• Veröffentlichungsdatum : 05.08.2021
  • – Letztes Update : 31.08.2021

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Psychological Operations - Teil 1

Alexander Schiller

Winning Hearts and Minds

Das gezielte Beeinflussen des Gegners ist seit der Antike dokumentiert. Schon damals diente die überzogene Darstellung eigener Heldentaten oder der Gräueltaten des Gegners, das gezielte Streuen von Gerüchten und Geschichten immer nur einem Zweck: der Beeinflussung des Gegners oder der eigenen Truppe, um das Erreichen des eigenen militärischen Zieles zu erleichtern.

Historie

Alexander der Große (356 bis 323 v. Chr.) soll bei seinem Abzug aus zuvor eroberten Städten überlebensgroße Rüstungen, Schuhe, Waffen und Wagenräder gezielt platziert haben, um so den Eindruck von riesenhaften Kriegern zu hinterlassen und seine Gegner einzuschüchtern. Die Truppen Dschingis Khans sollen ihre tatsächliche Größe durch künstliche Staubwolken verschleiert haben. Durch das Streuen von Gerüchten über die Grausamkeit seiner Soldaten sollte der Gegner so eingeschüchtert werden, dass er sich einen Kampf gar nicht erst zu stellen wagte. Einer der ersten Einsätze von Flugblättern, die mit Pfeilen in das feindliche Lager geschossen wurden und den Gegner zur Aufgabe bewegen sollten, ist unter Marcus Antonius und Julius Cäsar (etwa 50 v. Chr.) dokumentiert. Der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) wird als erster Medienkrieg bezeichnet. Durch den massiven Einsatz von Druckschriften und Zeitungen wurde von allen Konfliktparteien eine gezielte Beeinflussung betrieben. Dabei wurde die eigene Legitimation betont und durch das bewusste Übertreiben der Grausamkeit des Gegners wurden die eigenen Truppen zum Kampf motiviert. Die heute noch viel zitierten Strategietheoretiker Sunzi und Clausewitz verweisen in ihren Werken ebenfalls auf die Relevanz der Beeinflussung und Täuschung zum Erreichen eines militärischen Zieles.

Einsatzumfeld in militärischen Konflikten

Bei militärischen Einsätzen wird das Einsatzumfeld bestimmt, durch

  • menschliche bzw. psychologische Elemente (alle Beteiligten und ihre Einstellungen bzw. ihr Verhalten),
  • die Umfeldbedingungen (gegnerische Waffensysteme, Gelände, Infrastruktur, aber auch Klima und Wetter) und
  • das Informationsumfeld (inklusive dem Cyberraum).

Auf dem modernen Gefechtsfeld bzw. in jedem Einsatz einer Armee hat das Beeinflussen und Informieren eine entscheidende Bedeutung. Bedingt durch die technische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte sind alle Staaten mit einer immer stärkeren digitalen Globalisierung und der zunehmenden gegnerischen Beeinflussung im Internet konfrontiert. Diese geschieht auch außerhalb offener militärischer Konflikte. Aus diesem Grund ist die permanente Beobachtung und Analyse des Informationsraumes ebenfalls in Friedenszeiten durch qualifizierte Informationskräfte von großer Bedeutung. Sie erlangt in diesem Kontext als „Counterpropaganda“ eine entscheidende Rolle, wobei sich Schnittpunkte bzw. Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Cyber-Defence-Elementen ergeben. Die NATO fasst die Koordination aller Akteure, die im Informationsumfeld agieren, unter dem Begriff „Strategische Kommunikation“ (Strategic Communication – STRATCOM) zusammen. Durch die rasante Entwicklung von Kommunikationstechnologien und deren Verfügbarkeit gewinnt dieser Bereich immer mehr an Bedeutung. Ein wesentliches Element der Strategischen Kommunikation sind die Psychologischen Operationen (PsyOps).

