• Veröffentlichungsdatum : 24.03.2022
  • – Letztes Update : 28.03.2022

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Mission in der Ukraine

Helmut Leopold

Während der Endphase des Euromaidan begann die russische Annexion der Halbinsel Krim und die Destabilisierung des Landes durch einen bewaffneten Konflikt in der östlichen Ukraine. Das führte zur OSZE-Mission „Special Monitoring Mission Ukraine“, an der auch österreichische Monitore teilnehmen. Ihre Aufgabe ist die Beobachtung und Berichterstattung der Situation vor Ort in einer unparteiischen und objektiven Weise.

Der Krieg in der Ostukraine ist ein bewaffneter Konflikt, der sich in kontinuierlichen Eskalationsschritten ab dem Februar 2014 in den Oblasten Donezk und Luhansk entwickelte und nun schon mehr als drei Jahre andauert. Die Kampfhandlungen werden zwischen den von Russland unterstützten Milizen, regulären russischen und ukrainischen Truppen sowie Freiwilligen- und Volksmilizen, Freischärlern und Söldnern ausgetragen. Die prorussischen Kräfte kämpfen für die Abspaltung der zwei, durch sie proklamierten, Volksrepubliken Donetsk und Luhansk von der Ukraine.

Aufgrund der Entwicklungen in der Ukraine und den daraus folgenden Spannungen wurde vom Ständigen Rat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am 21. März 2014 die Einrichtung einer zivilen und unbewaffneten OSZE-Sonderbeobachtungsmission „Special Monitoring Mission Ukraine/SMMU“ für die Ukraine beschlossen. Die Mission wurde zunächst für sechs Monate bis zum 20. September 2014 eingerichtet und wegen der Lage vor Ort regelmäßig weitergeführt. Aufgrund der, in den letzten Monaten des Jahres 2016 durch die SMMU beobachteten, instabilen, unberechenbaren und nach wie vor angespannten Sicherheitslage, wurde das Mandat der SMMU für ein weiteres Jahr, bis zum 31. März 2018, verlängert.

Zwischenzeitlich zeichneten sich positive Entwicklungen im Missions-Einsatzraum, unter anderem durch die Errichtung von permanent durch SMM-Monitore besetzte Beobachtungsstationen (Forward Patrol Bases) beiderseits der Kontaktlinie (Line of Contact) ab. Zudem konnte die Einsetzung von dauerhaften stationären Überwachungskameras zum Zwecke der Überwachung der Waffenstillstandsabkommen realisiert sowie drei Truppenentflechtungsräume in den Städten Zolote und Pervomaisk (Region Luhansk), bei der Brücke südlich von Stanytsia Luhanska (Region Luhansk) und in den Dörfern Bohdanivske und Petrivske (Region Donetsk) geschaffen werden. Eine erfolgreiche Implementierung der ersten drei Truppenentflechtungsräume würde eine wichtige Katalysatorfunktion für weitere Truppenentflechtungsräume im Sinne einer graduellen Entschärfung des Konfliktes an der Konfrontationslinie darstellen.

Die Ursachen des Konfliktes

Der gegenwärtige Konflikt in der Ost-ukraine entwickelte sich ursprünglich aus den mit 21. November 2013 in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, begonnenen Euromaidan-Bürgerprotesten. Diese waren die Reaktion auf die überraschende Ankündigung der ukrainischen Regierung, das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union vorerst nicht unterzeichnen zu wollen.

Monate vor der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens der Ukraine mit der EU im Jahre 2013 erhöhte der russische Präsident Vladimir Putin den Druck auf den ukrainischen Präsidenten Yanukovych mit gezielten Handelssanktionen, Importsperren und einer Anti-EU-Propaganda. Putin versuchte, die Ukraine in die Eurasische Wirtschaftsunion, welche die Staaten der ehemaligen GUS unter der Führung Russlands wirtschaftlich zusammenführen sollte, und damit in den Moskauer Einflussbereich zurückzuholen. Der steigende Druck von Russland einerseits und die hohen Erwartungen der EU gegenüber der sich in einer Rezession befindlichen Ukraine andererseits, aber auch mangelnde finanzielle Reserven und die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland führten bei Janukowitsch zu einem Umdenken. Diesem erschien eine Assoziation mit der EU nunmehr als eine zu riskante Option, weshalb er versuchte, sich durch das Hinauszögern des Assoziierungsabkommens aus dieser Situation zu retten. Dieses Verhalten, sich weder der einen noch der anderen Seite anzuschließen, entsprach auch der außenpolitischen Taktik, welche die Ukraine seit dem Jahre 1991 praktizierte.

