• Veröffentlichungsdatum : 03.02.2017
  • – Letztes Update : 23.05.2017

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  • 1544 Wörter

Miliz in der LV 21.1 - Teil 1

Stefan Thaller

Im TD-Heft Nr. 3/2015 wurde zuletzt über die „Miliz im ÖBH2018“ berichtet. Mittlerweile haben sich die Rahmenbedingungen wesentlich geändert, was zur „Landesverteidigung 21.1“ (LV 21.1) geführt hat. Nachfolgend wird über den aktuellen Stand (Jänner 2017) der Ziele, Absichten und Umsetzungsdetails der „Miliz in der LV 21.1“ informiert. Diese Information ersetzt den Inhalt des Artikels im TD-Heft Nr. 3/2015.

Landesverteidigung 21.1 (LV 21.1)

Derzeit hat das Österreichische Bundesheer (ÖBH) die Struktur „ÖBH2010“ eingenommen. Nunmehr erfolgt die Einnahme der Struktur „LV 21.1“. Das Ziel der LV 21.1 ist die umfassende Stärkung der Landesverteidigung für die Herausforderungen im In- und Ausland des 21. Jahrhunderts, damit das Bundesheer ein sicherheitspolitisch verlässliches Element für Österreich und ein stabiler Partner für Europa ist. Der personelle Aufwuchs und eine moderne materielle Ausstattung der Präsenz- und Mobilmachungsorganisation sind wesentliche Erfolgsfaktoren dazu. Im Zuge der LV 21.1 wird auch die Miliz weiterentwickelt. Gemäß Art. 79 Abs.1 B-VG ist das Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten. Dementsprechend besteht das Bundesheer aus einer Friedens- und Einsatzorganisation.

Zur Erfüllung von Einsatzaufgaben verfügt das Bundesheer über Präsenzkräfte und (nach Aufbietung) über teil- bzw. gesamtmobilgemachte Kräfte. Hierzu kann die Heranziehung von Wehrpflichtigen des Miliz- und Reservestandes zum Einsatzpräsenzdienst bis zu einer Gesamtzahl von 5.000 Wehrpflichtigen durch den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport und darüber hinaus durch den Bundespräsidenten verfügt werden. Die Miliz trägt zur Erfüllung aller Einsatzaufgaben bei, die durch das Bundesheer bei Einsätzen zu bewältigen sind. Der konkrete Einsatz der Miliz hängt von der Intensität der Einsatzszenarien, der Vorwarnzeit und der erforderlichen Durchhaltefähigkeit ab.

„Neuausrichtung der Miliz“ - Bearbeitungsstand

Seit Ende 2013 wird im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport unter Federführung der Sektion IV (Einsatz) und breiter Einbindung der Streitkräfte, des Kommandos Einsatzunterstützung bzw. sonstiger Dienststellen und von Milizsoldaten aller relevanten Ebenen die „Neuausrichtung der Miliz“ bearbeitet. Im Zentrum aller Überlegungen standen und stehen, neben der zukünftigen strikten Ausrichtung auch der Miliz auf die Ressourcenlage und die Einsatzwahrscheinlichkeiten, die

  • Stärkung der Bindung an eine „Militärische Heimat“;
  • Identitätsstiftung durch „Regionalbezug“;
  • Ausrichtung der Einsatzvorbereitung und des Einsatzes auf eine „klare Aufgabenzuordnung“;
  • „Verstärkte Verschränkung“ mit der Präsenzorganisation und damit höhere gegenseitige Identifikation/Akzeptanz und erwartbarer „Mehrwert“ auch für die Präsenzorganisation.

