• Veröffentlichungsdatum : 18.02.2020
  • – Letztes Update : 20.02.2020

  • 15 Min -
  • 3007 Wörter
  • - 8 Bilder

Interessendurchsetzung im 21. Jahrhundert - Teil 2

Bernhard Schulyok

Das Militär und andere bewaffnete Gruppierungen werden als Instrumente der Macht zur Interessendurchsetzung verwendet. Darüber hinaus ist ein ganzes Spektrum von anderen Instrumenten vorhanden. Die Politik als "primus inter pares" bedient sich dieser Vielfalt und setzt diese Instrumente koordiniert ein.

Im ersten Teil „Interessendurchsetzung im 21. Jahrhundert“ (TD-Heft 3/2019) wurden die „Instrumente der Macht“ überblicksmäßig vorgestellt, die durch Staaten kombiniert zur Wirkung gebracht werden, um eigene Interessen durchzusetzen. Die beispielhafte Darstellung vielfältiger Verwendungsmöglichkeiten wird hier fortgesetzt und abschließend Ableitungen für das Österreichische Bundesheer (ÖBH) getroffen.

Wirtschaft und Infrastruktur

Freier Waren- und Personenverkehr sowie verfügbare Ressourcen als Voraussetzung für Produktion und Umsatz sind einige Grundlagen für eine florierende Wirtschaft. Fehlen einzelne Komponenten, kommt es zu Einbrüchen und Engpässen. Ist die Grundversorgung der Bevölkerung davon betroffen, kann es zu massiven Problemen bis hin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen. Abhängigkeiten schaffen in einer vernetzten Welt die fehlende lokale Eigenversorgung, verursachen den Klimawandel und begrenzen Ressourcen, die im Sinne einer individuellen Interessendurchsetzung ausgenützt werden. Der Klimawandel erzeugt einerseits durch Missernten, Sturm und Überschwemmungen enorme Schäden, andererseits werden durch das Schmelzen der Pole im Arktischen Meer neue Seewege und Ressourcen frei zugänglich. Hierbei wetteifern China und Russland miteinander bzw. kooperieren, wie dies für beide zweckdienlich ist. Die gesteckten Ziele sollen ohne Gewaltanwendung erreicht werden.

Sanktionen

Sanktionen gelten als ein Druckmittel der Wirtschaftspolitik, zumeist als „Strafaktion“ gedacht, um z. B. eine Nation gefügig zu machen und an den Verhandlungstisch zu zwingen. Ihre Wirksamkeit ist eher langfristig zu sehen, aber auch umstritten, da Sanktionen durch Zweckgemeinschaften umgangen werden können. So haben beispielsweise die USA Sanktionen gegen den Iran verhängt und drohen in weiterer Folge mit Maßnahmen auch gegenüber Partnernationen wie EU- bzw. NATO-Staaten, falls diese weiter Handel mit dem Iran betreiben. Es werden durch diese Sanktionen die Partner – gewollt oder ungewollt – in Mitleidenschaft gezogen. Ähnlich wie Sanktionen funktionieren auch Strafzölle. Diese haben massiven Einfluss auf die Wirtschaftspolitik eines Landes und können bis zur Abwanderung oder Stilllegung von ganzen Industriezweigen führen. Die eigene wirtschaftliche Vormachtstellung soll durch Strafzölle erreicht werden, wie zwischen den USA, China, Europa und anderen Staaten erwähnt, die auf Stahl- und Aluminiumprodukte verbunden ist.

