• Veröffentlichungsdatum : 21.10.2020
  • – Letztes Update : 28.10.2020

  • 15 Min -
  • 2994 Wörter
  • - 23 Bilder

Ablauf der „Bärentatze"

Horst Pleiner

Der konkrete Verlauf der Übung „Bärentatze“ vom 11. bis 14. November 1969 ist, soweit das nachträglich vor allem für den ersten Übungstag möglich war, in zahlreichen Veröffentlichungen ausreichend dokumentiert (siehe Literaturverzeichnis) und wird daher in diesem Beitrag nicht in allen Einzelheiten dargestellt. Vielmehr wird auf einige Brennpunkte und damit verbundene Probleme hingewiesen.

Der Kleinkriegszug/HSNS wurde aus den Längerdienenden des voPD-Zuges und dem Kleinkriegs-Kader der HSNS gebildet. Am 7. November 1969 wurde durch den eingeteilten Zugskommandanten Foidl und einige Unteroffiziere in Zivil mit Zivil-Kfz die Einsatzzone erkundet. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Ortschaft Ruprechtshofen, dort den Gasthof „Teufl“ und den Pfarrbereich, sowie die Brücken über die Mank und die Erlauf gelegt. Dabei fanden sich für Überfälle und Hinterhalte geeignete Geländeteile an der Mank, in Ruprechtshofen und im Zwischengelände. Der Kleinkriegszug wurde als Ergebnis der Erkundung in drei Gruppen gegliedert, die einen Überfall in Ruprechtshofen, eine Sprengung einer Mank-Brücke und einen Hinterhalt in einem Waldstück ausführen sollten.

11. November 1969: Erster Übungstag 

Die vorgelegte Angriffsplan der Partei „Orange“ enthielt den Ansatz des Gardebataillons ab 11. November 0000 Uhr zu Fuß aus dem Raum ostwärts Rabenstein über das die Straße nach Kettenreith begleitende Höhengelände. Die Übungsleitung erkannte die Problematik dieses Vorhabens für den Ablauf bei der 1.JgBrig und legte daher fest, das Gardebataillon dürfe nicht vor 0500 Uhr in Kettenreith wirksam werden. Die 1.JgBrig erwartete im Hinblick auf den nach „Ostgrundsätzen angreifenden mechanisierten“ Feind keinen infanteristischen Angriff durch das bewaldete Höhengelände in die rechte Flanke des dort eingesetzten Jägerbataillons 2. Diese Flanke hatte die 2. Kompanie/JgB2 zu sichern, die aber vor allem in der Widerstandslinie A einen Gefechtsstreifen von rund 6 km Breite zeitlich begrenzt verteidigen sollte. Dementsprechend waren deren Kräfte auseinandergezogen und die rechte Flanke nur schwach besetzt. Das Gardebataillon trat mit der 2. Kompanie/GdB, geführt vom bewährten Oberleutnant Udo Rumerskirch, um 0100 Uhr des 11. November vorne durch das Waldgelände nördlich der Straße Rabenstein, Kettenreith an und gewann unerkannt eine Ablauflinie unmittelbar vor Kettenreith. Dort wurde bis 0500 Uhr gewartet und dann im Bachbett in Kolonne in den ruhigen Ort eingesickert. Etwaige vorgeschobene Aufklärung der 2. Kompanie/JgB2 hatte nichts gemeldet und so traf der plötzliche Angriff im Ort die schwachen Kräfte der 2. Kompanie /JgB2 und dann auch der westlich anschließenden 1. Kompanie/JgB2 völlig überraschend und wurde von den Schiedsrichtern als klarer Erfolg anerkannt.

