• Veröffentlichungsdatum : 30.01.2024
  • – Letztes Update : 14.02.2024

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  • 3452 Wörter

Logistische Ausbildung in den Streitkräften

Gerhard Gürtlich, Stefan Lampl

Die militärlogistische Ausbildung stellt die materielle Einsatzbereitschaft von Streitkräften sicher. Soldaten und Zivilibedienstete sollen befähigt werden, Aufträge handlungssicher und lagegerecht zu erfüllen. Die Ausbildung muss einsatz- und praxisorientiert sein, um Kompetenzen für den militärischen Normbetrieb und den Einsatz zu erlangen.

Der Militärlogistiker soll über das Wissen in Theorie und Praxis militärischer Führungsverfahren, Prozess-, Qualitäts-, Risiko- und Informationsmanagement sowie Beschaffungs-, Produktions-, Distributions-, Entsorgungslogistik, Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung verfügen. Er muss komplexe Zusammenhänge unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Gesichtspunkte analysieren, interpretieren und optimieren können. Fertig ausgebildete Militärlogistiker sollen zur Übernahme von Verantwortung in der Führungsfunktion und zur Selbstständigkeit in den Lern- und Arbeitssituationen befähigt werden.

Einführung

Die Kernkompetenz des Österreichischen Bundesheeres ist und bleibt die Fähigkeit zum militärischen Kampf. Dieser ist gegen jede Art von Akteuren zu beherrschen. Alle anderen Aktivitäten, die dem Bundesheer auferlegt werden, sind Nebenprodukte. Sie entstehen aus der Nutzung der vorhandenen Fähigkeiten aufgrund der Ausbildung der Soldaten und der zur Verfügung stehenden Geräte, wenn diese nicht in militärischen Einsätzen gebunden sind. Es wäre ein fahrlässiger Umgang mit den knappen Ressourcen, eine bestehende und dazu befähigte Organisation, die dazu in der Lage ist, nicht für Katastrophen- und Hilfseinsätze heranzuziehen und anstelle dessen Parallelorganisationen aufzubauen. Demzufolge legt § 2 (1) Wehrgesetz 2001 als Erstes fest: Dem Bundesheer obliegt die militärische Landesverteidigung (der sogenannte Litera-a-Fall). Die weiteren Aufgaben sind im § 2 (1) lit. b) bis d) festgelegt.

Ein Aspekt, der sich nicht aus diesen grundsätzlichen Festlegungen ableiten lässt, ist der des hybriden Konfliktes, der zu einer Anhebung der Reaktionsbereitschaft von Streitkräften zwingt. Eine hohe Reaktionsbereitschaft ist nicht zuletzt notwendig, um die für einen Staat kritische Infrastruktur vor Beeinträchtigungen zu schützen (siehe ÖMZ 1/2023, S. 46f). Dieser Aspekt kann in der Ausbildung nicht ignoriert werden.

Grundsätzlich wird die Ausbildung auf allen Führungsebenen von der Notwendigkeit zur Antifragilität, Autarkie, Agilität, Automatisierung und Resilienz sowie vom militärischen Eigenschutz geprägt. Die Kommandantenverantwortung wird sich zukünftig nicht mehr – wie nach traditioneller Auffassung – durch Räume abgrenzen lassen, sondern durch die erzielbaren Effekte. Der Einsatz von Streitkräften, die das Attribut „modern“ für sich beanspruchen, erfolgt aufgelockert, auch wenn der Krieg Russlands gegen die Ukraine manchmal das Gegenteil suggeriert, nämlich den Einsatz von „Menschenmassen“ auf russischer Seite.

Moderne Streitkräfte verfügen über die Fähigkeit, die eigene Wirkung weitreichend und zeitlich konzentriert zum Einsatz bringen zu können. Dies kann mit oder ohne schnelle Zusammenführung von Kräften erfolgen. Weitreichende Waffensysteme in Verbindung mit einem „gläsernen Gefechtsfeld“ gewinnen an Bedeutung, der Grad an Autonomisierung und Digitalisierung steigt. Die Digitalisierung, Automatisierung und technologische Innovationen lassen ein „gläsernes Gefechtsfeld“ entstehen, das im Gegensatz zum früheren, undurchsichtigen „Nebel des Krieges“ die aktuelle Lage aufklärt und damit wertvolle Informationen für eigene taktische Entscheidungen liefert.

