Stellungsverteidigung eines Schützenregiments

Nachdem im Truppendienst-Heft 4/2024 die Grundlagen der Verteidigung des Übungsgegners Rot am Beispiel der motorisierten Schützendivision im Fokus stand, erfolgt in der aktuellen Ausgabe eine vertiefende Betrachtung des motorisierten Schützenregimentes in der Verteidigung. Um die damit verbundenen theoretischen Grundlagen zu verdeutlichen, wird die Gefechtsordnung des motorisierten Schützenregimentes in der Stellungsverteidigung anhand eines Beispiels dargestellt.
Aufgaben Regiment
Das motorisierte Schützen- oder Panzerregiment als Teil einer motorisierten Schützen- oder Panzerdivision ist das kleinste Element des Übungsgegners Rot, das in seiner Grundstruktur zur Führung des Kampfes der verbundenen Waffen befähigt ist. Die damit einhergehende Autonomie bei der Durchführung von Kampfhandlungen befähigt das Regiment nicht allein zur Aufgabenerfüllung innerhalb der Division, sondern es wird dadurch auch ein temporärer selbstständiger Einsatz ermöglicht. Das Regiment des Übungsgegners Rot ist somit in der Lage, in der Verteidigung einen Angreifer an der Umsetzung seiner geplanten Absicht zu hindern und dabei möglichst starke gegnerische Kräfte zu vernichten.
In der Stellungsverteidigung wird dem Angreifer ein festgelegter Raum durch einen Einsatz im verteidigungsgünstigen Gelände verwehrt. Bei ausreichender Vorbereitungszeit stützt sich die Verteidigung auf ausgebaute Stellungen ab. Jedenfalls dient der Einsatz eines Regimentes zur Verteidigung immer dazu, die Voraussetzungen für den Angriff anderer Kräfte zu schaffen und somit die Entscheidung im Gefecht herbeizuführen. Wie die Division hat auch das Regiment seine Gefechtsführung nach den Aspekten der „Standfestigkeit“ und „Aktivität“ anzulegen (siehe TD-Heft 4/2024).
Unter dem Aspekt der „Standfestigkeit“ versteht man dabei das Bestreben, sich den gegnerischen Angriffshandlungen zu widersetzen und diese zu überleben. Um dies zu erreichen, setzt das Regiment seine Verteidigungskräfte aufgelockert, getarnt und geschützt auf dem Gefechtsfeld ein. Die Pionierkompanie des Regimentes gewährleistet das Anlegen von Minen- und Bausperren. Sie unterstützt die in den Verteidigungsstellungen eingesetzten Bataillone beim Stellungsbau. Aufeinanderfolgende Verteidigungsstellungen werden so angelegt, dass ein Auffangen und Isolieren von Angriffskräften gewährleistet wird. Dadurch werden die Voraussetzungen für Gegenmaßnahmen geschaffen. Einen wesentlichen Beitrag zum Überleben von verteidigenden Kräften leisten zudem die Luftabwehrkräfte sowie Kräfte des Elektronischen Kampfes.
Das Regiment des Übungsgegners Rot hält aber auch in der Verteidigung Elemente vor, um sich dem Angreifer aktiv entgegenzusetzen. Dies geschieht unter anderem durch Reserven. So beabsichtigt die Panzerabwehr-Reserve durch das Abriegeln entlang von Stoßrichtungen, im Panzergelände angreifende Kräfte zu vernichten bzw. dem Angreifer die Initiative abzuringen. Eine allgemeine Reserve – durch Manöverkräfte des Bataillons gebildet – verstärkt abgekämpfte Kräfte der ersten oder zweiten Staffel bzw. führt Gegenangriffe durch. Zudem wird der Aspekt der „Aktivität“ des Regimentes in der Stellungsverteidigung wesentlich durch den Wirkungsverbund des „integrierten Feuersystems“ unterstützt. Dieser koordiniert das Zusammenwirken von Rohr- und Raketenartillerie, Kampfdrohnen, „Loitering Munition“, Heeresfliegerkräften sowie von Systemen des Elektronischen Kampfes.