Konfliktunterstützung und Rüstungsexporte

Viele Konflikte können nur deswegen länger überdauern, weil die unterschiedlichen Konfliktteilnehmer von außen gestützt werden. Dies erfolgt durch Lieferungen von Rüstungsgütern, durch Militärberater oder auch durch direktes Einwirken, z. B. mit Luftunterstützung wie in Afghanistan, Syrien oder Libyen. Somit wird der Export von Rüstungsgütern vermehrt zum politischen Mittel. Das russische Flug-/Luftabwehrsystem S-400 ist ein Exportschlager und wurde bislang in viele Länder wie China, Indien oder in die Türkei verkauft. Letzteres ist ein NATO-Mitglied, das auch Komponenten des neuesten US-Mehrzweckkampfflugzeuges F-35 produziert. Für die USA ist dies unvereinbar und kündigten deshalb diese Kooperation im Juli 2019. So entstehen Interessenkonflikte, die Auswirkungen auf die Verlässlichkeit des Partners haben. Regionen mit strategischer Bedeutung werden zum Spielball. Rüstungsexporte schaffen darüber hinaus nicht nur Interoperabilität in der Kooperation, sondern können auch zur Abhängigkeit führen.

Energie und Infrastruktur als Mittel der Einflussnahme

Abhängigkeiten entstehen ebenfalls durch die Energieversorgung. So soll die Erdgaspipeline Nord Stream 2 von Russland kommend durch die Ostsee und über Deutschland geführt, den europäischen Markt versorgen. Sie umgeht damit die Ukraine, in der sich der bisherige Hauptstrang der Erdgasversorgung aus Russland befindet. Abgesehen von der Diskussion um die Wirtschaftlichkeit geht es hier um Machteinflussnahme auf die Politik.

Eine andere Art der Einflussnahme auf politische Entscheidungen in Europa erfolgt durch Investitionen und Übernahmen. China hat mit seiner Initiative „One Belt, One Road“ massiv in die ungarische und griechische Infrastruktur investiert bzw. diese übernommen. 2017 hielten bei Stellungnahmen der EU zu Chinas Einkaufs- und Übernahmepolitik genau diese beiden Länder dagegen. Die Nutzungsmöglichkeit von Umschlagplätzen und Transportwegen sowie das „Abgreifen“ von „Know how“ im Technologiebereich fördern den eigenen Vorsprung. China schafft darüber hinaus globale Stützpunkte und Drehscheiben, die sowohl wirtschaftlich als Anlaufstellen und Umschlagplätze dienen, als auch militärisch zum Schutz von Handelswegen und Ressourcen genützt werden können. Sie sind Teil der chinesischen Machtprojektion. So ersetzen strategisch günstig gelegene Flugzeugstützpunkte teure und nicht vorhandene Flugzeugträgerverbände bzw. ergänzen sie. Dies gilt ebenso für Russland im Mittelmeer (Hafen in Syrien) und seit langem für die USA mit ihren weltweiten Partnern.

Zur Infrastruktur: Im Zeitalter von Cyber-Aktivitäten ist gerade die kritische Infrastruktur gefährdet. Wachposten vor der Tür helfen wenig, wenn der Angriff im Netz passiert. So hat 2010 der in iranische Nuklearanlagen eingeschleuste Stuxnet-Virus (TD-Heft 3/2019) durch Fehlsteuerung rund 1 000 Zentrifugen zerstört. Die Energieversorgung in der Ukraine wurde 2016 von außen fehlgeleitet. Rund 700 000 Menschen waren dadurch für längere Zeit ohne Strom.

Fazit

Wirtschaft ist keine Einbahnstraße und basiert auf gegenseitigem Vertrauen, da in vielerlei Hinsicht wechselseitige Abhängigkeiten zwischen den Akteuren vorhanden sind. Daher ist gerade in diesem Bereich bei der Beurteilung von Investitionen und Übernahmen die Frage zu stellen: „Wem nützt es?“ In der Wirtschaft in Verbindung mit der Infrastruktur ist der notwendige Verbund der Instrumente der Macht ersichtlich. Die Politik ist dabei richtungsweisend und gleichzeitig der gesetzliche und soziale Rahmengeber. Vorrangig obliegt dem Militär eines Nationalstaates die Sicherung eigener wirtschaftlicher Interessen, der Schutz der Ressourcen, der Handelswege und der Infrastruktur, um eine florierende Wirtschaft zur Sicherstellung der Lebensgrundlagen und der Lebensqualität für die Bevölkerung eines Staates zu ermöglichen. Gegenüber anderen Staaten gilt es im Anlassfall darüber hinaus, die Einhaltung von Sanktionen zu überwachen und durchzusetzen.