Nicht geändert hat sich die Tatsache, dass logistische Kräfte und Einrichtungen für die Durchhaltefähigkeit von Streitkräften entscheidend sind und daher ein lohnendes Ziel für jeden Gegner darstellen (im Sinne eines indirekten Wirkungsansatzes, der auf die Ausschaltung des gegnerischen „Center of Gravity“ abzielt).

Ziel der Militärlogistik war und ist es, den eingesetzten Kräften reaktionsschnell, flexibel und dauerhaft die richtigen Versorgungsgüter (z. B. Fahrzeuge, Wirkmittel, Verpflegung, Ersatzteile, Betriebsmittel und Munition) zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Standort in der richtigen Quantität und Qualität zur Verfügung zu stellen, damit diese ihren militärischen Auftrag erfüllen können. Damit unterscheidet sich die militärische nicht von der zivilen Logistik. Beide haben den Auftrag, Versorgungsgüter sicherzustellen, die einen für die Produktion, die anderen für die Erfüllung des Kampfauftrages. Der wesentliche Unterschied liegt in der Behandlung der Logistikkosten, die bei der Auftragserfüllung entstehen. Im zivilen Bereich sind sie von entscheidender Bedeutung, in einer kriegerischen Auseinandersetzung bleiben sie jedoch ohne Beachtung. Den militärischen Auftrag nicht auszuführen, um Kosten zu sparen, ist keine zielführende Argumentation. Ein hoher militärlogistischer Output soll unter permanenter Bedrohung auf dem Gefechtsfeld in schnell ablaufenden Operationen und bei gleichbleibender Personalstärke erzielt werden. Der richtige Einsatz von Logistik und ihre Leistungsfähigkeit ist für das Durchhaltevermögen der eingesetzten militärischen Kräfte entscheidend.

In einem Konflikt zwischen zwei hochgerüsteten Streitkräften sind die klassischen – in der Zeit des Kalten Krieges entwickelten – logistischen Systeme heute nur mehr begrenzt handlungsfähig. Die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg stellten die Eisenbahn in den Mittelpunkt der Logistik. Auch die russische Militärlogistik hängt im Krieg gegen die Ukraine stark von dieser ab. Wenn sie unterbrochen wird, verzögert sich der Nachschub. Die Erfolge der ukrainischen Streitkräfte nach der Implementierung des amerikanischen High Mobility Artillery Rocket System (HIMARS) im Sommer 2022 beruhten auf der Bekämpfung der russischen Führungseinrichtungen und der logistischen Knoten in der Tiefe des Gefechtsfeldes (siehe TD-Heft 1/2023).

Trotzdem sind die militärlogistischen Systeme von Streitkräften noch in klassischer Form organisiert. Logistische Fähigkeiten werden auf allen Führungsebenen vorgehalten. Ebenso findet eine Bevorratung von Einzel- und Mengenverbrauchsgütern (z. B. Betriebsmittel; Combat Ration – vorverpackte Militärration, die einfach und schnell vor Ort zubereitet und verzehrt werden kann, Trinkwasser und Munition) auf allen Führungsebenen statt. In der Militärlogistik ist es derzeit noch immer vorgesehen, Versorgungsgüter von einer logistischen Ebene zur nächsten zu schieben (Push-Prinzip), und man nimmt dabei einen mehrfachen Umschlag der Güter in Kauf. Da im feldmäßigen Einsatz kaum mechanische Umschlagmittel zur Verfügung stehen (z. B. Reachstacker, Gabelstapler, Hubwagen), ist viel „Manneskraft“ erforderlich, die dann eigentlich unproduktiv eingesetzt wird, da diese für andere Zwecke ausgebildet worden ist.

Stationäre Versorgungseinrichtungen beanspruchen ausgedehnte Flächen (z. B. benötigt die Forward Support Area eines Land Component Command/Kommando (LCC) Landstreitkräfte etwa 25 km²), sind nur mit großem Aufwand zu verlegen und aufwendig zu betreiben. In einem LCC werden zum Beispiel 5 000 Container für 30 Days of Supply (DOS) eines Korps bereitgestellt (Anm.: ein DOS ist ein rechnerisch ermittelter Tagesbedarf für „eine Verbrauchseinheit“).

