• Veröffentlichungsdatum : 27.05.2021

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Digital ergänzt analog

Friedrich Teichmann

Information über die Höhe eines Berges waren in früheren Zeiten ausreichend. Heute werden Gebäudehöhe, der Gebäudegrundriss oder ganze Ortschaften in 3D visualisiert. Alle modernen Waffen-, Einsatz-, Führungs- und Simulationssysteme (WEFS) sowohl der Land- als auch der Luftstreitkräfte benötigen Geo-Daten für den reibungslosen Betrieb. Das erfordert klare Vorgaben in der Planung, ausreichend Vorlaufzeit und letztendlich die technisch versierten Kartographen und Geoinformatiker des Institutes für militärisches Geowesen.

Die Österreichische Militärkarte im Maßstab 1:50 000 (ÖK50) ist „DAS“ Standardkartenwerk im Österreichischen Bundesheer (ÖBH), optimiert für den Inlandseinsatz, und wird seit Generationen äußerst erfolgreich verwendet. Die ÖK50 ist daher das Kernelement der österreichischen militärischen (und zivilen) Kartographie und somit „der Renner“ der Produktliste des Institutes für militärisches Geowesen (IMG). Die analogen und digitalen Karten und Geo-Informationen des IMG bieten die Österreichkarten flächendeckend und standardisiert für die Maßstäbe 1:50 000, 1:250 000 und 1:500 000 an; zusätzlich diverse Karten und Pläne aller Truppenübungsplätze, potenzieller Einsatzräume des ÖBH, verschiedenste thematische Karten zu einsatzrelevanten Geo-Faktoren sowie eine Reihe von Spezialanfertigungen für den Auslandseinsatz. Zahlreiche Produkte sind auf der Intranetseite des IMG im „Sicheren Militär Netz“ (SMN) für den Dienstgebrauch als Download verfügbar.

Historie seit 1839

Das ÖBH beschreibt das IMG in folgender Weise: „Das Institut für militärisches Geowesen ist die zentrale Ansprechstelle des Bundesministeriums für Landesverteidigung, seiner nachgeordneten Dienststellen, aber auch des Staatlichen Krisenmanagements in allen Angelegenheiten des analogen und digitalen geographischen Daten- und Informationsbedarfes. Das militärische Geowesen in Österreich kann auf eine lange Tradition zurückblicken: 1839 wurde das ‚k.u.k. Militärgeographische Institut‘ gegründet, 1923 gingen die Agenden zum zivilen ‚Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen‘ über und 1955 wurde die Militärgeographie im Bundeskanzleramt und schließlich wieder im Verteidigungsministerium, damals noch als Referat, implementiert. Das heutige Institut wurde 1997 als eine Abteilung der Landesverteidigungsakademie gegründet. Seit 2019 ist es dem IKT- und Cybersicherheitszentrum zugeordnet.

Kartographische Darstellungen von Ländern und deren Grenzen sind seit Jahrtausenden nicht nur direkt mit Krieg und Frieden, Macht, Herrschaft und Reichtum verbunden, sondern haben auch in der Neuzeit noch immer hohe symbolische und mystische Darstellungskraft. Diese „Kraft“ wurde beispielsweise in der Abhandlung „The Visualization Power of Maps“ durch den Autor im Jahr 2016 beim 6th International Seminar on Geopolitics des Bundeswehr Geoinformation Service beschrieben oder auch im Buch „Vom Staatsgeheimnis zum satellitengestützten Geoinformationswesen“ publiziert, das aus Anlass des 250-jährigen Bestehens des staatlichen Geoinformationswesens in Österreich und anlässlich „Zwanzig Jahre wissenschaftliche Zusammenarbeit im Staatsinteresse zwischen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem ÖBH“ herausgegeben wurde.

 

Analog reicht nicht

Die ÖK50 (und ÖK250) ist unverzichtbar. Sie wird für die Orientierung, in der Beurteilung des Geländes oder in der Lagedarstellung benötigt. Aber darüber hinaus braucht es noch Produkte mit einer deutlich höheren Auflösung. Diese Schlussfolgerung kam nicht überraschend für die Fachexperten, die schon an einer Erweiterung der Produktliste „MilGeo“ gearbeitet haben, und erhielt aufgrund der hohen Priorität im Rahmen der Migrationskrise der vergangenen Jahre eine ganz besondere Dynamik.

