Dort wird dieses Thema von den Historikern als „Waisenkind“ behandelt. Abgesehen von vereinzelten Publikationen, die sich teilweise auf den Wissenstand des beginnenden 20. Jahrhunderts beziehen, versinkt die Historikerbranche immer mehr in Schweigen. Das widerspricht der historischen Rolle des Ereignisses: Bis 1866 gab es ein mächtiges Österreich, das danach nur noch ein Schatten seiner einstigen Stärke war. Nach Königgrätz begann die langsame, aber unausweichliche Agonie Alt-Österreichs, das im Jahr 1918 letztendlich unterging.
Resumee
Was nach der Schlacht von Königgrätz passierte, prägt bis heute das Alltagsleben der Völker, nicht nur in Österreich, sondern quer durch Europa. Die Gräuel des Zweiten Weltkrieges oder die Gefahr eines möglichen Atomkrieges während des Kalten Krieges begannen nicht mit dem Preußisch-Österreichischen Krieg. Dieser Konflikt war jedoch die entscheidende Weiche, die gestellt wurde, um den Zug der Geschichte dorthin zu bewegen, wo er heute steht.
Gábor Orbán absolviert ein Master-Studium für Geschichte an der Universität Wien.