Definitionen

Die NATO definiert PsyOps als: „Planned activities using methods of communication and other means directed at approved audiences in order to influence perceptions, attitudes and behaviour, affecting the achievement of political and military objectives.” Das Österreichische Bundesheer (ÖBH) definiert PsyOps ähnlich, ergänzt diesen Begriff jedoch mit nationalen Vorgaben: „PsyOps sind geplante, kulturell angepasste, wahrheitsgemäße und mit der militärischen Einsatzführung synchronisierte psychologische Informationsaktivitäten unter Einsatz der Methoden der Kommunikation, um Wahrnehmung, Einstellung und Verhalten von festgelegten Zielgruppen zu beeinflussen und dadurch die militärische Zielerreichung zu unterstützen.“

Im Militärstrategischen Konzept des Bundesheeres 2017 werden die Aufgaben von PsyOps-Kräften wie folgt beschrieben: „Die PsyOps-Truppe ist befähigt, mittels persönlichen Kontakts, Druckwerken, Radio- und TV-Botschaften sowie Nutzung digitaler Medien den Willen und die Moral gegnerischer Kräfte zu beeinflussen und zu schwächen und das Vertrauen definierter Zielgruppen in die eigenen Kräfte zu stärken.“ Die Hauptaufgabe von PsyOps ist es somit, unter Einsatz unterschiedlicher Mittel der Kommunikation, die Einstellung, Wahrnehmung und das Verhalten von Zielgruppen (nach Möglichkeit positiv im eigenen Sinne) zu beeinflussen, um die militärische Auftragserfüllung zu unterstützen. Auf die verschiedenen Zielgruppen bezogen, sollen sie

  • den (Kampf)willen gegnerischer Gruppierungen schwächen,
  • Verbündete in ihrer Einstellung bestärken und
  • neutrale Gruppen für die eigene Sache gewinnen.

PsyOps sind ein „Force-multiplier“ und ein „Non-lethales“ Wirkmittel, womit aggressive Handlungen und Aktionen vermieden oder zumindest eingeschränkt werden können. Somit sind sie auch ein wesentliches Element zum Schutz der eigenen Truppe.

Prinzipien

PsyOps sind ein umfangreiches und komplexes Themengebiet. Die international maßgebliche Vorschrift/Doktrin ist die NATO Allied Joint Publication (AJP) 3.10.1 (B) aus dem Jahr 2014. Diese definiert die Prinzipien:

  • effektbasierte Denkweise (effects-based thinking);
  • Verständnis und Empathie (understanding);
  • Beurteilung (Assessment);
  • frühzeitige Integration und Koordination (early integration and coordination);
  • zeitgerecht (timeliness);
  • wahrheitsgemäß (truthfulness);
  • Zuordenbarkeit (attribution);
  • Glaubwürdigkeit (credibility);
  • Konsistenz (consistency).

Effektbasierte Denkweise

Die Grundüberlegung jedes Soldaten eines PsyOps-Elementes sollte die Frage sein: „Welchen Effekt muss ich erreichen, und welche Rolle spielt dieser im Plan des vorgesetzten Kommandos?“ Hierbei kommt der Zielgruppenanalyse eine wichtige Funktion zu, da alle Handlungen und Aktivitäten auf die definierte Zielgruppe abgestimmt werden müssen.

Verständnis und Empathie

Mit der Zielgruppenanalyse muss das Verständnis über die kulturelle, historische und soziale Zusammensetzung der Zielgruppe geschaffen werden. Alle Produkte müssen in Hinblick auf die grafische Gestaltung, Formulierungen, Symbole und Farben darauf abgestimmt werden.

Beurteilung

Die Auswirkungen von PsyOps auf die Zielgruppe, sowohl beabsichtigte als auch unbeabsichtigte, müssen ständig beobachtet und analysiert werden. So kann rasch auf mögliche negative Reaktionen reagiert werden.

Frühzeitige Integration und Koordination

Alle Aktivitäten im Informationsraum sind innerhalb eines Kommandos durch die Informations-Operationen-Zelle (InfoOps) zu koordinieren. Um PsyOps wirksam zu integrieren, ist eine frühzeitige Einbindung (mit Beginn des Planungsverfahrens) notwendig. Der Planungsoffizier PsyOps ist dafür verantwortlich, in seiner „Area of Interest“ alle relevanten Informationen zu sammeln, zu bewerten, entsprechende Folgerungen zu ziehen und diese für die Gesamtplanung bereitzustellen. Sämtliche Maßnahmen und Effekte müssen stets mit allen anderen Elementen koordiniert werden. In internationalen Einsätzen kommt bei PsyOps-Kräften der Grundsatz „First In – Last Out“ zur Anwendung. Die permanente Analyse des Informationsraumes durch Fachkräfte wird zukünftig, bedingt durch die stetig zunehmende digitale Globalisierung, auch außerhalb von militärischen Konflikten an Bedeutung gewinnen.

