• Veröffentlichungsdatum : 19.09.2022

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Kriegsgefangenen- und Vermisstenforschung

Selina Lukas

Am 15. September 2022 fand in der Landesverteidigungsakademie in Wien das wissenschaftliche Symposium „Kriegsgefangenen- und Vermisstenforschung unter Einbeziehung geheimdienstlicher Tätigkeiten“ statt. Die Vortragsreihe entstand in Zusammenarbeit zwischen dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung (BIK), der Landesverteidigungsakademie (LVAk), dem Österreichischen Schwarzen Kreuz (ÖSK) und der Österreichischen Gesellschaft für Heereskunde. Durch den Vormittag führte Mag. Ute Axmann vom Verteidigungsministerium.

Zunächst begrüßte der stellvertretende Akademiekommandant der Landesverteidigungsakademie, Brigadier Reinhard Schöberl, das Publikum. Im Anschluss richtete Hon.Prof. Hofrat Dr. Gunther Hauser einleitende Worte an die Zuhörer. Er sprach davon, dass das Thema der Kriegsgefangenschaft aufgrund des Ukraine-Krieges aktueller denn je sei. Dabei umriss er den Begriff und sein Spannungsverhältnis zum humanitären Völkerrecht, um auf die folgenden Vorträge einzustimmen.

Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. Stefan Karner, Institutsgründer des BIK, stellte in seinen Begrüßungsworten das ÖSK und dessen „Arbeit für den Frieden“ vor. Ein besonderes Anliegen seinerseits sei es, die Brücke zur jungen Generation zu schlagen, die keinen direkten Bezug mehr zum Krieg und der Nachkriegszeit hat.
 

„Österreicher in alliierter Hand“ 

Der erste Vortrag des Symposiums, von Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. Stefan Karner, behandelte das Thema „Österreicher in alliierter Hand“. Zu Beginn erklärte er, dass im Zweiten Weltkrieg jeder dritte Soldat in Kriegsgefangenschaft geriet und dass die Auswirkungen davon noch viel weitere Kreise zogen. Das jahrelange Warten und die Ungewissheit der Angehörigen hinterließ Wunden, die bis ins heute reichen. Karner und das Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung beschäftigen sich seit 1990 verstärkt mit den Kriegsgefangenen in der ehemaligen Sowjetunion und machten es sich zum Ziel Angehörigen Gewissheit und somit einen Abschluss zu verschaffen.

In seinem Vortrag ging er aber auch darauf ein, wie Kriegsgefangene transportiert, eingesetzt und behandelt wurden und wie die „Repatriierung“ schlussendlich verlief, wenn sie die Gefangenschaft überlebten. Sein Plädoyer am Ende des Vortrages: Die Kriegsgefangenen-Forschung müsse sich weiterentwickeln. Quantitative Erhebungen gebe es bereits zur Genüge, nun gehe es darum gewonnene Erkenntnisse der Gesellschaft und vor allem der jungen Generation näher zu bringen, um ein kollektives Gedächtnis zu schaffen bzw. aufrechtzuerhalten.

Projekt „WRINGER“

Der nächste Vortrag wurde ebenfalls von einem Vertreter BIK, Mag. Dieter Bacher, gehalten und beschäftigte sich mit Befragungen heimkehrender Kriegsgefangener. Konkret ging es um das „Projekt WRINGER“. Im frühen Kalten Krieg begannen westliche Geheimdienste mit der systematischen Befragung von österreichischen Kriegsgefangenen, die aus der ehemaligen Sowjetunion heimgekehrt waren. Davon versprachen sich die Geheimdienste Informationen über sowjetische Lager, Fabriken bzw. Betriebe, aber auch deren Führung, Kapazitäten und damit einen Einblick in die Sowjetunion, um diese besser zu verstehen. In Österreich wurden insgesamt 3.717 Kriegsgefangene befragt.
 

„Vom Umgang mit Kriegsgefangenen“

Den letzten Vortrag des Symposiums hielt Hofrat i.R. Univ.Doz. Dr. Erwin A. Schmidl von der Österreichischen Gesellschaft für Heereskunde. Er sprach über den Umgang mit Kriegsgefangenen in unterschiedlichen Kontexten. Zuerst klärte er die Frage, zu welchem Zweck Soldaten zu Kriegsgefangenen werden. Hier kann man drei Motive ausmachen: Zum einen können sie als Arbeitskraft eingesetzt werden, zum anderen als „Tausch- oder Handelsware“. Als dritten Punkt nannte Schmidl Propaganda und psychologische Kriegsführung.

Kurz umriss Schmidl auch den Umgang mit Kriegsgefangenen im 18./19. Jahrhundert sowie im Ersten und Zweiten Weltkrieg bzw. auch in Kriegen jüngerer Zeit und arbeitete Unterschiede heraus. So seien im 18./19. Jahrhundert Kriegsgefangenen noch in das eigene Militär eingereiht worden, während der Erste Weltkrieg als „Krieg der Lager“ bezeichnet werde. Auch seien die Heimkehrer nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg teilweise als Feiglinge, Deserteure oder Verräter angesehen worden und standen in ihrer alten Heimat oft vor dem Nichts.

Am Ende des Symposiums wurden Fragen aus dem Publikum beantwortet und erneut der Bogen zur aktuellen Situation in der Ukraine gespannt. Es zeigte sich, dass die Kriegsgefangenen- und Vermisstenforschung nicht allein der Aufarbeitung von Geschehenem dient, sondern auch einen Beitrag zum aktuellen gesellschaftlichen Bewusstsein leisten kann und leisten muss.

Selina Lukas, MA ist Redakteurin beim TRUPPENDIENST.

 

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