• Veröffentlichungsdatum : 06.03.2018
  • – Letztes Update : 08.03.2018

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Mahnmale des Bombenkrieges

Gerold Keusch

Im Jahr 1943 - vor 75 Jahren - erfolgten die ersten Luftangriffe auf Österreich während des Zweiten Weltkrieges. Im selben Jahr wurde der erste Wiener Flakturm fertiggestellt. Dieser sollte als Teil des inneren Fliegerabwehrringes die Bombardierung der Stadt verhindern. Nach dem Ende des Krieges wurden die Flaktürme ein Teil des Wiener Stadtbildes, die an den Krieg und die Schrecken des NS-Regimes erinnern.

Die Millionen toten Soldaten des Ersten Weltkrieges, aber auch dessen lange Dauer, führten zu Überlegungen, wie ein zukünftiger Krieg effizienter geführt werden könnte. Das Ergebnis war, unter anderem aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen im Ersten Weltkrieg, die Entwicklung einer Bombenstrategie. Diese sollte von der Luft aus den Krieg am Boden durch massive Bombardements verkürzen, entscheiden und eigene Verluste gering halten. Neben militärischen Zielen sollte hauptsächlich die Zivilbevölkerung bekämpft werden, wobei auch der Einsatz von Giftgas gegen sie in Erwägung gezogen wurde.

Dass die Staaten Europas aufgrund des Ausgangs des Ersten Weltkrieges mit einem neuerlichen Krieg rechneten, zeigte sich nicht nur in diesen Überlegungen, sondern auch an den Luftschutzmaßnahmen. Nach der Machtergreifung Hitlers und der Militarisierung Deutschlands stieg die Kriegsgefahr in Europa. Als Reaktion darauf wurde beispielsweise im Jahr 1935 der Österreichische Luftschutzbund gegründet, der regelmäßig Luftschutzübungen organisierte.

Der Zweite Weltkrieg als Bombenkrieg

Der Zweite Weltkrieg wurde von Beginn auf dem Boden und in der Luft geführt. Obwohl die Deutsche Luftwaffe über eine große Anzahl von Flugzeugen verfügte, war ihre Luftflotte hinsichtlich einer Bombenstrategie jener der Royal Air Force unterlegen, da sie beispielsweise nicht über schwere Langstreckenbomber in großem Umfang verfügte. Nach der gescheiterten Luftschlacht um England 1940 und der Verstärkung der alliierten Bomberflotte durch die U.S. Air Force im Verlauf des Krieges, verlor Deutschland die Lufthoheit. So war man immer weniger in der Lage den alliierten Bomberverbänden in der Luft Widerstand zu leisten. Deshalb wurden für die aktive Luftverteidigung stationäre Fliegerabwehrbatterien aufgestellt, die sich entlang der Bomberrouten, meist im Umfeld der Städte, befanden.

Luftschutzmaßnahme Hochbunker

Als Reaktion auf den ersten Bombenangriff auf Berlin am 26. August 1940 wurde das „Führer-Sofortprogramm“ für den zivilen Luftschutz umgesetzt. Dieses sah in weiterer Folge vor in den drei größten Städten des Dritten Reiches Hochbunker mit Fliegerabwehrkanonen - die Flaktürme - zu errichten. Diese sollten der Bevölkerung in den Städten einerseits als Luftschutzräume dienen und andererseits die Basis für schwere Fliegerabwehrkanonen inmitten des dicht bebauten Gebietes sein. Ihre Aufgabe lag aber nicht unbedingt darin gegnerische Flugzeuge abzuschießen. Vielmehr sollten sie diese daran hindern über wichtige Stadtteile, wie die Wiener Innenstadt oder das Berliner Regierungsviertel, zu fliegen.

Die Idee Hochbunker zu bauen war nicht neu. Bereits 1936 wurden sowohl am deutschen Westwall - dem Gegenstück zu französischen Maginotlinie - als auch in anderen deutschen Städten Schutzbauten errichtet. Diese waren jedoch wesentlich kleiner und bis auf ein paar Ausnahmen nicht mit Fliegerabwehrgeschützen bestückt. Viele dieser Bauten waren in Form von Zigarren konstruiert, die eine Spitze aus Stahlbeton hatten, damit Bomben von ihnen abprallen und die Gebäude nicht zerstören konnten.

