• Veröffentlichungsdatum : 13.09.2023
  • – Letztes Update : 28.09.2023

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50 Fragen und Antworten zum Jahrgang Starhemberg 1683 - Teil 4

Jahrgang Starhemberg 1683

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31. Wie hielt es der Jahrgang Starhemberg 1683 mit der Neutralität?

Alle Jahrgangsangehörigen hatten zumindest einen Teil ihrer Kindheit im „Land der Erbsen, Land der Bohnen, Land der vier Besatzungszonen“ (vor 1955 häufig gesungene „Umdichtung“ der ersten beiden Zeilen der Bundeshymne) verbracht und viele im Kino bei der Science-Fiction-Satire „1. April 2000“ mitgelitten (ein filmischer Aufruf aus dem Jahr 1952 an die vier Besatzungsmächte, Österreich einen Staatsvertrag zu geben und die Besatzung zu beenden; Regisseur Wolfgang Liebeneiner; Darsteller u .a. Josef Meinrad als „Ministerpräsident“ des im Jahr 2000 noch immer besetzten Österreichs, Waltraud Haas, Curd Jürgens, Hans Moser, Paul Hörbiger und Helmut Qualtinger). Der Jahrgang schätzte den völkerrechtlich relevanten Zustand der Neutralität. Österreich war für die Militärakademiker ein westlicher Staat und die Neutralität (völkerrechtskonform) eine militärische und keine Gesinnungsneutralität, wie es mancher Politiker später forderte.

Allerdings hatte sich bereits 1956 gezeigt, dass die Neutralitätserklärung Ungarns diesen Staat nicht vor dem sowjetischen Einmarsch geschützt hatte. Der Jahrgangskommandant, Hauptmann Horvath, hatte dies in unmittelbarer Grenznähe miterlebt. Auf Grund dessen sowie ihrer Kenntnisse des Völkerrechts sahen die Jahrgangsangehörigen die Immerwährende Neutralität nicht als Sicherheitssystem. Sie kannten die Rechte und Pflichten neutraler Staaten und teilten deshalb auch nicht die damals häufige Meinung, dass „ein paar Schüsse in die Luft“ genügen würden, um nach einem Einmarsch (wie 1938) besser dazustehen.

Angriffskriege und Interventionen waren für den Jahrgang mit der Immerwährenden Neutralität unvereinbar. Damals schien selbst ein Vollbeitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) – eine Vorläuferin der Europäischen Gemeinschaft (EG) und der Europäischen Union (EU) – problematisch, galt doch eine daraus resultierende einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit nach der damaligen Lehrmeinung als Deformation der Immerwährenden Neutralität. Von einer Europäischen Union und einer EU-Mitgliedschaft Österreichs war damals noch keine Rede. Für den Jahrgang galt daher sinngemäß: „Österreicher verteidigen nur Österreich“.

32. Wer war damals „der Feind“?

Ein Feindbild gab es nicht. Man orientierte sich an Bedrohungsbildern (z.B. Überflüge, Grenzverletzungen oder einen eventuellen Ein- bzw. Durchmarsch von Kräften des Warschauer Paktes), die nach den Einmärschen der Sowjetunion bzw. des Warschauer Paktes in zwei Nachbarstaaten Österreichs (Ungarn 1956 und CSSR 1968) relevant waren sowie an ausländischen Lehrmeinungen, Plänen und Doktrinen, die damals realistisch und wahrscheinlich schienen.

Die Militärakademiker sahen Russen, Tschechen, Ungarn, Jugoslawen usw. als mögliche Gegner, ohne sie jedoch als Menschen herabzuwürdigen, was im Zweiten Weltkrieg gang und gäbe war. Die Sowjetunion besaß vor 50 Jahren jedenfalls – mit u.a. etwa 14.000 Kampfpanzern alleine in Mitteleuropa – die zahlenmäßig größte Armee der Welt und hatte sich nicht gescheut, diese auch einzusetzen. Mehr als die Hälfte des Jahrganges hatte das während der „Tschechenkrise“ von 1968 bereits als Soldat miterlebt.

Nachbarstaaten hätten damals ebenfalls zu militärischen Bedrohungen werden können. Die CSSR verfügte z.B. über mehrere tausend Kampfpanzer (die Zahlenangaben schwanken zwischen 3.500 und 5.000; zum Vergleich: Tschechien und die Slowakei verfügen derzeit über insgesamt etwa 200 Kampfpanzer) und in Jugoslawien gab es bereits nationale Konflikte. Die damaligen Bedrohungsbilder bildeten die Grundlage der Ausbildung und erwiesen sich nach dem Zerfall der Sowjetunion als durchaus realistisch.

