• Veröffentlichungsdatum : 05.06.2025
  • – Letztes Update : 06.06.2025

  • 3 Min -
  • 595 Wörter

Entscheidungsqualität & Informationsüberlastung

Julia Prihoda

Der digitale Wandel und das Zeitalter der Industrie 4.0 bringen Herausforderungen mit sich, die auch das Militär betreffen. Laufend neue Technologien und Weiterentwicklungen bestehender digitaler Produkte, neue Kommunikationswege, KI-gestützte Datenaufbereitungssysteme etc. begleiten und beschleunigen den Alltag. Durch diese Entwicklungen werden Informationen über vielfältige Kanäle in hoher Zahl übermittelt und sind daher schnell und zum Teil unmittelbar zugänglich. Dadurch ergibt sich eine hohe Informationslast. Diese kann einen psychischen Belastungsfaktor darstellen und Einfluss auf die Entscheidungsqualität nehmen.

Das Modell der Informationsüberlastung (Eppler & Mengis, 2004) besagt, dass bei anfangs steigender Informationsmenge die Entscheidungsqualität ansteigt. Übersteigt die Menge an Informationen eine gewisse Schwelle, fällt die Entscheidungsqualität bei weiter steigender Informationsmenge. Hier wird die kognitive Verarbeitungskapazität überschritten. Die Verarbeitung von Informationen ist ein Prozess, in dem das Gehirn Umweltinformationen aufnimmt, verarbeitet, speichert und daraufhin handelt. Zu Beginn werden Sinneseindrücke wahrgenommen und durch das Lenken der Aufmerksamkeit auf bestimmte Eindrücke gefiltert und interpretiert. Nach dieser Aufnahme werden relevante Informationen im Gedächtnis gespeichert, die später abgerufen und für Entscheidungen herangezogen werden können. Nach diesen Schritten der Verarbeitung folgt letztendlich eine Handlung.

Die Individualität jedes Einzelnen hat einen großen Einfluss auf die Informationsverarbeitung. Das Gefühl der Überlastung kann bei jedem (ab einer unterschiedlichen Informationsmenge) auftreten. Zudem beeinflussen emotionale, persönliche und umweltbezogene Faktoren wie Alkoholmissbrauch, schlechte Ernährung, Schlafmangel, Zeitdruck etc. die Verarbeitungsprozesse. Die Folgen sind eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten (Denkverhalten, Urteilsvermögen, Entschlussfassung etc.), eine Reduktion der Informationsaufnahme und eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfindung bzw. -qualität. Durch mehrmalige Konfrontation mit gleichen Eindrücken und Situationen finden Lernprozesse statt. Dadurch können mit bestimmten Informationen Handlungen zügiger gesetzt werden, da bereits erlerntes Wissen die Verarbeitung unterstützt.

Das schnelle Finden von Entscheidungen und das Generieren von Handlungsalternativen – vor allem unter Zeitdruck – sind im Militär von großer Bedeutung. Der Umgang mit zeitkritischen Situationen wird bereits am Beginn der Soldatenausbildung trainiert (z. B. beim Waffendrill), um automatisches Handeln zu gewährleisten und weniger kognitive Ressourcen für Routineaufgaben zu benötigen. In der Kader- bzw. Führungsausbildung werden besonders der Führungsprozess sowie die Anwendung des taktischen Führungsverfahrens beinahe drillmäßig eingeübt, damit die einhergehende Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung nahezu automatisiert ablaufen können.

Neben zeitkritischen Aspekten hat auch die emotionale Komponente einen erheblichen Einfluss auf die Informationsverarbeitung. In der Einsatzvorbereitung werden konkrete Szenarien (fallweise mit emotionalem Bezug) eingeübt, wodurch zugleich die Stress- und Emotionsregulation trainiert werden. Kommt es im Einsatz dennoch zu einem stressauslösenden Ereignis, können Konzepte der psychologischen Selbst- und Kameradenhilfe als eine Art psychische Erste Hilfe – sogar im Gefecht – angewandt werden.

Die Deutsche Bundeswehr bedient sich dem Konzept B.E.S.S.E.R. (Binden, Einstehen, Sprechen, Stabilisieren, Engagieren und Rückführen), das von den israelischen Streitkräften stammt, um die psychische Normalität schrittweise wiederherzustellen. Somit erhält eine Person ihre Handlungsfähigkeit zurück und ein unmittelbarer Ausfall sowie weitere negative Auswirkungen können vermieden werden. Konkret wird eine Stabilisierung erzeugt und die Person wird von einem Überlastungs- in einen handlungsfähigen Zustand rückgeführt, in dem wieder kognitive Ressourcen zur Verarbeitung von Informationen zur Verfügung stehen. Unterstützend können selbstständig durchgeführte kurze sowie effektive Entspannungs- und Atemtechniken zur Bewältigung einer Situation beitragen. Dabei wird die Wahrnehmung gezielt auf den eigenen Körper gerichtet, ohne von Sinneseindrücken und Emotionen überschwemmt zu werden. Zusätzlich können vorbereitete Checklisten für bestimmte Einsatzabläufe zum Erhalt der Kontrolle beitragen und einer etwaigen Überlastung entgegenwirken. Mithilfe dieser Methoden kann sowohl in einer belastenden Situation als auch bereits im Vorfeld einem Überlastungszustand vorgebeugt werden. Dadurch kann die Aufmerksamkeit wieder verstärkt auf die Informationsverarbeitung und Situationsbewältigung gelegt werden. Das führt zu einer verbesserten Qualität von Entscheidungen und zu einem Vorteil bei der (militärischen) Auftragserfüllung.

 

Julia Prihoda, MSc BA; Psychologin beim Heerespsychologischen Dienst


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 1/2025 (402).

Zur Ausgabe 1/2025 (402)


 

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