- Veröffentlichungsdatum : 12.10.2020
- – Letztes Update : 14.10.2020
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Meinungsbilder in Zeiten der Pandemie: TREND RADAR 3/2020
Auch das dritte „Trend Radar“ des Jahres 2020 beschäftigt sich mit der „COVID-Krise“. Während die erste Publikation in diesem Jahr das Bedrohungserleben der Bevölkerung und die zweite die Akzeptanz des Assistenzeinsatzes und der Milizmobilisierung thematisierte, betrachtet das aktuelle „Trend Radar“ die Auswirkungen der Krise. Im Zentrum stehen dabei die Ergebnisse der jährlichen Studie zu sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsbildern des Zentrums für menschenorientierte Führung und Wehrpolitik (ZMFW), die im vergangenen Juli durchgeführt wurde.
Sicherheitsempfinden und Bedrohungswahrnehmung
Im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich, dass die weltweite Sicherheitslage deutlich pessimistischer beurteilt wird. 2019 gaben 39 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher an, die globale Lage als sehr oder eher unsicher einzuschätzen, während 2020 bereits 45 Prozent so denken. Die Sicherheit in Österreich wird hingegen von 65 Prozent der Befragten als sehr oder eher sicher bewertet, nur elf Prozent sehen die Lage in Österreich als sehr oder eher unsicher. Beim persönlichen Sicherheitsempfinden zeigt sich ein deutlicher Geschlechterunterschied: Knapp jeder dritte Österreicher (30%) fühlt sich sehr sicher aber nur jede fünfte Österreicherin (19%).
Die Verantwortung für die Sicherheit Österreichs sieht die Bevölkerung primär beim eigenen Land. Etwa die Hälfte der Befragten (46%) stimmte der Aussage zu, dass Österreich vor allem alleine für seine Sicherheit sorgen sollte, nur ein Fünftel (19%) lehnte dies ab.
Die Hauptsorge der Österreicherinnen und Österreicher ist weiterhin der Klimawandel: 58 Prozent der Befragten fühlen sich sehr oder eher davon bedroht. Weitere Bedrohungen, die von den Österreicherinnen und Österreichern als besonders stark erlebt werden sind eine Pandemie (52%), das Verbreiten von Falschinformationen (über das Internet: 43%; in Zeitung/Fernsehen/Radio: 37%) oder steigende Preise (43%).
Außen- und verteidigungspolitische Grundhaltung
Das Interesse an der Verteidigungspolitik ist eher gering. Rund die Hälfte der Bevölkerung (48%) gibt zwar an, sich sehr oder eher stark für Politik zu interessieren, in Bezug auf die Verteidigungspolitik liegt dieser Wert nur noch bei 23 Prozent. Hier zeigt sich ein klarer Unterschied zwischen den Geschlechtern und den Generationen: Frauen äußern mit 12 Prozent ein deutlich geringeres Interesse an der Verteidigungspolitik als Männer mit 35 Prozent. Bei der jüngeren Generation (unter 39 Jahren) geben 18 bis 20 Prozent an, sich für Verteidigungspolitik zu interessieren während es bei den Älteren (über 40 Jahre) 23 bis 26 Prozent sind.
Besonders identitätsstiftend zeigt sich die Neutralität, die von knapp acht von zehn Österreicherinnen und Österreichern befürwortet wird. Bei Frauen liegt dieser Wert mit 80 Prozent höher als bei Männern mit 75 Prozent. Mit 82 Prozent befürworten Menschen über 60 Jahren die österreichische Neutralität am stärksten.
Im Jahr 2019 sprachen sich 62 Prozent der Befragten für eine Beteiligung Österreichs an der internationalen Krisenbewältigung aus. 2020 bleibt eine Mehrheit bei dieser Einstellung, jedoch sank der Wert auf 57 Prozent.
Bezüglich des Budgets, das für die Außen- und Sicherheitspolitik zur Verfügung steht, sehen 77 Prozent der Befragten die Diplomatie als wichtigsten Posten. Gefolgt wird dies von der Entwicklungshilfe (64%) und der Rüstungskontrolle (62%). Eine Aufwendung der Mittel für Kampfeinsätze wird hingegen nur von 10 Prozent befürwortet.
Haltung zur Europäischen Union und GSVP
Die subjektive Verbundenheit der Österreicherinnen und Österreicher ist im Vergleich zum Vorjahr sowohl mit Europa (2020: 59%; 2019: 68%) als auch mit der Europäischen Union (2020: 42%; 2019: 51%) gesunken. Trotzdem findet die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (GSVP) mehrheitliche Zustimmung (61%). 73 Prozent der Befragten erwarten, dass andere EU-Mitgliedsstaaten Österreich im Falle eines Angriffes militärisch unterstützen – eigenes solidarisches Handeln befürworten hingegen nur 30 Prozent.
Ebenfalls gesunken ist die Befürwortung einer EU-Armee (2019: 42%; 2020: 37%). Einer Kooperation innerhalb Europas bei der Streitkräfteorganisation stehen hingegen 73 Prozent positiv gegenüber, 34 Prozent sprechen sich dabei für nationale Streitkräfte aus, die im europäischen Rahmen eng zusammenarbeiten. Sechs Prozent wollen überhaupt keine Streitkräfte.
Haltung zu China, Russland und den USA
Rund ein Drittel der Befragten (34%) ist besorgt, dass es zu einem neuen „kalten Krieg“ zwischen Russland und dem Westen kommen könnte, ein Viertel (25%) macht sich diesbezüglich keine Sorgen und 34 Prozent zeigen sich unschlüssig. Generell hat die kritische Haltung gegenüber Russland zwar zugenommen – 2020 denkt nur noch ein Fünftel (20%) im Gegensatz zu einem Viertel (25%) 2019, dass man Verständnis für die Position Russlands haben sollte – jedoch zeigen die Österreicherinnen und Österreicher eine deutlich positivere Grundhaltung gegenüber Russland als gegenüber den USA und China.
Die Zustimmung zu einer weiteren Einbindung der USA in die Verteidigung Europas hat im Vergleich zu 2019 zwar zugenommen (2019: 16%; 2020: 23%) das Land wird jedoch nur von neun Prozent als zuverlässiger Partner Österreichs gesehen. Auch hinsichtlich der NATO zeigen sich die Österreicherinnen und Österreicher kritisch. Knapp die Hälfte der Befragten lehnt ein sicherheits- bzw. verteidigungspolitisches Engagement Österreichs bei der NATO ab.
Auf einen Blick
Die Sicherheitslage wird pessimistischer als im Vorjahr eingeschätzt (2020: 45% sehr oder eher unsicher; 2019: 39%), der Großteil der Bevölkerung fühlt sich dennoch persönlich sicher, wobei sich starke Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen (Männer: 30% sehr sicher; Frauen: 19%). Neben der Pandemie dominiert der Klimawandel das subjektive Bedrohungserleben (58% fühlen sich sehr oder eher bedroht). Die Neutralität wird weiterhin von ca. 80 Prozent der Bevölkerung befürwortet. Das Engagement Österreichs im Zuge des internationalen Krisenmanagements wird von einer Mehrheit (57%) gutgeheißen. Drei von vier Österreicherinnen und Österreichern erwarten im Falle eines Angriffs auf Österreich die Unterstützung anderer EU-Staaten, jedoch wäre nur ein Drittel bereit, anderen EU-Staaten militärisch zur Hilfe zu kommen. Die NATO und USA werden kritisch gesehen und auch Russland wird weniger Verständnis entgegengebracht als im Vorjahr.
Theresa Schobesberger, BA ist Redakteurin beim TRUPPENDIENST.