Russland/Ukraine/NATO: Kriegsgefahr im Osten Europas

(Symbolbilder: pixbay; Montage: RedTD)
(Symbolbilder: pixbay; Montage: RedTD)

Russlandexperte Gerhard Mangott und Militärstratege Franz-Stefan Gady sprachen in der ZIB2 von der ernstzunehmenden Gefahr einer militärischen Eskalation an der russisch-ukrainischen Grenze.

Die Krisengespräche zwischen Russland und dem Westen in der letzten Woche führten zu keiner Entspannung im Ukraine-Konflikt. Auch der Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock bei Russlands Außenminister Sergej Lawrow zeigte nur eines: Die Fronten sind verhärtet. Großbritannien möchte indes leichte Panzerabwehrwaffen an die Ukraine liefern, Russland verlegt Truppen nach Belarus – zum Teil nur 100 Kilometer entfernt von der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Die Angst vor einer militärischen Eskalation wächst.

In der ZIB2 vom 18. Jänner 2022 kamen der Russlandexperte und Professor für internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck, Gerhard Mangott, und der Militäranalyst Franz-Stefan Gady vom Institut für Strategische Studien London zu Wort. Laut ihren Einschätzungen könnte es bald zu einer militärische Eskalation in der Region kommen, da eine Verhandlungslösung zwischen dem Westen und Russland immer unwahrscheinlicher wird.

Gerhard Mangott spricht von einer verfahrenen Situation. Die Forderungen seitens Russlands seien zahlreich (Ende der NATO-Osterweiterung, keine militärische Zusammenarbeit mit der Ukraine) und für Russland nicht verhandelbar – für den Westen aber inakzeptabel. Da Putin zuvor angedroht hatte, dass es bei einem Scheitern der Verhandlungen zu einer militärischen Antwort Russlands kommen würde, stehe er nun unter Zugzwang. Um seine Glaubwürdigkeit – nach innen und außen – nicht zu verlieren, sei es sehr wahrscheinlich, dass er auf militärische Eskalation setzt. Franz-Stefan Gady stimmt zu und prognostiziert, dass es bereits in den nächsten zwei Wochen zur größten russischen Bodenoffensive seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa kommen könnte.

Zudem meint Gerhard Mangott, dass Russland die Forderungen an die NATO bewusst hochgesteckt habe, um ein Scheitern der Verhandlungen zu provozieren und so einen Vorwand bzw. eine Rechtfertigung für militärische Aktionen gegen die Ukraine zu haben. Ein mögliches, deeskalierendes Einlenken der NATO hält Franz-Stefan Gady für unrealistisch. Die NATO könne Russland nicht in der Form entgegenkommen, wie Putin sich das erwartet. Gleichzeitig fehle es dem westlichen Militärbündnis an Möglichkeiten in den Verhandlungen Druck auszuüben, da es seit Beginn eine militärische Intervention ausgeschlossen hatte. Sanktionen würden maximal längerfristig in diplomatischen Gesprächen Wirkung zeigen, aber zu keiner kurzfristigen Entspannung führen. Die Optionen des Westens seien also limitiert.

Wie könnte die Lage deeskaliert werden? Russland fordert in jedem Fall den garantierten Nicht-Beitritt der Ukraine zur NATO und das Ende jeglicher militärischer Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und dem westlichen Militärbündnis. Hier könnte man laut Gerhard Mangott ein beschwichtigendes Zugeständnis machen. So könnte – zwar nicht die NATO – aber zumindest die USA erklären, dass eine Mitgliedschaft der Ukraine sehr lange nicht auf der Tagesordnung stehen würde und damit eine besänftigende Geste setzen. Gleichzeitig spricht er aber auch davon, dass Russland nun versuchen könnte, die Gebiete in der Ostukraine (die von Separatisten kontrolliert werden) auszudehnen. Auch eine „moderatere“ Form der Eskalation, wie einen Cyberangriff auf kritische Infrastruktur in der Ukraine, schließt er nicht aus.

Aufgrund der Spannungen und der geografischen Nähe zu Russland gibt es in Schweden und Finnland aktuell Überlegungen der NATO beizutreten. Franz-Stefan Gady hält einen kurzfristigen Beitritt der beiden Staaten für unrealistisch und nicht zwingend notwendig. Zum einen gibt es zwischen den beiden Staaten und der NATO bereits gute Zusammenarbeit und zum anderen sei der Beitrittsprozess langwierig.

-red-

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