• Veröffentlichungsdatum : 27.05.2020
  • – Letztes Update : 03.06.2020

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Kampf um den Kremser Brückenkopf

Volker Chytil, Gerold Keusch

Nachdem die Sowjets am 14. April 1945 die Traisen bei Herzogenburg überschritten hatten, stießen sie zunächst nicht Richtung St. Pölten, sondern zum Kremser Brückenkopf vor. Westlich der Traisen und im Norden des Wölbinger Beckens begannen daraufhin mehrtägige und zähe Kampfhandlungen, bei denen die Deutschen ihre Positionen bis zum letzten Tag des Zweiten Weltkrieges halten konnten. 

Der Kremser Brückenkopf ist jenes Gelände, das in einem Kreis von etwa fünf Kilometern rund um Krems verläuft und aufgrund seiner Topografie günstig für die Verteidigung ist. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es aufgrund der Bedrohung durch Napoleon Bonaparte die ersten Pläne zur Befestigung des Brückenkopfes, der im Ersten Weltkrieg tatsächlich mit diversen Stellungen, Geländeverstärkungen und sonstigen Anlagen ausgebaut wurde. Neben Tulln und Wien war er der dritte und westlichste befestigte Brückenkopf an der Donau, der einen möglichen russischen Angriff aus dem Nordosten und ein Übersetzen des Flusses verhindern sollte. Er wurde ab 1914 errichtet, im Verlauf des Ersten Weltkrieges jedoch bald abgebaut, nachdem klar war, dass es zu einem solchen Angriff wegen der Lageentwicklung wohl nicht mehr kommen würde.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Kremser Brückenkopf tatsächlich zur Kampfzone, als die Sowjets im Zuge der Wiener Operation bis dorthin vorstießen und sich Teile der Deutschen Wehrmacht entlang der Linie Hollenburg – Nußdorf ob der Traisen – Reichersdorf – Inzersdorf ob der Traisen – Kuffern – Unterwölbling – Oberwölbling zur Verteidigung einrichteten. Der Einsatz der Kräfte baute jedoch nicht auf die früheren Überlegungen auf, wenngleich auch 1945 die geografisch-strategische Lage den Ausschlag dafür gab, dort militärische Kräfte einzusetzen. Aus operativer Sicht war es für die deutschen Kräfte notwendig, der Roten Armee das Überschreiten der Donau zu verwehren, damit diese nicht in deren Rücken wirksam werden konnte.

Kräfte im Raum

Im Bereich des südlichen und südöstlichen Kremser Brückenkopfes standen sich, wie in den anderen Abschnitten der Front zwischen Krems und Lilienfeld, deutsche (Wehrmacht und Waffen-SS) und sowjetische Verbände gegenüber. Zusätzlich kämpften ungarische Verbände auf der deutschen Seite, darunter auch Teile der ungarischen Donauflottille.

Deutsche Kräfte

Im Bereich des Kremser Brückenkopfes waren vom 13. bis 16. April 1945 die Heeres-Panzerjagdbrigade 2 (von Hollenburg bis Nussdorf ob der Traisen) und Teile der 710. Infanteriedivision eingesetzt. Ab dem 16. April kam die SS-Kampfgruppe „Mähren“, ein Verband in Regimentsgröße, von Nussdorf ob der Traisen bis Oberwölbling zum Einsatz. Die Heeres-Panzerjagdbrigade verblieb im Raum, Teile der 710. Infanteriedivision wurden im Anschluss an die SS-Kampfgruppe „Mähren“ von Oberwölbling bis weiter in den Süden eingesetzt. Die Einteilung der Kräfte wechselte mehrmals, was auch für die Unterstellungsverhältnisse galt, weshalb das SS-Regiment „Mähren“ im Mai ein Teil der 232. Panzerdivison wurde, die jedoch sonst nur über ein Kommando und ein paar zusätzliche Truppenteile verfügte.

Alle Verbände in dem Raum gehörten zum Korps „Bünau“, das nach ihrem Kommandanten General von Bünau benannt wurde. Dieser übernahm am 15. April 1945 das Kommando über diesen Großverband, der bis dahin Korps Schultz (benannt nach dem bisherigen Kommandanten General Paul Schultz) hieß. Zwischen dem 17. April bis 22. April befanden sich die SS-Regimenter „Der Führer“ und „Deutschland“, die ein Teil der 2. SS-Panzergrenadierdivision „Das Reich“ waren, als Reserve im Bereich des Kremser Brückenkopfes. Zusätzlich zu den Kampfeinheiten der angeführten Verbände waren auch Artillerie- und Pionierverbände im Raum eingesetzt, um die Kampftruppen zu unterstützen. Eine Besonderheit waren jene Teile der ungarischen Donauflottille, die nicht nur auf dem Fluss operierten, sondern auch als Steilfeuerelement die deutschen Kräfte beim Brückenkopf unterstützten. Darüber hinaus gab es Volkssturmeinheiten in der Region. Diese wurden aber nicht für Kampfhandlungen, sondern für Hilfstätigkeiten herangezogen, wie dem Bau von Panzersperren, Bewachungsaufgaben und Unterstützung von Versorgungsmaßnahmen hinter der Front, Absuchen der Kampffelder nach Toten bzw. deren Ausrüstung.

