• Veröffentlichungsdatum : 01.09.2021
  • – Letztes Update : 20.09.2021

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MAMMUT-Deko nach Hantavirus-Infektion

Katharina Faukal

Im Dezember 2018 infizierte sich ein Bediensteter des Österreichischen Bundesheeres mutmaßlich bei der Schädlingsbekämpfung mit Hantaviren durch die Inhalation von Staub. Der Bedienstete zeigte zunächst grippeähnliche Symptomatik und musste bald mit akutem Nierenversagen hospitalisiert werden. Im Krankenhaus wurde er positiv auf Hantaviren (Puumala-Typ) getestet. Zum Zeitpunkt der Arbeiten trug er keine Schutzausrüstung (FFP-3-Maske, Schutzbrille, Schutzhandschuhe, Schutzanzug). Das betroffene Gebäude am Garnisonsübungsplatz Pöls (Steiermark) wurde Anfang Februar 2019 durch die zuständige Arbeitsmedizin bis zur Sanierung gesperrt und die ABC-Gefahrstoff-Bereitschaft Level 2 des ABC-Abwehrzentrums (ABCAbwZ) „Lise Meitner“ zum Festlegen der weiteren Vorgangsweise über das Streitkräftekommando angefordert.

Hantaviren

Hantaviren sind behüllte RNA-Viren der Ordnung Bunyavirales mit zahlreichen auch humanpathogenen (verursachen beim Menschen Krankheiten, Anm.) Gattungen. In Österreich und Mitteleuropa gilt die Rötelmaus als Hauptüberträger. Darüber hinaus kommen auch andere Mäusearten (Brandmaus) und Ratten (Wanderratte) sowie Fledermäuse oder Maulwürfe als Überträger in Betracht. Infizierte Nagetiere erkranken nicht, bleiben jedoch lebenslang Ausscheider. In den letzten Jahren stiegen die Erkrankungszahlen europaweit an. Die Sterberate liegt bei 0,2 Prozent. Das häufigste in Österreich nachgewiesene Virus ist das Puumala-Virus (Überträger: Rötelmaus). Seit 2011 sind auch Infektionen mit Dobrava-Belgrad-Viren (Überträger: Brandmaus, Gelbhalsmäuse) aufgetreten, die deutlich schwerere Krankheitsverläufe hervorrufen.

Hantaviren werden von den Nagetieren über Kot, Urin und Speichel ausgeschieden. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch

  • Einatmen des mit Kot, Urin oder Speichel kontaminierten Staubes,
  • Schmierinfektion (Hände),
  • mit Nagerkot verunreinigte Lebensmittel oder
  • Bisse infizierter Nagetiere (selten).

Eine Infektion kann ohne Symptome verlaufen oder wie im vorliegenden Fall zu einem schweren fieberhaften Infekt mit Nierenversagen führen. Je nach Subtyp können drei verschiedene Haupterkrankungen auftreten:

  • fieberhafter Infekt mit Nierenfunktionsstörung (Puumala- und Dobrava-Belgrad-Virus) in Europa und Asien, Störung der Blutgerinnung;
  • mildere Variante (Puumala-Virus) in Europa;
  • hohes Fieber, Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwäche, Schwindel, Bauchschmerzen, Husten, Atemschwierigkeiten, Lungenödem, akutes Lungenversagen; Sterberate zwischen 25 und 40 Prozent (Andes-, Sin Nombre-Virus etc.) in Amerika.

Bei Auftreten von unspezifischen, grippeähnlichen Symptomen mit plötzlich einsetzendem Fieber, Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen), Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen, Bauch- und Rückenschmerzen sowie Symptome des Atmungstraktes bzw. renaler Symptomatik ist eine Hantavirus-Infektion zu erwägen und entsprechende Untersuchungen durchzuführen.

Dem fieberhaften Infekt und der Nierenfunktionsstörung kann in seltenen Fällen ein Kreislaufschock mit einem Multiorganversagen folgen. Die Sterberate beim Puumala-Virus liegt unter 0,5 Prozent, wobei die Genesung einige Wochen dauern kann. Das Dobrava-Belgrad-Virus (im Burgenland, Steiermark und Kärnten nachgewiesen) führt zu einem schwereren Krankheitsverlauf mit einer deutlich höheren Sterberate (fünf bis zehn Prozent).

Gesetzeslage

Eine Hantavirus-Erkrankung ist nach § 1 Absatz 2 des Epidemiegesetzes anzeigepflichtig. Nach § 8 Absatz 1 unterliegen Gegenstände und Räume, von denen anzunehmen ist, dass sie mit Krankheitskeimen einer anzeigepflichtigen Krankheit behaftet (ansteckungsverdächtig) sind, der behördlichen Desinfektion. Weiter ist in § 8 Absatz 4 geregelt, dass eine Desinfektion unter fachmännischer Leitung (Aufsicht durch Amtsarzt) durchzuführen ist. Nach § 43 Absatz 4 sind die Einleitung, Durchführung und Sicherstellung sämtlicher in diesem Gesetz vorgeschriebener Erhebungen und Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten bzw. die Überwachung und Förderung der von den zuständigen Sanitätsorganen getroffenen Vorkehrungen Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde. In § 45 ist festgehalten, dass die Durchführung der im Bereich der Militärverwaltung zu treffenden Vorkehrungen den Militärbehörden obliegt. Zu diesen Zwecken ist zwischen den Militärbehörden und den Sanitätsbehörden das Einvernehmen zu pflegen.