Logistische Einrichtungen dieser Größenordnungen sind, wenn überhaupt, nur sehr schwer zu schützen (z. B. gegen Angriffe aus der Luft). Meist fehlt es auch an Fähigkeitsträgern wie Sicherungskompanien. Daher gehen die meisten Planungen davon aus, dass kritische Einrichtungen von den Logistikkräften selbst zu schützen sind. Weil sich der militärische Eigenschutz erst durch die Kombination einer Reihe von Fähigkeiten (z. B. ABC-Abwehr, bodengebundene Luftabwehr, Sicherungseinheiten, Sanität) ergibt, ist dies ein falscher Ansatz. Diese Aufgaben kann die Logistiktruppe nicht leisten, da dann das Leistungspotenzial der Logistikkräfte in ihren Kernaufgaben sinken würde.

Zusammengefasst liegen die Kernaufgaben (das Leistungspotenzial) der Militärlogistik darin: „Military supply has always had the basic aim of providing military forces the material needed

  • to live (food, water, clothing, shelter, medical supplies),
  • to move (vehicles and transport animals, fuel and forage),
  • to communicate (the whole range of communications equipment) and
  • to fight (weapons, defensive armament and materials, and the expendables of missile power and firepower).” (siehe www.britannica.com/topic/logistics-military/Supply).

Rahmenbedingungen für die Militärlogistik


Bei Streitkräften wird das Verhältnis zwischen Kämpfern und Unterstützern als „Tooth-to-Tail-Ratio“ bezeichnet. In den vergangenen Jahrzehnten war ein Trend zur Reduzierung des Tail-Anteiles durch das Outsourcen militärlogistischer Dienstleistungen an gewerblich agierende Dritte (Contractors) erkennbar. Um mehr Kräfte für die militärischen Kernaufgaben zur Verfügung zu haben, gliedern Staaten zunehmend Dienstleistungen an private Unternehmen aus. Zusätzlich änderte man die Einsatzführung und stützte sich im Einsatzraum auf relativ gut geschützte Basen ab, wodurch der Einsatz dieser Dienstleister begünstigt wurde. Das veränderte Gefechtsbild (weitreichende Waffensysteme in Verbindung mit einem „gläsernen Gefechtsfeld“) lässt jedoch erwarten, dass es zu einer Trendumkehr kommen wird.

Zusammengefasst werden im Einsatzfall folgende Anforderungen an ein militärlogistisches System gestellt:

  • Die Bedrohung des militärlogistischen Systems wird zunehmen. Damit sind steigende Anforderungen an Schutz, Mobilität und Durchhaltefähigkeit der Logistikkräfte verbunden.
  • Die Übergabe von Versorgungsgütern an den Bedarfsträger erfolgt nicht nur statisch auf dem Gefechtsfeld, sondern auch während der Bewegungsphasen.
  • Die erhöhten Reichweiten von Waffensystemen lassen zeitaufwendige Instandsetzungen im rückwärtigen Raum sowie den Abschub von Versorgungsgütern in bedrohungsfreie Verfügungsräume nur mehr in begrenztem Umfang zu.
  • Die Holversorgung (Pull-Prinzip) und nicht die Bringversorgung (Push-Prinzip) wird angestrebt. Dies erfordert umfangreiche Planungen unter Abstützung auf simulationsgestützte Rechenmodelle und Daten über den Bedarf in Echtzeit.
  • Die multinationale Vernetzung der militärlogistischen Systeme wird zunehmen. Interoperabilität in der Fähigkeitsplanung ist „der Schlüssel zum Erfolg“.
  • Rasche Informationsverarbeitung und Digitalisierung werden die militärlogistischen Entscheidungs- und Durchführungsprozesse beschleunigen und eine Versorgung auf einem „dynamischen Gefechtsfeld“ ermöglichen.
  • Neue Versorgungsgüter müssen wartungsarm und leicht bewirtschaftbar sein.
  • Die Digitalisierung muss in der Ausbildung des militärlogistischen Personals Berücksichtigung finden.
  • Die Instandsetzungsfähigkeit auf Ebene des Bedarfsträgers (z. B. des Panzerbataillons) wird geringer. Damit steigt dessen Abhängigkeit vom militärlogistischen System.
  • Es wird zum Einsatz von Smart-Sensoren kommen, um Standortdaten von Material und Gerät sowie Zustandsmerkmale zeitnah verfolgen zu können.
  • Logistische Daten zum Materialfluss werden in Echtzeit und aus verschiedenen Informationsquellen aggregiert werden, um den logistischen Führungs- und Planungsprozess zu unterstützen.
  • Logistische Integrationsplattformen werden für die Einbindung von multinationalen Partnern Verwendung finden.
  • Steigende Technologie- und Varianzsprünge bei Waffen und Gerät führen zu einem schnelleren „Veraltern“.