Innerhalb von 30 Minuten war dann die Lage am rechten Flügel der Widerstandslinie A für das Kommando des Jägerbataillons 2 unübersichtlich und nicht mehr bewältigbar geworden. Die der 2. Kompanie/GdB folgenden Teile des Gardebataillons zogen nach Kettenreith nach und unterbrachen damit der „blauen“ Kampfgruppe „Sommer“ die südlich Kilb vorgesehene Absetzmöglichkeit. Zu dem Zeitpunkt befand sich die Kampfgruppe „Sommer“ nordostwärts von Kettenreith gerade im Gefecht mit den AMX 13 der Spitze der „orangen“ Kampfgruppe des Panzergrenadierbataillons 35. Das „orange“ Gardebataillon organisierte sich daher kaum beeinträchtigt zur Sicherung von Kettenreith und für die Weiterführung des Angriffes. Als dann um ca. 0800/0830 Uhr die Spitze der „orangen“ Kampfgruppe/PzB1 in Kilb eintraf und die „blaue“ KG „Sommer“ damit eingeschlossen war, wurde das Gardebataillon „neutralisiert“ und so den noch „intakten“ Kräften der 2. Kompanie/JgB2 und der Kampfgruppe „Sommer“ in den folgenden zwei Stunden ein Herausziehen ermöglicht. Zu dem Zeitpunkt waren weiter westlich auch die „orange“ Aufklärungskompanie 9 und ein Teil des Panzerbataillons 33 beim Jägerbataillon 4 in die Widerstandslinie A bis in den Raum Simonsberg eingebrochen und die Spitzenkompanie des Panzerbataillons 1 hatte schon, bei nur sporadischem Widerstand durch „Blau“, von Kilb auf Mang eingedreht. Die 9.PzGrenBrig war durch diese Erfolge „hochmotiviert“.

Zu dem Zeitpunkt war für die 1.JgBrig eine geordnete Kampfführung in der Widerstandslinie A und ein geordnetes Absetzen auf die Widerstandslinie B oder allenfalls doch weiter in die Tiefe (eventuell sogar bereits bis an den VRV an der Erlauf) nicht mehr möglich. Gegen 1130 Uhr hatte der Stab der 1.JgBrig keine ausreichende Übersicht der Lage, der Chef des Stabes war über die Entwicklung empört, sah die 1.JgBrig durch die Übungsleitung „geopfert“ und der Brigadestab war durch das Auftreten der (zahlreichen) Beobachter und Besucher genervt. Die Verbindungen waren nur teilweise vorhanden, das Jägerbataillon 2 war in Teilen im Zurückgehen oder verharrte in Stellungen, das Jägerbataillon 4 versuchte wenigstens Teile aus der Widerstandslinie A auf St. Leonhard zurückzunehmen und dort mit der 1. Kompanie/JgB4 und allenfalls Teilen der Kampfgruppe „Pucher“ eine Riegelstellung zu beziehen. Die Teile der 2.Kompanie/JgB4 befanden sich „aufgelöst“ noch weiter nordostwärts und die Bataillonsreserve war südwestlich St. Leonhard schon im Tal der Melk eingesetzt.

Diese Kampfgruppe „Pucher“ bestand aus der durch einem Zug der leichten Kampfpanzer M41 verstärkten Panzergrenadierkompanie/PzGrenB11 (Ausb) und war als Reserve der 1.JgBrig in der Tiefe des Jägerbataillons 4 bereitgestanden, sollte aber eventuell auch Angriffe aus der rechten Flanke abriegeln. Nach Ansicht von Beobachtern befanden sich die Reserven aber dafür insgesamt zu weit von der Widerstandslinie A entfernt Als der Angriff von „Orange“ beim Jägerbataillon 4 unerwartet rasch und weitgehend ungehindert an den vorne eingesetzten Jägerstützpunkten vorbeigelaufen war, hatte diese Brigadereserve/KG „Pucher“ noch improvisiert mit den M41 und einigen SPZ etwas überhöhte Stellungen hinter St. Leonhard beziehen können, die gutes Schussfeld aufwiesen. Die vordersten Teile von „Orange“ gerieten ins Schussfeld der M41 und nach deren „Feuereröffnung“ kam der „Orange“ begleitende Schiedsrichter zum Kommandanten der Reserve und erklärte alle dort stehenden Teile der Reserve für „tot“. Es folgte dann eine Auseinandersetzung zwischen dem handfesten Kompaniekommandanten und dem Schiedsrichter an deren Ende der „blaue“ Kommandant vor Ort dem Schiedsrichter den Blick auf sein blankes Hinterteil gewährte. Das blieb aber ohne Folgen, die als ausgefallen erklärte Kampfgruppe „Pucher“ mit den M41 begann sich abzusetzen und die beiden Streithähne haben sich etwas später wieder versöhnt.