33. Wie gestaltete sich die Kameradschaft innerhalb des Jahrganges?

Der Jahrgang war zwar inhomogen (u.a. aus Altersgründen – der Älteste wurde 1939 geboren, der Jüngste 1951), auch die privaten, wirtschaftlichen, politischen und selbst die militärischen Interessen bzw. Anschauungen waren unterschiedlich. Dennoch war die Kameradschaft hoch, oft sogar sehr hoch. Viele der älteren, erfahrenen Militärakademiker halfen den jüngeren, Fehler zu vermeiden. Militärakademiker aus dem Bereich technischer Dienst machten (manchmal fast schrottreife) Billigautos ihrer jüngeren Kameraden kostenlos wieder fahrbereit, auch wenn die Reparatur Stunden dauerte.

Bei Gewaltmärschen trugen kräftigere Militärakademiker häufig (und freiwillig) die Waffen bzw. Sturmgepäcke bereits erschöpfter Kameraden. Der Grundgedanke der Militärakademie: „Wir wollen möglichst alle, die geeignet sind und die geforderten Leistungen bringen, zum Offizier machen“, anstelle von „Wir nehmen nur die (z.B.) 60 Besten, auch wenn die anderen noch so gut sind“ hat diese Kameradschaft deutlich gefördert. Konkurrenzkämpfe gab es kaum. Man half einander vielmehr gegenseitig. Die Plätze des Jahrganges waren auch nicht „limitiert“, wer die strikt vorgegebenen (hohen aber objektiven) psychischen und physischen Anforderungen (Limits) erfüllte, blieb. Der Jahrgang hätte also auch nur dreißig, aber auch neunzig Teilnehmer haben können, Offiziersbedarf gab es damals genug.

Ein besserer Platz in der Rangordnung im Jahrgang war allerdings hilfreich, denn die besten Militärakademiker durften sich den Ausmusterungstruppenkörper nach Verfügbarkeit aussuchen. Verlassen konnte man sich darauf allerdings nicht, denn so mancher persönlicher Einwand (von Kommandanten oder Vertretern des Kaders) – auch emotionaler Natur – verhinderte manchmal die Einteilung zum Wunschtruppenkörper. Es herrschte damals auch mancherorts ein Klima, in dem berechtigtes kritisches Verhalten im Gegensatz zur herrschenden Anschauung „Nur keine Wellen“ stand, was das Aufzeigen und Abstellen realer Missstände behinderte.

Die Jahrgangsangehörigen (einschließlich des ehemaligen Kaders der A-Kompanie des Akademikerbataillons der Theresianischen Militärakademie) standen während ihrer aktiven Dienstzeit (und auch heute noch) in Kontakt, lösten am „kleinen Dienstweg“ oft sogar große Probleme und unterstützten einander. Diese Kameradschaft wurde durch viele mehrtägige Treffen verstärkt, wobei die zehnjährigen „offiziellen Jubiläen" eine besondere Bedeutung hatten. Bis zum Jahr 2023 fanden derartige Treffen u.a. 1983 in Wien (einschließlich Empfang durch den Bürgermeister im Wiener Rathaus), 1993 in Wiener Neustadt, 2001 in Melk und Aggstein, 2003 in Linz, Eferding und Stadl Paura (einschließlich eines Empfanges durch den Landeshauptmann im Landhaus Linz sowie einem Empfang durch die Familie Starhemberg im Stadtschloss Eferding), 2008 in Eisenstadt und Wiener Neustadt, 2010 in Rattenberg (mit einer Dampfzugsfahrt und einer Schifffahrt am Achensee), 2011 in Lendorf und Bleiburg, 2013 in Wien, Wiener Neustadt und Reichenau an der Rax (einschließlich einer Feierstunde in den Amtsräumen des Bundespräsidenten), 2015 in St. Leonhard bei Salzburg, Salzburg und Berchtesgaden und 2018 in Bad Mitterndorf statt

34. Wie war die Unterbringung der damaligen Militärakademiker?

Die Unterbringung erfolgte in (trotz meterdicker Mauern) hellen Zimmern, meist belegt mit je sechs bis acht Personen. Ab dem Auswahlkurs gab es anstelle der Stockbetten Einzelbetten. In der Gegenwart erfolgt die Unterbringung in Vierbettzimmern mit einem vollwertigen Schreibtisch-Arbeitsplatz pro Person. Vor jedem Bett befand sich ein Hocker, auf dem das Tagesgewand abends zum Auslüften geordnet aufzulegen war. Betten- und Hockerbau wurden täglich überprüft. Die Spinde (ab dem Ersten Jahrgang zwei pro Militärakademiker) befanden sich in fensterlosen Nebenräumen, die ebenfalls regelmäßig kontrolliert wurden, meist einmal pro Woche.