Daraufhin entflammten in Kiew unzählige Demonstrationen und Massenproteste, wobei die anfänglich friedlichen Studentenproteste durch die ukrainische Sondereinsatztruppe mit exzessiver Polizeigewalt auseinandergetrieben wurden. Ein Beispiel dafür ist die Demonstration in Kiew vom 18. Februar 2014, an der etwa eine halbe Million Menschen teilnahmen und 80 von ihnen getötet wurden. Im Zuge weiterer Studenten- und Bürgerproteste wurden die Amtsenthebung von Präsident Viktor Janukowitsch, vorzeitige Präsidentschaftswahlen sowie die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union gefordert. Obwohl der primäre Auslöser der Bürgerproteste die Aussetzung des Assoziierungsabkommens war, bestanden noch andere Gründe, die zu den Massenprotesten führten. So demonstrierten die Anhänger des Assoziierungsvertrages auch wegen eines Treffens von Janukowitsch mit Vladimir Putin in Sotschi bezüglich eines Abkommens über die finanzielle Unterstützung und niedrigere Gaspreise als Gegenleistung für einen späteren Beitritt der Ukraine zur Zollunion mit Russland.

 

Bei den Euromaidan-Protesten konnte beobachtet werden, dass die Befürworter einer Annäherung an Europa vor allem aus der jungen, bürgerlichen und urbanen Mittelschicht kamen. Die EU-Gegner hingegen konnten eher der bäuerlichen, älteren oder unterprivilegierten Bevölkerungsgruppe zugeordnet werden. Weitere maßgebliche Faktoren für die Massenproteste waren auch die hohe Arbeitslosigkeit, die Korruption in den Staatsorganen sowie die exzessive Polizeigewalt bei der Auflösung der Bürgerproteste.

Mit Unterstützung der Außenminister von Deutschland, Frankreich und Polen konnten die Bürgerproteste am 21. Februar 2014 beigelegt werden. Präsident Janukowitsch flüchtete, und das Parlament erklärte ihn am 22. Februar 2014 für abgesetzt. Der Euromaidan endete am Tag darauf mit der Ernennung von Oleksandr Turchynov zum Übergangspräsidenten und der Bildung einer Übergangsregierung unter Ministerpräsident Arsenij Jatsenjuk am 26. Februar 2014. Daraufhin kam es in der Ostukraine zu Demonstrationen. Die Proteste richteten sich gegen die neue ukrainische Regierung. Das Ziel der Demonstranten war jedoch nicht der Anschluss an Russland, sondern die Unabhängigkeit von der Zentralregierung in Kiew.

Als Russland im Frühjahr 2014 begann, die Halbinsel Krim zu annektieren, wurde der Vorwurf der internationalen Gemeinschaft immer lauter, dass Russland hinter den Unruhen der Euromaidan-Proteste stecken könnte mit der Absicht, den Osten und Süden der Ukraine zu destabilisieren. Ein Grund für die Kontrolle und das Bewahren der traditionellen Einflusszonen Russlands liegt möglicherweise in der Furcht der Machtelite im Kreml vor einer Bürgerrevolution im eigenen Land. Eine Demokratisierung und Annäherung der Ukraine an die EU könnte eine Vorbildfunktion für die russische Bevölkerung haben und die aktuelle politische Ordnung in Moskau gefährden. Im Zuge der Euromaidan-Ausschreitungen hatte sich die Sicherheitslage in Charkow, Odessa und Mariupol wieder stabilisiert, aber nicht in den Oblasten Donetsk und Luhansk, wo bewaffnete Volksmilizen aktiv geworden sind.