Gegen 1230 Uhr hatten sich mit Unterstützung der Schiedsrichter Teile der 2. Kompanie/JgB 2 und der Kampfgruppe „Sommer“ bei Oberndorf und südlich davon bei St. Georgen, verfügbare rPak-Teile westlich Oberndorf und Reste der 1. Kompanie/JgB 2 westlich der Melk am Hügelbereich vor Baumbach eingerichtet. Die „orange“ Heeresaufklärungsabteilung griff als linker Flügel von „Orange“ mit ihrer (-) Aufklärungskompanie und der gestaffelt folgenden Pionierkompanie zbV/KdoB an der Bewegungslinie über Texing nach St. Georgen an der Leys und nördlich davon mit restlichen Teilen der (-) Aufklärungskompanie und der ganzen Sicherungskompanie/SiB Wien auf Oberndorf an. Am frühen Vormittag des 11. November war Texing gewonnen und als die (-) Aufklärungskompanie/HAA später bei St. Georgen an der Leys von Teilen des Jägerbataillons 2 abgewehrt wurde, schloss die Pionierkompanie zbV/KdoB unmittelbar auf.

Die „orangen“ Kampfgruppen 35 und 1 hatten am späten Vormittag bereits das Tal der Melk zwischen Oberndorf und Etzen gewonnen und zur Fortsetzung des Angriffes nach Westen in das anliegende Hügelgelände eingedreht. Im Norden der 1.JgBrig war die „orange“ Kampfgruppe 33 bereits westlich St. Leonhard in den Raum Fittenberg, Grabenegg gestoßen. Das Jägerbataillon 4 war damit „hinten geblieben“, das Jägerbataillon 2 nur mehr in Teilen verfügbar. Denen standen noch Absetzmöglichkeiten an die Erlauf offen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Neutralisierung des Gardebataillons aufgehoben und „Orange“ befahl die Nachführung des Bataillons im motMarsch nach Nordwesten, um für den Kampf um die wesentlichen Erlauf-Übergänge beiderseits Wieselburg ausreichend infanteristische Kräfte zur Verfügung zu haben.

In der Lage erfolgte der von der 9.PzGrenBrig in Kenntnis des zusätzlichen Erlauf-Überganges bei Mühling und der Gängigkeit der Zufahrt am Ostabbruch des Tales für SPZ und AMX 13 vorgeplante Angriff auf diesen Übergang. Für „Blau“ überraschend erfolgte gegen 1300 Uhr die Anlandung einer „orangen“ Luftlandekompanie hart westlich der Erlauf im Raum Mühling. Dieser gelang es den „Brückenkopf“ Mühling zu sichern und örtliche Kräfte abzuwehren. Die „orange“ Kampfgruppe 35 wurde gleichzeitig in Richtung Mühling angesetzt, nördlich davon die Kampfgruppe 1 auf den Übergang in Wieselburg und die Kampfgruppe 33 und dem in Anfahrt befindlichen Gardebataillon auf den Übergang Petzenkirchen.

Bei der Partei „Blau“ waren am beginnenden Nachmittag die wieder verfügbaren Teile des Jägerbataillons 2 und der Kampfgruppe „Sommer“ im Ausweichen auf den Raum Purgstall und Schauboden. Die 1.JgBrig erhielt Meldung von der „orangen“ Luftlandung und befahl einen Gegenstoß auf den Luftlandekopf bei Mühling. Allerdings fehlten dafür die Kräfte. Das Jägerbataillon 23 war zu dem Zeitpunkt mit ersten Teile im „Anrollen“ in Richtung Kleine Erlauf, vorderste Teile und örtliche Gruppen unternahmen einen schwachen Gegenstoß. Dieser wurde von den Luftlandekräften zwar mit Mühe abgewehrt, aber dann traf schon die Spitze der Kampfgruppe 35 an der Erlauf ein und überschritt dieses Hindernis unbehindert auf der Brücke Mühling. Die vordersten Kräfte der Kampfgruppe 35 traten westlich der Erlauf gegen 1430 Uhr aus dem Brückenkopf gerade gegen Marbach und nach Norden Richtung Wieselburg an, als der im Raum anwesende GTI, General Erwin Fussenegger, die Neutralisierung dieser Kräfte anordnete. Damit war der frühzeitige Zusammenbruch der Verteidigung an der Erlauf zwar verhindert, nicht aber der demotivierende Eindruck der Lageentwicklung auf die Partei „Blau“. Das (+) Jägerbataillon 23 erhielt einen neuen Auftrag und hatte nunmehr Stellungen westlich der Kleinen Erlauf zwischen Steinakirchen, Marbach und Wolfpassing zur Aufnahme der 1.JgBrig zu beziehen. Das wurde in den folgenden Stunden sozusagen aus der „Bewegung“ durchgeführt.