Zeitgerecht

PsyOps-Maßnahmen sind in der Regel keine spontan durchgeführten Aktivitäten. Das Erstellen von Produkten benötigt Zeit, da diese zuvor getestet und durch den verantwortlichen Kommandanten bzw. durch Fachfunktionen genehmigt werden müssen. Eine entscheidende Aufgabe für das PsyOps-Personal ist es, bei ihren Kommandanten das Bewusstsein für diesen Zeitbedarf zu schaffen. Abgesehen von z. B. Lautsprecheraufrufen ist die Zielerreichung bzw. der gewünschte Effekt selten unmittelbar feststellbar, sondern als Prozess zu verstehen. Um einen zeitgerechten Einsatz sicherzustellen, ist vorab ein effektiver Planungs- und Genehmigungsprozess festzulegen.

 

Wahrheitsgemäß

PsyOps müssen auf wahren Informationen beruhen (Ausnahme Täuschungsoperationen), da der Einsatz von Falschinformation einen negativen Einfluss auf die Glaubwürdigkeit bei der Zielgruppe hat.

Zuordenbarkeit

Alle PsyOps-Produkte müssen für den „Konsumenten“ klar zuorden- und überprüfbar sein. Das festigt die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in den jeweiligen Ersteller und in die eigenen Kräfte im Einsatzraum.

Glaubwürdigkeit

Das langfristige Ziel von PsyOps ist es, dass ihre Produkte von der Zielgruppe als glaubwürdige Informationsquelle betrachtet werden. Deshalb ist eine gewissenhafte Koordination und Abstimmung durch InfoOps mit allen Elementen von entscheidender Bedeutung. Nur wenn alle Handlungen den verbreiteten Botschaften entsprechen, kann das Vertrauen der Zielgruppe gewonnen oder erhalten werden.

Konsistenz

Alle PsyOps-Produkte müssen sowohl den jeweiligen kulturellen Besonderheiten des Einsatzraumes und der Zielgruppe als auch der Zielsetzung und der Umsetzung der eigenen Elemente aller Ebenen entsprechen. Dadurch erscheinen sie einheitlich und können in sich schlüssig eine Wirkung entfalten.

Elemente und Gliederung

Für effektive PsyOps werden verschiedene Elemente/Fachfunktionen benötigt. Innerhalb der NATO werden die Elemente für den jeweiligen Einsatz spezifisch zusammengestellt (mission tailored) und die genaue Gliederung durch die Erfordernisse des jeweiligen Einsatzes bestimmt. Diese können je nach Führungsebene umfangreicher oder komprimierter ausfallen. Elemente für die Planung und Führung, Analyse (Zielgruppenanalyse), Produktion (Medien) sowie taktische Elemente (z. B. PsyOps-Trupps) sind für effektive PsyOps jedoch immer notwendig.

 

Produkte und Wirkmittel

Auf den jeweiligen Einsatzraum und die Zielgruppe abgestimmt, können unterschiedliche Medien und Kommunikationsmittel eingesetzt werden. Als mögliche Wirkmittel kommen Audio-, Video- oder Printprodukte, aber auch Produkte im Internet oder in sonstigen Medien in Frage. Das Zusammenspiel der einzelnen Elemente bei der Erstellung eines Produktes wird im PsyOps Cycle dargestellt.

Audioprodukte

In bestimmten Einsatzräumen werden durch PsyOps-Kräfte eigene Radiostationen betrieben wie in Afghanistan (Radio Bayan) oder im Kosovo (Radio K4). Ist dies nicht möglich, wird für die Ausstrahlung selbst produzierter Radiospots Sendezeit bei zivilen Sendern gekauft oder eine Sendung im Internet platziert. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, mit eigenen, mobilen Sendeanlagen („Radio in the Box“) Radiospots in einem begrenzten Gebiet auszustrahlen.