SS-Kampfgruppe „Mähren“

Ab dem 16. April war neben der unvollständig gegliederten und nur unzureichend mit Infanteriewaffen ausgestatteten Heeres-Panzerjagdbrigade 2 (sie verfügte nur über Panzerfäuste, aber nicht über Panzerabwehrkanonen) die SS-Kampfgruppe „Mähren“ am Kremser Brückenkopf eingesetzt. Sie bestand aus Lehrpersonal, Lehrtruppe sowie Führer- und Unterführernachwuchs mährischer SS-Schulen und war in drei Bataillonen zu je vier Kompanien gegliedert und verfügte darüber hinaus über eine Artillerie- und eine Pionierkompanie. Ab dem 18. April wurde die SS-Kampfgruppe „Mähren“ zur Kampfgruppe „Siegmann“ (benannt nach ihrem Kommandanten Erich Siegmann), der auch die Teile der Heeres-Panzerjagdbrigade 2 unterstellt wurde. (Anmerkung: In der weiteren Bearbeitung wird die Kampfgruppe nur als SS-Kampfgruppe „Mähren“ bezeichnet)

Sowjetische Kräfte

Am Beginn der Kampfhandlungen waren das 38. Garde-Schützen-Korps sowie das 18. Panzerkorps zwischen Donau und St. Pölten eingesetzt, wobei die 105. Garde-Schützen-Division des 38. Garde-Schützen-Korps im Bereich des Kremser Brückenkopfes kämpfte. Ab dem 18. April löste das 20. Garde-Schützen-Korps die anderen Korps ab, wobei die 105. Garde-Schützen-Division im Raum verblieb und weiterhin gegen die deutsche Positionen am Kremser Brückenkopf anlief.

Ablauf der Kämpfe

Die Kämpfe am Kremser Brückenkopf lassen sich in drei Abschnitte einteilen: 1) das Gewinnen des Raumes am Brückenkopf und der Versuch der raschen Inbesitznahme vom 13. bis zum 16. April; 2) die Stabilisierung der Situation entlang des Brückenkopfes, mit kleineren und größeren Kampfhandlungen, vom 17. bis zum 20. April; 3) die Kämpfe an der stehenden, aber noch lange nicht ruhigen Front vom 21. April bis zum 8. Mai 1945.

Sowjets gewinnen den Brückenkopf

Die Spitzen der Roten Armee hatten am 13. April bei St. Andrä die Traisen nordöstlich von Herzogenburg gewonnen und drangen noch am gleichen Tag mit ihren ersten Spähtrupps über die unversehrt gebliebene Holzbrücke bei St. Andrä bis nach Herzogenburg vor, mussten sich aber danach zurückziehen. Am gleichen Tag erhielt die 6. SS-Panzerarmee von der Heeresgruppe Süd den Befehl, mit einer Regimentskampfgruppe den Kremser Brückenkopf zu verstärken. Diese Aufgabe sollte dem SS-Regiment „Mähren“ zufallen, das aber erst ab dem 16. April 1945 im Raum eintraf, weshalb zunächst Teile der 710. Infanteriedivision dort zum Einsatz kamen. Am 14. April drangen die Sowjets über die Traisen, besetzten Herzogenburg und stießen nach Nordwesten zum Kremser Brückenkopf. Die Ortschaft Ederding konnten sie nach kurzem Kampf einnehmen und bis nach Inzersdorf am Fuße des Brückenkopfes weiter vorgehen. Dort kam es ebenfalls zu Kämpfen, bei denen sich die Rote Armee erneut durchsetzen konnte. Die deutschen Einheiten setzten sich daraufhin auf die bewaldete Geländekante bei Theyern ab. Die Sowjets ließen nicht locker und griffen den Ort mehrmals an, der jedoch von den Deutschen gehalten werden konnte. Dennoch gelang es den Angreifern den östlichen Ortsrand von Theyern zu nehmen und sich dort bis zum 16. April festzusetzen.

Südlich des Kremser Brückenkopfes gingen die Sowjets bis zur Linie Statzendorf – Rottersdorf – Zagging – Hain vor. Dadurch waren sie im Besitz der vier herausragenden Geländemarken Gerichtsberg, Schauerberg, Großer und Hoher Kölbling, die die Voraussetzung für den Einblick und den weiteren Ansatz in das Wölblinger Becken waren und kontrollierten die Straße von Krems nach St. Pölten. Die Einnahme des Kölblings gestaltete sich jedoch als schwierig und war erst am 17. April vollständig abgeschlossen, da sich dort ein deutsches Widerstandsnest halten konnte. Das hatte zwar keine Auswirkung auf die Lage im Großen, zeigt jedoch, wie zerfranst die Frontlinie teilweise war, bis sie sich stabilisiert hatte. Mitunter lagen deutsche Stützpunkte plötzlich hinter der Front, wenn ihre Besatzung den Anschluss bzw. die Verbindung verloren oder den richtigen Zeitpunkt für das Absetzen versäumt hatte.

