• Veröffentlichungsdatum : 26.07.2019
  • – Letztes Update : 09.08.2019

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Psychohygiene im Arbeitsalltag

Evelyn Schlegel

Jede und jeder ist im Arbeitsalltag immer wieder belastenden Situationen ausgesetzt. Sei es, dass das Ausmaß der Arbeit zu schaffen macht, dass man im Kontakt mit anderen Personen immer wieder gefordert wird oder dass man mit Schicksalen und Situationen in Berührung kommt, die uns einfach ­betroffen machen.

Manch einer mag sich dann denken „das ist mir zu viel“ oder auch „das geht mir zu nahe“!

Oft ist es dann hilfreich, einen Schritt zurück machen zu können, um Abstand zur Situation zu gewinnen, oder einfach einmal tief durchzuatmen. Abgrenzung tut gut, um den subjektiv empfundenen Druck zu reduzieren und um die Situation von außen betrachten zu können. Von weit weg erscheinen die Probleme oft viel kleiner - wie von einem Berggipfel aus, wenn man hinab ins Tal blickt. Einen gesunden Abstand einnehmen zu können und in belastenden Situationen auch auf sich selbst zu schauen, wird in der Psychologie unter anderem mit den Begriffen der Psychohygiene und Selbstfürsorge beschrieben.

Warum ist das wichtig? Die große Herausforderung im Arbeitsalltag besteht oft darin, die eigenen Bedürfnisse mit den Anforderungen der Arbeit unter einen Hut zu bringen, um langfristig arbeitsfähig zu bleiben. Damit das gelingen kann, muss man zuerst die eigenen Bedürfnisse kennen oder sich mit ihnen auseinandersetzen. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass es für mich wichtig ist, nach einer bestimmten Zeit eine Pause zu machen, weil ich sonst körperliche Beschwerden bekomme oder schnell ermüde, sollte ich in meinem Arbeitsablauf immer wieder Erinnerungshilfen einbauen, die mich an eine Pause erinnern. Auch Auszeiten wie Urlaube und ausreichend Schlaf sind dann wichtig, um nicht über die Belastungsgrenzen zu kommen.

Eine besondere Herausforderung ist es, wenn einem in der Arbeit Situationen begegnen, die man schwer aus dem Kopf bekommt, weil sie betroffen machen. Das kann zum Beispiel bei einem Vorwurf sein, wenn die Arbeit kritisiert wird, oder bei länger andauernden Konflikten innerhalb der Abteilung. Um sich bei Angriffen abgrenzen zu können, kann es hilfreich sein, im ersten Ärger tief durchzuatmen und Distanz zwischen sich und dem anderen zu schaffen. Zum Beispiel indem man den Raum verlässt und ein paar Schritte auf- und abgeht, eventuell hilft ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft. Konflikte können dann in Ruhe zu einem späteren Zeitpunkt angesprochen werden, wenn die Hitze des Gefechts verflogen ist und der Kopf klar denken kann.

Habe ich andere belastende Dinge erfahren, wie der Unfall eines Kollegen oder schwere Schicksalsschläge, helfen Entlastungsgespräche und Abgrenzungsrituale. Um belastende Gedanken loslassen zu können, kann man diese zum Beispiel aufschreiben und das Geschriebene anschließend wegwerfen. Oder man stellt sich eine Box vor, in der man alles Belastende abladen darf. Und nach belastenden Gesprächen kann es gut tun, sich die Hände zu waschen, sich abzuklopfen, die Kleidung zu wechseln, die Natur zu suchen, sich etwas Gutes zu leisten. Sich mit anderen auszutauschen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, gehört ebenfalls zum Repertoire der Psychohygiene.

Allgemein kann es hilfreich sein, sich seiner eigenen Rolle(n) bewusst zu werden und die eigenen Grenzen einzuhalten. Dabei können folgende Fragen helfen: Welche Rolle habe ich hier? Welche Rolle habe ich nicht? Was geht über meine Rolle hinaus (und wäre eine Grenzüberschreitung)?

Wer auf sich selbst achtet und seine Grenzen bewusst wahrnimmt und schützt, wird auch selbst nicht so schnell an seine Grenzen kommen. Denn andauernde Grenzüberschreitungen bedeuten ebenso Belastungen, die sich wie Steine auftürmen können, bis der Turm zusammenbricht.

Im Sinne der Selbstfürsorge ist es dann wichtig, einen Ausgleich zu schaffen und auf sich selbst zu schauen. Hier kann man sich Gedanken darüber machen, was schwächt und welche Ressourcen man hat: Was hilft mir in anstrengenden Situationen, was hat mir früher schon einmal in einer ähnlichen Situation geholfen? Was raubt mir Energie, wo sollte ich aufpassen? Was gibt mir Energie, wovon sollte ich mich also immer wieder auftanken lassen?

Immer wieder zur Ruhe zu kommen und im Moment zu sein, achtsam gegenüber sich selbst und anderen zu sein, kann dann der Schlüssel dazu sein, den Blick nach innen auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu lenken. Dazu gehört ebenfalls Momente der Ruhe und Erholung aktiv zu suchen - Orte der Stille, an denen man zur Ruhe kommen und einfach nur seiner selbst sein kann.

Schauen Sie auf sich?

Sollten Sie Interesse an einem Entlastungsgespräch haben, stehen die Psychologinnen und Psychologen des Psychologischen Diensts gerne zur Verfügung.

MMag. Evelyn Schlegel ist Militärpsychologin.

 

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