Lautsprecheraufrufe können eine unmittelbare Auswirkung auf Menschenmengen haben. Aus diesem Grund müssen sie wohlüberlegt und gewissenhaft vorbereitet eingesetzt werden. Im Normalfall werden sie bereits vorab aufgenommen und als digitales Audiofile bereitgehalten. Lautsprecheraufrufe erfolgen in genauer Abstimmung mit der Truppe vor Ort und müssen immer an die Zielgruppe angepasst sein. In Ausnahmefällen z. B. bei Demonstrationen können Live-Sprüche abgesetzt werden, um auf Lageentwicklungen spontan reagieren zu können.

Videoprodukte

Durch das Produktionselement können Videoclips erstellt werden. Diese können beispielsweise über einen bestimmten Einsatz informieren, die Zielgruppe zu einem gewünschten Verhalten aufrufen, aber auch der „Show of Force“ dienen, um mögliche Aggressoren abzuschrecken. Videoprodukte können über eigene PsyOps-TV-Stationen, eine angemietete Sendezeit bei zivilen Sendern oder in einem Feldkino ausgestrahlt werden. Aktuell wird in den meisten Einsatzräumen vermehrt auf eine Verbreitung der Videoprodukte durch das Internet gesetzt, beispielsweise durch eigene Youtube-Channels.

Printprodukte

Hier können alle Printformate verwendet werden wie Plakate, Flugblätter, Handzettel oder Zeitschriften.

Internet und sonstige Medien

Durch die rasant fortschreitende Entwicklung und Verbreitung des Internets in den vergangenen Jahren gewinnt dieses für PsyOps-Einsätze an Bedeutung. Auch in Einsatzräumen, in denen bis vor wenigen Jahren noch keine Online-Medien zur Verfügung standen, sind diese mittlerweile eine wesentliche Informationsquelle. Online-Kanäle können genutzt werden, um dort Audio- und Videoprodukte zu „verteilen“.

Mit eigenen Internetseiten oder in sozialen Medien (Facebook, Instagram, Twitter etc.) kann nicht nur eine große Zielgruppe erreicht werden, sondern auch eine direkte Kommunikation mit ihr stattfinden. Ein wesentlicher Nachteil ist jedoch, dass diese Produkte nicht nur für die Zielgruppe, für die sie entwickelt wurden, sondern weltweit aufrufbar sind. Somit erreicht man auch eine unbeabsichtigte Zielgruppe, das „unintended target audience“. Dieser Umstand ist im Planungsprozess und bei der Entwicklung von Online-Produkten zu berücksichtigen.

 

Internationaler Status quo

International wird PsyOps als Waffengattung in nahezu allen Staaten ausgebaut. Besonders die Erfahrungen im Zweiten und Dritten Golf-Krieg haben gezeigt, dass ein erfolgversprechender Einsatz von militärischen Kräften ohne ein effektives Element, das „informiert und beeinflusst“, nur eingeschränkt möglich ist.

USA

In den USA, die innerhalb der NATO über die größte PsyOps-Truppe verfügen, wurde diese von 2010 bis 2017 als Military Information Support Operations (MISO) bezeichnet. Aufgrund der Namensgleichheit mit einer asiatischen Suppe, war die Begeisterung bei den betroffenen Soldaten verhalten und seit 2017 werden die PsyOps-Kräfte wieder als solche bezeichnet. Die U.S. Army verfügt über zwei aktive Verbände, die 4th Psychological Operations Group (Airborne) und die 8th Psychological Operations Group (Airborne) sowie über zwei Reserveverbände. Diese sind ein Teil des Special Forces Command und werden seit dem Ersten Weltkrieg in nahezu allen Einsätzen als Unterstützungskräfte verwendet.

Deutschland

In der Deutschen Bundeswehr werden die PsyOps-Kräfte im Zentrum Operative Kommunikation bereitgestellt. Dieses ist dem Kommando strategische Aufklärung unterstellt. Ihre Aufgabe ist die Unterstützung der Operationsführung eigener und multinationaler Streitkräfte in den verschiedenen Einsatzgebieten der Bundeswehr mittels kulturell angepasster Kommunikation und verschiedener Medien. Vergleichbar mit einer zivilen Medienanstalt wird die Bevölkerung im Einsatzgebiet analysiert und mittels Print-, Audio-, Video- und weiteren Medienprodukten (Internet) auf die jeweilige Zielgruppe eingewirkt. Dadurch soll das Informationsumfeld als militärischer Handlungsraum erschlossen werden.

