• Veröffentlichungsdatum : 02.12.2015
  • – Letztes Update : 28.05.2017

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Ungerberg - Relikt des Kalten Krieges

Thomas Reichl

 

Der Kalte Krieg prägte die Geschichte des Bundesheeres der Zweiten Republik. Aufgrund seiner Neutralität hatte sich Österreich selbstständig gegen militärische Bedrohungen zu verteidigen. Als erfolgversprechendste Strategie wurde damals die Raumverteidigung beurteilt - dies bedingte auch den Bau ortsgebundener Verteidigungs- und Sperranlagen. Nach dem Zusammenbruch des Ostblockes verloren das Raumverteidigungskonzept sowie seine Einrichtungen ihren Zweck. Die Erinnerung an diese Zeit wird durch die Bunkeranlage in Bruckneudorf aufrechterhalten.

Am 12. September 2014 übernahm der Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM), Hofrat Dr. Christian Ortner, unter Anwesenheit des burgenländischen Landeshauptmannes, Hans Niessl, und des Kommandanten des Truppenübungsplatzes Bruckneudorf, Oberst Franz Neuhold, die Bunkeranlage Ungerberg 3 in Bruckneudorf in die Obhut des Museums. Neben dem Luftfahrtmuseum in Zeltweg, den Patrouillenbooten in Korneuburg sowie der Fernmeldesammlung in der Starhembergkaserne in Wien bildet die Bunkeranlage bereits die vierte Außenstelle des HGM. Es ist ein einzigartiges Relikt des Kalten Krieges, das mit seiner Originalausstattung seit Herbst 2014 besichtigt werden kann.

Österreich im Kalten Krieg

Die Stellung Österreichs als neutraler Staat zwischen den Militärblöcken NATO und Warschauer Pakt (siehe TD-Heft 3/2015 „Der Warschauer Pakt“, S. 200) machten es notwendig, eine wirksame Verteidigung zu planen. Mit dem Raumverteidigungskonzept glaubte man, dieses Ende der 1960er-Jahre gefunden zu haben. Im Gegensatz zur früher üblichen Grenzverteidigung war geplant, das Staatsgebiet durch den Kampf in Schlüsselzonen, Raumsicherungszonen und Schlüsselräumen zu verteidigen. Im Fall eines feindlichen Angriffes sollte vor allem in den Schlüsselzonen intensiv gekämpft werden. Zu diesem Zwecke wurden Feste Anlagen (FAn - mit Kanonen bestückte Bunkeranlagen; Anm.), vorbereitete Sperren und Feldsperren sowie Landwehrlager errichtet. Personell waren diese mit Landwehreinheiten besetzt, die auf Milizbasis formiert waren.

Wie man aus inzwischen veröffentlichten Dokumenten des Warschauer Paktes weiß, war das Raumverteidigungskonzept vor allem im Osten gefürchtet.

„Schleinzerwall“

Die Baumaßnahmen an der Bunkerlinie, welche auch „Schleinzerwall” genannt wurde (Karl Schleinzer: Verteidigungsminister von 1961 bis 1964; Anm.), war mit ihren Festen Anlagen und sonstigen Befestigungen bis 1964 großteils fertig gestellt. Während des Kalten Krieges galt dieser Wall als erste Verteidigungslinie und Bollwerk für einen möglichen Angriff aus dem Osten - konkret aus Ungarn. Zwischen der Donau und Wiener Neustadt wurden insgesamt rund 140 Anlagen in unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlicher Bewaffnung gebaut. Die heutige Schauanlage Ungerberg 3(U3) wurde 1959/1960 als eine der ersten Anlagen des Sperrriegels errichtet. Die Baumaßnahmen dauerten zwei Jahre, der Bunker selbst entstand unter strengster Geheimhaltung. So ist weder bekannt, wie viele Soldaten mitgearbeitet haben, noch gibt es Baupläne.

Der „Schleinzerwall“ entstand bereits bevor es die Raumverteidigung gab, als Reaktion auf die Ungarnkrise des Jahres 1956. Seine Errichtung begründete die ortsfesten Verteidigungsanlagen in Österreich während des Kalten Krieges. Diese wurden ab den 1970er-Jahren im Zuge des Raumverteidigungskonzeptes verstärkt gebaut. Die Anlage am Ungerberg wurde in dieses Konzept integriert und ist somit auch ein Zeuge dieser Epoche.