Die Reinigung der Unterkünfte erfolgte durch die Militärakademiker selbst. Fließwasser gab es in den Zimmern nicht. Um die Waschräume, Duschen und Toiletten zu erreichen, musste man über den Gang gehen. Die hohen Gänge und Säle schmückten Gemälde (in Museumsqualität) von Offizieren bzw. Schlachten, die Lehrsäle hatten Namen (z.B. Lehrsaal Custoza). Die Tagwache, die tägliche Flaggenparade und der Zapfenstreich erfolgten mit Musik.

All das bewirkte ein Gefühl der Ehrfurcht. Wahrscheinlich stand schon ein „Artilleriehund“ (Kosename von Schriftsteller Sándor Friedrich Rosenfeld besser bekannt als Roda Roda) mit seinem „Rebellakatzenthier“ (Kosename der Star-Schauspielerin Adele Sandrock) vor der Wappenwand im Akademiehof, in dem die tägliche Flaggenparade stattfand, und sicher dachte Rudolf von Eichthal (Ausmusterungsjahrgang 1898) in diesen Räumen erstmals daran, Bücher über die Offiziersausbildung in der k.u.k. Armee („Der göttliche Funke“, „Die goldene Spange“, „Der grüne Federbusch“ und „Der Marschallstab“) zu schreiben. Der Atmosphäre der „Burg“, der ältesten aktiven Militärakademie der Welt, konnte und kann sich kaum jemand entziehen.

35. Wie war die Verpflegung?

Gekocht wurde an der Militärakademie, Wahlmenus gab es keine, auch kein Cook and Chill. Verabreicht wurde Hausmannskost – schlechter als bei der Truppe – darunter überproportional oft Rindfleisch mit Tomatensoße. Weil auch die Mobilmachungsverpflegung „umgewälzt“ werden musste, bildete diese einen fixen Teil der Akademikerverpflegung. Das (nicht wirklich schmackhafte) Dosenbrot wurde z.B. zu Knödeln oder Pofesen verkocht und die (dunkle) Militärschokolade fallweise als Nachspeise ausgegeben.

Gegessen wurde im Akademikerspeisesaal an gedeckten Acht-Personen-Tischen. Im Gegensatz zu heute wurde serviert und Stoffservietten waren Pflicht. Das „standesgemäße“ Benehmen, zu dem auch die Esskultur zählte, überprüften Tischvorsitzende (meist Militärakademiker eines höheren Jahrganges). Ein Lehrgruppenoffizier bzw. der Offizier vom Tag kontrollierte die Menge sowie die Qualität des Essens und trug das Ergebnis in das Kostbefundbuch ein („Gut und reichlich“, „untermittelprächtig“, „Ohne gesundheitliche Folgen genießbar“, …). Das später auch für die Kader übliche Anstellen beim Mittagessen gab es nur beim Gefechtsdienst und bei längeren Übungen.

Beim Gefechtsdienst wurde das Essen in Kochkisten nachgeführt oder man bekam Dosen mit Blutwurst, Sardinen, Jägeraufstrich, Schmalzfleisch usw. zum kalten Verzehr oder mit Gulaschsuppe, Bohnensuppe, Bohnen mit Speck, Linsen mit Speck usw. zum Aufwärmen mit dem Esbitkocher, einem kleinen zusammenklappbaren Kocher für Brennspirituswürfel. Bei längeren Übungen gab es meist Feldküchenessen, vorwiegend mit (meist schmackhaften) „Löffelgerichten“ wie Eintopf und Gulasch, von denen man sich oft auch einen „Nachschlag“ holen durfte. Gelegentlich erhielten die Militärakademiker auch nur ein Stück rohes Fleisch zur Selbstzubereitung über dem Lagerfeuer. „Eiserne Portionen“ als Notrationen wurden nicht ausgegeben. Dass Militärakademiker während der Überlebensausbildung auch Schlangen essen mussten, ist eine der üblichen Übertreibungen.