Zu den Unterstützungsaufgaben des Zentrums gehören die Truppeninformation über Radio und die Truppenbetreuung mit TV-Produkten. Zu diesem Zweck wird der Soldatensender „Radio Andernach“ und der Fernsehsender „Bundeswehr-TV“ betrieben. Mit dem Kommando Operative Kommunikation in Mayen verfügt die Deutsche Bundeswehr über etwa 1.000 Spezialisten. Damit hat sie nach den USA die größte (offizielle) PsyOps-Truppe der NATO.

Frankreich

Die französischen PsyOps-Kräfte wurden 2012 neu strukturiert und aufgrund der Einsatzerfahrungen aus Afghanistan und Mali im „Le Centre interarmées des actions sur l’environnement“ zusammengefasst. Das Ziel dieses PsyOps & CIMIC-Zentrums ist es, das Vertrauen bei den lokalen Akteuren im Einsatzraum zu gewinnen. Das soll auch mit Hilfsprojekten für die Bevölkerung, dem Management von Wiederaufbauten und durch das Beeinflussen definierter Zielgruppen erfolgen.

Internationale Entwicklungen

International werden für PsyOps verschiedene Begriffe verwendet wie Psychologische Kriegsführung, Operative Kommunikation, Civil Military Interaction und andere mehr. Die Vereinten Nationen bezeichnen PsyOps-Kräfte beispielsweise als „Military Community Outreach Elemente“. Aktuell ist bei vielen Staaten der Trend erkennbar, dass die zwei wesentlichen non-kinetischen Elemente im Informationsraum, PsyOps und die Zivil-Militärische Kooperation (Civil Military Coooperation – CIMIC), in eigenen Verbänden oder Zentren gebündelt werden. Neben Frankreich verfolgen unter anderem die Niederlande, Ungarn und Belgien diesen Ansatz und betreiben kombinierte CIMIC & PsyOps-Zentren. Anmerkung: Das ÖBH verfügte bis 2010 mit dem Zentrum Internationale Kooperation über ein ähnliches Konzept, in dem die CIMIC- und PsyOps-Abteilungen zusammengefasst wurden und als eigenes Kommando direkt dem Kommando Landstreitkräfte unterstellt waren. Das Zentrum Internationale Kooperation wurde jedoch 2010 aufgelöst, die beiden Abteilungen reduziert und in die neu aufgestellte Auslandseinsatzbasis übergeleitet.

 

Propaganda- und Täuschungsmaßnahmen

PsyOps sind in ihrer Gesamtheit ein umfangreicher und komplexer Fachbereich. Für das allgemeine Verständnis ist es notwendig, zwei damit eng verbundene und auch immer wieder verwendete Begriffe zu erläutern bzw. darzustellen: Propaganda und Täuschung. Im Online-Duden wird der Begriff Propaganda relativ wertneutral als „systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o. ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen“ oder als „Werbung, Reklame“ definiert. In der weiterführenden Literatur findet man eine Vielzahl an unterschiedlichen Definitionen und Interpretationen des Begriffes Propaganda, weshalb eine trennscharfe Zuordnung oder Abgrenzung nur schwer möglich ist.

Der Begriff Propaganda ist gerade im deutschsprachigen Raum seit der NS-Zeit, im Zusammenhang mit der gezielten staatlichen Manipulation der Bevölkerung eher negativ besetzt. Andere Begriffe wie Mundpropaganda oder „etwas propagieren“ haben jedoch keine grundsätzlich negative Bedeutung. Um sich von dem negativ besetzten Propaganda-Begriff abzugrenzen, ist es notwendig, die Besonderheiten bzw. Unterschiede von PsyOps im nationalen und internationalen Verständnis darzustellen.