Gefechtsordnung Regiment
Zur Stellungsverteidigung wird dem Regiment durch die Division ein Verantwortungsbereich – der so genannte Regimentsverteidigungsabschnitt – zugewiesen. Die Größe des Regimentsverteidigungsabschnitts ist abhängig von der erhaltenen Gefechtsaufgabe, den konkreten Kampffähigkeiten des Regimentes sowie der Beschaffenheit des Geländes. In der Norm hat dieser eine Breite von bis zu 15 Kilometern und eine Tiefe von bis zu zwölf Kilometern.
Innerhalb des Regimentsverteidigungsabschnittes legt das Regiment seine Gefechtsordnung und somit das Zusammenwirken seiner Kräfte und Mittel fest. Die Eckpfeiler der Gefechtsordnung bilden die Verteidigungsstellungen, die Verfügungsräume der Reserven, die Feuerstellungen der Artillerie und Flugabwehr sowie die Versorgungsräume. Ein Regiment mit drei bis vier Manöverbataillonen besetzt grundsätzlich zwei Verteidigungsstellungen, die in der Regel ausgebaut werden. Die erste Verteidigungsstellung wird von der ersten Regimentsstaffel verteidigt, in der zweiten Verteidigungsstellung ist die zweite Regimentsstaffel eingesetzt. Die vorbereiteten Verteidigungsräume der Bataillone bilden die Grundlage jeder Verteidigungsstellung. Zusätzlich kann eine kompanie- bis bataillonsstarke allgemeine Reserve, eine Panzerabwehrreserve sowie eine bewegliche Sperrabteilung gebildet werden.
Dem Angreifer am nächsten zugewandt sind kompaniestarke vorgeschobene Stellungen. Diese liegen sechs bis acht Kilometer vor der ersten Verteidigungsstellung, dem vordersten Rand der Verteidigung – VRV, und verfolgen die Absicht,
- den Feind über den Verlauf des VRV zu täuschen,
- einen überraschenden Angriff zu verhindern,
- eine kampfkräftige Aufklärung abzuwehren und
- den Angreifer zur vorzeitigen Entfaltung seiner Kräfte zu zwingen.
Die vorgeschobenen Stellungen werden von verstärkten motorisierten Schützen- und Panzerkompanien der Bataillone der ersten Verteidigungsstellung bezogen. Die erste Verteidigungsstellung wird durch Bataillone der ersten Staffel besetzt und umfasst den Großteil der Kräfte des Regimentes. In der ersten Verteidigungsstellung eingesetzte Bataillone haben die Aufgabe, den Raum zu halten, den Angriff abzuwehren und Feindkräfte zu vernichten. Bei einem Einbruch des Angreifers in die erste Verteidigungsstellung sind durch die Bataillone der ersten Staffel die Voraussetzungen für Gegenangriffe der zweiten Staffel bzw. der Reserve zu schaffen.
Die zweite Staffel in der zweiten Verteidigungsstellung führt den Kampf gegen durchgebrochene Angriffskräfte und hält den Raum in der Tiefe. Des Weiteren hat die zweite Staffel die Aufgabe, als verfügbar gemachte Gegenangriffskraft verloren gegangene Stellungen zurückzuerobern, auch abgekämpfte Verbände der ersten Staffel zu ersetzen.
In dem vier bis sechs Kilometer großen Raum zwischen der ersten und zweiten Verteidigungsstellung befinden sich beispielsweise Führungseinrichtungen oder Verfügungsräume der allgemeinen Reserve oder Panzerabwehrreserve. An den geplanten Riegelstellungen zwischen der ersten und zweiten Verteidigungsstellung sollen gegnerische Ein- bzw. Durchbrüche durch diese Reserven aufgefangen werden. Auch die Regimentsartilleriegruppe (RAG) befindet sich in diesem Raum. Diese stellt einen temporären Zusammenschluss organischer Artillerieverbände des Regimentes und möglicher unterstellter Artillerieverbände dar. Unter gemeinsamer Führung und zentraler Feuerleitung unterstützt sie das Regiment für die Dauer der Aufgabenerfüllung in der Stellungsverteidigung. Durch die angestrebte Dislozierung direkt hinter den Bataillonen in der ersten Verteidigungsstellung soll sowohl die direkte Feuerunterstützung für den Kampf der ersten Staffel, als auch der Kampf in der Tiefe des Angreifers gewährleistet werden.