Wie schon zuvor auf der Halbinsel Krim, waren auch in den Oblasten Donetsk und Luhansk von Russland geführte Spezial- und Sondertruppen beteiligt. Demnach ging der dortige Konflikt nach EU-Ermessen nicht von den Bewohnern des Donbass aus, sondern von bewaffneten Spezial- und Sondertruppen bzw. Milizen, die von Russland mit Personal, schweren Waffen und Gerät unterstützt wurden. In weiterer Folge etablierten die Milizen ihre Macht in dem Gebiet. UNHCR (Office of the United Nations High Commissioner for Refugees - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen) meldete im Juni 2014 eine durch die Milizen geschaffene Atmosphäre der Angst mit unzähligen Fällen von Tötungen, Folterungen und anderen Menschenrechtsverletzungen. Hunderttausende Menschen flüchteten aus den betroffenen Gebieten.

 

Die OSZE-Sonderbeobachtungsmission

Im Anschluss an die Euromaidan-Bürgerproteste forderte der damalige Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter in seiner Funktion als Präsident der OSZE am 24. Februar 2014 vor dem UN-Sicherheitsrat die Einsetzung einer internationalen Kontaktgruppe zur Ukraine. Diese sollte unter der Schirmherrschaft der OSZE gebildet werden und Friedensgespräche mit den wichtigsten involvierten Akteuren initiieren. Russland lehnte vorerst jede Hilfe der OSZE für die Ukraine und somit auch die Bildung einer Beobachtermission kategorisch ab. Die Ablehnung wurde von Russland mit dem Argument begründet, dass die ukrainische Regierung keine legitim gewählte sei.

Daraus resultierend entschieden sich die OSZE-Mitgliedstaaten Anfang März 2014, auf Anfrage der Ukraine, unbewaffnete Militärbeobachter für OSZE-Inspektionen zu entsenden. Ein Zutritt zur Halbinsel Krim wurde den unbewaffneten Beobachtern jedoch durch Russland verwehrt. Auf Anfrage der Ukraine und mit Zustimmung aller 57 OSZE-Mitgliedstaaten, einschließlich Russlands, erfolgte am 21. März 2014 die Entscheidung zur Entsendung einer zivilen und unbewaffneten OSZE-Sonderbeobachtungsmission. Anfangs wurde die „OSCE Special Monitoring Mission“ (SMM) für einen Zeitraum von sechs Monaten, bis 20. September 2014, eingerichtet.

Konfliktentwicklung und Waffenstillstandsabkommen

Während der Sommermonate 2014 hielten die schweren und verlustreichen Kämpfe in den Oblasten Donetsk und Luhansk mit unverminderter Härte und Gewalt an. Im Zuge der Bestrebungen für einen umfassenden Waffenstillstand in dieser Region wurde im weißrussischen Minsk erstmals die Trilaterale Kontaktgruppe (TCG) gebildet. Diese setzt sich aus Vertretern der Ukraine, der Russischen Föderation und der OSZE zusammen. Die TCG wurde als politische Dialoggruppe und Vermittlungsplattform auf diplomatischer Ebene zur Lösung des Konfliktes in der Donbass-Region eingerichtet. Im Verlauf der Mission wurden mehrere Waffenstillstandsabkommen zur Beilegung des Konfliktes festgeschrieben. Die wichtigsten sind das Protokoll von Minsk (Minsk I), das Minsker Memorandum sowie das Minsker Abkommen (Minsk II).

Das Protokoll von Minsk (Minsk I)

Das zwölf Punkte umfassende Protokoll von Minsk trat mit 5. September 2014 in Kraft. Es ist die schriftliche Zusammenfassung der Beratungsergebnisse der TCG. Darin sind die gemeinsamen Schritte zur Umsetzung des Friedensplanes des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und der Initiative des russischen Präsidenten Vladimir Putin niedergeschrieben. Das Hauptziel dieses Protokolls ist ein von der OSZE zu überwachender Waffenstillstand, ein Gefangenenaustausch sowie die Umsetzung eines Gesetzes über den regionalen Sonderstatus für die Gebiete in Donetsk und Luhansk durch die ukrainische Regierung.
Das Gesetz über den Sonderstatus gilt für drei Jahre und verbrieft das Recht auf die eigene Sprache für die russischsprachige Bevölkerung. Zudem soll die Selbstverwaltung dieser Regionen gestärkt werden, wobei eine enge Kooperation mit angrenzenden russischen Gebieten geplant ist. Das Gesetz gesteht den Regionen außerdem eigene Wahlen sowie die Gründung einer eigenen Volksmiliz in den von pro-russischen Separatisten kontrollierten Regionen zu. Im Gegenzug sollen die Aufständischen in den nicht anerkannten Volksrepubliken Donetsk und Luhansk auf ihre Forderung nach Unabhängigkeit verzichten.