Zivilgesellschaft

Der Staatsbürger ist der Souverän, der einerseits die Vertreter der Politik wählt, die seine Interessen zu vertreten haben, und zugleich jener, den die Politik als das Staatsvolk zu schützen hat. Die Gesellschaft durchläuft eine ständige Entwicklung. Änderungen in den Bereichen Umwelt und Klima, Interessen, Technologien, Werte und Normen und vieles mehr haben hierauf Einfluss. Die Entwicklungen wie künstliche Intelligenz, Robotik und Automation sind vielfach eine Überforderung mit den Ansprüchen des eigenen Lebens. Als Lösungsansatz wird die Reduzierung auf die eigene „Grundausrichtung“ gewählt, um die Informationsflut einzudämmen. Diese Grundausrichtung konzentriert sich auf individuelle Werte- und Normenmuster. Eindrücke und Informationen, die von außen in diese Schemata eindringen wollen, werden auf jene gefiltert, die die eigene Meinung bestätigen oder verstärken, die anderen werden selektiv weggeblendet.

Derlei Schutzhaltung behindert jedoch die Weiterentwicklung. Dieses Gebaren erleichtert Manipulation und das gegenseitige Ausspielen von Wertehaltungen. Man darf nicht vergessen, dass der Mensch ca. 95 Prozent seiner Entscheidungen aufgrund des „Bauchgefühles“ trifft, aber nur fünf Prozent rational entscheidet. Gerade die Polarisierung der Gesellschaft in Europa ist plakativ anhand der wankelmütigen Asyl- und Migrationspolitik erkennbar. Diese reicht von der Willkommenspolitik bis zum Fremdenhass. Unsicherheiten in einem volatilen Umfeld verleiten den Menschen anzuhalten und sich auf Bewährtes sowie auf seine Wurzeln zu besinnen. Diese Entwicklung ist der Nährboden für Populismus und Nationalismus. Dem Abgleiten aus der Mitte zu den extremen Rändern des gesellschaftlichen Spektrums wird dadurch Vorschub geleistet. Nationale „Freiheitsbewegungen“ durch Separatisten wie in Katalonien, Norditalien sowie in den ostukrainischen Regionen Donezk und Lugansk blühen auf. Der Brexit zählt ebenfalls dazu.

Themen wie Religion und Kultur bieten ein breites Feld im Bereich der Werte- und Normengesellschaft. Hier findet die Prägung bereits frühzeitig in der Kindheit statt. Offene Gesellschaften, die scheinbar ohne Werte vor sich hinleben, eine zunehmend unsichere Zukunft und ein Umfeld, das keinen Halt gibt, sind der Nährboden für extreme Auswüchse in alle Richtungen. Dies kann bis zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlich ausgeprägten Gruppierungen führen, die von außen beeinflusst werden können. Inwieweit solche Ereignisse die Politik steuern können, soll folgendes Beispiel zeigen: Terroranschläge durch Extremisten mit Bezug zum Irak auf die Eisenbahnlinien in Madrid 2004 eine Woche vor der dortigen Parlamentswahl bewirkten, dass die amtierende Regierung abgewählt und durch jene Vertreter ersetzt wurde, die im Wahlkampf die Rücknahme des spanischen Militärs aus dem laufenden Irak-Einsatz versprochen hatten. So konnte mit einem Terroranschlag die Innenpolitik beeinflusst werden.

Fazit

Werteerziehung, Vorbildwirkung, Bildung und die Befähigung zum vernetzten Denken sowie eine offene Welthaltung helfen, sich in einem volatilen Umfeld zurechtzufinden und der Gesellschaft den Weg zu mehr Resilienz gegenüber Bedrohungen und Beeinflussungen aller Art aufzuzeigen. Transparenz und Weitblick betreffen auch die Informationspolitik von Regierungen, die nicht nur auf die nächsten Wahlen zugeschnitten sind. Das gleiche gilt für die Opposition. Strategischer Weitblick verlangt auch, unangenehme Entscheidungen zu treffen und das hierfür notwendige Handeln dem Souverän verständlich zu machen. Um den Bürger nicht zu verlieren, darf die Politik hierbei nicht zu schnell voranschreiten. Langfristig gesehen ist es in der Demokratie daher sinnvoller, den Bürger nicht auszuschließen, sondern den gebildeten und kritischen Bürger zu fördern und einzubinden.