Nach den nunmehr vorliegenden Grundlagen (Ministerratsbeschluss, Ministerweisung, Umsetzungsweisungen Generalstab) wird sich die Miliz in der LV 21.1 bis zum Jahr 2026 wie folgt entwickeln:

Beitrag der Miliz zur „LV 21.1“

Die Miliz ist und bleibt auch weiterhin integraler Bestandteil des Gesamtsystems Bundesheer. Sie leistet einen wesentlichen Beitrag zur

  • Erfüllung aller Aufgaben der präsenten Verbände in deren jeweils gesamtem Verwendungsspektrum.
  • Erfüllung von Inlandsaufgaben, die eine hohe Kräfteanzahl mit teilweise hoher Durchhaltefähigkeit benötigen und dem jeweiligen Ausbildungs-/Einsatzvorbereitungsstand entsprechen, insbesondere: ­
    • militärische Landesverteidigung (Verfahren „Schutz“ - insbesondere Schutz von Räumen und Objekten), 
    • sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsätze, auch unter (geringer) Bedrohung, einschließlich Grenzraumüberwachung, ­
    • Katastrophenhilfe im Inland (inklusive grenzüberschreitender Katastrophenhilfe/nur freiwillig).
  • Bewältigung des Dienstbetriebes und zur Erfüllung von hochkomplexen Inlandsaufgaben, die besondere Expertisen benötigen (z. B. Cyberspace Operationen - „Cyber-Miliz“).
  • Freiwilligen Beteiligung an Auslandseinsätzen (auch in Bereichen die eine besondere Expertise erfordern), allenfalls mit Auslandseinsatz-Bereitschaft gem. §25 AZHG.

Daneben können auch folgende Aufgaben von Wehrpflichtigen des Milizstandes, bei der Erfüllung der Aufgaben des Bundesheeres, übernommen werden:

  • Unterstützung bei der Ausbildung (z. B. bei den Wahlpflichtmodulen für den GWD), insbesondere beim Sport, Führungsverhalten oder der Selbst- und Kameradenhilfe mit Fachpersonal;
  • Informationsoffiziersaufgaben;
  • Wehrpolitische Aktivitäten;
  • Unterstützung bei der Personalgewinnung für die Miliz;
  • Verwendung als Ausbildungspersonal in der jeweiligen Ebene gemäß den Durchführungsbestimmungen für Waffenübungen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Kader und Ausbildung von Grundwehrdienern;
  • Einbindung in Weiterentwicklung und Forschung (Nutzung ziviler Qualifikationen von Experten und Netzwerken);
  • Verwendung als Lehrpersonal für die Aus-, Fort- und Weiterbildung des Kaders;
  • Projektarbeiten (z. B. Übungsvorbereitungen, Vorbereitung von Veranstaltungen, Expertisen);
  • Flexible Einbindung in den täglichen Dienstbetrieb (z. B. Urlaubsvertretungen, temporäre Unterstützungen für Auslandseinsatzvertretungen) auch unabhängig von der jeweiligen Mobilmachungsfunktion.

Struktur der Miliz

Zur Erfüllung aller Aufgaben wird die Miliz strukturell auch weiterhin aus

  • der selbstständig strukturierten Miliz,
  • Milizanteilen und
  • Expertenstäben bestehen.

Selbstständig strukturierte Miliz besteht aus Einheiten und Kleinen Verbänden, die nicht Teil der Truppengliederung des mobilmachungsverantwortlichen Kommandos sind, grundsätzlich andere Hauptaufgaben als dieses haben und deren Organisationsplan ausschließlich Milizarbeitsplätze beinhaltet. Personell setzt sich die selbstständig strukturierte Miliz aus Personen zusammen, die auf Arbeitsplätzen Miliz in Organisationselementen beordert oder mobeingeteilt sind.

Milizanteile sind Trupps, Gruppen, Teileinheiten und Einheiten sowie Einzelpersonen, die als Teil der Truppengliederung des mobilmachungsverantwortlichen Kommandos der Ergänzung der präsenten Einsatzorganisation dienen und die gleiche Hauptaufgaben wie dieses haben. Personell setzt sich der Milizanteil aus Personen zusammen, die auf Arbeitsplätzen Miliz in Organisationselementen beordert oder mobeingeteilt sind sowie aus Personen, die auf kombinierten Arbeitsplätzen beordert sind.

Experten sind Personen, deren - vor allem ziviles - Expertenwissen für Zwecke des Bundesheeres genutzt werden soll und deren Expertenstatus durch eine hierzu bestimmte Leitstelle festgestellt wurde.