 

Das Minsker Memorandum

Bei einem erneuten Zusammentreffen der TCG in Minsk am 19. September 2014 einigte man sich auf die Einrichtung einer 30 km breiten Sicherheitszone sowie auf den Abzug schwerer Waffen ab dem Kaliber von 100 mm. Die Einhaltung dieser Sicherheitszone sowie der Abzug der schweren Waffen sollte durch die OSZE SMMU kontrolliert werden.

Das Minsker Abkommen (Minsk II)

Mit Minsk II, auch „Minsker Abkommen“ genannt, wird das ausverhandelte „Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen“ bezeichnet. Es wurde von den Teilnehmern der TCG am 12. Februar 2015 unterzeichnet. Das Ziel von Minsk II ist die Deeskalation und Beendigung des seit 2014 herrschenden Krieges sowie die politische Beilegung des Konfliktes. Der Inhalt des Abkommens bezweckt den Abzug aller schweren Waffen aus dem Bereich des Frontverlaufes. Das gilt sowohl für die ukrainische Armee, als auch für die pro-russischen Kämpfer. Binnen 14 Tagen war eine mindestens 50 bis 70 im äußersten Fall bis 140 km breite Sicherheitszone für Artilleriesysteme mit einem Kaliber von mehr als 100 mm, für Raketenwerfer und taktische Systeme zu schaffen. Als Basis der Grenzziehung diente die Kontaktlinie zum Zeitpunkt des Minsker Memorandums vom 19. September 2014. Ergänzend dazu wurde ein Gefangenenaustausch binnen 19 Tagen vereinbart. Mit diesem Maßnahmenkomplex sollte die Umsetzung von Minsk I konkretisiert und festgelegt werden.

 

Einhaltung der Abkommen

Die auf der politischen Ebene ausverhandelten Waffenstillstandsabkommen und Vereinbarungen wurden trotz internationaler und diplomatischer Intentionen der TCG einschließlich der nachhaltigen und unermüdlichen Bemühungen der OSZE-Sonderbeobachtungsmission letztendlich nicht eingehalten. Bereits kurz nach dem Abschluss von Minsk I flammten am 28. September 2014 erneut heftige Kämpfe um den Flughafen von Donetsk auf. Diese hielten den gesamten Herbst und Winter 2014/2015 mit Ausnahme eines ausverhandelten Weihnachts- und Neujahrsfriedens an. Die daraus resultierenden neuerlichen Friedensverhandlungen mündeten in Minsk II.

Auch Minsk II konnte die Kampfhandlungen im Donbass nicht stoppen. So schwoll der Konflikt, mit wechselnder Intensität, ab dem Frühjahr 2015 bis zum Herbst weiterhin an. Ein neuerlicher, durch die TCG vereinbarter Waffenstillstand, beginnend mit 1. September 2015, hielt lediglich bis zum November. Im Jahre 2016 wurden die Kämpfe mit unverminderter Härte weitergeführt. Ein erneuter Lösungsversuch wurde durch die TCG am 20. September 2016 gestartet. Dabei einigte man sich auf ein Abkommen zur Trennung der Konfliktparteien samt Schaffung von Truppenentflechtungsräumen in Zolote und Pervomaisk (Region Luhansk), bei der Brücke südlich von Stanytsia Luhanska (Region Luhansk) sowie zwischen den Dörfern Bohdanivske und Petrivske (Region Donetsk). Das Abkommen sollte die Trennung der Konfliktparteien in taktisch weniger relevanten Gebieten, die durch OSZE-Monitore und das Joint Center on Control and Coordination der TCG überwacht werden, bewirken. Das übergeordnete Ziel dieser Truppenentflechtungsräume ist die graduelle Entschärfung des Konfliktes hin zu einem nachhaltigen und dauerhaften Frieden.