Informationsumfeld

Im Gegensatz zum digitalen Cyber-Raum kann man im Informationsumfeld neben digitalen (sozialen) Medien auch analog wirksam werden, z. B. in Form von Druckmedien wie Zeitungen und Zeitschriften, Plakaten, Flugblättern sowie Büchern. Information ist vereinfacht ausgedrückt Wissen/Sachverhalt/Kenntnis, das jemand benötigt, um eine Aufgabe zu erledigen bzw. einen Wissensgewinn zu erfahren. Zumeist ist der Empfänger einer Information aber ohne Zusatzaufwand nicht in der Lage oder willens, diese Nachricht auf den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Und genau darin liegt die Gefahr der Beeinflussung durch andere: Information kann analog oder digital erfolgen. Das Internet ist ebenfalls die Basis des Cyber-Raumes. Deswegen kann man diesbezüglich eine Verschränkung mit dem Informationsumfeld herstellen. Man betrachtet daher den Cyber-Raum als Werkzeug der Beeinflussung, als Mittel zum Zweck der Interessendurchsetzung.

Beeinflussung

Informationen können verwendet werden, um den Gegner zu schwächen und ihn zu steuern. Dies gelingt insbesondere dann, wenn vorwiegend durch Nutzung des Cyber-Raumes False- oder Fake-News zur Beeinflussung oder nicht gesicherte Informationen als Nährboden für Gerüchte Verbreitung finden. Dem ist der Zustand, keine Informationen zu haben, gleichzusetzen. „Eskalation durch Desinformation“ lautet das Motto eines potenziellen Gegners. Gerade soziale Medien bieten sich hierzu perfekt an, sind sie doch der neue „Freund“, dem die Menschen viele Geheimnisse anvertrauen. Trolle – künstliche Bezugspersonen wie jene der Internet Research Agency in St. Petersburg – nehmen durch gezieltes Verbreiten von Fake-News Einfluss, um die Interessen des Auftraggebers durchzusetzen.

So gehen Nachrichtendienste von einer massiven Manipulationskampagne der US-Präsidentschaftswahlen 2016 via sozialer Netzwerke aus (hier war auch Cambridge Analytica Ltd. via Facebook tätig) ebenso wie 2017 in Frankreich oder bei den Parlamentswahlen in Italien 2018. Selbst die Stimmungsmache, die 2016 zum Abstimmungsergebnis für den Brexit führte, ist hier einzuordnen. Derlei Aktionen dienen dazu, beispielsweise Nationalisten, Populisten, russlandfreundliche Parteien und Personen zu unterstützen und dadurch einzelne Nationen bzw. in weiterer Folge Bündnisse auseinanderzudividieren sowie zu schwächen, um sie für eine weitere Beeinflussung gefügig zu machen und die eigene Position zu stärken.

Verantwortung der Medien

In einer liberalen Demokratie werden Medien neben der Gesetzgebung (Parlament), der Gesetzesvollziehung (Regierung, Ministerien etc.) und der Gerichtsbarkeit oft als vierte Macht bezeichnet. Den Medien kommt hier die Aufgabe der Beobachtung und Kritik an demokratischen Prozessen zu. Im Idealfall werden Missstände und Korruption durch unabhängige Medien recherchiert, aufgedeckt und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, ebenso gesellschaftliche Entwicklungen aufgezeigt, kritisch hinterfragt und kommentiert. Gerade den unabhängigen öffentlich-rechtlichen Medien, die der objektiven Berichterstattung verpflichtet sind, kommt deshalb künftig noch mehr Bedeutung zu.

