• Veröffentlichungsdatum : 23.05.2016
  • – Letztes Update : 08.03.2017

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  • 1212 Wörter

Verteidigung - Steilfeuer

Markus Ziegler

Teil 2 der Serie: Bewegliche Einsatzführung in der Verteidigung

Steilfeuer ist das aus einer indirekt auf das Ziel gerichteten Waffe abgegebene Feuer mit stark gekrümmter Geschoßflugbahn.

In weiterer Folge werden aktuelle Parameter von weltweit verfügbaren Waffensystemen und Munitionsarten dargestellt. Sie bilden die Grundlage, um eine Beurteilung der Konfliktparteien auf dem modernen Gefechtsfeld durchführen zu können. Die Waffensysteme umfassen Raketenwerfer, Panzerhaubitzen, Haubitzen, Kanonen und Granatwerfer.

Grundsätzliche Strukturen

Brigade
Eine Brigade verfügt zumindest über ein Artilleriebataillon mit drei schießenden Batterien. Das sind 18 bis 24 Rohrartilleriesysteme. Zusätzlich können von der übergeordneten Führungsebene weitere Rohr- oder Raketenartilleriebataillone unterstellt werden.

Bataillon
Ein infanteristisches Kampfbataillon verfügt über zug- bis kompaniestarke Granatwerferelemente mit je vier bis acht Granatwerfern.

Zusätzlich kann dem Bataillon ein Batteriekommando mit drei bis fünf Beobachtungstrupps (BTrp) bzw. eine Joint Fire Support Group (JFSG - kombinierte Feuerunterstützungsgruppe; Anm.) mit mehreren Joint Fire Support Teams (JFST) unterstellt werden. 

Kompanie 

Grundsätzlich verfügen Infanteriekompanien über eine leichte oder eine mittlere Granatwerfergruppe mit zwei oder drei Granatwerfern.

Zusätzlich können der Kp ein bis zwei BTrp/JFST unterstellt werden, welche das Steilfeuer der übergeordneten Führungsebene leiten.

Feuerkampf im Steilfeuerelement

Beobachterorganisation (BTrp, Radar) 

Diese führt durch Zielaufklärung die Feueranforderung durch, beobachtet das Feuer und stellt die Wirkungsaufklärung sicher.

Rechenstelle 

Sie berechnet aufgrund der Feueranforderung des BTrp die Seitenrichtung, Rohrerhöhung und Treibladung sowie die Munitionsart und -anzahl für das Feuerelement.

Feuerelement 

Dieses Element bereitet die Munition vor, richtet und feuert auf Kommando.

Wirkung der Artillerie

Im ÖBH sind derzeit nur Spreng-, Nebel- und Leuchtgranaten in der Munitionsausstattung für Steilfeuerwaffen vorhanden. Deshalb ist es in der Aus- und Fortbildung notwendig, über die in anderen Armeen vorhandenen Waffensysteme, Munitionsarten und Wirkungsweisen zu informieren. Die Leistungsparameter der gegnerischen Artillerie haben in die Beurteilung der Lage einzufließen. Kennt oder versteht ein Kommandant die Wirkung der gegnerischen Artillerie nicht, wird er sie im Einsatz unterschätzen. Dadurch kann seine Truppe durch Steilfeuer bereits vernichtet sein, bevor sie überhaupt ins Gefecht tritt.

Feuergeschwindigkeit

Multiple Shot - Single Impact bedeutet, dass ein Geschütz in einer bestimmten Zeit mehrere Granaten verfeuert, die dennoch alle gleichzeitig im Ziel einschlagen. Das gelingt, indem die Rechenstelle für jede Granate eine eigene Flugbahn berechnet. Die erste Granate wird mit einer großen Treibladung auf hoher Flugbahn verschossen, wodurch sich eine lange Flugzeit ergibt. Die nächste wird auf einer kürzeren Flugbahn ins Ziel geschickt und die letzte, gleichzeitig detonierende, Granate wird auf einer möglichst gestreckten Flugbahn mit hoher Geschwindigkeit abgefeuert.