36. Gab es Akademieuniformen wie an anderen Militärakademien?

Die Militärakademiker trugen vor 50 Jahren die gleichen Uniformen wie die Truppe, die Uniform M 56: den Ausgangsanzug (die A-Garnitur) in der Öffentlichkeit, die Garnitur 2 („Zweiergarnitur“) im täglichen Dienstbetrieb, die Garnitur 3 („Dreiergarnitur“, eine ältere Uniform, die nicht mehr die Qualität und Passform der Ausgangs- und Dienstanzugs aufwies) sowie den Drillich beim Gefechtsdienst (alle Uniformen in Grautönen) oder den gefleckten Tarnanzug in Ausnahmefällen (bei Manövern und größeren Übungen).

Die Kennzeichnung der Militärakademiker erfolgte durch den Dienstgrad und durch schmale Ärmelstreifen (nur an manchen Uniformen; Anm.). Das heutige Truppenkörperabzeichen gab es schon damals. Weil die Uniformstoffe vor 50 Jahren nicht bügelfrei waren, mussten die Militärakademiker den Ausgangsanzug und die Garnitur 2 häufig bügeln. Die Bügelfalten wurden fallweise überprüft, z.B. bei der morgendlichen Standeskontrolle. Die anderen Bekleidungssorten richteten sich nach der Tätigkeit (z.B. Alpinbekleidung, Sportbekleidung, Reitstiefel und Reithose für den Wahlsport Reiten).

Abgerissene Knöpfe musste man so rasch es ging selbst annähen und auch das Waschen der Hemden, Unterhosen und Socken war während längerer Gefechtsdienste Pflicht. Zu den Uniformen gab es verpflichtende „Accessoires“. Bei allen Gefechtsadjustierungen musste das Verbandspäckchen, ein Korken zum Tarnen von Gesicht und Händen, Zündhölzer, eine Kerze, eine feste Schnur, ein Nagel sowie Papier und Bleistift mitgeführt werden, beim Ausgangsanzug hingegen ein Kamm, ein Taschentuch und eine Ein-Schilling-Münze für Notfallanrufe.

Viele Teile der Bekleidung (Garnitur 2 und 3, Hemden, Schuhe, …) erhielten die Militärakademiker „gebraucht“, wurden doch die Kleidungsstücke und die relativ teuren aber qualitativen hochwertigen Feldschuhe mit halbhohem Schaft (österreichische Infanteristen trugen traditionell keine Stiefel) damals von den Soldaten beim „Abrüsten“ wieder abgegeben. Das änderte sich erst in der Ära der Raumverteidigung, in der die Milizsoldaten ihre Uniformen mit nach Hause nahmen bzw. nach dem Abrüsten kaufen konnten.

Spezielle Uniformen trugen an der Militärakademie nur die Zöglinge des Militärrealgymnasiums (Spitzname „Minis“). Nur wenige davon traten in den Jahrgang ein und nur ein einziger hielt bis 1973 durch. Das Militärrealgymnasium (ab 1972 Bundesoberstufenrealgymnasium an der Theresianischen Militärakademie) wurde 2018 aufgelöst. Sein Nachfolger ist seit 2019 die (auch Sicherheitsschule genannte) Bundeshandelsakademie für Führung und Sicherheit an der Theresianischen Militärakademie.

37. Welchen Dienstgrad hatte man damals an der Militärakademie und was verdiente man als Militärakademiker?

Während des Auswahlkurses behielt man den bisherigen Dienstgrad bei, z.B. EF-Korporal (wurde auch so ausgesprochen und nicht Einjährig-Freiwilligen-Korporal), Zugsführer oder Wachtmeister. Mit Eintritt in den Ersten Jahrgang wurde man Kadett, mit Eintritt in den Zweiten Jahrgang Kornett und im Zuge der „Heeresgliederung 1972“ während des Zweiten Jahrganges Fähnrich, was ursprünglich erst mit Eintritt in den Dritten Jahrgang geplant war. Man wurde aber nicht mit diesen Dienstgraden angesprochen und meldete sich auch nicht damit. Die korrekte Anrede bzw. Meldung lautete „Militärakademiker“, z.B. „Militärakademiker Müller! Treten sie drei Schritte vor!“ bzw. „Herr Hauptmann! Militärakademiker Müller meldet sich mit einer Bitte zum Rapport.“