Cyber-Raum als Medium

Der Cyber-Raum ist mit dem Internet nicht nur ein Medium, das als Träger für Informationen dient, sondern bietet selbst die Möglichkeiten zu wirken. So nützen Hacker den Cyber-Raum, um Informationen zu erlangen bzw. selbst solche auszuführen oder Malware bzw. Schadsoftware in anderen Systemen zu platzieren, die entweder sofort oder später aktiv werden und beispielsweise ganze Institutionen, Staaten und Regionen lahmlegen können (z. B. Blackout). Einschränkungen im Internet durch Cyber-Attacken schaffen somit auch Beschränkungen in der Arbeitsfähigkeit der Wirtschaft bis hin zum totalen Absturz. Beispielgebend seien hier die Cyber-Attacken auf die Server des Flughafens Wien-Schwechat im Jahre 2016, der Nationalbank und des Außenministeriums sowie auf die Website des Bundesheeres oder des Parlamentes erwähnt. Letztendlich konnte als Urheber der Attacken ein türkischer Staatsbürger in den USA ausgeforscht werden.

Fazit

Das Informationsumfeld in Verbindung mit dem Cyber-Raum ist die Bühne der Interessendurchsetzung der Zukunft. „Zielerreichung ohne Schussabgabe“ heißt die Prämisse. Diesbezüglich muss das Bewusstsein geweckt und gestärkt werden. Bildung und Demokratieverständnis sind die Voraussetzung für Resilienz von Bürgern und Staat. Beeinflussung durch gefälschte oder falsche Informationen zielen auf eine Veränderung des Verhaltens im Sinne des Absenders ab. In einer Demokratie ist das Vorgehen gegen Falschinformationen jedoch ein Abwägen zwischen Meinungsfreiheit, Zensur und Propaganda. Bildung und Erziehung können hier Hilfestellung leisten. Nur der mündige, gebildete Staatsbürger als Souverän ist in der Lage, zum Gelingen des Gemeinwohles aktiv beizutragen.

Bedeutsam wirkt die strategische Kommunikation mit ihren Kernbotschaften als Information für eigene Stakeholder bzw. für die Bevölkerung. Wer hier seine Glaubwürdigkeit, seine Integrität oder gar die Bevölkerung verliert, kann noch so moderne Panzer haben: wo kein (Wehr)wille vorhanden, da wird das beste Gerät nicht eingesetzt werden. Themenführerschaft zu erlangen und zu behalten hat Priorität, um nicht reagieren zu müssen oder gar unterzugehen. Für den Cyber-Raum bedeutet das, jegliche Art von Missbrauch oder Angriff zu erkennen, abzuwehren und das Netz für eigene Gegenmaßnahmen zu nützen. Es gibt viele weitere Möglichkeiten, in denen Nationen selbst oder andere in deren Auftrag durch vielerlei Maßnahmen versuchen, direkt oder indirekt auf andere Bevölkerungsgruppen Einfluss zu nehmen, sei es durch diplomatische Verbindungen oder Ausgrenzungen, wirtschaftliche Sanktionen sowie vermehrt durch Cyber-Attacken auf kritische Infrastrukturen oder staatliche Einrichtungen, Beeinflussung von Wahlen oder Meinungsbildung über die sozialen Medien. Konventionelle Abschreckung ist eine Aufgabe des Militärs, die Machtprojektion eine andere. Sie erfolgt vorrangig nicht mehr durch direkte militärische Konfrontation, sondern durch Aufmarsch und Androhung, aber auch durch „Stellvertreterkonflikte“. Dies betrifft ebenfalls die Unterstützung „genehmer“ Regime oder deren Opposition. 