Am Beispiel der Panzerhaubitze 2000 der Deutschen Bundeswehr bedeutet das: Ein Panzerartilleriebataillon mit 24 Geschützen, kann im Idealfall jeweils sechs Granaten pro Rohr gleichzeitig in der Zielfläche einschlagen lassen. Innerhalb von einer Sekunde detonieren demnach 144 Granaten im Ziel.

Steilfeuer: Folgerungen

Der BTrp „schießt“ gemeinsam mit dem Steilfeuer:

  • Erkannte BTrp müssen bekämpft oder geblendet werden.

Eigene BTrp haben Stellungspriorität vor Kampfelementen. 

Zielfläche Artillerie: Folgerungen

Durch Auflockerung wird verhindert, dass der Gegner ohne präzise Aufklärung der Stellungen Vorbereitungsfeuer schießt:

  • Kräfte so aufgelockert wie möglich einsetzen, ohne dass dadurch das Zusammenwirken der Kräfte verloren geht.

Wird der Verlauf der FEBA aufgeklärt, wird Steilfeuer auf die dort eingesetzten Kräfte gelegt werden:

  • Die gegnerische Aufklärung darf die FEBA nicht aufklären.
  • Nur ein vorgestaffelter Einsatz von eigenen Kräften kann die feindliche Aufklärung abwehren.

Munitionswirkung

Zusätzlich zu den in Österreich eingeführten Munitionssorten müssen Kommandanten die Wirkung von Bomblet- und Suchzündermunition kennen. Zu den Feuerbegriffen: Zerschlagen (Ausfallsrate ca. 30 Prozent), Niederhalten, Blenden und Ausleuchten kommt durch diese Munitionssorten der Feuerbegriff Vernichten (Ausfallsrate mindestens 50 Prozent) dazu. So können harte (gepanzerte) Ziele, wirkungsvoll bekämpft werden, was mit Sprengmunition nicht möglich ist. Neben diesem Aspekt ist zu erwähnen, dass Minenfelder mittels Raketenartillerie „fernverlegt“ werden können.

Bombletmunition

Eine 15,5-cm-Bombletgranate hat 63 Tochtergeschoße (Bomblets) geladen, die über dem Zielraum ausgestoßen werden. Abgesehen von dem Verfahren Multiple Shot - Single Impact kann jedes Artilleriegeschütz in den ersten 15 Sekunden drei Granaten verschießen.

Das bedeutet: ein Artilleriebataillon mit 24 Geschützen verschießt in 15 Sekunden 72 Granaten mit insgesamt 4 536 Bomblets. Diese detonieren innerhalb von 15 Sekunden in der Zielfläche von 100 x 100 m.

Ein Bomblet wirkt gegen Infanterie wie eine Offensivhandgranate. Bei Bombletgranaten der ersten Generation gibt es ein Drittel Blindgänger. Diese Wirkung ist beabsichtigt und führt zu einer Verminung des Zielraumes. Als Folge müssen jene Soldaten, die das Steilfeuer verwundet überlebt haben, quasi aus einem Schützenminenfeld geborgen werden. 

Bombletmunition (ebenfalls bezeichnet als Streu- oder Cluster-Munition; Anm.) kann auch mit Raketenartillerie verschossen werden. In einer Rakete des Systems MARS befinden sich 644 Bomblets. Bei zwölf Raketen sind das 7 728 Bomblets je Werfer.

Die Feuerdichte, die durch Bombletgranaten in 15 Sekunden ins Ziel gebracht wird, ist notwendig, um gehärtete und gepanzerte Gegner bekämpfen zu können. Ein GKGF, neben dem eine Artilleriegranate einschlägt, wird sofort einen Stellungswechsel durchführen. Somit hat es nach spätestens 15 Sekunden entweder den Zielraum (die Stellung) verlassen oder es wurde wirkungsvoll bekämpft. In jedem Fall wird es seinen eigentlichen Kampfauftrag nicht mehr erfüllen können. 