Resilienz, Beweglichkeit, Agilität und Flexibilität des militärlogistischen Systems werden in allen Phasen einer Operation wesentliche Führungsgrundsätze sein. Diese Anforderungen verlangen eine enge Einbindung der Militärlogistik in die Einsatzführung. Wichtig ist das Verständnis des Zusammenhanges zwischen Einsatzführung und Militärlogistik durch das Führungspersonal auf allen Führungsebenen. Eine funktionierende Logistik ist und bleibt Kommandantenverantwortung.

Tooth-to-Tail-Ratio

„Tooth to tail“ kennzeichnet das Verhältnis zwischen den im vorderen Kampfgebiet eingesetzten Soldaten und den nachgeordneten Logistik- und Führungsunterstützungstruppen. Dieser Begriff wurde durch die Kriegsführung in den 1950er- und 1970er-Jahren (z. B. im Korea-Krieg 1:5, im Vietnamkrieg 1:8) geprägt. Ein derartiges Verhältnis ist nicht auf alle Teilstreitkräfte eines Staates oder auf andere Staaten übertragbar. Die Größe des Verantwortungsbereiches, regionale und truppenspezifische Zusammenhänge, staatliche Regelungen, logistische Aufbauorganisationen, Ausstattungs- und Einsatzgrundsätze sowie die Größenordnung des militärischen Vorhabens bestimmen das „Tooth to tail“-Verhältnis.

Profil einer militärlogistischen Ausbildung


Das übergeordnete Ziel der militärlogistischen Ausbildung ist die Sicherstellung der materiellen und ressourcenbezogenen Einsatzbereitschaft von Streitkräften. Durch die Ausbildung sollen Soldaten und Zivilbedienstete befähigt werden, ihren Auftrag handlungssicher und lagegerecht durchzuführen. Die logistischen Inhalte sind so zu vermitteln, dass die Ausbildung einsatz-, handlungs- und praxisorientiert durchgeführt wird und die für die Verwendung im Normbetrieb und im Einsatz notwendigen Kompetenzen erlangt werden. Das primäre Ausbildungsziel umfasst die Schulung in den „Kernaufgaben“ Sicherstellung von Transport, Lagerung, Bereitstellung, Beschaffung und Verteilung von Gütern (in einer erweiterten Definition auch Personen, Informationen, Geld und Energie; Anm.).

Der Militärlogistiker soll zusätzlich über Wissen verfügen in

  • Theorie und Praxis militärischer Führungsverfahren,
  • Prozess-, Qualitäts-, Risiko- und Informationsmanagement,
  • Beschaffungs-, Produktions-, Distributions-, Entsorgungslogistik,
  • Vertragsgestaltung und -abwicklung sowie
  • Grundlagen der Volks- und Betriebswirtschaftslehre.

Nicht zuletzt muss er komplexe Zusammenhänge unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Gesichtspunkte analysieren und im Blickwinkel von „Joint, Combined and Interagency“ interpretieren und optimieren können.

Die logistische Unterstützung von Streitkräften wird im Einsatz durch den Wirkverbund von der logistischen Basis Inland und den logistischen Ebenen 1 bis 3 sichergestellt. Hierzu werden Verfahren, Kräfte, Mittel und Fähigkeiten aufeinander abgestimmt, um ein reibungsloses Zusammenwirken zu gewährleisten.