Im Juni/Juli 2016 waren die höchsten Opferzahlen während des Konfliktes zu verzeichnen. Insgesamt verdoppelte sich die Anzahl der Getöteten bis Oktober 2016 im Zeitraum des Waffenstillstandes. Durch UNOCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) wurden die Verluste an Menschenleben publik. Bis zum 15. August 2016 wurden in der Ostukraine insgesamt 9 553 Menschen, darunter etwa 2 000 Zivilisten, getötet und 22 137 Menschen verletzt. Insgesamt wurde durch die Vereinten Nationen 2016 ein Anstieg der zivilen Opfer um 66 Prozent im Vergleich zu 2015 beobachtet.

Sonderbeobachtungsmission

Der Sitz des SMMU-Hauptquartiers befindet sich in Kiew. Die Beobachter erfüllen ihre Monitoring-Aufgaben in den zehn größten Städten der Ukraine: Donetsk, Dnepropetrovsk, Luhansk, Kharkiv, Kherson, Odessa, Lviv, Ivano-Frankivsk, Chernivtsi und in Kiew selbst. Das operationelle Schwergewicht liegt bei den Monitoring Teams in Donetsk und Luhansk. Das Mandat der zivilen Sonderbeobachtungsmission umfasst das gesamte Territorium der Ukraine, wobei der Zugang zur Halbinsel Krim nach wie vor von Russland verwehrt wird. Mit Stand vom 12. Mai 2017 versehen 653 unbewaffnete zivile Beobachter aus 44 OSZE-Teilnehmerstaaten Dienst in den zehn OSCE SMMU Monitoring Teams. Davon sind 572 Monitore im Osten, in den Oblasten Luhansk und Donetsk, eingesetzt. Ergänzt werden die Monitore durch 87 internationale und 344 nationale Personen. Die Sonderbeobachtungsmission in der Ukraine ist eine der größten je mandatierten Missionen der OSZE. Eine Aufstockung auf bis zu 1.000 Beobachter wird derzeit umgesetzt.

Ziele und Aufgaben der SMMU

Zweck der zivilen SMMU Sonderbeobachtungsmission ist, in Kooperation mit anderen relevanten internationalen Akteuren, wie den Vereinten Nationen und dem Europarat, zum Missionsziel beizutragen. Das bedeutet einerseits Spannungen abzubauen und Frieden, Stabilität und Sicherheit zu fördern sowie andererseits die Umsetzung von Prinzipien und Verpflichtungen der OSZE, unter dem speziellen Blickwinkel die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu überwachen und zu unterstützen sowie den politischen Dialog zu fördern. Die Sonderbeobachtungsmission handelt dabei nach dem Grundsatz der Unparteilichkeit und Transparenz.

Mandats- und Auftragserfüllung

Organisatorisch und ablaufmäßig erfolgen die Umsetzung des Mandates sowie die damit verbundene Auftragserfüllung schwergewichtsmäßig durch zwei Monitoring Teams in Donetsk und in Luhansk. Ihnen untergeordnet sind die, im selben Raum eingesetzten, Patrouillen-Hubs und Forward Patrol Bases. Die Forward Patrol Bases befinden sich entlang der Line of Contact bzw. in der Tiefe des Einsatzraumes. Sie sind rund um die Uhr durch Monitore besetzt und fungieren als vorgeschobene Beobachtungsposten. Derzeit existieren neun Forward Patrol Bases in den Monitoring-Hubs Donetsk und Luhansk. Die praktische Umsetzung der durchzuführenden Aufträge erfolgt vor allem in Form von täglichen Kfz-Patrouillen. Aufträge sind beispielsweise die

  • Sammlung von Informationen hinsichtlich der relevanten Sicherheitssituation im jeweiligen Zuständigkeitsbereich bzw. beiderseits und entlang der Line of Contact,
  • Überwachung des Waffenstillstandes,
  • Behandlung und Bearbeitung von diesbezüglichen Waffenstillstandsvorfällen und -verletzungen,
  • Überwachung der Truppenentflechtungsräume sowie
  • Überwachung des Abzuges von schweren Waffen und Gerät aus den Waffenverbotsräumen in dazu designierte Waffendepots.