Speziell in Kombination mit dem MilGeo-Bedarf für die Inlandsoperation „Schutz“, abgeleitet vom Militärstrategischen Konzept, sind folgende Entwicklungslinien für einen modernen und potenten MilGeo-Dienstleister als Ergänzung zu den bisherigen Produkten unbedingt weiter zu verfolgen:

  • höhere Auflösung (besser als 1:50 000);
  • schneller und näher beim Bedarfsträger/Kommandant/Stab;
  • attraktive und intuitive visuelle Gestaltungen;
  • einfache Nutzung (keine spezielle Applikation, Schulung);
  • dritte Dimension – 3D;
  • virtuelle Realität.

Der Trend zur Adaptierung und Nachjustierung der MilGeo-Leistungen wird auch durch die wissenschaftliche Trendanalyse der internationalen Rahmenbedingungen untermauert. Die Evaluierung der sozioökologischen und sicherheitspolitisch relevanten Faktoren, insbesondere für die Bereitstellung der MilGeo-Produkte, werden durch acht international ausschlaggebende Trends geprägt und sind in der Tabelle aufgelistet.

Digitalisierungstrend in den Waffen-, Einsatz-, Führungs- und Simulationssystemen

Speziell im Bereich der militärischen Plattformen und Einsatzsysteme hat sich der Digitalisierungstrend ungebremst in das IMG fortgesetzt.

Alle modernen Waffen-, Einsatz-, Führungs- und Simulationssysteme (WEFS) der Land- und der Luftstreitkräfte verlangen für einen erfolgreichen Betrieb die entsprechenden Geo-Daten wie Vektordaten, Rasterdaten, Geländemodelle oder spezielle Koordinaten mittels „Waypoints“. Erschwerend kommt hinzu, dass vielfach proprietäre Systeme (Soft- und Hardware befinden sich im Eigentum der Herstellerfirma; Anm.) eingesetzt sind, die jeweils eigene Formate, Datenpakete oder Konvertierungen verlangen.

Organisatorische Weiterentwicklung

Die internen Optimierungsüberlegungen zu den MilGeo-Services und -Produkten wurden als Teil eines größeren Paketes bei der Aufstellung des Kommandos Führungsunterstützung und Cyber Defence (KdoFüU&CD) ausgearbeitet. Seine Nachfolgeorganisation ist seit 2019 das Informations-Kommunikations-Technologie- und Cybersicherheitszentrum (IKT&CySihZ).

Die Visionen und Schlagworte, die sowohl für das KdoFüU&CD als auch für ein IMG-„Neu“ besonders zu berücksichtigen waren, sind: Cyber, Digitalisierung, Force Provider, nationaler Fähigkeitsträger, Center of Excellence, operativ führendes Kommando im Cyber, EloKa, Informationsraum und „Information Superiority“. Leider wurden diese neuen Schwerpunkte des KdoFüU&CD im Bundesheer nur teilweise umgesetzt oder abgeschlossen.

Die Umfeldanalyse ergab speziell für den Bereich MilGeo eine massive Erhöhung der kritischen Plattformen und Kunden (zu sehen in den Abbildungen Plattformen & Systeme), die für ihren Betrieb digitale Geo-Daten zwingend benötigen, eine sehr starke Vermehrung der Kooperationsaktivitäten (national und international) und diverse Auswirkungen der geänderten Rahmenbedingungen inklusive neuer Technologien bzw. Entwicklungen. Als besondere Herausforderung bzw. Entwicklungsstränge für einen modernen MilGeo-Dienst wären, angelehnt an die internationalen Trends, zu nennen:

  • Forderung nach einer weit größeren Raumabdeckung;
  • Forderung nach einer weit höheren Informationsdichte speziell bei den Kartographie-Produkten (Karten unter 1:50 000);
  • erhöhter Zeitdruck (Krisenunterstützungsteams oder Austrian Forces Disaster Relief Unit);
  • kontinuierliche Aktualisierung und Adaptierung der (rechtlichen) Rahmenbedingungen zum nationalen und internationalen Geo-Datenaustausch (Verwaltungsübereinkommen und Memorandum of Understanding);
  • Integration neuer Technologien (Weltraumanwendungen);
  • sichere Position (Koordinaten) und Navigation (Navigation Warfare);
  • Verdichtung, Verifizierung und Analyse von georeferenzierten Daten direkt im Einsatzraum (Stichwort verlegbares MilGeo-Element);
  • gesicherte, ressortweit einheitliche Geo-Datenbasis zur Befüllung diverser WEFS (Core Geographic Services System beim NATO-Federated Mission Networking);
  • Forcierung der dritten Dimension (3D), Modellierung und Virtual Reality.