Gefragt ist logistisches Fachwissen auf vier Ebenen:

  • Die logistische Ebenen 1 und 2 ist den Einheiten der kleinen und großen Verbände (kleiner Verband ist das Bataillon, großer Verband ist die Brigade; Anm.) zugeordnet. Die militärlogistischen Kräfte sind auf den Einsatz ausgerichtet, den sie unter den Bedingungen der vernetzten Operationsführung, abgestuft nach Kräftekategorien, hinsichtlich Verfügbarkeit, Durchhaltefähigkeit, Mobilität, Führungs- und Überlebensfähigkeit entsprechen müssen.
  • Die logistische Ebene 3 ist im Einsatzraum für die logistische Lagefeststellung und Lageführung zuständig. Sie stellt logistische Kräfte sowie Ressourcen für die logistischen Ebenen 1 und 2 bereit und koordiniert die Schnittstellen zur multinationalen Logistik und Host Nation Support (HNS).
  • Die logistische Ebene 4 plant, steuert und koordiniert alle militärischen und zivilen Unterstützungsleistungen und gewährleistet die logistische Unterstützung des ÖBH im Normbetrieb und im Einsatz.

Die Überlappung der Logistikebenen 1 bis 4 mit den geforderten Fähigkeitsausprägungen „unbedingt zu beherrschen (hoch)“ und „auch zu beherrschen (niedrig)“ führt zur Gewichtung der militärlogistischen Ausbildungsinhalte (siehe Tabelle).

Militärlogistische Ausbildung an der Heereslogistikschule

In Anlehnung an das Berufsausbildungsgesetz soll die Ausbildung zum Militärlogistiker auf qualifizierte berufliche Tätigkeiten vorbereiten und die erforderlichen Kompetenzen (Kenntnisse, Fertigkeiten und Schlüsselqualifikationen) vermitteln. Fertig ausgebildete Militärlogistiker sollen zur Übernahme von Verantwortung und Selbstständigkeit in Arbeits- und Lernsituationen befähigt werden.

Die militärlogistische Ausbildung im Bundesheer ist am Einsatz orientiert, auf das Wirken im Verbund abgestimmt und erfordert einheitliche Ausbildungsgrundlagen.

Die logistische Unterstützung von Einsätzen und Übungen erfordert neben einer grundlegenden Truppenausbildung mit allgemeinen militärischen Ausbildungsanteilen auch eine umfassende fachliche Ausbildung und eine permanente Übung des logistischen Führungs- und Fachpersonals. Künftige Einsätze im neugewichteten Aufgabenspektrum des Bundesheeres werden vor dem Hintergrund der Erringung von Führungs- und Wirkungsüberlegenheit auf der taktischen und operativen Führungsebene maßgeblich durch die Effektivität bestimmt, mit der die militärische Fähigkeit unterstützt und durchgehalten werden kann. Seit dem Ukraine-Konflikt erfolgt wieder eine Refokussierung auf einen Einsatz in Österreich. Dies setzt eine optimierte Materialbewirtschaftung und Transparenz der logistischen Abläufe voraus. Des Weiteren ist die materielle Einsatzbereitschaft aufgrund der fortschreitenden Technisierung und der zunehmenden Abhängigkeit militärischer Einsätze von präzise funktionierenden technischen Systemen stets auf einem hohen Niveau zu halten.

Die militärlogistischen Kräfte sind zusätzlich auf Aufgaben in einem multinationalen Umfeld gezielt vorzubereiten, um in der multinationalen Zusammenarbeit bestehen zu können. Dies setzt eine hohe Interoperabilität der einzusetzenden logistischen Kräfte und Mittel voraus.

Im Mittelpunkt der militärlogistischen Ausbildung an der Heereslogistikschule (HLogS) steht der professionell handelnde Soldat oder Zivilbedienstete aus dem Bereich der Militärlogistik, der auf seinem Arbeitsplatz alleine oder in Zusammenarbeit mit anderen in einem nationalen und internationalen Verbund Aufträge erfüllen kann.

