• Veröffentlichungsdatum : 30.04.2021
  • – Letztes Update : 07.05.2021

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1920: Aufstellung des Bundesheeres - Teil 2

Mario Rauchenbichler

Am Beispiel der 5. Brigade Steiermark

Der Zusammenbruch der k.u.k. Monarchie im Herbst 1918 führte zu großen Umwälzungen in Österreich. Der Grenzverlauf der jungen Republik war noch nicht festgelegt und in den großen Städten kam es häufig zu Demonstrationen, Streiks oder sogar bewaffneten Auseinandersetzungen. Trotz der Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung benötigte die Republik dringend eine Armee, um diese prekären Probleme zu lösen. Aus diesem Grund wurde die „Volkswehr“ gegründet, die sich mit wechselndem Erfolg der Herausforderung annahm. Doch schon bei der Gründung stand deren provisorischer Charakter fest, denn über das zukünftige Heer der Republik Österreich entschied erst der Friedensvertrag von St. Germain. Als dieser von allen Unterzeichnerstaaten ratifiziert war, beschloss das österreichische Parlament am 20. März 1920 das neue Wehrgesetz und damit die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Aufstellung des Bundesheeres.

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Aufstellung der 5. Brigade im Jahr 1920

Die Anmeldung zum Heer (das Wort „Wehrmacht“ wurde damals wie das Wort „Militär“ oder „Heer“ verwendet, Anm.) erfolgte von 1. April bis 15. April 1920. Unter dem Titel „Die Volkswehr und die neue Wehrmacht“ fand am 24. Jänner 1920 eine erste Informationsveranstaltung für die Soldaten der Garnison Graz statt. Im Mittelpunkt standen Erläuterungen zum Wehrgesetz und zur zukünftigen Gliederung des Heeres. Von Seiten der Sozialdemokratie war man bemüht, das System der Vertrauensmänner fest zu verankern, damit die Soldaten nicht „wie ehedem, rechtlos, den Zufälligkeiten eines gerechten oder ungerechten Vorgesetzten ausgeliefert [sind],“ wie die sozialdemokratische Zeitung „Arbeiterwille“, am 27. Jänner 1920 schrieb.

Der Name Bundesheer wurde erst mit dem Verordnungsblatt Nr. 1/1921 festgelegt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Begriffe wie „provisorische Wehrmacht“ oder „neue Wehrmacht“ verwendet. Österreich hatte ein Berufsheer zu führen, das maximal 30.000 Soldaten umfassen durfte, davon 1.500 Offiziere, 2.000 Unteroffiziere und 26.500 Mannschaften. In der Steiermark wurden maximal 4.000 Soldaten zugelassen. Die Soldaten im Mannschaftsrang sollten sechs Jahre aktiv und weitere sechs Jahre in der Reserve dienen. Sie waren Berufssoldaten, denen während des letzten Teils ihrer Dienstzeit eine zivile Berufsausbildung zustand.

Die einzelnen Truppenkörper der 5. Brigade wurden ab Mai 1920 schrittweise aufgestellt. Am 21. Juli 1920 erfolgte die Aufstellung des 5. Brigadekommandos. Da eine Betrachtung aller Truppenkörper den Umfang dieser Arbeit sprengen würde, steht die Aufstellung des Alpenjägerregiments Nr. 9 im Mittelpunkt.

Am 26. Mai 1920 begann die Aufstellung des „Steirischen Alpenjägerregiments Nr. 9“, das der 5. Brigade Steiermark unterstellt wurde. Als Regiment zu drei Bataillonen hatte es folgende Sollstände:

 

Der Truppenkörper gliederte sich wie folgt:

 

Die Kompanien gliederten sich in drei Infanterie- und einen Hand-MG-Zug. Die MG Kompanien hatten zwei MG Züge sowie den Pionier- und den Telegraphenzug.

Der erste Personalzuschub bestand aus denjenigen Soldaten der Volkswehr, die sich freiwillig für das Bundesheer gemeldet hatten. So wurde die 1. Kompanie in Graz aus dem Arbeiterhilfskorps und die 2. Kompanie aus dem Grenzschutzbataillon Graz Nr. I der Volkswehr gebildet. Die MG Kompanie I wurde aus im MG-Dienst ausgebildeten Soldaten beider Formationen aufgestellt. In der Garnison Straß wurde die 7. Kompanie sowie die MG Kompanie III als Kaderkompanie aufgestellt. Die ersten Mannschaften kamen von den beiden Grenzschutzbataillonen Nr. 5 und 12 der Volkswehr.

Die personellen Erststände der beiden jungen Bataillone am Tag der Aufstellung waren wie folgt: (Offiziere- Unteroffiziere- Mannschaften):

Es wurden zunächst nur die Infanterieabteilungen formiert, die so rasch wie möglich einsatzbereit zu sein hatten. Bei der Aufstellung der Infanterie- und Alpenjägerregimenter war darauf zu achten, dass mit dem zur Verfügung stehenden Personal zuerst Züge, dann Kompanien und Bataillone zu formieren waren. Erst wenn pro Alpenjägerregiment ein Bataillon einsatzbereit war, durften die weiteren Truppen aufgestellt werden. Bei der Durchführung der Aufstellung hatten daher die reinen Infanterieformationen oberste Priorität, erst danach folgten die Telegraphenzüge, die Pionierzüge sowie die Handmaschinengewehrzüge. Ein Hand MG unterschied sich von einem schweren Maschinengewehr dadurch, dass es kein Schutzschild hatte und dadurch leichter tragbar war.