Flaktürme in Wien

Österreich galt solange als „Reichsluftschutzkeller“ bis im Jahr 1942 zum ersten Mal Flugzeuge der Royal Air Force am Himmel auftauchten. Im September 1942 gab Adolf Hitler den Befehl zum Bau der Wiener Flaktürme. Diese sollten das Stadtzentrum von Wien schützen und waren so angelegt, dass ihre drei Turmpaare ein Dreieck bildeten. Innerhalb des Dreieckes, das den inneren Flak-Ring bildete, lag das Zentrum von Wien, in dessen Mitte sich der Stephansdom befand. Den äußeren Flak -Ring bildeten etwa 300 Fliegerabwehrkanonen mit einem Kaliber von 8,8 cm bzw. 10,5 cm. Die Flaktürme konnten aufgrund der Einsatzschussweite ihrer Geschütze von etwa 10 km beinahe den gesamten Wiener Luftraum abdecken.

Die drei Wiener Flakturmpaare bestanden aus je einem Leit- bzw. Befehlsturm sowie einem Geschütz- bzw. Gefechtsturm, die einige hundert Meter entfernt voneinander standen und ein gleiches Niveau hinsichtlich ihrer absoluten Höhe bildeten. Das war notwendig, um die Daten für die Feuerleitung korrekt übermitteln zu können. Die Höhe des jeweiligen Flakturmpaares richtete sich auch nach der Höhe der umliegenden Gebäude und überragte diese um einige Stockwerke. Dadurch sollten Schäden an den Gebäuden oder der Bruch von Fensterscheiben durch den Luftdruck der feuernden Geschütze verhindert werden.

Bewaffnung der Flaktürme

Auf allen Geschütztürmen befanden sich je vier 12,8-cm-Zwillings-Fliegerabwehrkanonen - insgesamt 24 Rohre. Diese trugen die Bezeichnungen „Anton“ (A), „Berta“ (B), Cäsar (C) und „Dora“ (D). Zusätzlich befanden sich auf den Türmen Galerien mit „Schwalbennestern“ für Vierlings-Fliegerabwehrkanonen zur Abwehr von Tieffliegern, die jedoch nicht installiert wurden.

Die 12,8-cm-Fliegerabwehrgeschütze waren eine Weiterentwicklung der 8,8-cm- bzw. der 10,5-cm-Fliegerabwehrkanonen der Firma Rheinmetall-Borsig aus Düsseldorf. Sie waren die größten Fliegerabwehrgeschütze des Zweiten Weltkrieges und grundsätzlich für den stationären Einsatz konzipiert. Sie hatten ein Gewicht von etwa 27.000 kg, eine maximale Schussweite von 20.900 m, eine maximale Schusshöhe von 14.800 m und eine Einsatzschusshöhe von 10.675 m. Die Geschützbedienung bestand aus 13 Personen, der Gesamtpersonalstand pro Flakturmpaar (= Turmflakbatterie) betrug etwa 170 Soldaten in verschiedenen Funktionen.

Die Turmflakbatterien waren ein Teil der gemischten Turmflakabteilung 184, die zur Wiener 24. Flakdivision gehörte. Die Bezeichnungen der Batterien waren

  • 1./184 (Arenbergpark),
  • 2./184 (Esterhazypark bzw. Stifts-Kaserne) und
  • 3./184 (Augarten).

Einrichtungen in den Türmen 

In den Gefechtstürmen befanden sich Unterkünfte, Kanzleien, Gefechtsstände, Aufenthalts-, Sanitäts-, Sanitär- und Lagerräume aber auch Werkstätten und andere Einrichtungen beispielsweise für die Lüftung, die Strom- oder Wasserversorgung. Darüber hinaus waren bis zu 2.000 Stück der 12,8-cm-Granaten in den Munitionsräumen gelagert. Diese wurden mit Aufzügen zu den Geschützen befördert. Zusätzlich gab es Schächte, in denen die Kartuschen der abgefeuerten Granaten geworfen wurden.

Im obersten Geschoß jedes Flakturmes befand sich ein Kran, der für die Montage der Geschütze sowie für den Tausch der Rohre, der nach etwa 2.000 Schuss durchgeführt werden musste, vorgesehen war. Während eines Fliegerangriffes feuerte jedes Rohr etwa 125 Schuss, weshalb dieses nach etwa 16 Einsätzen getauscht werden mussten. Das bedeutete einen erheblichen logistischen Aufwand, aber auch, dass das betroffene Geschütz tagelang nicht einsatzbereit war.