Die Kernkompetenz der HLogS in der Lehre sind die logistische Ebenen 1 und 2. Für ein besseres Gesamtverständnis werden je nach Lehrgang auch Inhalte der übergeordneten logistischen Ebene unterrichtet. In der Abbildung unten sind die Kernkompetenzen der HLogS im Bereich der Lehre, die eine gefechtstechnische und eine taktische Führungsebene umfasst, dargestellt. Die militärlogistischen Belange der operativen und strategischen Militärlogistik (oberhalb des blauen Striches) werden überwiegend an der Landesverteidigungsakademie gelehrt.

Die Vermittlung von Wissen findet sowohl in den Ausbildungsformen Unterricht, praktische Anwendung, Übungen und Fernausbildung als auch beim eigenverantwortlichen Lernen durch den Lehrgangsteilnehmer und die Lehrgangsteilnehmerin (LGTln) statt. Die Fähigkeiten sind sowohl für die Verwendung im Normbetrieb (in Friedenszeiten) als auch im Einsatz (für den Konfliktfall) zu erlangen. Gleichzeitig soll durch eine im zivilen Bereich verwertbare und anerkannte Ausbildung die Attraktivität des Bundesheeres als Arbeitgeber gesteigert werden.

Die in den einzelnen Curricula festgelegten Ausbildungsziele und Lerninhalte sind

  • modular aufzubereiten und auf die Einzelperson/die Ausbildungsgruppe zugeschnitten zu vermitteln,
  • handlungsorientiert und realitätsnah zu gestalten,
  • den Lehrgangsteilnehmern auch nach Abschluss ihrer Ausbildung in der aktuellen Form im Sinne eines Wissensmanagements zur Verfügung zu stellen und
  • unter Beachtung eines wirtschaftlichen Ressourceneinsatzes zu planen und zu vermitteln.

Folgende Ausbildungsformen werden an der HLogS zur Vermittlung der Lerninhalte eingesetzt:

  • Vorträge: Dienen der Vermittlung von Grundkenntnissen und -fähigkeiten. Sie sind für die Vermittlung von Basiswissen notwendig.
  • Praktische Ausbildung: Dient zur Vermittlung der Handhabung von komplexen Techniken und Abläufen durch den Einsatz geeigneter Ausbildungsmittel. Fertigkeiten sollen ausgebaut und durch Handlungs-/Verfahrenstraining vertieft werden.
  • Fernlehre: Die Fernlehre als technologiegestützte Ausbildungsform stellt eine räumliche Trennung zwischen Ausbildungspersonal/Teletutor und zumindest einem Teil der Auszubildenden dar. Vorteil ist die zielgruppenorientierte Ausbildung ohne große Abwesenheit der LGTln von ihren Verbänden und Einheiten. (Für die Fernlehre wird an der HLogS die technologiegestützte Ausbildungsplattform SITOS 6.0 genutzt; Anm.).
  • Simulationsgestützte Ausbildung: Simulation verbessert die Qualität der Ausbildung, der Ressourcenaufwand wird verringert, die Beeinträchtigung und die Gefährdung von Menschen und Umwelt werden minimiert. Die Simulationssysteme müssen eine für die jeweiligen Ausbildungs- und Übungszwecke notwendige, realitätsnahe Abbildung des Einsatzes liefern, um dem Grundsatz „Train as you fight, fight as you train“ zu entsprechen. 

Conclusio

Die Digitalisierung, Automatisierung und das Systemverständnis sind zentrale Grundlagen für die Arbeitsweise von qualifizierten Militärlogistikern sowohl in der logistischen Basis als auch in der „letzten Meile“ als finaler Teil des Transportes. Es wird erwartet, dass das Qualifizierungsniveau in der Militärlogistik steigen und die Tätigkeit des Logistikpersonals anspruchsvoller werden wird. Digitale und technische Kompetenzen werden zu einer Grundvoraussetzung. Der Schlüssel jeder Technologie liegt beim Soldaten oder zivilen Mitarbeiter als Anwender. Der verlässliche Mitarbeiter und seine Kompetenzen werden weiterhin im Fokus stehen. Es wird auch in Zukunft einen Bedarf an qualifiziertem militärischen und zivilen Militärlogistikpersonal geben.