Jägerbataillone der Militärkommanden

Eine der wesentlichen Änderungen betrifft die Militärkommanden, die in der LV 21.1 wieder Truppe in Form von bestehenden/überzuleitenden oder neu aufzustellenden Jägerbataillonen unterstellt bekommen. Diese Jägerbataillone verfügen über einen Friedens- und über einen Mobilmachungs-Organisationsplan. Sie zählen im „Aggregatszustand“ des Mobilmachungs-Organisationsplanes zur selbstständig strukturierten Miliz in der Führungsverantwortung der Militärkommanden.

Umfang der Miliz

Der quantitative und qualitative Umfang des Großteils der selbstständig strukturierten Miliz in der LV 21.1 wurde konsequent von den Einsatzwahrscheinlichkeiten abgeleitet. Diese ist vorwiegend für den „stationären Schutz von Objekten“ in den Anlassfällen „Militärische Landesverteidigung“ und „Sicherheitspolizeilicher Assistenzeinsatz“ vorgesehen. Der Fokus liegt auf dem Schutz von zivilen Objekten nationaler Relevanz und dem Schutz von wichtigen militärischen Objekten außerhalb militärischer Liegenschaften.

Als Konsequenz der Aufgabe „Schutz“ werden bei den Miliz-Jägerbataillonen der Militärkommanden mit wenigen Ausnahmen (nach derzeitigem Stand die Jägerbataillone 12, 18 und 23) alle schweren Waffen, wie Panzerabwehrlenkwaffen und Granatwerfer aus den Gliederungen genommen und die Anzahl der Panzerabwehrrohre (PAR66) reduziert. Zur Erhöhung der „boots on the ground“ werden zusätzliche Jägerzüge, selbstständig strukturierte Jägerkompanien und Scharfschützengruppen geschaffen. Eine Jägerkompanie eines Miliz-Jägerbataillons verfügt künftig über vier Jägerzüge, Jägerkompanien eines Miliz-Jägerbataillons der Militärkommanden über fünf Jägerzüge. Jede Jägerkompanie wird darüberhinaus eine Scharfschützgruppe haben.

 

Das bisherige Versorgungsbataillon wird um eine Nachschub-Transport-Kompanie reduziert (von vier auf drei), die bisherigen Miliz-Pionierkompanien bleiben mit unveränderter Gliederung erhalten. Wehrpflichtige des Milizstandes werden künftig in de facto allen Organisationselementen (inklusive dem Jagdkommando), der Einsatzorganisation als Einzelpersonen oder als (Teile oder Gesamt) Trupps, Gruppen, Teileinheiten und sogar Einheiten als Milizanteile beordert sein.

Auf Ebene Teileinheit/Einheit betrifft dies folgende Elemente:

  • Sechs Jägerkompanien der präsenten Jägerbataillone (JgB17, 19, 24, 25, 26, 33);
  • die 3. TaskGroup/SOF;
  • AFDRU (Austrian Forces Disaster Relief Unit, Einheit für Katastrophenhilfe); erhielt eine Inlandsaufgabe und wurde zur „Katastrophenhilfeeinheit/AFDRU“ als Teil der Truppengliederung des Kommandos ABC-Abwehr umstrukturiert;
  • vier Versorgungszüge zur Einsatzunterstützung der zwölf selbstständig strukturierten Jägerkompanien;
  • vier Sanitätszüge ebenfalls zur Einsatzunterstützung der zwölf selbständig strukturierten Jägerkompanien;
  • zehn Fernmeldzüge zur Führungsunterstützung der zwölf selbstständig strukturierten Jägerkompanien und der Militärkommanden in deren Führungsaufgaben;
  • Wachsicherungselemente zum Schutz der fliegerischen Infrastruktur;
  • Wachsicherungselemente zum Schutz militärischer Liegenschaften;

Insgesamt ist bis 2026 der Ausbau der selbstständig strukturierten Miliz mit der Hauptaufgabe „Schutz“ in drei Phasen - bis 2018, bis 2022 und bis 2026 - geplant, wobei im Wesentlichen 40 Jägerkompanien neu aufgestellt werden. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen werden bei den selbstständig strukturierten Jägerkompanien der Miliz als Phase 1 vorerst zwölf Jägerkompanien tatsächlich realisiert.