Instrumente im Wirkungsverbund

Im Wirkungsverbund der „Instrumente der Macht“ wäre die höchste Ausprägung eine vernetzte Anwendung von zumindest zwei verschiedenen Instrumenten, die eine erzielte Wirkung nicht nur im jeweiligen Feld des Gegenübers (Wirtschaft-Wirtschaft, Militär-Militär etc.), sondern vereint mit viel größerer Effektivität auch in ganz anderen Feldern erfolgen und erkennen lassen. Dabei wird bewusst auf gegnerische Schwachstellen gezielt bzw. werden günstige Gelegenheiten als Verstärker genützt. So kann eine Umweltkatastrophe medial soweit ausgeschlachtet und mit wirkungsvollen Gegenmaßnahmen unterwandert werden, dass eine Regierung durch Volkszorn und Opposition gestürzt wird. Diese vernetzte Aktivität wird als hybride Konfliktaustragung bezeichnet und bewusst unterhalb der völkerrechtlich relevanten Schwelle zu einem bewaffneten Konflikt gehalten (vgl. TD-Heft 2/2018). Hybrid Warfare wird in Russland „Non-linear Warfare“, in China „Unrestricted War“ oder „War Beyond Limits“, in der sicherheitspolitischen Diskussion „Political Warfare“, „Gray Zone Challenges“ oder „Hybrid Influencing“ genannt. Schwierig ist es zu erkennen, dass man hybrid angegriffen wird, da der Gegner unentdeckt bleiben möchte.

Ableitungen für das Österreichische Bundesheer

Die Herausforderungen der Zukunft erfordern Streitkräfte, die in der Lage sind, neben ihrer Kernaufgabe des konventionellen Kampfes wesentliche Beiträge zu gesamtheitlichen Lösungsansätzen zu bieten. Dies erfordert neben der Fähigkeit zum Kampf die entsprechenden Mittel und glaubhafte Abschreckung gegenüber potenziellen Aggressoren. Im Informationsumfeld einer gesamtstaatlichen strategischen Kommunikation bedeutet dies, entsprechende Narrative in der Öffentlichkeitsarbeit aktiv zu betreiben sowie die Themenführerschaft zu erringen und zu behalten. Dieses Feld anderen zu überlassen bedeutet, sich der Gefahr auszusetzen, unterwandert zu werden, den Gerüchten eine Basis zu geben und letztendlich den Wehrwillen zu untergraben. Das Militär kann anhand von Indikatoren als Sensor zum Erkennen potenzieller Bedrohungen beitragen. Diese Expertise des ÖBH muss in ein permanentes gesamtstaatliches Lagebild integriert werden. Nur so sind Veränderungen zum „Grundrauschen“ des Alltages festzustellen. Das ist die Voraussetzung für ein gesamtstaatliches, koordiniertes Vorgehen, sei es durch Stärkung der eigenen Resilienz oder von vorgeplanten Gegenmaßnahmen. Neben dem Erkennen von hybriden Bedrohungen sind die Befähigung zum Abhalten und Abschrecken und zur aktiven Gegenreaktion Eckpfeiler staatlichen Handelns.

Als staatliche Handlungsreserve leistet das Bundesheer einen wesentlichen Beitrag, bedarf aber dazu der entsprechenden Ressourcenbereitstellung und Dotierung. Streitkräfte sollen auf jene Art und Weise organisiert, ausgestattet und ausgerichtet werden, um den Regierungen mehr Optionen für Maßnahmen unterhalb der Schwelle des völkerrechtlich relevanten bewaffneten Konfliktes zu bieten, um abzuschrecken und auf hybride Aggressionen zu reagieren. Das ÖBH muss für die der Beantwortung hybrider Bedrohungen bzw. Aggressionen durch Elastizität in der Organisationsstruktur zwei Ansätze parallel verfolgen: Einerseits soll es zur nationalen bzw. gesamtstaatlichen Resilienz beitragen und andererseits die eigene Resilienz selbst sicherstellen können.