Sie hätte im Zusammenwirken mit der, im selben Abschnitt befindlichen, Anlage am Gaisberg, feindliche, mechanisierte Kräfte entlang der Bundesstraße 10 (B10) in Richtung Wien aufhalten sollen. Hierfür wurden starke Sperrriegel zwischen der Leitha und dem Neusiedlersee errichtet. Um die Bundesstraße zu sperren, waren neben den Bunkeranlagen mehrere Schächte zum Sprengen der Bundesstraße, für Stecksperren (die in Kisten am Straßenrand gelagert wurden) oder transportable Panzerigel aus Stahl-Winkeleisen (sowie Stahlseile zu deren Verzurrung) vorbereitet. Die Bunkeranlagen selbst sollten mit ihren schweren Waffen genau in den Bereich der Sperren wirken. Für den Ernstfall war auch geplant, mit LKW und Minenrutschen Panzerminenfelder von Nord nach Süd zu errichten. Rechts der Straße wurden zudem rund 1,5 Kilometer lange große Flächendrahthindernisse und Reihen von Beton-Panzerigeln sowie ein ebenso langer Panzergraben errichtet.

Bewaffnung und Einrichtung

Die Schauanlage Ungerberg zeigt heute noch die umfassenden Anstrengungen, die unternommen wurden, um Angriffen möglichst lange standzuhalten. Die Betonschicht, die den Bunker umhüllt, ist zweieinhalb Meter dick und hätte dem Einsatz chemischer Waffen standgehalten. Die Verteidigungsanlage war mit etwa 40 Mann besetzt und mit 10,5-cm-Panzertürmen „Centurion“, einer 10,5-cm-Feldhaubitze 18/40, einer MG- und einer Beobachterkuppel ausgestattet.

Bis zu 50 Mann hätten hier drei Wochen autark leben können, auch wenn sie einen Angriff vermutlich nur einen Tag aufgehalten hätten. Die Anlage - eine der größten ihrer Art - war gut ausgebaut. Es gab Sanitäranlagen, Fließwasser, Zentralheizung, eine Küche, zwei Schlafräume, ein eigenes Stromaggregat und einen Gefechtsstand. Feindseitig abgewandt befanden sich zwei Notausgänge.

Interessante Gegenstände der jetzigen Schausammlung sind die zahlreichen Objekte und im Originalzustand wiederhergestellten Räume der Anlage. Zahlreiches Originalinventar sowie der Sanitätsraum oder eine eigene Nische für Särge sind immer noch vor Ort. Sogar die Haubitze, die mittlerweile längst ausgedient hat und ursprünglich zum Bestreichen des Grabens mit Artillerieabwehrfeuer diente, ist noch vorhanden.

Mit dem Ende des Kalten Krieges verlor auch das Raumverteidigungskonzept seine Daseinsberechtigung - fast alle Anlagen wurden stillgelegt. Mit der Übernahme der Bunkeranlage Ungerberg 3 durch das Heeresgeschichtliche Museum beginnt für diese nun ein neuer Zeitabschnitt - als begehbares Denkmal.

Information

Die Anlage kann von September bis Juni jeden letzten Freitag und Samstag des Monats um 1000, 1200 und 1400 Uhr besichtigt werden. Gruppen bis maximal 15 Personen können an diesen Tagen auch außerhalb dieser Zeiten eine Führung buchen.

Kontakt für Voranmeldungen: Offiziersstellvertreter Josef Hatos

Tel: 050201 14 42051

Mobil: 0699/19661807

tuepl.bruckneudorfsymbolbmlvs.gvpunktat

 

Heeresgeschichtliches Museum Wien

www.hgm.at 

 

 

Ihre Meinung

Meinungen (1)

  • Kauf Michael // 15.04.2016, 16:31 Uhr S.g. Kameraden!
    Grundsätzlich halte ich diese Verteidigungsidee für sehr gut, allerdings bedeutete sie für die Soldaten/Bemannung der Bunker und auch für das PzB33, das m. W. in der Brucker Pforte hätte verzögern sollen, ein ziemlich sicheres Ableben. Ich möchte nicht in so einem Bunker gewesen sein und wissen, dass kaum ein Entkommen nach dem Überrennen der Anlage möglich ist. Aber für die Gesamtidee zählt naturgemäß der Einzelne nicht wirklich.
    Sachlich fehlt mir aber - im Nachhinein auffällig - eine effektive Luftabwehr! Der Bunker mag technisch super sein, aber ein Angreifer hat sicher starke Luftunterstützung. Die Verteidigung nach oben war offenbar "unwichtig"? Oder hat man wirklich nur mit 1 Tag Verteidigungsfähigkeit gerechnet? (...)
    Michael Kauf, OltdRes