In den Leittürmen befanden sich die technischen Einrichtungen für die Feuerleitung. Neben dem „Würzburg-Riesen“, einem Radargerät das zur Ortung feindlicher Flugzeuge diente, gab es noch zusätzliche Einrichtungen für die Entfernungsmessung und zur Berechnung der Seiten- und Höhenwerte sowie zu deren Übermittlung. Das Batteriekommando befand sich in den Leittürmen, die - so wie die Gefechtstürme - hinsichtlich der Strom- und Wasserversorgung unabhängig waren und über ein ausgeklügeltes Belüftungssystem verfügten. Zusätzlich gab es auch in den Leittürmen Aufenthalts-, Schlaf-, Sanitär- sowie Lagerräume und Werkstätten.

Eine wesentliche Funktion der Flaktürme war, dass sie über Luftschutzräume für die Zivilbevölkerung verfügten. Insgesamt boten alle Wiener Flaktürme etwa 40.000 Personen eine Zufluchtsmöglichkeit und waren während der Alarme bis zum letzten Platz befüllt. Diese Luftschutzräume durften aber nur von Wienern bzw. Reichsdeutschen betreten werden, nicht jedoch von den Fremd- und Zwangsarbeitern, die sie errichteten. Zur Tarnung waren die Türme mit dunkler Farbe gestrichen, die heute kaum noch erkennbar ist, da sie im Laufe der Jahre vom Regen abgewaschen wurde oder ausgebleicht ist.

Konstruktion und Bau

Die Konstruktion der Flaktürme erfolgte vom deutschen Architekten Friedrich Tamms, der auch andere Prestigeprojekte des Dritten Reichs ausführte, wie Autobahnbrücken in der „Blut und Boden-Architektur“ - der nationalsozialistischen Interpretation des Neoklassizismus der 1930er und 1940er-Jahre. Tamms war darüber hinaus für die Planung der Flaktürme in Berlin und Hamburg verantwortlich. Insgesamt gab es drei Generationen dieser Hochbunker: den Typ 1, der sich ausschließlich in Berlin befand, den Typ 2, von denen je einer in Hamburg und einer in Wien (Arenbergpark) war, und den Typ 3, der nur in Wien gebaut wurde.

Der Bau dieser militärischen Anlagen war aufgrund der kriegsbedingten Einschränkungen und des großen Materialbedarfes sowie der großen Anzahl an Arbeitern, die dafür benötigt wurden, eine besondere Herausforderung. Für den Transport der Baustoffe wurde, wo dies möglich war, die Eisenbahn verwendet, dann (wenn vorhanden) adaptierte Straßenbahnwagons und, wo es diese nicht gab, wurden Feldbahnen verlegt. Die Masse der Arbeiter waren Fremd- und/oder Zwangsarbeiter von denen damals mehr als eine Million in Österreich waren. Tausende von ihnen mussten unter oft unmenschlichen Arbeitsbedingungen diese Gebäude errichten.

Flakturmpaar Arenbergpark

Das erste Flakturmpaar wurde im Arenbergpark vom Dezember 1942 bis zum Oktober 1943 errichtet und war ab August 1943, noch vor dessen Vollendung, einsatzbereit. Hier sind der Geschütz- und der Leitturm nur etwa 150 m voneinander entfernt, was mit der Größe des Parks zusammenhängt.

Ursprünglich befanden sich auf dem Geschützturm 10,5-cm-Fliegerabwehrkanonen, kurze Zeit danach einrohrige 12,8-cm-Fliegerabwehrkanonen, die 1944 gegen Zwillings-Fliegerabwehrkanonen getauscht wurden. Dieser Umbau nahm mindestens zwei Monate in Anspruch: etwa drei Wochen dauerte der Abbau und etwa fünf Wochen der Aufbau der neuen Geschütze, die zu diesem Zweck mit Kränen, die sich auf den Flaktürmen befanden, bewegt wurden. Am 12. April 1944 eröffneten die Geschütze zum ersten Mal das Feuer, um alliierte Flieger, die in den Wiener Luftraum eingedrungen waren und sich innerhalb der Einsatzschussweite befanden, zu bekämpfen.