Bis zum frühen Abend waren Teile der „orangen“ Kampfgruppe 33 und des Gardebataillons bei Petzenkirchen an und über die Erlauf gelangt, die Kampfgruppe 1 stand vor und südlich Wieselburg, die Kampfgruppe 35 war neutralisiert bei Mühling stehen geblieben und die Heeresaufklärungsabteilung war ostwärts und nördlich von Purgstall durch Teile Jägerbataillon 2 vorerst zum Stehen gebracht worden. In dieser Lage erfolgte (möglicherweise auf Intervention des GTI) eine Übungsunterbrechung und daran anschließend eine Besprechung der Übungsleitung sowie eine darauffolgende Schiedsrichtereinweisung. Der GTI hat in dieser Phase (vermutlich unterstützt durch den ebenfalls anwesenden General Bach) eingegriffen und die dringliche Zuführung des am TÜPL Allentsteig befindlichen Panzerbataillons 4 und der Panzerjägerkompanie 4 aus Freistadt angeordnet. Gleichzeitig wurden die Teile der „blauen“ 1.JgBrig ostwärts der Erlauf eingesammelt und über die Erlauf zurückgeführt, die Kräfte der 9.PzGrenBrig hatten zu verbleiben, einzelne Teile im Raum Petzenkirchen wurden (angeblich) zurückgenommen. In der Nacht zum 12. November wurde den Einheiten der Partei „Orange“ wiederum warme Verpflegung nachgeführt. Das war in der Nacht zum 11. November knapp vor Übungsbeginn nicht überall wirklich gut angekommen, aber in der folgenden Nacht nach dem „Kaltverpflegungstag“ dann umso mehr.

Kleinkrieg während der „Bärentatze“

Der Kleinkriegszug hatte sich am 10. November in der Einsatzzone in einem Ausgangslager nordwestlich St. Leonhard am Forst eingerichtet, ein „Informationsnetz“ durch die Katholische Jungschar in und um Ruprechtshofen aufgebaut und erhielt in der Folge einige Meldungen über die vorstoßenden „Feindteile“. In der Nacht zum 11. November hat die für die Mank-Brücke vorgesehene Gruppe die Verstärkungen der Brücke herausgeschlagen und es gelang durch einen Schiedsrichter, die dann noch in der Dunkelheit anrollende SPz-Kompanie von „Orange“ erheblich durch die tatsächlich fehlende Brückenverstärkung zu verärgern und den weiteren Angriff deutlich zu verzögern. Im Laufe des 11. November erhielt der Kleinkriegszug Informationen über die Einrichtung eines „feindlichen“ Gefechtsstandes im Gasthof „Teufl“ in Ruprechtshofen und die für den Überfall eingeteilten zwei Gruppen des Kleinkriegszuges sickerten nach Einbruch der Dunkelheit mittels Zivil-Kfz in die Ortschaft ein und sammelten in einer dem Gasthof gegenüberliegenden Tischlerei.

In der Nacht erfolgte die Annäherung an das von Teilen einer Kompanie des Sicherungsbataillon Wien gesicherte Ziel. Zwei Wachposten wurden „ausgeschaltet“ und dann der Gefechtsstand erfolgreich „gestürmt“. Das überraschte Stabspersonal wurde teilweise durch Schiedsrichter deaktiviert, im Erdgeschoss des Hauses entwickelte sich eine „Wirtshausrauferei“ und dennoch konnten sich die Kleinkriegskräfte zurückziehen und in der Tiefe der Partei „Orange“ zu ihrem Ausgangslager absetzen. Bei dem „Gefecht“ kam es zu einigen Sachschäden und nachfolgenden Beschwerden von Gefechtsopfern unter dem Stabspersonal. Gleichzeitig sollte eine andere Gruppe des Kleinkriegszuges eine Störaktion gegen den naheliegenden Hubschrauberlandeplatz durchführen. Einzelheiten sind nicht bekannt. Bis zum Übungsende blieb der Kleinkriegszug dann unentdeckt im Randbereich des Hiesberges, für weitere Aktionen reichten der rasche Ablauf der Übung und die insgesamt noch verbleibenden 36 Stunden bis zum Ende nicht aus.

12. November 1969: Zweiter Übungstag

In der Nacht zum 12. November hatte sich dann die 1.JgBrig westlich der Erlauf mit dem Jägerbataillon 2 rechts zwischen Neustift und Schauboden, der (+) Panzerjägerkompanie 6 (Panzerabwehrriegel nach Norden quer über das Tal der Kleinen Erlauf) und dem Jägerbataillon 23 in der Mitte zwischen Schauboden und Loising sowie dem Jägerbataillon 4 links zwischen Marbach und Petzenkirchen einzurichten. Wohlgemerkt so auf die schnelle und unrealistische Art, ohne Zeit für Erkundung bei Tageslicht, Ausbau von Kampfdeckungen oder Errichtung von Hindernissen. Aber immerhin war ein Fortgang der Übung ermöglicht, nachdem auch für die Partei „Orange“ einige bereinigende Anordnungen getroffen wurden.