 

Sämtliche Patrouillen, speziell entlang und im Umfeld der Line of Contact sowie in der Tiefe des Einsatzraumes auf beiden Seiten, werden mit gehärteten Kraftfahrzeugen durchgeführt. In diesem Zusammenhang werden, neben anderen operationellen und administrativen Patrouillen entlang der Line of Contact, mit Priorität „Spiegel-Patrouillen“ durchgeführt. Dabei handelt es sich um Patrouillen, bei denen sich ein Team auf der ukrainisch-kontrollierten Seite befindet und das zweite Team auf der gegenüberliegenden, von der jeweiligen Volksrepublik kontrollierten, Seite. Der primäre Zweck der als Joint Patrouille (OSZE-SMMU und JCCC) durchgeführten „Spiegel-Patrouille“ ist die Durchführung der nach Artillerie- und Granatwerferbeschuss notwendigen Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten der Gas-, Wasser- und Elektrizitäts-Infrastruktur. Diese Tätigkeiten basieren auf Sicherheitsgarantien durch das Joint Center on Control and Coordination. Durch die Monitore wurden im Jahre 2016 im Zuge des SMMU-Mandates

  • 340 Berichte und Sonderberichte verfasst,
  • 320.130 Waffenstillstandsverletzungen gemeldet,
  • 26.956 Patrouillenfahrten durchgeführt und
  • 6.200.000 Kilometer gefahren.

Des Weiteren wurden 3.099 Vorfälle gegen das Minsk II-Abkommen beobachtet und 1 950 Vorfälle von Behinderungen durch die Konfliktparteien im Zuge der Mandatsausübung gemeldet. Im gesamten Einsatzraum werden darüber hinaus Patrouillenfahrten durchgeführt, die darauf abzielen, den Kontakt zu lokalen, regionalen und nationalen Autoritäten, zur Zivilgesellschaft, zu ethnischen und religiösen Gruppen sowie zur lokalen Bevölkerung aufzunehmen. Das Ziel dieser Maßnahmen ist das Aufbereiten und Schaffen einer Dialog- und Kommunikationsbasis mit der Bevölkerung. Das soll Spannungen vor Ort reduzieren und einen Beitrag zur Normalisierung der Lage leisten. Aus Sicherheitsgründen werden Patrouillenfahrten nur tagsüber unternommen. Deshalb sind für die zusätzliche Überwachung der Abkommen und Vereinbarungen in operationell relevanten Gebieten Überwachungs-Kamerasysteme installiert, die in der Nacht betrieben werden. Derzeit sind solche Systeme in der Kohlenmine bei Donetsk Stadt, in Avdiivka und Shyrokyne sowie in den Truppenentflechtungsräumen Petrivske und Zolote/Pervomaisk installiert. Eine ergänzende Erfüllung des Auftrages erfolgt durch unbemannte Drohnensysteme. Hierzu wurden bis Anfang Juli 2016 Helikopter des österreichischen Herstellers Schiebel S-100 verwendet. Darüber hinaus sind Systeme vom Typ DT-18 von Delair Tech und Mini-UAV Quadrocopter DJ1 „Phantom“ eingesetzt.

SMMU-Herausforderungen

Die Herausforderungen in dieser zivilen Mission sind vielfältig und ständig präsent. Die wohl größte operationelle Herausforderung an die Monitore, im Hinblick auf die Auftragserfüllung, stellt die konstante Beurteilung der sich täglich ändernden Sicherheitslage hinsichtlich der Waffenstillstandsverletzungen und deren möglichen Auswirkungen, besonders für Patrouillenfahrten, dar. Im Laufe der bisherigen SMMU-Einsatzdauer mussten die Monitore auch kritische Situationen, etwa den direkten oder indirekten Beschuss, beispielsweise von SALW´s und mittleren Granatwerfern oder Waffendrohungen bei Patrouillenfahrten, meistern. Mehrfach wurden Monitore aus Forward Patrol Bases aufgrund von einsetzendem Steilfeuer evakuiert.

Darüber hinaus stellt die überwiegend negative und oft aggressive Haltung der lokalen Bevölkerung in den Volksrepubliken Donetsk und Luhansk die Monitore vor ein großes Sicherheitsproblem. Das zeigte sich bereits mehrfach in Form von Demonstrationen gegen die SMMU. In diesem Zusammenhang erfolgten mehrere Brandanschläge auf die Fahrzeuge der Monitore in der Stadt Donetsk im Sommer 2015. Neben diesen Herausforderungen stellen die desolaten Straßenzustände, die Witterungsbedingungen sowie die permanente Bedrohung durch Minen, Sprengfallen und UXO die Monitore auf eine besondere Bewährungsprobe.