Anmerkung: Bombletmunition wird völkerrechtlich geächtet. Österreich gilt als Gegner dieser Munitionsart; deshalb hat das ÖBH keine Bombletgranaten. 

Suchzündermunition

In einer 15,5-cm-Granate befinden sich zwei Tochtergeschoße, die nach dem Ausstoß spiralförmig den Zielraum absuchen. Die abgesuchte Fläche hat einen Durchmesser von etwa 200 Meter. Detektieren die Geschoße ein GKGF, bekämpfen sie dieses mittels einer projektilbildenden Hohlladung.

Diese Munition wirkt nur gegen GKGF. Daher werden bei gleichzeitigem Bekämpfen von GKGF und Infanterie zunächst Suchzündergranaten gegen die Fahrzeuge und unmittelbar danach Sprenggranaten gegen die Infanterie verschossen. Diese Munition kann auch im urbanen Umfeld ohne großen Kollateralschaden eingesetzt werden. Suchzündermunition ist für Rohr- und Raketenartillerie verfügbar.

Raketen mit Panzerminen

Zum Fernverlegen von Minenfeldern, z. B. zum Sperren einer Bewegungslinie für den Einsatz der Reserve, wird Raketenartillerie verwendet. In einer Rakete des Systems MARS befinden sich 28 Panzerminen. Die zwölf Raketen eines Werfers können 336 Minen (eine Batterie 2 688 Minen) in ein Minenfeld mit 1 500 Meter Breite und 500 Meter Tiefe schießen.

Präzision der Munition

Bis vor etwa zehn Jahren war die Artillerie eine reine Flächenwaffe. Mit der Einführung von GPS-gesteuerter Munition und der Erweiterung mit lasergelenkter Munition hat sich die Artillerie zu einer Präzisionswaffe entwickelt. Die Circular Error Probability (CEP), also jener Radius, in dem die Granate einschlägt, beträgt aktuell maximal fünf Meter. Sie ist demnach so gering, dass eine Granate ausreicht, um ein Ziel zu bekämpfen. Das gilt für Spreng-, Bomblet- und Suchzündermunition. Durch die Präzision verringert sich der Munitionseinsatz deutlich.

Mit diesen Granaten können beim Kampf im urbanen Umfeld einzelne Häuser, die aufgrund ihrer Nutzung ein militärisches Ziel sind, präzise bekämpft werden. Ebenso können eingedeckte Stellungen und Unterstände durch Sprenggranaten mit Verzögerungszünder gezielt beschossen werden. GPS-gesteuerte Munition ist für Rohr- und Raketenartillerie verfügbar.

Feuergeschwindigkeit: Folgerungen

 Die gesamte Munitionsmenge des gegnerischen Wirkungsfeuers kann gleichzeitig einschlagen:

  • Eigene Teile haben keine Zeit, um nach den ersten Einschlägen eine Deckung aufzusuchen.
  • Die Aufklärung der eigenen Stellungen (vor dem Auftreffen der Angriffsspitzen auf die FEBA) muss unbedingt vermieden werden.

Wirkung Artillerie: Folgerungen 

Verbindet man Feuergeschwindigkeit (Idealfall: Multiple Shot - Single Impact) mit Munitionswirkung (z. B. von Bombletmunition) mit Präzision (GPS-gesteuerter Munition), wird die vernichtende Wirkung moderner Artillerie deutlich:

  • Eine frühzeitige Aufklärung der eigenen Stellungen vor dem Auftreffen der Angriffsspitzen auf die FEBA muss unbedingt vermieden werden.
  • Werden eigene Stellungen vorgestaffelt aufgeklärt, müssen Wechselstellungen (außerhalb der Wirkungsfläche der Artillerie) bezogen werden.
  • Vor der Präzision und Wirkung moderner Artillerie schützt nur eine bewegliche Einsatzführung.
  • BTrp und JFST, die präzises Steilfeuer leiten können, sind Prioritätsziele.


wird fortgesetzt

Major Markus Ziegler, MA ist Hauptlehroffizier am Institut Jäger der Heerestruppenschule.

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