In der österreichischen Definition wird der Begriff „wahrheitsgemäß“ explizit hervorgehoben. Auch in der PsyOps-Doktrin der NATO werden als Prinzipien für erfolgreiche PsyOps die Eigenschaften Truthfullnes (Wahrhaftigkeit) und Credibility (Glaubwürdigkeit) angeführt. Das Ziel in den meisten Einsätzen ist es, das Vertrauen der Zielgruppe zu gewinnen und als glaubwürdige Informationsquelle angesehen zu werden. Daher ist die Verbreitung von Unwahrheiten oder Lügen als kontraproduktiv abzulehnen. Eine explizite Ausnahme von diesem Grundsatz gibt es nur bei der Unterstützung von Täuschungsmaßnahmen (Deception).

Militärische Täuschungsmaßnahmen – Deception

PsyOps-Kräfte können durch den Einsatz ihrer Wirkmittel auch taktische Elemente als Force Multiplier bei militärischen Täuschungs- oder Verschleierungsmaßnahmen unterstützen. Nur bei dieser Gefechtstechnik wird der sonst so wichtige Grundsatz der Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit nicht angewendet. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Täuschungsoperation ist der Einsatz der Task Force Troy (Abwandlung/Abkürzung von „Trojan Horse“; Anm.) während der Operation Desert Storm im Zweiten Golf-Krieg 1991.

Diese „Täuschungs-Task Force“ wurde vom stellvertretenden Divisionskommandanten Brigadier General Thomas V. Draude „erfunden“ und setzte sich aus der 4th PSYOPS Group (Airborne) unterstützt von taktischen Elementen der britischen Armee und der U.S. Marines zusammen. Die Aufgabe dieser „Geister-Division“ war es, dem Gegner (irakische Streitkräfte) die Präsenz starker eigener Kräfte vorzutäuschen und so der 2nd U.S. Marine Division das Beziehen ihres Bereitstellungsraumes vor Angriffsbeginn zu ermöglichen. Insgesamt bestand die Task Force Troy aber nur aus 460 Mann, unterstützt durch fünf Panzer, einigen Gefechtsfahrzeugen und Kampfhubschraubern sowie Artillerieelementen.

Durch den gezielten Einsatz von PsyOps-Wirkmitteln, unterstützt von realen taktischen Elementen als „Show of Force“, konnte eine effektive Täuschungsoperation durchgeführt werden. Mit Lautsprechern wurden unter anderem Geräusche von Panzern, Hubschraubern, Transportkolonnen und sogar ein fiktiver Sprechfunkverkehr eingespielt. Um das Vorhandensein schwerer Waffen zu „beweisen“, führte eine Artillerieeinheit vereinzelte Feuerüberfälle durch. Die antretende irakische Aufklärung wurde sofort mit Kampfhubschraubern unter Beschuss genommen und deren Tätigkeit verhindert. Nach Kriegsende wurden auf irakischer Seite Unterlagen gefunden, in denen drei irakische Brigaden die Task Force Troy unabhängig voneinander als divisionsstarke mechanisierte Kraft beurteilt hatten, die sich für den Angriff bereitstellen würde.

Auch im Dritten Golf-Krieg wurden gezielte Täuschungseinsätze von PsyOps-Kräften durchgeführt. So unterstützten US-Lautsprechertrupps britische Royal Marines Commandos bei der irakischen Stadt Nadschaf, indem sie mit hin und her fahrenden Lautsprecherfahrzeugen Panzergeräusche vortäuschten. Aufgrund der vermeintlichen Präsenz von schweren mechanisierten Kräften ergaben sich daraufhin 64 irakische Soldaten den Alliierten.

Derartige Täuschungseinsätze werden durch das Kriegsvölkerrecht gedeckt, da sie unter den Begriff der Kriegslist fallen. So definiert das Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) in Artikel 37 (2) Kriegslisten wie folgt: „Kriegslisten sind nicht verboten. Kriegslisten sind Handlungen, die einen Gegner irreführen oder ihn zu unvorsichtigem Handeln veranlassen sollen, die aber keine Regel des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts verletzen und nicht heimtückisch sind, weil sie den Gegner nicht verleiten sollen, auf den sich aus diesem Recht ergebenden Schutz zu vertrauen. Folgende Handlungen sind Beispiele für Kriegslisten: Tarnung, Scheinstellungen, Scheinoperationen und irreführende Informationen.“

Major Mag.(FH) Alexander Schiller ist Leiter der PsyOps-Abteilung der Auslandseinsatzbasis.

 

 

 

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