Das bedeutet Autarkie in allen Teilbereichen der Versorgung für zumindest 14 Tage im Inland, des Weiteren eine hohe, geschützte Mobilität und die Befähigung, den Kampf auch gegen nichtkonventionell vorgehende Gegner ohne Einschränkungen bei Tag und Nacht führen zu können. Der Einsatz erfolgt vorrangig im urbanen Gelände. Die Kräfte des ÖBH müssen in kleinen Organisationselementen selbstständig im Sinne des Grundauftrages agieren können. Sie sind dazu in personeller und materieller Hinsicht inklusive einer Entscheidungsbefugnis auszustatten, rasch eine hierarchisch flache Führungsstruktur einzunehmen, um als selbstsynchronisierende, selbstlernende Netzwerke örtlich und zeitlich befristet Kräfte für eine Aufgabe konzentriert und koordiniert zur Wirkung bringen und danach wieder aufzulösen. Alle Kräfte sind nachtkampffähig auszurüsten, müssen über entsprechende Schutzausrüstung und geschützte Mobilität verfügen und befähigt sein, im zivilen Umfeld in enger Abstimmung mit anderen Organisationen lösungsorientiert zu handeln. Der Fokus aller Überlegungen darf sich aber nicht alleine auf das „Schreckgespenst“ hybrider Konflikte konzentrieren, da einzelne Instrumente der Macht unbeschadet dessen seit jeher angewendet werden und ihnen daher adäquat begegnet werden muss. Das Bundesheer hat technische Entwicklungen wie Robotik, Automation oder Künstliche Intelligenz zu berücksichtigen. Dies wird eher im multinationalen Verbund möglich sein. PESCO (Permanent Structured Cooperation) und andere Plattformen – insbesondere der EU – bieten dazu die Basis.

Gerade die gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen im Umfeld in Verbindung mit Hochtechnologie versus herkömmlicher, improvisierter Kreativität sind jene Spannungsfelder, worin sich das ÖBH zu bewegen hat. Eine Überlegung in diesem Zusammenhang zur Beitragsleistung jedes einzelnen Bürgers zum Gemeinwohl wäre der Ersatz der Wehrpflicht durch einen Allgemeinen Gesellschaftsdienst. Dieser könnte einerseits die Bedarfsdeckung vielfältiger Betätigungsfelder ermöglichen und andererseits erlauben, die unterschiedlichen Fähigkeiten in geistiger und körperlicher Hinsicht einzubringen, von der Kreativität und den Technologiekenntnissen über Katastrophenhilfe, Alten- und Kinderbetreuung bis hin zum Militärdienst.

Auf einen Blick

Zukünftige sicherheitspolitische Herausforderungen für Österreich haben vielfach ihre Wurzeln außerhalb des Staatsgebietes. Das ÖBH hat daher seinen Beitrag zum gesamtheitlichen Lösungsansatz auch für robuste Einsätze in einem multinationalen Verbund zu leisten. Dies erfordert den Spagat, Kräfte für Einsätze sowohl im Schwellenbereich unterhalb und andererseits auch oberhalb konventioneller Kampfeinsätze bereitzustellen. Primär wäre dabei der Einsatz nicht-konventioneller Art insbesondere im Inland abzudecken. Ein zukünftig breiteres und gleichzeitig tieferes Aufgabenspektrum erfordert neben dem Erhalt der Fähigkeit auch deren Weiterentwicklung. Der Zweck fordert Mittel, damit in Zukunft das ÖBH die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zum Schutz der Souveränität, der Bevölkerung und der Lebensgrundlagen der Republik Österreich wahrnehmen kann.

Oberst Bernhard Schulyok, MA ist in der Abteilung Militärstrategie im Bundesministerium für Landesverteidigung tätig sowie Milizkommandant im Jägerbataillon Wien 2 „Maria Theresia“.

 

Ihre Meinung

Meinungen (1)

  • Otto Kreutzer // 17.03.2020, 09:47 Uhr Hallo Freunde

    Wie wir jetzt sehen, es gibt in den Virus. Wir hatten schon in der Grundausbildung keine Freude mit Virus, Pilz und KO.
    Deshalb haben wir wohl lieber AC als wie ABC Schutzmaske gesagt.
    Dabei war die letzten 30ig Jahre B immer wahrscheindlicher als
    A+C.
    Da ist wo Lernbedarf.
    Bitte in Neuheiten um Info
    Dankeschön und Gsundbleim,
    Otto Kreutzer