Die Hauptaufgabe dieser Jägerkompanien ist der vorwiegend stationäre Schutz von Objekten. Dementsprechend wurden die Struktur und die Bewaffnung der ca. 210 Soldaten je Kompanie speziell auf diesen Zweck ausgerichtet. Die Bezeichnung der jeweiligen Jägerkompanie betont den regionalen Aspekt und drückt aus, für welchen Raum sie zuständig ist. Der genannte Bezirk bzw. Raum bedeutet, dass entweder das Haupt-Schutzobjekt oder die Masse der zu schützenden Objekte dort liegt. Solchen Kompanien können jedoch auch andere Orte zugeordnet werden.

Ein weiteres Einsatzspektrum ist die vorübergehende Wahrnehmung von Zivilschutzaufgaben im Inland oder die Unterstützung bei der Bereitstellung lebensnotwendiger Dienste der öffentlichen Versorgung bei der Katastrophenhilfe oder eines Consequence Managements. Ziel ist es, die Neuaufstellung der zwölf Jägerkompanien bis Ende 2017 abzuschließen. Erste Übungstätigkeiten haben bereits 2016 begonnen, der Norm-Übungsbetrieb findet ab 2018 statt.

Da sich die genannten Jägerkompanien derzeit gerade in der Aufstellung befinden, werden für viele Funktionen noch geeignete, beorderbare (insbesondere unbefristet beorderbare) Wehrpflichtige des Miliz- oder Reservestandes gesucht. Vor allem Kommandanten bzw. Stellvertreter von Jägerzügen und Jägergruppen, Fachunteroffiziere, Kraftfahrer, Rettungssanitäter, Scharfschützen und Jäger sind gefragt. Interessenten werden ersucht, sich deshalb bei den jeweiligen mobilmachungsverantwortlichen Kommanden zu melden.

Aufgaben der Miliz

Zur konsequenten Ausrichtung der Einsatzvorbereitung und des Einsatzes werden aufgrund der beschränkt zur Verfügung stehenden Ausbildungs- und Übungszeiten klare Hauptaufgaben (unter besonderer Berücksichtigung eines Regionalbezuges) und allfällige zusätzliche Aufgaben angeordnet. Die Masse der selbstständig strukturierten Miliz ist vorwiegend für den stationären Objektschutz kritischer ziviler Infrastruktur und kritischer militärischer Infrastruktur außerhalb von militärischen Liegenschaften vorgesehen.

Mobilmachungsverantwortung NEU

Die Mobilmachungsverantwortung für die selbstständig strukturierte Miliz der Infanterie und der Pioniere wechselte Anfang 2016 (mit Ausnahme vom Jägerbataillon Salzburg) von den Militärkommanden zu den kleinen Verbänden. Dadurch wird die Bindung an eine „Militärische Heimat“ gestärkt und eine Identitätsstiftung durch „Regionalbezug“ sowie eine verstärkte Verschränkung erwartet (mehr Integration, Identifikation, gegenseitige Akzeptanz, Mehrwert für Präsenzorganisation und Miliz). Damit wird aber auch die „Einheit der Führung“ bezogen auf Personal, Material, Ausbildung und Einsatzvorbereitung erreicht. 

Hinsichtlich der Miliz-Jägerbataillone wird die Mobilmachungsverantwortung wie folgt zugeordnet:

  • JgB B » vorerst weiterhin JgB19 » JgB1 (mit Unterstützung JgB19/HTS);
  • JgB W1 » Gd
  • JgB W2 » Gd
  • JgB NÖ » JgB12
  • JgB OÖ » vorerst weiterhin PzGrenB13 - JgB15 (mit Unterstützung PzGrenB13)
  • JgB ST » JgB18
  • JgB T » JgB24 » JgB6 (mit Unterstützung JgB24)
  • JgB K » JgB26 (temporär bis zur Aufstellung JgB7)
  • JgB S » MilKdo S » JgB8 (mit Unterstützung JgB24, Gebirgskampfzentrum)
  • JgB V » JgB23

Teil 2

Brigadier Mag. Stefan Thaller ist der Leiter der Abteilung Einsatzvorbereitung im BMLVS, die unter anderem für die Miliz zuständig ist.

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