Bei dem hier dargestellten Fall wurden Dekontaminationsplan, Vorsorge-, Schutz- sowie Sanierungsmaßnahmen der betroffenen Räume der zuständigen Behörde vorgelegt. Die Durchführung erfolgte durch den Dekontaminationszug der Abwehrkompanie der 7. Jägerbrigade (ABCAbwKp/7.JgBrig). Die Kontrolle oblag dem ABC-Gefahrstoff-Bereitschaft Level 2 des ABCAbwZ. Eine Abnahme der Behörde nach Abschluss der Arbeiten war nicht erforderlich.

Begehung

An der Rückseite des Gebäudes sind deutliche Schäden an den Dehnungsfugen zu erkennen. In der Umgebung zeigen sich Grab- und Fraßspuren. Durch die Beschädigungen an den Dehnungsfugen können Schadnager ungehindert in das Gebäude (Keller) eindringen. Der betroffene Kellerraum hat eine Fläche von etwa 6 x 6 Meter und ist 2,6 Meter hoch. An Seitenwänden und Decke sind zementgebundene Holzwolle-Leichtbauplatten angebracht. Der Kellerraum verfügt über zwei schmale, etwa einen Meter breite Fenster, die bei der Begehung geschlossen waren. Im Kellerraum befinden sich Tische, Sessel, ein Ofen und eine Schultafel. Eine Köderfalle zur Überwachung eines möglichen Nagerbefalls ist im vorderen Teil des Raumes am Boden. In einem zweiten, anschließenden Raum (ca. 2 x 6 x 2,6 Meter) sind zwei Öltanks mit jeweils 1.000 Liter eingebaut.

Im hinteren Teil des Raumes war ein Teil der Holzwolle-Leichtbauplatten abgenommen. An der Rückseite einer Platte sind deutliche Spuren einer Nestbildung durch Nager erkennbar. An anderen Stellen des Raumes sind die Holzwolle-Leichtbauplatten gelb-bräunlich verfärbt. Da die Platten an der Betonwand angebracht sind und keine anderen Ursachen für die Verfärbung in Frage kommen, wird angenommen, dass diese Verfärbungen durch Urin von Schadnagern entstanden sind. Die Begehung des Erdgeschoßes, in dem drei Zimmer mit Holzwolle-Leichtbauplatten ausgelegt sind, zeigen keine Verfärbungen oder Fraßspuren an den Platten und keine Anzeichen von Nagerbefall (Kot, angeknabberte Matratzen oder Polstermöbel).

 

Sanierungs- und Dekontaminationsmaßnahmen

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Dekontamination ist die Beseitigung des Nagetierbefalls sowie die Entsorgung der Kadaver und das Abdichten des Gebäudes gegen Wiederbefall. Engmaschige Schutzgitter (Maschenweite ? 13 mm) wurden vor den Kellerfenstern angebracht, um eine gute Durchlüftung der Räume ohne die Gefahr eines erneuten Eindringens von Schadnagern zu gewährleisten.

Zum Schutz vor erregerhaltigem Staub während der Sanierungs- bzw. Dekontaminationsmaßnahmen trugen die eingesetzten Soldaten Einwegschutzanzüge, Einweghandschuhe, ABC-Schutzmasken und Schutzhandschuhe sowie Schutzstiefel. Als Dekontaminationsmittel für die behördliche Schlussdesinfektion (Desinfektionsmittel mit Wirkbereich AB, Anm.) ist, gemäß Robert Koch-Institut, Wofasteril (Peressigsäure) zu verwenden. Peressigsäure wird in der Land- und Lebensmittelwirtschaft sowie von der Pharma- und Kosmetikbranche zur hygienischen Reinigung, Prävention von Seuchen und Tierseuchenbekämpfung eingesetzt. Im Abwasser zerfällt Peressigsäure in Sauerstoff, Wasser und Essigsäure, die biologisch abbaubar sind. Peressigsäure ist nicht krebserregend, erbgutverändernd oder fruchtschädigend und wirkt sich nicht negativ auf die Fruchtbarkeit aus. Wofasteril wird in Kombination mit Alcapur als Schaumverfahren angewendet. Alcapur enthält Natriumhydroxid und anionische Tenside (Reinigungseffekt), setzt die Geruchsbelästigung (durch Peressigsäure) herab, wirkt korrosionsdämmend und schaumbildend.

Unter Schutzmaßnahmen wird die fertige Gebrauchslösung angesetzt und innerhalb von zwei Stunden verbraucht. Im Seuchenfall wird für den Wirkbereich AB eine zweiprozentige Lösung mit einer Einwirkzeit von bis zu vier Stunden vom Robert Koch-Institut vorgeschrieben.

Zusammenfassung

Die Dekontamination der betroffenen Räume, in denen sich der Bedienstete mutmaßlich die Infektion zugezogen hatte, wurde durch den Dekontaminationszug der ABCAbwKp/7.JgBrig erstmals mit dem neuen Dekontaminationssystem „MAMMUT“ und den für den Seuchenfall vorgeschriebenen Chemikalien in Abstimmung mit der zuständigen Behörde durchgeführt. Nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen und Kontrolle der aufgestellten Fallen (keine Fraßspuren, kein Auffinden von Mäusekot) konnte der Übungsbetrieb wiederaufgenommen werden.

ObstltVet Dr. Katharina Faukal; Referatsleiterin GL (San/ABC)

 

 

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