• Veröffentlichungsdatum : 14.04.2022
  • – Letztes Update : 28.04.2022

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Jubiläumsausstellung: 100 Jahre Burgenland

Gerold Keusch

Seit 1921, etwas mehr als hundert Jahre, ist das Burgenland ein Teil Österreichs. Bis zum Ende des Jahres 2022 gibt es die Landesausstellung „100 Jahre Burgenland“ in der Friedensburg Schlaining. Dieser Ort passt insofern gut zu dem Thema, da das jüngste Bundesland in den letzten hundert Jahren auch der Schauplatz von Kriegen, Krisen, Konflikten und Umbrüchen war.

Ein 100-Jahr-Jubiläum ist ein Grund zum Feiern. Es ist aber auch ein passender Anlass um zurückzublicken. Das Burgenland macht beides in Form einer Jubiläums- und Landesausstellung. Auf 1.300 m² erwartet die Besucher eine multimediale Schau mit 850 Objekten von mehr als 120 Leihgebern, die in 160 Vitrinen und 30 Medienstationen ausgestellt sind. Diese beleuchten die hundertjährige Geschichte des Burgenlandes und machen sie erlebbar. Dass diese mit Krisen und Herausforderung verbunden war, zeigt schon der Umstand, dass die Ausstellung durch die Corona-Krise verlängert wurde und noch bis Ende 2022 in dieser Form zu sehen ist. Danach soll die Schau in angepasster Form als Dauerausstellung – im dann als „Haus der Geschichte des Burgenlandes“ bezeichneten Teil der Friedensburg Schlaining – fortgeführt werden.

Gründung und Identität

Mit einer Krise war auch die „Geburt“ des Burgenlandes und dessen „Aufnahme in die österreichische Familie“ verbunden. Das Ende des Ersten Weltkrieges und die Neuordnung Europas waren der konkrete Ausgangspunkt. Die Umstände dieser „schweren Geburt“ markieren den Beginn der Ausstellung. Nachdem man den lichtdurchfluteten ersten Saal betreten hat, in dem die Namen aller burgenländischen Gemeinden auf den Wänden stehen, gelangt man zu einem großen Tisch. Dieser widmet sich den Verhandlungen, die in der Abtretung Deutsch-Westungarns an Österreich resultierten. Rund um die Tischplatte, auf die eine Karte projiziert wird, sind Vitrinen mit Broschüren, Büchern, Fotoalben und Verträgen. Sie zeugen, so wie die Propagandaplakate der Ödenburger Volksabstimmung oder ein Grenzstein im Gang nebenan, von den damaligen Wirren.

Der nächste Raum widmet sich den Symbolen des Burgenlandes. Als Bundesland benötigte es ein Wappen und Landesfarben, eine Hymne, einen Landespatron und – weil es diese noch gar nicht gab – einen Namen und eine Landeshauptstadt, nachdem Ödenburg bei Ungarn verblieb. All diese Symbole sollten eine burgenländische Identität in dem neuen Staat stiften. Das war insofern schwierig, da das Bundesland zwar mehrheitlich von deutschsprachigen Österreichern bewohnt wurde, aber auch die Volksgruppen der Kroaten, Ungarn und Roma vertreten waren, deren kulturelle Identitäten es ebenfalls zu berücksichtigen galt.

Der Große Engelssaal und der Saal nebenan thematisieren ebenfalls die mit der Gründung des Bundeslandes verbundenen Ereignisse. Dabei wird die Namensfindung genauso erklärt wie die historischen Meilensteine und Wendepunkte, die das Burgenland prägten. Einen prominenten Platz in diesem Teil der Ausstellung hat Generalmajor Sommer, dem eine Vitrine gewidmet ist. Dieser jüdische Offizier führte jenes Bataillon, das bei der Landnahme des Burgenlandes bei Kirchschlag in heftige Gefechte verwickelte wurde, sich jedoch siegreich behaupten konnte. Sein Schicksal, er wurde von den Nationalsozialisten – trotz seiner militärischen Verdienste – nach Theresienstadt verschleppt, wo er überleben konnte, ist ein passender Anknüpfungspunkt für den nächsten Ausstellungsraum.

Exponate mit (tragischer) Historie

Dieser helle Saal mit den künstlerisch gestalteten Vitrinen, der die politische Geschichte seit 1921 thematisiert, ist mit seinen beiden Nebenräumen der wohl emotionalste Teil der Ausstellung. Das erste Exponat, das man dort erblickt, ist die Waffe von Schattendorf. Mit dieser wurden 1927 jene Schüsse abgefeuert, die die Entwicklung anstießen, welche zum Justizpalastbrand führte und die Trennung Österreichs in zwei sich feindlich gegenüberstehende Lager einzementierte. Das Modell eines Grenzturms symbolisiert die Tatsache, dass das Burgenland während des Kalten Krieges (beinahe) das „Ende der Welt“ markierte. Sichtbar waren der als Eiserne Vorhang bekannte „Grenzzaun“ mit seinen zusätzlichen Einrichtungen, zu denen auch Minenfelder gehörten.

Mittlerweile gehören dieser Grenzzaun und die Teilung Europas der Vergangenheit an. Die Zange, mit der er am 2. Mai 1989 vom österreichischen Außenminister Alois Mock und dessen ungarischen Amtskollegen Gyula Horn bei Nickelsdorf durchschnitten wurde, ist eines der markantesten Exponate der Ausstellung. Schließlich zeugt es vom Aufbruch in ein neues Zeitalter des Friedens und der Freiheit in einem geeinten Europa.