Zwischenzeitlich wurde eine der benötigten neuen Fähigkeiten auch organisatorisch im IMG abgebildet, nämlich „Sichere Position (Koordinaten) und Navigation“. In Kombination mit der für das EU-Satelliten-Navigationssystem „Galileo“ zu errichtenden Competent PRS Authority (CPA) der nationalen „Galileo“ Behörde (Public Regulated Service) wurde Navigation Warfare (Kriegsführung und Navigation) und damit die sichere Position, Navigation and Timing (PNT – satellitengestützte Navigation und Ortung) als neue Fähigkeit am IMG etabliert.

3D-Darstellung

Von den oben genannten konkreten Entwicklungssträngen ist die Forcierung der dritten Dimension und damit der 3D-Darstellung für den Kunden am Auffälligsten. Des Weiteren ist die MilGeo-Produktausweitung auf die dritte Dimension (Höhe) speziell für Schutz-Operationen und die sicherheitspolitische Assistenz, z. B. für Kritische Infrastruktur, aber auch für aktuelle „Kampfszenarien“ wie „urban warfare“ höchst interessant. Daher erfolgte am IMG in den vergangenen Jahren die Erstellung einfacher Demonstratoren für einsatzrelevante 3D-Darstellungen. 3D-Modelle werden derzeit anlassbezogen und mit Einzelauftrag auf „Demonstrator“-Ebene (Ebene vor der Massenproduktion; Anm.) erstellt. Die Abbildung dieser neuen Fähigkeiten im Organisationsplan ist noch nicht erfolgt und damit die Nachhaltigkeit dieser Produktlinie nicht gesichert.

 

Erstellen eines 3D-Modells

Der möglicherweise wichtigste Schritt in der Erstellung eines 3D-Modells ist die Definitionsphase. Hierbei werden in möglichst enger und mehrmaliger Abstimmung mit dem „end-user“ (z. B. Brigade, Militärkommando, Taskforce, Bataillon) ein konkretes Szenario, ein genaues Ziel und der Zweck besprochen und festgelegt.

Dazu gehören, neben der regionalen Ausdehnung, die zu klärenden Fragen:

  • Welche Geo-Daten sollen sichtbar sein?
  • Welche einsatzrelevanten Zusatzinformationen werden benötigt (z. B. Points of Interest)?
  • Welche Analysewerkzeuge sollen im Modell verfügbar sein?

Eine Eingrenzung bringt Vorteile. Eine größere Ausdehnung oder mehr Zusatzinformationen sind nicht immer besser, sie brauchen z. B. mehr Speicher, eine höhere Rechnerleistung und mehr Zeit in der Erstellung. Die Abstimmung könnte z. B. in den Übungsvorbesprechungen wie in Initial oder Main Planning Conferences (IPC oder MPC) erfolgen und sollte in den konkreten Übungsdokumenten festgehalten werden.

Im nächsten Schritt werden alle notwendigen Geo-Daten für das Modell „zusammengetragen“. Die Daten inkludieren üblicherweise die Standardkartenwerke ÖK50 (oder ÖK250), Spezialkarten, aktuelle Luftbilder, georeferenzierte Orthofotos, Satellitenbilder oder Vektordaten wie Lines of Communication (z. B. Straßen oder Eisenbahnlinien/-strecken) sowie Grundstücks- oder Gebäudepläne. Dieses Datenpaket wird mit den verfügbaren Höhen- bzw. Geländemodellen oder Oberflächenmodellen ergänzt. Meist ist es jedoch auch notwendig, szenarienbezogen weitere Daten einzubauen, die auf den konkreten Einsatz bzw. die Anwendung abgestimmt sind (spezielle Points of Interest). Dazu werden in Feldarbeit Daten erhoben (Kartierung) und in das Produkt aufgenommen.

 

Die Integration von Höheninformationen der Gebäude im urbanen Gebiet erfordert eine besondere Aufmerksamkeit und erhöht nochmals die Vorlaufzeit. Die aus unterschiedlichen Quellen (z. B. Plänen oder Sensoren der Fernerkundung) stammenden Geo-Daten müssen danach „kartographisch“ homogenisiert und „angepasst“ werden, damit es nach der Zusammenführung nicht zu internen Widersprüchen bei der Lagedarstellung oder der Position kommt.

Im nächsten Schritt erfolgt die Erstellung des gewünschten Modells in einer speziellen Software für geographische Informationssysteme (GIS-Software), die auch bei der Homogenisierung der Daten und Qualitätssicherung unterstützt. Außerdem wird in diesem Schritt das gewünschte Analysetool eingebaut und auf Funktionalität getestet. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss unbedingt eine Rücksprache mit dem Bedarfsträger erfolgen, ob alle Daten und Informationen sowie die benötigten Analysewerkzeuge im Modell enthalten sind.