Die durchschnittliche Entlohnung der Militärakademiker lag damals bei ca. 1 500 Schilling (entspricht etwa der heutigen Kaufkraft von 430 Euro) pro Monat als Zeitverpflichteter Soldat und als (provisorischer) Beamter je nach Vordienstzeiten zwischen (brutto) 2 700 Schilling (entspricht etwa der heutigen Kaufkraft von 780 Euro) und 3 500 Schilling (entspricht etwa der heutigen Kaufkraft von 1010 Euro) pro Monat. Überstunden, Dienste vom Tag usw. – pro Woche meist ca. 20 Stunden (Die Normarbeitszeit im Jahr 1970 betrug 43 Stunden) wurden anfangs nur mit einer Monatspauschale („Pausch“ genannt) von 150 Schilling (entspricht etwa der heutigen Kaufkraft von 43 Euro) abgegolten. Eine teilweise „Überstundenabgeltung“ auf Basis der Neugestaltung des Besoldungsrechts durch Inkrafttreten der 24. Gehaltsgesetznovelle gab es erst ab Dezember 1972. Eine dem Zeitaufwand entsprechende Bezahlung der Dienste vom Tag (Offizier vom Tag, Wachkommandant usw.) erfolgte im Bundesheer erst Jahre später.

38. Ging es laut zu, wurde viel geschrien?

Ja, aber nicht als Anzipf, sondern für die Stimmschulung. Jeder Kommandant musste z.B. beim Exerzieren (Fernvergatterungen) auch über 30 Meter und weiter verständliche Kommandos geben können. Im Gefechtsdienst und in Gefechtssituationen erfolgte z.B. innerhalb des Infanteriezuges die Durchgabe von Meldungen und das Erteilen von Befehlen generell mündlich. Entfernungen über 30 Meter und Nebengeräusche (wie laufende Schützenpanzermotoren) waren normal, ebenso Kampfgespräche (z.B. „Wir umfassen links. Gebt uns Feuerschutz!“) bei Gefechtslärm.

Eine Kommando- und Befehlssprache, die laut und verständlich genug war, erlernten die Militärakademiker aber auch durch lautes Singen bei zahlreichen Gelegenheiten (Exerzierdienst, Rückmarsch vom Gefechtsdienst, Gewöhnungsmärsche, …). Die typischen Marschlieder waren so komponiert, dass sie punktgenau auf das Ausatmen im Marschtakt abgestimmt waren, einfache Melodien hatten und auch von ermüdeten, unmusikalischen Personen gesungen werden konnten. Die musikalischsten Militärakademiker des Jahrganges waren übrigens die Kärntner. Sie konnten am Lagerfeuer oder in Berghütten stundenlang und fehlerlos Kärntnerlieder singen.

Das unverbindliche Soldatenliederbuch aus dem Jahre 1962 kannte und verwendete man kaum. Ein verbindliches Soldatenliederbuch wurde erst 1994 herausgegeben, dessen Lieder waren zwar melodiöser, viele davon aber während des Marsches „schwerer“ zu singen. Ein Nebeneffekt der Stimmschulung war, dass die Angehörigen des Jahrgangs Starhemberg 1693 auch in Sälen mit mehr als 200 Personen oder bei Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen ohne Lautsprecher bis in die letzten Reihen verstanden wurden.

39. Gab es Anzipf und Schleiferei?

Was z.B. bei Gefechtsübungen fallweise als Anzipf empfunden wurde – sauberer Hemdkragen, Schuhputz und Schuhpflege, kurz geschnittene Haare, Rasur (damals in Ermangelung von Akku-Rasierapparaten noch Nassrasur mit Rasierklinge und Rasierschaum, auch bei Minusgraden) – fiel oft unter „Fürsorge für die Truppe“ zur Vermeidung von Ausfällen. Das galt auch für das Reinigen der Waffen und der Ausrüstung (z.B. des Schraubverschlusses der Aluminium-Feldflasche sowie des Essgeschirrs). Vor allem ehemalige Kriegsoffiziere und -unteroffiziere legten darauf großen Wert, sie fürchteten (aus eigener Erfahrung) Läuse, Infektionen und Erfrierungen. Allerdings wurde dabei manchmal übertrieben bzw. Kontrollen als „erzieherische Maßnahmen“ eingesetzt.