Im weiteren Verlauf der Übung „Bärentatze“ am 12. November ergab sich sozusagen „normales“ Manövergeschehen im Raum Petzenkirchen, Wieselburg und von dort weiter nach Südwesten im Tal der Kleinen Erlauf. Es gelangen „orange“ Einbrüche beim Jägerbataillon 23 und der dort zusätzlich verfügbaren Kampfgruppe „Pucher“ bis 1630 Uhr auf Wang und westlich Marbach bis Ströblitz. Beim Jägerbataillon 2 im Raum Saffen, Scheibbs gab es nur geringe Gefechtstätigkeit. Bis vor die Erlauf bei Purgstall hatte die Heeresaufklärungsabteilung am Vormittag des 12. November keine Feindberührung. Der zur Aufklärung angesetzte Kommandant der Pionierkompanie zbV/KdoB gelangte unbehelligt an die Erlaufbrücke in Purgstall, die als gesprengt deklariert war. Es wurde daher nach einer Furtmöglichkeit gesucht und tatsächlich südlich Purgstall auch gefunden und westlich der Erlauf dann weiter aufgeklärt. Es wurden Teile von „Blau“ gesichtet. Das wurde dem Abteilungskommando gemeldet und vorgeschlagen die Aufklärungs- oder die Sicherungskompanie über diese Furt nachzuziehen. Beim Kommando war aber nur der Adjutant erreichbar, der dazu feststellte „der Kommandant sitzt in seinem Dodge im Wald wie Barbarossa im Kyffhäuser und rührt sich nicht und agiert nicht“. Das war keine Motivation für den aufklärenden Kommandanten, der inzwischen zumindest Teile seiner Kompanie mit den GMC-Lastwägen über die Furt hatte nachziehen lassen. Danach kippte einer der GMC auf dem Feldweg bergauf um, konnte aber ohne Schäden oder verletzte Soldaten wieder aufgerichtet werden. Als nach etwa einer Stunde die vorgeschobene Sicherung der Pionierkompanie zbv/KdoB die Annäherung „blauer“ Infanteriekräfte beobachtete, zog sich die Pionierkompanie zbV/KdoB auf die Höhe unmittelbar westlich der Erlauf zurück und hatte dann sogar noch Feindkontakt. Während des weiteren Ansatzes der Heeresaufklärungsabteilung im Raum Purgstall am 12. November folgte die Pionierkompanie zbV/KdoB hinter der Aufklärungskompanie/HAA und der Sicherungfskompanie/SiB Wien nach und war nicht mehr in das „Kampfgeschehen“ einbezogen.

Gegen 1700 Uhr des 12.November erfolgte erneut eine Übungsunterbrechung zur Umgruppierung bei „Blau“ und „Orange“ für die abschließende Phase der Übung. Für die Partei „Blau“ traf nun das Panzerbataillon im Raum Ferschnitz ein. Die Panzerjägerkompanie 4, Pionierteile und das Grenzschutzbataillon „Allentsteig“ bezogen Riegelstellungen vorwärts der Ybbs zwischen Truckenstetten und Wolfsberg als Regimentskampfgruppe „Ybbs“. In den Abendstunden ergingen durch die Übungsleitung die Befehle für den Gegenangriff am 13. November 1400 Uhr, den die 3.PzGrenBrig zusammen mit dem Panzerbataillon 4 und dem durch die Kampfgruppe „Pucher“ verstärkten Jägerbataillon 2 zu führen hatte. Am Abend des 12. November hatte die KG „Pucher“ mit ihren M41 und SPz in Anlehnung an eine Schottergrube einen gesicherten Verfügungsraum bei Wang bezogen. In den folgenden Nachtstunden fand sich der Kommandant des Jägerbataillon 23 beim Kampfgruppenkommandanten und schlug vor, am frühen Morgen des 13. November einen Angriff zusammen mit Teilen des Jägerbataillons im Tal der Kleinen Erlauf in Richtung Norden zu führen. Das Ansinnen wurde mit der Begründung abgelehnt bei einem Nachtangriff bestehe ein zu großes Risiko. Der Kommandant des Jägerbataillons bestand zunächst auf seinem Auftrag. Als ihm gegenüber aber klargestellt wurde, dass dann die Verantwortung für Unfälle oder Schäden bei ihm liegen würde, wurde auf den Ansatz der gepanzerten Teile verzichtet. Übrigens fand dann auch kein Angriff von Teilen des Jägerbataillons 23 statt. In dieser Phase hat das Heerespionierbataillon eine D-Brücke über die Kleine Erlauf errichtet und dann in den Raum nördlich Wieselburg verlegt.