Doch die mit dieser Aufbruchsstimmung verbundene Toleranz wurde nicht von allen Österreichern geteilt. Trauriger Tiefpunkt waren die Anschläge von Franz Fuchs auf Prominente, die nicht in sein rassisch-politisches Weltbild passten und in der Gesellschaft für Toleranz standen bzw. für diese eintraten. Einen besonders perfiden Anschlag führte Fuchs in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1995 auf die Roma-Gemeinde von Oberwart durch. Heute zeugen die Reste dieser Bombe, die vier Männer tötete, in der Vitrine gegenüber der zuvor beschriebenen Drahtzange, von diesem tragischen Ereignis.

Dass die vier Opfer dieses Anschlages nicht vergessen sind, zeigt eine künstlerische Darstellung im nächsten Raum. Dort hängen vier Portraits des Künstlers Manfred Bockelmann, des Bruders von Udo Jürgens. Sie zeigen Erwin Horvath, Karl Horvath, Peter Sarközi und Josef Simon, die damals ermordet wurden. Dieser Raum ist nicht der einzige Gedenkraum der Ausstellung. Der andere befindet sich neben dem Saal zur politischen Geschichte seit 1921. Er ist dem Thema Verfolgung, Vertreibung & Vernichtung während der NS-Zeit und damit den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet. Dort werden 30 Biographien präsentiert, die für Verfolgung und Mord stehen und den Besucher zum Innehalten einladen.

Fluchtort Burgenland

Die Schatten der Vergangenheit prägen auch den nächsten Themenschwerpunkt der Ausstellung. Dieser widmet sich der Migration und deren Wandel im Burgenland. So war das jüngste Bundesland einst das Armenhaus Österreichs. Dieser Umstand zwang zehntausende Menschen in der Zwischenkriegszeit (und auch bereits davor) dazu, ihr Glück im Ausland zu versuchen. Ziel der meisten waren die USA. Mehr als 30.000, der etwa 100.000 burgenländischen Migranten, fanden in der Stadt Chicago – scherzhaft auch als größte Stadt des Burgenlandes bezeichnet – eine neue Heimat. Die Beweggründe für ihre Auswanderung und die Schifffahrt über den Atlantik, bei der sie ihr gesamtes Hab und Gut in einem oder mehreren Koffern transportierten, werden in diesem Teil der Ausstellung genauso thematisiert wie ihr Leben in der neuen Welt.

Nach der Flucht vor den Nationalsozialisten nach dem Anschluss 1938 und einer letzten Migrationsbewegung um 1955 stabilisierte sich die Bevölkerungszahl des Burgenlandes. Das Bundesland blieb noch für mehrere Jahrzehnte eine arme und in vielerlei Hinsicht unterentwickelte Region, die zwar ländliche Idylle, jedoch kaum Arbeit, bot. Tausende Burgenländer fuhren als Tages- oder Wochenpendler vor allem in die Bundeshauptstadt Wien, wo sie ihren Arbeitsplatz hatten. Diese Praxis der „innerstaatlichen Arbeitsmigration“ existiert noch immer, nahm aufgrund des regionalen wirtschaftlichen Aufschwunges ab den 1990er-Jahren jedoch ab.

Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die burgenländisch-ungarische Grenze auch der Schauplatz von Fluchtbewegungen von Ost- nach Westeuropa, wie jene 1956 (Ungarnkrise). Diese wird in der Schau genauso thematisiert wie die Massenflucht von DDR-Bürgern 1989, die als eine der Gründe für das Ende der DDR und des kommunistischen Ostblockes gilt. Zu diesem Thema wird unter anderem der Taucheranzug einer DDR-Bürgerin präsentiert, mit dem sie einen spektakulären Fluchtversuch durch den Neusiedler See plante. Aber auch das Schicksal des letzten Toten an dieser Grenze, ebenfalls ein DDR-Bürger, der bei Lutzmannsburg getötet wurde, wird dargestellt.

Das Burgenland heute

Wie die Migrations- und Flüchtlingskrise des Jahres 2015 zeigt, blieben Migrationsbewegungen nicht auf das 20. Jahrhundert beschränkt. In der Ausstellung wird auch diese beleuchtet und damit der Bezug in die Gegenwart hergestellt. Und diese sieht für das Burgenland – vor allem im Kontext seiner Geschichte – gut aus. Davon zeugen unzählige Unternehmen, die dort ihren Sitz haben und auch in der Ausstellung einen Platz finden – so wie die Präsentation von Infrastrukturprojekten, die diese Region heute für Unternehmer und Bürger gleichermaßen attraktiv machen.

Vom Armenhaus Österreichs im Jahr 1921 hat sich das Burgenland des Jahres 2022 zu einer lebenswerten Region entwickelt, die für kulturelle Vielfalt, Identität und Innovation steht. Als Erholungsregion lockt das Burgenland als Bundesland mit den meisten Sonnentagen Österreichs tausende Menschen an. Vom sportlichen Aktivtouristen, der am Neusiedler See surft, segelt oder schwimmt, über den gemütlichen Genießer, der sich in einer der vielen Thermen entspannt, bis zum Kulturliebhaber, der die Mörbischer Seefestspiele besucht, ist für jeden der passende Ort dabei. Für den (militär-)historisch Interessierten gibt es mit dieser Ausstellung, in weiterer Folge als Dauerausstellung im „Haus der Geschichte des Burgenlandes“, jedenfalls einen weiteren Fixpunkt.

Hofrat Gerold Keusch, BA MA ist Leiter Online-Medien beim TRUPPENDIENST.

Weitere Infos zur Ausstellung und zum Jubiläumsjahr 2021:

www.wirsind100.at 

www.friedensburg.at

 

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