Eine systematische Wehrpädagogik gab es damals ebensowenig wie eine verbindliche Ausbildungsmethodik in Vorschriftenform, diese kam erst Jahre später. Nicht jeder war ein wehrpädagogisches Naturtalent wie der Jahrgangskommandant. Machte man alles nach bestem Wissen und Gewissen, war das für manchen Vorgesetzten gleichsam „selbstverständlich“. Lob gab es dafür kaum, fast jeder Fehler wurde hingegen beanstandet, besonders vom Bataillonskommandanten. Lief man ihm über den Weg – egal ob beim Gefechtsdienst oder an der Militärakademie – konnte man froh sein, wenn man ohne Beanstandung davonkam. Seine Gründe für die Kritik waren meist durchaus real und nachvollziehbar, es war also keineswegs ein Kritisieren um des Kritisierens willen, doch gab es Militärakademiker, auch solche in vorderen Rängen, die während all ihrer Jahre an der Akademie vom Bataillonskommandanten kein einziges Mal gelobt worden waren. Heute weiß man, dass es in der Ausbildung mindestens so viel Lob wie Tadel geben sollte. Das Missverhältnis von Lob und Tadel führte manchmal zu einer Mentalität des „Egal was ich mache, er findet ohnedies immer etwas“. Weil aus Sicht der Auszubildenden die Grenzen zwischen überproportional häufiger Kritik und Anzipf fließend waren, nannten die Betroffenen den Bataillonskommandanten untereinander häufig den „Zipf“ oder den „Zipfer“.

Reibereien gab es fallweise auch mit dem Truppenarzt, entschied doch ausschließlich dieser über die Dienstfähigkeit und war meist auch der behandelnde Arzt. Eine freie Arztwahl gab es beim Bundesheer damals nur für Beamte. Die Behandlung und der Umgang mit den Patienten („I bin ka Doktor, i bin a Oberstarzt!“) entsprach deshalb manchmal nicht dem zivilen Standard.

Um zu prüfen, ob in den Spinden alles griffbereit am richtigen Platz lag und ob die Militärakademiker fähig waren, minutenschnell einsatzbereit zu sein, ließ man sie manchmal innerhalb von fünf Minuten in einer komplett anderen Adjustierung antreten (bekannt auch als „Maskenball“), fallweise im Zuge eines nächtlichen Alarms (bei dem kein Licht aufgedreht werden durfte). Es gab aber – vom Gefechtsdienst über den Exerzierdienst bis zur Waffenausbildung – niemals Schleiferei (z.B. das Kommando „Decken“ genau in einer Lacke, -zig Mal hintereinander nicht zur Lage passende „Atomdetonationen“ oder ständiges „Auf!“ und „Decken!“ auf Pfiff etc.).

40. Durfte man ins Ausland fahren, musste man z.B. vor einer Heirat um Erlaubnis fragen usw.?

Jede Auslandsreise musste der Militärakademiker beim Rapport bzw. schriftlich melden, begründen und auch das Ziel bekanntgeben (z.B. die genaue Hotelanschrift). Im Reisepass stand als Berufsbezeichnung „Schüler“ oder „Beamter“ und nicht Militärakademiker oder Offizier. Es gab für Soldaten keine generelle „Reisefreiheit“ wie heute in der EU. Ostblockstaaten – darunter auch Österreichs Nachbarstaaten Ungarn und die Tschechoslowakei – durften z.B. von Teloffizieren (Fernmeldeoffizieren) als Geheimnisträger nicht besucht werden.

Um Erlaubnis musste man vor einer Heirat nicht fragen aber man musste sie melden und der Leumund der Ehepartnerin wurde fallweise überprüft, ebenso wie der Verwandtenkreis eines künftigen Offiziers (insbesondere aus dem Ausland stammende Verwandte). Das diente zum Schutz vor einer öffentlichen Blamage (wenn etwa die Ehepartnerin ein Vorleben als Prostituierte oder Kriminelle verschwiegen hätte) bzw. vor einer eventuellen Erpressung des Bräutigams durch ausländische Geheimdienste.

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Zeitgenössische Zitate, Sprüche und Anekdoten


… zur Neutralität:

»Neutralitätspolitik« war ein vor 50 Jahren von Politikern häufig verwendetes (nicht im Völkerrecht stehendes und daher für das Völkerrecht/Neutralitätsrecht irrelevantes) Schlagwort, das die Neutralität gleichsam als Sicherheitssystem darstellte. Diese ist aber nur ein völkerrechtlich relevanter Zustand, der u.a. Verteidigungsfähigkeit voraussetzt.