Die Flaktürme im Arenbergpark gehören hinsichtlich ihrer Architektur zum Flakturm-Typ 2 und sind in etwa baugleich mit denen, die in Hamburg-Wilhelmsburg standen. Der Geschützturm hat eine Grundfläche von 57 x 57 m, eine Höhe von 42 m und 11 Geschoße inklusive der Ebene für die Geschütze. Die Außenmauern bestehen aus Stahlbeton, der 2 m stark ist, die Dachelemente haben eine Stärke von 3,5 m. Der Leitturm hat eine Grundfläche von 23 x 29 m, eine Höhe von 39 m und ebenfalls 11 Geschoße.

Flakturmpaar Stiftkaserne - Esterhazypark 

Das zweite Flakturmpaar, das erbaut wurde, ist jenes mit dem Leitturm im Esterhazypark und dem etwa 500 m entfernten Geschützturm in der Stifts-Kaserne. Die Bauarbeiten begannen im September 1943 und endeten im Juli 1944, als der Luftkrieg über Österreich seinem Höhepunkt zuging, wobei die Geschütze bereits ab Juni einsatzbereit waren. Der Geschützturm war von Beginn an mit 12,8-cm-Zwillingsfliegerabwehrkanonen bestückt, die auch tonnenschwere Panzerkuppeln erhielten, um die Mannschaften vor Granatsplitter sowie einem etwaigen Beschuss von Tieffliegern zu schützen.

Das Flakturmpaar ist bis auf die Höhe und die Ausführung des Leitturmes in etwa baugleich mit jenem im Augarten und gehört zum Typ 3. Der Geschützturm hat eine 16-eckige Grundfläche, die einen Durchmesser von 43 m ausweist, eine Höhe von 45 m und 11 Geschoße. Die Außenmauern bestehen aus Stahlbeton, der 2,5 m stark ist, die Dachelemente weisen, wie der Typ 2, eine Stärke von 3,5 m auf. Der Leitturm hat eine Abmessung von 31 m x 15 m, eine Höhe von 47 m und 13 Geschoße.

Flakturmpaar Augarten

Das dritte Flakturmpaar sollte ursprünglich auf dem Areal der Rossauerkaserne errichtet werden. Dieser Plan wurde jedoch abgeändert, weshalb die beiden Türme vom Juni 1944 bis zum Jänner 1945 im Augarten erbaut wurden und ab Dezember 1944 einsatzbereit waren. Die Entfernung zwischen dem Geschütz- und dem Leitturm beträgt etwa 400 m. Die Türme sind höher als die anderen vier Flaktürme (Geschützturm: 55 m mit 15 Geschoßen, Leitturm 53 m mit 14 Geschoßen) weshalb sich unter dem „Gefechtsbalkon“ für die Vierlingsflak Betonstreben befinden. Diese waren für das Errichten von Gerüsten zur Behebung von etwaigen Gebäudeschäden vorgesehen.

Am Leitturm sind Einschüsse von sowjetischen Artilleriegranaten zu sehen, die dieser bei der Schlacht um Wien erhielt. Der Geschützturm ist baufällig, da im Jahr 1946 spielende Kinder im Flakturm gelagerte Munition bzw. Sprengmittel zündeten. Darüber hinaus versuchte die Rote Armee diesen zu sprengen, was jedoch misslang. Aufgrund der Gebäudeschäden muss der Turm mit Stahlseilen gesichert werden, die ein Herabstürzen von Gebäudeteilen verhindern sollen.

Sonstige Hochbunker in Wien

Die Flaktürme waren nicht die einzigen Luftschutzanlagen, die in Wien über der Erde errichtet wurden. So gab es in der Gerichts- und der Pilzgasse, im Schönborn- und im Anne-Carlsson-Park sowie in der Lobau Hochbunker, die die Bevölkerung vor alliierten Bomben schützen sollten. Sie hatten jedoch keine Fliegerabwehrgeschütze und waren nur kleinere passive Schutzbauten. In Deutschland befanden sich nicht nur in großen Städten wie Berlin, München, Hamburg oder Köln ähnliche Bunker, sondern auch in kleineren Städten.

Militärischer Nutzen

Am 10. September 1944, etwa ein Jahr nachdem die ersten Bomben auf Wiener Neustadt fielen, wurde Wien das erste Mal das Ziel eines alliierten Luftangriffes. Insgesamt 53 Angriffe wurden auf die Stadt geflogen, wobei der verheerendste am 12. März 1945 stattfand, bei dem unter anderem die Oper zerstört wurde. Ob die Fliegerabwehrkanonen auf den Flaktürmen alliierte Flieger davon abhalten konnten, Ziele in Wien zu bombardieren, ist fraglich. Dass sie die Missionen der Bomberverbände deutlich gefährlicher machten, belegt der Umstand, dass vermutlich 25, der insgesamt 689 US-Bomber, die am 7. Februar 1945 Wien angriffen, von den Flakbatterien des inneren und äußeren Fliegerabwehrringes abgeschossen wurden.