Die Träger des Gefechtes in der ersten und zweiten Verteidigungsstellung sind die motorisierten Schützen- oder Panzerbataillone der ersten und zweiten Staffel. Diesen Bataillonen werden Verteidigungsräume innerhalb der Verteidigungsstellungen zugewiesen. Als Gefechtssicherung können durch die Bataillone der ersten Staffel (Bataillone im VRV) vorgeschobene Kräfte in einer Entfernung von bis zu zwei Kilometern zum VRV eingesetzt werden. In einem Verteidigungsraum errichten die Kompanien des Bataillons wiederum Stützpunkte, von welchen aus die ihnen zugewiesenen Wirkungsräume und Sperren mit ihrem Feuer beherrscht werden.
Die Lage der Kompaniestützpunkte hat eine gegenseitige Unterstützung zu ermöglichen. Lücken, die aufgrund der Geländegegebenheiten und Ausdehnungen entstehen, werden durch Zugsstützpunkte sowie Widerstandsnester abgedeckt. Wie das Regiment bilden auch die in den Verteidigungsstellungen eingesetzten Bataillone zugs- bis kompaniestarke Reserven.
Stellungsverteidigung mit Geländebezug
Zur Veranschaulichung der angeführten Grundlagen wird die Stellungsverteidigung des 91. motorisierten Schützenregimentes (91.motSRgt) anhand eines realen Geländes dargestellt.
Die Absicht der motorisierten Schützendivision ist es, die Donau im Raum Tulln Richtung Süden überzusetzen, um in weiterer Folge den Angriff Richtung Westen entlang des Donautales fortzusetzen. Das 91.motSRgt als Vorausabteilung der Division hat den Auftrag, im Perschlingtal zu verteidigen und den Brückenkopf Tulln für die Einsatzführung der Division offen zu halten. Damit wird der Division das Nachführen der Hauptkräfte über die Donau ermöglicht. Der Einsatz zur Stellungsverteidigung des 91.motSRgt erfolgt Richtung Südwesten, um bis zu divisionsstarke Kräfte aus dem Raum St. Pölten abzuwehren.
Kontakt/Unterlagen
MjrdG Alexander Baumann, MA;
MjrdG Christopher Stuk, MA;
Weitere Unterlagen und Übungsbeispiele zur Taktikfort- und -weiterbildung finden Sie auf der Intranet-Website des BMLV unter LVAk – IHMF Lehre und Forschung – Referat Taktik.
Landesverteidigungsakademie
Institut für Höhere Militärische Führung/Referat Taktik
Stift-Kaserne General Spannocchi
Stiftgasse 2a, 1070 Wien
Zusammenfassung
Das Regiment des Übungsgegners Rot hat in der Stellungsverteidigung den Auftrag, einem Angreifer einen festgelegten Raum zu verwehren und dabei möglichst starke angreifende Kräfte zu vernichten. Die zur Verfügung stehenden Kräfte und Mittel erlauben es dem Regiment, die Stellungsverteidigung nach den Aspekten der „Standfestigkeit“ und „Aktivität“ zu organisieren. Neben Sperren bilden die erste und die zweite Verteidigungsstellung die Eckpfeiler des Aspektes der „Standfestigkeit“. Durch das Vorhalten beweglicher Elemente, beispielsweise von Reserven, aber auch durch die Abstützung der Verteidigung auf das Feuer der Regimentsartilleriegruppe setzt das Regiment den Aspekt der „Aktivität“ um. Primär erfolgt der Einsatz des Regimentes zur Stellungsverteidigung im Rahmen der Division. Die Darstellung der Stellungsverteidigung mit Geländebezug verdeutlicht, dass auch der selbstständige Einsatz eines Regimentes temporär möglich ist.
Major dG Alexander Baumann, MA und Major dG Christopher Stuk, MA; Hauptlehroffiziere & Forscher im Referat Taktik/IHMF/LVAK.

Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 1/2025 (402).