… zum Tagesablauf und zur Verpflegung:

»Herr Leutnant! Militärakademiker N. meldet Zimmer vier, belegt mit sechs Mann, sechs Mann anwesend, gereinigt und gelüftet zur Nachtruhe ab.« lautete (sinngemäß) die Meldung des jeweiligen Zimmerdienstes an den Offizier vom Tag beim abendlichen Zimmerdurchgang. Gemeldet wurde aber auch im Lehrsaal z.B. »Herr Oberst! Militärakademiker N. meldet den Ersten Zug in der Stärke von 25 Mann, 24 Mann anwesend, ein Mann dienstfrei, zum Unterricht.«

»Essen ist Dienst!« hieß es (mittags) für die Militärakademiker. Dabei ging es auch um die verpflichtende Erhaltung der Kampfkraft durch Essen und Schlaf.

»Mahlzeitoffiziere« nannten die Militärakademiker untereinander die Tischvorsitzenden (meist Militärakademiker eines höheren Jahrganges), die beim Mittagessen im Akademiespeisesaal zugegen waren, u.a. um die Tischmanieren der Militärakademiker zu kontrollieren.

»Alles von der Kuh« nannten die Militärakademiker die Abendverpflegung kalt (AVk), die es jeden Mittwoch gab und die meist Milch, Butter und Käse beinhaltete.

»AEIOU« steht an der Militärakademie seit Jahrhunderten an mehreren Stellen. Die Deutungen reichen von „En, amor electis, iniustis ordinor ultor; sic Fridericus ego mea iura rego“ über „Austria erit in orbe ultima“ und „Alles Erdreich ist Österreich untertan“ bis „Akademiker-Essen ist oft ungenießbar“. Deshalb florierten wohl damals in Wiener Neustadt auch viele Gasthäuser.

… zur Adjustierung:

»Fleckerlpyjama« nannten die Militärakademiker den Tarnanzug, der allerdings nur selten getragen wurde, um das Material zu schonen. Geübt wurde meist im Drillich oder in der „Dreiergarnitur“. Im Gefechtsdienst trug der Militärakademiker dazu den »Knitterfreien« (Stahlhelm), das »Wimmerl« (Sturmgepäck) sowie die »Bock« (Feldschuhe mit halbhohem Schaft) und im Exerzierdienst »Negerpatscherln« (schwarze Strapazschuhe – „Political Correctness“ war damals noch unüblich) mit »Flohdackerln« (Segeltuchgamaschen).

… zu Sprache und Gesang:

»Lauter! Ich hör‘ nichts!« Mit Aufforderungen wie dieser wurden die Militärakademiker regelmäßig angehalten, laut genug zu sprechen, waren doch Entfernungen von ca. 30 Metern, auf die man verstanden werden musste, im Gefechtsdienst und beim Exerzieren keine Seltenheit.

»Ein Lied!« wurde bei fast jedem Fußmarsch befohlen. Gesungen wurde dann z.B. „Schwer mit den Schätzen des Orients beladen …“, „Es zog ein Regiment vom Ungarland herauf …“, „Drei Lilien …“ oder „Vom Barette schwankt die Feder …“. Die Lieder förderten den Zusammenhalt, dienten aber auch der Stimmschulung.

… zum Exerzierdienst:

»Finger lang! Daumen beiziehen! Blick geradeaus!« lautete ein beliebter Befehl beim Exerzieren. Damals stand und marschierte man „mit ausgestreckten Fingern“, das wurde 1982 mittels „Armeebefehl zur Modernisierung des Soldatenaltages“ auf „die Finger sind geschlossen und bilden eine Faust, wobei der Daumen vorne auf dem gekrümmten Zeigefinger liegt“ abgeändert und 2018 (unter Minister Kunasek) wieder eingeführt.

… zum vermeintlichen „Anzipf“:

»Militärakademiker N.! Heben sie Ihren linken Schuh! Warum ist der Steg nicht eingecremt?« war eine der gefürchteten Fragen des Kommandanten des Akademikerbataillons, eines kriegsgedienten Offiziers, für den klar war, dass funktionstüchtiges Schuhwerk (einschließlich dessen Pflege) im Einsatz überlebenswichtig sein konnte.

 

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