• Veröffentlichungsdatum : 04.12.2018
  • – Letztes Update : 05.12.2018

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Eine wiederentdeckte Flakstellung bei Wien

Klaus Freitag, Helga Sedlmayer

Der Donauraum wird seit der Antike militärisch genutzt und spielte in beinahe allen kriegerischen Auseinandersetzungen in Österreich und Europa eine wesentliche Rolle. Noch heute findet man zahlreiche Spuren, die von der konfliktbehafteten Geschichte der Region und ihrer strategisch bedeutsamen Lage zeugen.

Die Analyse von Google Earth-Luftbildern erbrachte auf einer Parzelle in Mannswörth (östlich von Schwechat bei Wien) Indizien für eine 95 × 83 m (0,76 ha) große rechteckige Grabenanlage mit gerundeten Ecken. Die Form und Größe legten den Schluss nahe, dass es sich dabei um ein römisches Feldlager oder ein Numeruskastell handeln könnte. Um die Interpretation zu verifizieren wurden vom Österreichischen Archäologischen Institut vom 2. bis 3. August 2018 Prospektionen mit geophysikalischen Methoden und Metallsonden vorgenommen.

Schritt 1: Geophysikalische Messung

Die geomagnetischen Messungen (Fluxgate Gradiometersystem FM 256) ergaben folgendes Ergebnis: Abschnitte des nördlichen und westlichen, zwischen 1,5 und 2 m breiten, Grabens zeigen hohe Magnetisierungen und weisen somit auf eine Verkleidung aus Beton und/oder Metall hin. Zusätzlich ist der Graben von stark magnetisierten Gruben durchsetzt, die einen Durchmesser von etwa 2,5 m haben. Zentral von dieser Grabenanlage eingefasst, befindet sich auf dem Areal eine L-förmige Struktur, deren lineare Anordnung durch die stark magnetisierten Befunde erkennbar ist. Der West-Ost-Trakt dieser Struktur misst 52,9 × 11,3 m, die Größe des Nord-Süd-Traktes beträgt 43 × 9,8 m. Nördlich und östlich davon verläuft ein 0,4 m breiter Graben, der ein Hinweis auf eine Holzpalisade bzw. eine Holzwand ist.

Schritt 2: Metalldetektorprospektion

Bereits die Ergebnisse der geophysikalischen Prospektion ließen Zweifel aufkommen, dass es sich bei der Fundstelle um Relikte aus der Römerepoche handeln könnte. Die Ergebnisse der Prospektion mit dem Metalldetektor widerlegten die ursprüngliche Annahme endgültig. So wurden Granatsplitter mit Schmauchspuren, ein deformiertes Scharnier aus Weißmetallblech (ein möglicher Wrackteil eines Flugzeuges), die Schnalle einer Gasmaske sowie zahlreiche Patronenhülsen geborgen. Die Patronenhülsen können unterschiedlichen Produktionsjahren zugeordnet werden und weisen Bodenstempel der Hirtenberger Munitionsfabrik, der Metallwarenfabrik Treuenbritzen GmbH/Werk Selterhof, der Finower Industrie GmbH/Finow/Mark Brandenburg und dem Waffenwerk Brünn A.G./Werk Povaszka Bystrica auf. Die Munition stammt somit ausschließlich aus Produktionsstätten, die in Deutschland oder in okkupierten Gebieten des Deutschen Reichs angesiedelt waren.

Interpretation

Der Stempel der Patrone des Brünner Waffenwerkes aus dem Jahr 1944 und eine Bierkapsel der Schwechater Brauerei, mit der Angabe des Jahrganges 42 sind eindeutige Datierungshinweise. Sie sind ein starker Beweis dafür, dass diese Anlage während des Zweiten Weltkrieges errichtet wurde und definitiv nicht aus der Römerzeit stammt. Die zahlreichen eisernen Baubeschläge weisen auf Holzeinbauten hin, die sich in Zusammenschau mit der Datierung, dem Standort, den Fundstücken und der Ähnlichkeit der Anlage mit einer Flakbatterie auf der Insel Mellum (Düneninsel in der Nordsee) als Reste einer Flakstellung aus dem Zweiten Weltkrieg interpretieren lassen.

Begründung

Die Kartierung der schweren Flakbatterien des damaligen äußeren Flakringes von Wien zeigt eine Dreifachbatterie (Flakbatterie mit drei Geschützen) in Schwechat-Ost, die östlich der Kreuzung der Hainburger (B9) und Brucker (B10) Bundesstraße und somit im Areal der Prospektionen eingesetzt war. Diese war ein Teil der II. Flak-Untergruppe Laaerberg der 24. Flak-Division/Flak-Gruppe West und mit 8,8-cm-Fliegerabwehrkanonen ausgestattet.

Die Geschichte der dort eingesetzten Batterie stimmt exakt mit dem, durch die Metalldetektorprospektionen, vorgegebenen Datierungsrahmen überein: An der Jahreswende 1942/1943 durch die Flakabteilung 4./223 gegründet, wurde der Stellungsraum bis Ende 1943 durch zwei weitere Abteilungen (2./223 und 1./807) verstärkt und zur „Ersten ‚Flakfestung‘ Wiens“ ausgebaut. Im Laufe des Jahres 1944 wurden die Batterien auf den Rauchenwarther Königskogel verlegt und die Stellung Schwechat-Ost aufgelassen. Archivalische Detailinformationen zur baulichen Struktur dieser Luftabwehreinrichtungen liegen nicht mehr vor, da die Dokumentation zu den Flakstellungen im Wiener Raum bei Kriegsende vernichtet wurde.

Zusammenfassung

Durch die Prospektionen mit geophysikalischen Methoden und Metallsonden gelang der Nachweis des Standortes der zwar bekannten, aber nicht mehr näher lokalisierten schweren Dreifach-Flakbatterie Schwechat-Ost, die dort zwischen 1942 und 1944 eingesetzt war. Diese hatte ihre Stellung in einer insgesamt 95 × 83 m (0,76 ha) großen Anlage, die neben einem rechteckigen Splitterschutzgraben mit gerundeten Ecken eine zentral gelegene L-förmige Stellung umfasste, der wahrscheinlich eine Holzpalisade oder Holzwand als weiterer Splitterschutz vorgelagert war.

Das Ergebnis widerlegt die anfängliche Annahme einer Anlage aus der Römerzeit, brachte jedoch Erkenntnisse über eine militärische Einrichtung des Zweiten Weltkrieges, deren Standort so festgestellt werden konnte. Die Prospektionen und ihr Resultat zeigen, dass im Wiener Donauraum die Funde von etwa 2.000 Jahren manchmal so nahe beieinanderliegen, dass sie nur mit wissenschaftlichen Methoden einer Epoche zugeordnet werden können. Und es belegt die militärische Bedeutung dieser heiß umfehdeten und wild umstrittenen Region in der Mitte Europas.

Klaus Freitag, MA und Mag. Dr. Helga Sedlmayer sind Forscher am Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Österreichisches Archäologisches Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Schwere Flakbatterie Mellum

 

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