Die künftigen Kriterien zur Sicherstellung einer modernen, effektiven und effizienten militärlogistischen Ausbildung, an denen die HLogS gemessen werden wird, sind

  • ein durchgängiges Verständnis von Militärlogistik,
  • eine Kombination aus wissenschaftlicher Fundierung und Praxisbezug,
  • die Verbindung von Faktenwissen mit einem lösungsorientierten Handlungs- und Erfahrungswissen,
  • eine Steigerung des Verständnisses für handlungsorientiertes Lernen,
  • eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Aktualisierung der Lehrinhalte,
  • das Lernen als aktiver, auch vom Lernenden gesteuerter Prozess,
  • die aktive Gestaltung des Unterrichtes und die Ermutigung des Lehrgangsteilnehmers zur Exploration,
  • die Erweiterung des Lernortes von Vorlesungen hin zu Simulation und zu Übungen,
  • die Steigerung der Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden sowie
  • die Förderung der Interaktion der Lehrgangsteilnehmer untereinander.

Grundsätze und Lernformen

Grundsätze und Lernformen bei der Erstellung von militärlogistischen Curricula können wie folgt zusammengefasst werden:

Interaktives Lernen

Auch in der militärlogistischen Ausbildung kann auf interaktive Lernformen zurückgegriffen werden. Anstelle eines passiven Unterrichtes könnten interaktive Simulationen, Fallstudien, Gruppenarbeiten und praktische Übungen eingesetzt werden, um das Verständnis und die Anwendung logistischer Konzepte zu fördern.

Praxisorientierte Ausbildung

Soldaten könnten in realen oder simulierten Einsatzumgebungen logistische Aufgaben und Szenarien durchführen. Die praktische Ausbildung sollte in enger Zusammenarbeit mit anderen Einheiten
(z. B. Kampfverbänden) stattfinden, um die Zusammenarbeit und die Integration der Logistik zu verbessern.

Einsatz von Simulationstechnologien

Soldaten könnten virtuelle Umgebungen nutzen, um komplexe logistische Szenarien zu simulieren und reale Entscheidungen zu treffen. Die Simulationen könnten auch Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen verwenden, um realistische Reaktionen und Konsequenzen zu generieren.

Personalisierte Lernansätze

Soldaten und zivile Mitarbeiter könnten individualisierte Lernpläne und Inhalte erhalten, die auf ihre spezifischen logistischen Bedürfnisse und Lernstile zugeschnitten sind. Adaptive Lernsysteme könnten dem Fortschritt jedes Soldaten dienen und automatisch Anpassungen in der Fähigkeitenvermittlung durchführen und Empfehlungen vornehmen.

Virtuelle Zusammenarbeit und Vernetzung

Durch den Einsatz von Online-Plattformen und virtuellen Kommunikationstools könnten Soldaten aus verschiedenen Einheiten und Ländern miteinander vernetzt werden. Virtuelle Teamarbeit und gemeinsame Projekte könnten die Fähigkeit der Soldaten verbessern, in multinationalen und interkulturellen Umgebungen zu arbeiten.

Modularisierung der Ausbildung

  • Flexibilität: Durch die modulare Struktur können Soldaten und zivile Mitarbeiter ihre Ausbildung an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen und Schwerpunkte setzen, und zwar je nach ihrer Rolle, ihrem Verantwortungsbereich oder ihren zukünftigen Einsatzgebieten. Sie können aus einer Auswahl an Modulen wählen, die verschiedene logistische Fähigkeiten und Kenntnisse abdecken.
  • Aktualisierung und Anpassung: Die modulare Ausbildung ermöglicht es, Inhalte und Module schnell zu aktualisieren und an neue technologische Entwicklungen, logistische Best Practices oder veränderte Anforderungen anzupassen. Dadurch kann die militärlogistische Ausbildung kontinuierlich auf dem neuesten Stand gehalten werden.
  • Effizienz: Durch modulare Ausbildung können Soldaten und zivile Mitarbeiter gezielt diejenigen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die sie benötigen, ohne Zeit mit bereits beherrschten Inhalten zu verschwenden. Dies führt zu einer effizienteren Nutzung der Ausbildungsressourcen und ermöglicht es den Soldaten, schneller einsatzbereit zu sein.
  • Spezialisierung: Die modulare Ausbildung erlaubt es Soldaten und zivilen Mitarbeitern, sich auf spezifische logistische Bereiche und Funktionen zu spezialisieren, z. B. Transport, Lagerhaltung, Versorgungsabläufe, Instandhaltung oder Datenanalyse. Dies ermöglicht eine gezieltere Entwicklung von Expertise und eine bessere Anpassung an spezifische Einsatzanforderungen.
  • Karriereentwicklung: Durch die modulare Ausbildung können Soldaten und zivile Mitarbeiter ihre logistischen Fähigkeiten kontinuierlich erweitern und sich auf höhere Führungspositionen und verantwortungsvollere Aufgaben vorbereiten.