Ganz besonders wichtig bei der Einführung von neuen Services und Produkten ist die Benutzerfreundlichkeit (usability): Es wäre natürlich möglich (und wird auch im Einzelfall durchgeführt), dem Endnutzer das fertige Modell mit der komplexen GIS-Software zur Verfügung zu stellen. Aber das würde u. a. einen IKT-Systemabgleich, eine Schulung, Software-Installation, einen Datentransfer, eine hohe Komplexität usw. verursachen. Vom IMG wird jedoch eine höchst einfache und benutzerfreundliche Interaktion mit dem Bedarfsträger durch den Export in ein einfaches HTML-Modell (Hypertext Markup Language) präferiert. Das HTML-Modell ist unabhängig von der Hardware (z. B. SMN/3.VE versus DGMN versus Sondernetze) und erfordert keine eigene Software und auch keine Installation, sondern wird von allen gängigen Web-Browsern (z. B. Edge, Firefox, Chrome) unterstützt. Im Browser ist das Modell frei und individuell zoombar, drehbar und kippbar. Die verschiedenen „Layers“ (Ebenen) können zugeschaltet oder weggeblendet werden, und die programmierten Analysewerkzeuge sind bei Bedarf einfach zu aktivieren. Die Dateistruktur ist einfach, die Speichergröße überschaubar und ermöglicht daher eine Übersendung mit E-Mail an die Bedarfsträger. Das 3D-Modell der UNO-City hat lediglich eine Gesamtspeichergröße von etwa 28 MB, die gezippt auf 10 MB reduziert werden kann. Die Dateistruktur ist einfach gehalten und erhöht die Benutzerfreundlichkeit.

 

Führungsmittel Karte

Eine der Schlüsselaufgaben des MilGeo-Dienstes ist die Unterstützung der Analyse der „Gelände- und Umfeldbedingungen“ im Rahmen jedes Beurteilungsverfahrens, um einen substanziellen Beitrag zur „Information Superiority“ für die eigenen Verbände zu leisten:

  • Beurteilung des Geländes und der weiteren Umweltbedingungen;
  • allgemeine Charakteristik;
  • abschnittsweise Beurteilung;
  • Folgerungen für das Handeln/Operieren im Raum durch geeignete Produkte wie Karten, MilGeo-Würdigung des Geländes oder Landesbeschreibungen.

Das primäre Ziel der 3D-Modelle ist es, dem Kommandanten und/oder dem Stab Darstellungen in nicht nur zweidimensionalen Karten (Höhenschichtlinien sind technisch eigentlich eine dritte Dimension), sondern auch in visuell ansprechender und intuitiver Form und geographisch lagerichtig bereitzustellen. Diese 3D-Modelle sind daher als Erweiterung bzw. moderne Ergänzung der bisherigen Produktlinien eines MilGeo-Dienstleisters zu sehen und sind sicherlich kein Ersatz für bestehende Services oder Karten. Aus Sicht des Fachdienstes sind die 3D-Modelle in einer Entwicklungslinie von den topographischen bzw. physikalischen Karten über spezifische Themenkarten zu 3D-Modellen und räumlichen Analysen wie Multispektral bis zur virtuellen Realität (VR) eingebettet. Sie leisten einen signifikanten Beitrag zu einem besseren Lageverständnis und unterstützen damit, insbesondere im unbekannten oder nur marginal erkundeten Gelände, die „Information Superiority“ (Informationsüberlegenheit) der eigenen Kräfte. Auch die derzeit in Entwicklung befindlichen Systeme im Bereich der VR haben aus Sicht der MilGeo die primäre Aufgabe, die Geländebeurteilung des Kommandanten/Stabes bestmöglich zu unterstützen, um virtuelle Analysen des Raumes durchführen zu können.

Digital ergänzt analog

Handelt es sich bei den in Entwicklung befindlichen bzw. als Demonstrator verfügbaren neuen MilGeo-Produkten (3D und VR) um einen Ersatz der bisherigen Leistungen/Erzeugnisse, wie der ÖK50, oder geht es um eine zusätzliche Erweiterung des Aufgabenspektrums? Schon allein aufgrund des Szenarios „Blackout“ kann auf eine umfassende analoge Kartenausstattung (und umfassende Geo-Informationen) sowohl für den Inlands- als auch den Auslandseinsatz auf keinen Fall verzichtet werden. Die Karte bleibt daher immer noch das primäre Führungsmittel – nicht nur im ÖBH.

Brigadier Mag. Dr. Friedrich Teichmann, MSc MAS; Leiter des Institutes für militärisches Geowesen am IKT&CySihZ.

 

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