Von den insgesamt 21.404 teilweise total zerstörten Häusern, wurden 8.970 (42 Prozent) nicht durch den Bombenkrieg sondern während der Schlacht um Wien in Mitleidenschaft gezogen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass Österreich keine 1.000-Bomber-Angriffe, Flächenbombardements oder Feuerstürme erlebte wie deutsche Städte. Das ist wiederum darauf zurückzuführen, dass vor allem amerikanische und nicht britische Bomberverbände Ziele in Österreich angriffen. Diese nahmen, im Gegensatz zu den Briten, vor allem militärische Ziele ins Visier.

Die letzten Granaten feuerten die Wiener Flaktürme nicht auf Flugzeuge, sondern (wie auch die Berliner Flaktürme), auf sowjetische Verbände, die sich im April 1945 der Stadt näherten. Vier Tage und vier Nächte wurde fast ununterbrochen geschossen, wobei die Fenster der Häuser der Umgebung zu Bruch gingen. Der Beschuss hatte nicht nur den Zweck, die heranrückenden Sowjets zu bekämpfen, was aufgrund der fehlenden Bodenzünder bzw. der fehlenden Beobachtung auch nicht zielführend war. Vielmehr sollte die Munition, die sich in den Türmen befand, verschossen werden. Wie gefährlich die Granaten in den Flaktürmen waren, zeigte die bereits erwähnte Explosion im Geschützturm Augarten, der nicht am Beschuss der Bodenziele während der Schlacht um Wien beteiligt war. Deshalb befanden sich dort nach dem Krieg etwa 2.000 Granaten.

Während die Munition bei der Schlacht um Wien verschossen wurde, kam es auch zu Tieffliegerangriffen auf den Flakturm in der Stifts-Kaserne. Diese konnten jedoch keinen Schaden anrichten, da die Mannschaften der Fliegerabwehrkanonen durch die Kuppeln aus Panzerstahl geschützt waren. Bevor Wien von der Roten Armee besetzt werden konnte, wurden die Geschütze auf den Flaktürmen gesprengt und damit unbrauchbar gemacht.

Verwendung nach Kriegsende

Hinsichtlich der Weiterverwendung der Flaktürme gab es bereits während der Planungsphase Überlegungen, sie nach dem Krieg beispielsweise zu „Siegeszeichen“ und/oder Baudenkmäler umzugestalten. Wie ernsthaft diese Pläne tatsächlich waren, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Konkrete Zeichnungen und Skizzen waren aber vorhanden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren die Wiener Flaktürme vor allem ungeliebte Relikte des Krieges, die in einer teilweise zerstörten Stadt standen. Ein Abriss der Gebäude wäre zwar - damals wie auch heute - theoretisch möglich, jedoch sehr aufwendig, teuer und mit monatelangen Einschränkungen für die Anrainer verbunden. Somit wurde bereits in der Zeit des Wiederaufbaus vor allem an einen Umbau und eine Nachnutzung gedacht. Die meisten Pläne, wie der Umbau zu Hochhäusern oder Hotels, wären jedoch nur schwer zu realisieren gewesen und wurden deshalb oft frühzeitig verworfen.

Ehemaliger Leitturm Esterhazypark

Der erste Turm, der für einen adäquaten Zweck verwendet werden konnte, war der ehemalige Leitturm im Esterhazypark. Ab dem Jahr 1956 wurde der Turm für eine Meerwasserausstellung adaptiert und 1958 das Haus des Meeres eröffnet, dessen tonnenschwere Aquarien durch die meterstarken Wände des Hochbunkers die notwendige Statik haben. Die markante Schrift auf weißem Grund: „Zerschmettert in Stücke (im Frieden der Nacht)“ bzw. „Smashed to pieces (in the still of the night)“ auf dem Oberteil des Turmes wurde während der Wiener Festwochen 1991 vom US-Künstler Lawrence Weiner aufgetragen.