Festlegung von Referenzmodellen

Eine militärtechnische Ausbildung mit Referenzmodellen kann dazu beitragen, die Effizienz, Interoperabilität und Kontinuität der Ausbildung zu verbessern. Es ist jedoch zu beachten, dass Referenzmodelle als Grundlage dienen sollten und an die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen der militärischen Einheiten oder der Verbände angepasst werden müssen.  Als Vorteile für die Festlegung von Referenzmodellen sind anzusehen:

  • Standardisierung: Referenzmodelle bieten eine standardisierte Grundlage für militärische Ausbildungen. Diese legen „bewährte Verfahren“ und Standards fest, die von vielen Ländern oder Organisationen akzeptiert werden. Dadurch wird eine einheitliche Ausbildung gewährleistet, unabhängig von der individuellen Ausbildungseinrichtung oder dem Standort.
  • Effizienz: Durch Referenzmodelle kann die militärische Ausbildung gestrafft werden. Die Modelle bieten einen strukturierten Rahmen und klare Richtlinien für verschiedene Aspekte der Ausbildung, z. B. Ausbildungspläne, Taktiken, Verfahren und Ausrüstungsstandards. Die Planung, Durchführung und Bewertung von Ausbildungsprogrammen werden erleichtert.
  • Best-Practices: Referenzmodelle basieren oft auf bewährten Verfahren und Erfahrungen aus der Vergangenheit und umfassen häufig Lehren aus vergangenen Einsätzen oder Operationen. Durch die Einbeziehung des Best-Practices-Principle in die Ausbildung können militärische Einheiten von den Erfahrungen anderer profitieren.
  • Interoperabilität: In multinationalen Einsätzen ist die Interoperabilität zwischen den Streitkräften verschiedener Staaten von entscheidender Bedeutung. Referenzmodelle, die von mehreren Staaten anerkannt werden, fördern die gemeinsame Ausbildung und erleichtern die Zusammenarbeit.
  • Kontinuierliche Verbesserung: Referenzmodelle werden in der Regel regelmäßig überarbeitet und aktualisiert, um den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen gerecht zu werden. Durch die Teilnahme an Ausbildungen, die auf Referenzmodellen basieren, bleiben militärische Einheiten auf dem neuesten Stand der Industriepraxis. Diese haben Zugang zu neu gewonnenen Erkenntnissen und Entwicklungen in Bezug auf Taktik, Technologie und Strategie.

Best-Practices-Principle

Train your employees permanently, be consistent in your decisions, communicate in a clear, accurate and thorough way, ask questions, learn by example, delegate functions and give constructive feedback.

Fazit

Die militärlogistische Ausbildung darf nicht nur auf die Vermittlung von fachlichen Kompetenzen und Fähigkeiten abzielen, sondern hat auch multifunktionale Kriterien, Personal- und Sozialkompetenz, kommunikative Fach- und Methodenkompetenz sowie selbstständige Aktivitäts- und Handlungskompetenz zu umfassen, um den Anforderungen der Militärlogistik im 21. Jahrhundert Rechnung tragen zu können.

Prof. Mag. Dr. Gerhard Gürtlich; Sektionschef i.R.;
Brigadier Mag. Stefan Lampl; Kommandant der Heereslogistikschule.


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 4/2023 (394).

Zur Ausgabe 4/2023 (394)


 

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