Die österreichische SMMU-Beteiligung

Die Bundesregierung hat am 2. März 2015 die Fortsetzung der Entsendung von bis zu 15 Angehörigen des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport sowie die weitere Teilnahme seitens der vom Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres benannten Experten beschlossen. Im Hinblick auf die besondere sicherheitspolitische Relevanz der Region für Österreich, die langjährige Expertise des Österreichischen Bundesheeres bei der internationalen Friedenssicherung und vor allem als Beitragsleistung zur österreichischen OSZE-Vorsitzführung 2017 ist die Unterstützung der OSZE in der Ukraine bedeutend.
Österreich beteiligt sich seit Anbeginn der Mission mit zivilen Beobachtern aus dem Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres. Der militärische Beitrag mit Angehörigen des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport begann im September 2014 und betrug zehn Offiziere. Als Unterstützungsleistung für die OSZE führt das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, in Kooperation mit der OSZE, bedarfsabhängige, speziell auf die Situation in der Ukraine abgestimmte einwöchige Einsatzvorbereitungskurse - Hostile Environment Awareness Trainings - durch. Diese Trainings werden sowohl in den Gremien der OSZE als auch durch die beteiligten OSZE-Teilnehmerstaaten als Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit der eingesetzten Monitore anerkannt. Von Jänner 2014 bis Jänner 2017 wurden 27 solche Trainings durchgeführt, in denen 520 angehende SMMU-Monitore ihre Einsatzvorbereitung absolvierten.

OSZE-Vorsitz für 2017 durch Österreich

In der OSZE übernimmt jeweils ein Staat den Vorsitz für ein Jahr. Diesem kommt eine zentrale Rolle in der Steuerung der Arbeit sowie der Vertretung der Organisation nach außen zu. Der Außenminister des jeweiligen Vorsitzlandes fungiert dabei als amtierender Vorsitzender („Chairperson in Office“). Die Tatsache, dass in der OSZE die Entscheidungen im Konsens der 57 teilnehmenden Staaten gefasst werden, macht den Vorsitz zu einer besonderen diplomatischen Herausforderung. Österreich wurde im Dezember 2014 beim OSZE-Ministerrat in Basel von den teilnehmenden Staaten damit betraut im Jahr 2017 den Vorsitz in der OSZE zu übernehmen. Österreich übernahm diesen von Deutschland und ist nach dem Vorsitz im Jahr 2000 bereits zum zweiten Mal in dieser verantwortungsvollen und wichtigen Position. Österreich hat die Prioritäten für seinen OSZE-Vorsitz 2017 als Reaktion auf die aktuellen Bedrohungen und Herausforderungen im OSZE-Raum definiert. Im Rahmen des Vorsitzes wird sich Österreich daher auf

  • die Beitragsleistung zur Entschärfung und Bewältigung bestehender Konflikte,
  • die Vorbeugung und Bekämpfung transnationaler Bedrohungen für die innere Sicherheit (Kampf gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus),
  • die Wiederherstellung des Vertrauens zwischen den OSZE-Teilnehmerstaaten, aber auch auf
  • die Wiederherstellung des Vertrauens der im gemeinsamen OSZE-Raum lebenden Bürger (1,2 Mrd. Menschen) gegenüber den staatlichen Institutionen und Organisationen konzentrieren.

 

Auf einen Blick

Die zivile OSZE-Sonderbeobachtungsmission in der Ukraine ist eine der größten je mandatierten Missionen der OSZE. Gemäß des Abkommens von Minsk I überwacht die OSZE-SMMU-Mission die Waffenstillstandsvereinbarungen zwischen den Konfliktparteien sowie die militärischen Aktivitäten in der Ostukraine. Das Minsker Memorandum beinhaltet unter anderem den sofortigen Waffenstillstand mit einem Neun-Punkte-Plan sowie die Schaffung einer 30 Kilometer breiten Sicherheitszone. Der OSZE-Vorsitzende ist federführend für die Weiterentwicklung des Minsker Prozesses verantwortlich. Während des OSZE-Vorsitzes im Jahr 2017 kann Österreich seine außenpolitischen Erfahrungen in der Rolle des Vermittlers einbringen und zur Stärkung der Sicherheit in Europa beitragen.

Oberst Helmut Leopold; Mitglied der OSZE-Sonderbeobachtungsmission.

 

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