Die weitere Aufstellung vollzog sich in zwei Abschnitten. Am 1. Juli 1920 rückten diejenigen Zivilisten ein, die bereits in der k.u.k. Armee gedient hatten. Somit konnte in Graz das II. Bataillon mit der 4. und der 5. Kompanie aufgestellt werden. Beim III. Bataillon in Straß wurden mit diesen Soldaten die bestehenden Kompanien aufgefüllt. Diese gedienten Zivilbewerber hatten eine Mindestdienstzeit von drei Jahren in der k.u.k. Armee vorzuweisen, wovon mindestens ein Jahr Frontdienst im Krieg verlangt wurde. Parallel hierzu wurden dem AJR Nr. 9 eine Anzahl von Offizieren und Unteroffizieren – vorerst provisorisch – zugeteilt.

Mit diesen Kräften sollten die beiden Alpenjägerregimenter Nr. 9 und 10 ab 12. Juli 1920 den gesamten Wachdienst der Garnison Graz übernehmen. Der Äußere Wachdienst bezog sich in der damaligen Zeit auf die Bewachung von zehn Grazer Militärobjekten, deren Wachmannschaften unterschiedlich stark waren. Der aufwendigste Wachdienst war die Bewachung des Munitionsdepots in Kalsdorf, südlich von Graz. Die organisatorische Herausforderung für die Regimentskommandanten war, dass die Wachmannschaften rund um die Uhr im Dienst standen und ihnen sowohl vor als auch nach dem Wachdienst ein dienstfreier Halbtag zustand. Damit fielen die Wachmannschaften für den regulären Dienstbetrieb sehr lange aus. Diese Tatsache wirkte sich bei den niedrigen Ständen besonders nachteilig auf die militärische Ausbildung aus.

Der zweite Abschnitt begann am 15. Juli 1920. Nun wurden erstmals junge, ungediente Zivilisten in das Heer aufgenommen. Da sie noch keine militärische Ausbildung hatten, wurden sie in eigenen Ausbildungskompanien zusammengefasst. Der Aufstellungsbetrieb dieser Kompanien zog sich in die Länge, da nicht alle am selben Tag einrückten, sondern über mehrere Tage hinweg in die Kaserne kamen. In Straß wurde am 26. Juli die zweite Kompanie, namentlich die 9. Kompanie aufgestellt.

 

Ab 2. August ermöglichten die Standeserhöhungen die Aufstellung der Bataillons- und Kompaniekommanden. Darüber hinaus wurden die noch fehlenden Kompanien aufgestellt: die 3. und 6. Kompanie in Graz sowie die 8. Kompanie in Straß. Auch der Regimentstelegraphenzug wurden ab diesem Tag gebildet. Der Regimentskommandant befahl, dass in weiterer Folge die jeweils dritte Kompanie in allen Bataillonen für die Ausbildung der Rekruten verantwortlich war.

Im Sommer liefen auch die vorbereitenden Maßnahmen für die Aufstellung der Spezialformationen (Pionierzug, Verbindungszug) an. So hatten die Bataillone jene Soldaten zu melden, die für diese Formationen aufgrund ihrer Zivilausbildung (Erd- bzw. Holzarbeiten oder Elektriker) in Frage kamen. Im Oktober 1920 wurde die Ausbildung am Hand MG forciert. Dieser militärische Ausbildungszweig war anfangs zurückgesteckt worden, da die infanteristische Ausbildung im Mittelpunkt stand. Über die Wintermonate wurden mehrwöchige Kurse bei den MG Kompanien abgehalten, um die Soldaten in der Wirkungsweise der Maschinengewehre zu unterrichten.

Die ab 15. Juli eingerückten Zivilbewerber sollten nach den ursprünglichen Planungen nicht vor dem 1. Jänner 1921 in den Wachdienst eingeteilt werden. Das Staatsamt für Heereswesen erlaubte jedoch aufgrund der niedrigen Stände die vorzeitige Einteilung dieser Rekruten in den Wach-, Bereitschafts-, und Assistenzdienst. Da die Kompaniekommandanten die Verantwortung für den Einsatz trugen, überprüften sie den erreichten militärischen Ausbildungsstand genau. Nach positiven Ergebnissen befahl das Regimentskommando des AJR Nr. 9 mit 13. September 1920, dass die Rekruten zu den besagten Diensten eingeteilt werden durften. Dieser Schritt entlastete die Wachmannschaften des AJR Nr. 9 und zeigte den Rekruten, dass man ihnen großes Vertrauen entgegenbrachte.

Störfaktoren während der Aufstellung 1920

Die Aufstellung der Truppenverbände des Bundesheeres war eine organisatorische Aufgabe, die sich über mehrere Wochen hinzog. Nicht nur, dass es die angesprochenen Herausforderungen beim Wachdienst gab, auch erhielten die steirische Truppen unmittelbar nach ihrer Aufstellung die Einsatzbefehle von der 5. Brigade.

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Aufstellung der 5. Brigade im Jahr 1920

Mag. Mario Rauchenbichler ist Gymnasialprofessor, Historiker und Milizoffizier.

 

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