13. November 1969: Dritter Übungstag

Bei strömendem Regen griff die Partei „Orange“ am Morgen des 13. November erneut, nunmehr in westlicher Richtung in dem Hügelland, westlich der Kleinen Erlauf an und erzielte bis ca. 1200 Uhr einen Einbruch westlich Steinakirchen bis in den Raum Senftenegg. Dabei konnten die nach Norden in den Raum Wieselburg verlegte Heeresaufklärungsabteilung und das Heerespionierbataillon als Sicherung der rechten Flanke von „Orange“ westlich Wieselburg den Hügelbereich ostwärts der Ybbs gewinnen. In der Folge wurde die 9.PzGrenBrig vom um 1230 Uhr beginnenden Gegenangriff von „Blau“ betroffen. Auf Grund der Witterung hatte man am Morgen des 13. November den Zeitpunkt vorverlegt. Gemäß Angriffsplan trat das gemischte Panzergrenadierbataillon 9 südwestlich Neumarkt a.d. Ybbs in südlicher Richtung an. Der Angriff des gemischten Panzerbataillons 10 wurde südlich Kottingburgstall ebenfalls nach Süden angesetzt. Das im Raum Ferschnitz bereitgestellte Panzerbataillon 4 stieß von dort in ostwärtiger Richtung vor. Das Jägerbataillon 2 (!) hatte aus dem Raum westlich Wang nach Norden auf Senftenegg anzutreten und die unverwüstliche Kampfgruppe „Pucher“ sollte aus Wang im Tal der Kleinen Erlauf auf Steinakirchen vorstossen.

In der abschließenden Übungsphase standen sich daher ostwärts Ferschnitz das Panzerbataillon 1 unter Kommando von Major Dworak (dem Jüngeren) und im Gegenangriff das Panzerbataillon 4 geführt von Oberstleutnant Dworak (dem älteren Bruder) gegenüber. Die beiden Brüder haben sich kurzerhand über die „Frontlinien hinweg“ in Verbindung gesetzt und brüderlich festgelegt, was in dem strömenden Regen und dichter werdenden Nebel noch zu tun sei. Das Gespräch ist im Detail nicht überliefert, aber danach erlosch dort die Gefechtstätigkeit zwischen den beiden Panzerverbänden und man wartete unter Vermeidung weiterer Flurschäden das Übungsende ab.

Die Übungsleitung hätte mit dieser Disposition eine Lage herbeigeführt, in der die westlich Steinakirchen und Wang befindlichen Teile von „Orange“ von der Einschließung bedroht gewesen wären. Allerdings wurde dieser Gegenangriff bei den schlechten Wetter- und Sichtbedingungen kaum wahrgenommen und daher schon um 1400 Uhr die „Bärentatze“ abgebrochen. Die erhoffte positive und motivierende Auswirkung des Gegenangriffes trat allerdings nicht ein. Auf eine Episode soll verwiesen werden: Das Heerespionierbataillon war gegen Mittag des 13. November westlich Wieselburg zwischen Echling und Königstetten mit zwei Kompanien zur Abwehr übergegangen. Als der Gegenangriff von „Blau“ mit infanteristischen Teilen bei heftigem Regen südostwärts Kemmelbach begann, gelang es den Angreifern bei der 2. Kompanie/HPiB durch einen Waldabschnitt zu einer freien Höhenkuppe einzubrechen. Dort befand sich der Kompaniegefechtsstand der 2. Kompanie/HPiB in einem Bauernhof und die Gefechtsstandbesatzung bezog eifrig die vorbereiteten Alarmstellungen. Gerade als die Feuereröffnung vom Kompaniekommandanten befohlen werden sollte, traf überraschend ein Schiedsrichtertrupp ein und verkündete das „Übungsende“. Die so um „ihr“ Gefecht gebrachten Pioniere waren trotz des Regens davon höchst enttäuscht.

zur Artikelserie

General i. R. Horst Pleiner war von 2000 bis 2002 der letzte Generaltruppeninspektor des ÖBH.

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)