Auf der Rückseite gibt es seit 1998 eine Kletterwand des Österreichischen Alpenvereins und seit 1999 das Tropenhaus. Im Haus des Meeres befindet sich eine Ausstellung, die den Leitturm, aber auch die anderen Flaktürme beschreibt und sich im Stiegenhaus des Gebäudes befindet. Zusätzlich gibt es ein Museum, das täglich um 11.00 Uhr und um 16.00 im Zuge einer Führung die etwa eine halbe Stunde dauert, besichtigt werden kann. Dieses „Erinnern im Innern“, wie die museale Aufbereitung heißt, wird von Dr. Marcello La Speranza kuratiert. La Speranza ist Historiker und hat sich unter anderem auf die Erforschung von Festungsbauwerken und anderen Relikten des Zweiten Weltkrieges in Wien spezialisiert. Hinter dem ehemaligen Leitturm befindet sich in einem ehemaligen Luftschutzbunker, der ein Teil der Anlage ist, das Foltermuseum, das ebenfalls eine kleine Ausstellung zum Thema Luftschutz und Bombenkrieg beherbergt.

Ehemaliger Geschützturm Stift-Kaserne

Der nächste Turm, für den eine angepasste Möglichkeit der Nachnutzung gefunden wurde, war der Geschützturm in der Stifts-Kaserne. Dieser wird seit 1958 vom Österreichischen Bundesheer verwendet auf dessen Liegenschaft er steht. In der Zeit des Kalten Krieges wurde er zu einem Ausweich- und Notquartier für die Regierung umfunktioniert, das sogar über eine kleines ORF-Studio verfügte. Aktuell wird der Turm vom Kommando Führungsunterstützung & Cyberdefence verwendet.

Ehemaliger Geschützturm Arenbergpark

Der Geschützturm im Arenbergpark ist seit 1992 teilweise als Lager für das Stadtgartenamt sowie für das Museum für angewandte Kunst in Gebrauch. Bis zur Schließung, der nicht dauerhaften genutzten Teile des Gebäudes, waren darin auch Ausstellungen zu verschiedenen Themen, die zumeist mit der Geschichte des Turmes zusammenhingen, zu sehen.

Die anderen Türme

Die restlichen drei Türme, die wie die anderen auch, unter Denkmalschutz stehen, werden aktuell nicht genutzt. Es gibt zwar immer wieder Pläne für eine mögliche Adaptierung, wobei sich vor allem IT-Firmen dafür interessieren. Diese scheiterten bisher aber bereits in der Planungsphase aus Kostengründen oder am Widerstand von Anrainern. Die Flaktürme sind darüber hinaus Forschungsobjekte, die bisher aus fast allen Blickwinkeln, bis zur neuzeitlichen Archäologie genau betrachtet wurden. Von Historikern wird häufig die Forderung erhoben, zumindest einen dieser Türme - am ehesten den Leitturm im Arenbergpark - als begehbares Mahnmal zu adaptieren.

Fazit

Die Flaktürme sind nicht nur Zeugen des Zweiten Weltkrieges und des Bombenkrieges in Österreich. Sie sind auch Mahnmale eines totalitären Regimes, das die Welt mit einem Krieg überzog, der es schließlich selbst treffen sollte. In ihrer Funktion als Hochbunker retteten sie damals das Leben von tausenden Wienern. Als weithin sichtbare Monumente der Vergangenheit prägen sie bis heute auch die Wiener Erinnerungskultur. Dabei stehen die Flaktürme nicht nur für die Schrecken des Krieges sondern auch für das Leid tausender Fremd- und Zwangsarbeiter. Diese errichteten sie für ein Regime, dessen Politik die Welt in einen Weltkrieg stürzte und dessen Menschenverachtung Millionen das Leben kostete.

Offiziersstellvertreter Gerold Keusch ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.

Quellen und weiterführende Literatur:

  • Bauer, Ute (2003): Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur; Phoibus-Verlag, Wien.
  • Bauer, Ute (2010): Erinnerungsort Flakturm; Phoibos-Verlag, Wien.
  • Foedrowitz, Michael (1996): Flaktürme in Berlin, Hamburg und Wien 1940-1950; Waffen-Arsenal; Podzun-Pallas, Wölfersheim-Berstadt.
  • La Speranza, Marcello (2012): Flakturm-Archäologie. Ein Fundbuch zu den Wiener Festungsbauten; Edition Berliner Unterwelten; Berlin.
  • Sakkers, Hans (1998): Flaktürme – Berlin, Hamburg, Wien; Fortress Books, Nieuw-Weerdinge.
 

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