Am nächsten Tag, dem 15. April, befanden sich alle deutschen Kräfte zwischen der Donau und dem Alpenvorland westlich der Traisen, die dort von Volkssturmbataillonen aufgenommen wurden. St. Pölten war gefallen und die Wiener Operation damit beendet. Dennoch griffen die Sowjets im Wölblinger Becken mit Feuerunterstützung durch die Artillerie Richtung Osten an und stießen bis Ambach, einen Kilometer südlich von Oberwölbling, vor. Somit waren die Sowjets bereits deutlich über ihr eigentliches Ziel (die Traisenlinie) hinausgestoßen und hatten Positionen unweit der Ränder des Dunkelsteiner Waldes bezogen. Das Angriffsziel für die Rote Armee war der Statzberg, durch dessen Besitz sie das taktisch zusammengehörige Gelände der Oberwölblinger Bucht beherrscht hätten.

Die Verbände der Roten Armee setzten ihren Angriff auf den Kremser Brückenkopf am 16. April fort. Im Norden standen sie etwa einen Kilometer östlich vor Hollenburg und griffen südlich davon die deutschen Kräfte bei Nussdorf an, das sie zu Mittag erreicht hatten. Diese hatten an der Geländekante westlich von Nussdorf ihre Stellungen bezogen, konnten jedoch den Angriff auf Theyern und Ried nicht verhindern. Die Sowjets stürmten in Schwarmlinien von Neusiedl Richtung Spatzenberg bzw. Ried und von Franzhausen Richtung Theyern. Dabei kam es zu Nahkämpfen, bei denen die Deutschen die Sowjets bis nach Nussdorf zurückdrängen konnten, bevor diese erneut zum Angriff übergingen und die Deutschen zurückwarfen. Während der Gefechte, die bis in die Morgenstunden des 17. April tobten, wechselten sowohl Ried als auch Nussdorf dreimal den Besitzer, bis beide Ortschaften schließlich von den Sowjets genommen werden konnten. Theyern blieb jedoch im Besitz der Deutschen.

Südlich davon war Kuffern hart umkämpft und wurde von den Sowjets letztendlich überrannt, die ihren Angriff zunächst auf die Geländekante bei Maria Ellend weiterführten, diese jedoch noch nicht in Besitz nehmen konnten. Der Eingang entlang des Fladnitztales zwischen Kuffern und Unterwölbling wurde ebenfalls von sowjetischen Kräften in Kompaniestärke angegriffen, jedoch konnte das dort eingesetzte deutsche Bataillon den Raum halten. Oberwölbling und Ambach wurden am Morgen des nächsten Tages kampflos von den Sowjets besetzt, da sich die Deutschen in die Wälder nördlich und westlich des Ortes zurückgezogen hatten. Dort errichteten sie eine stabile Verteidigungslinie, wie sowjetische Spähtrupps, die in diesem Bereich vorfühlten, erkennen mussten.

Nachdem ein deutsches Bataillon Unterwölbling, in dem noch keine sowjetischen Soldaten waren, besetzt hatte, wurde erneut der Versuch unternommen Oberwölbing zu nehmen. Dieser Ansatz, der über die Kirche bis zum Marktplatz geführt wurde, blieb jedoch aufgrund der starken sowjetischen Gegenwehr stecken. Am Ende dieses Tages war die Frontlinie, die bis zum 8. Mai nahezu unverändert bleiben sollte, bis auf die Ortschaften Ried, Oberwölbling und Ambach im Großen und Ganzen bezogen. Darüber hinaus waren bis in die Abendstunden alle Teile des SS-Regiments „Mähren“ im Bereich des Kremser Brückenkopfes angekommen, die südlich der Panzer-Jagdbrigade 2 ab dem Spatzenberg in drei Bataillonen eingesetzt in Stellung lagen.

Stabilisierung trotz Gegenangriffen

Am 17. April planten die Sowjets die Fortsetzung ihres Angriffes auf den Kremser Brückenkopf, bei dem neuerlich die Orte Krustetten über Ried, Höbenbach über Theyern bzw. Maria Ellend und Oberwölbling, sowie Hollenburg an der Donau die Angriffsziele waren. Als Voraussetzung für diesen Angriff versuchten die Sowjets die Teile der 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“, die als neue Reserve für die 6. SS-Panzerarmee vorgesehen war, zu bekämpfen. Die beiden Regimenter der 2. SS-Panzerdivision („Der Führer“ und „Deutschland“), die sich bereits in Mautern befanden, wurden deshalb aus der Luft bekämpft und der Ort bombardiert. Dennoch konnten die beiden SS-Regimenter ihren Weg in den Dunkelsteiner Wald („Der Führer“) und in den Raum Melk („Deutschland“) fortsetzen.

Mit ihrem Angriff auf den südöstlichen Teil des Kremser Brückenkopfes wollten die Verbände der Roten Armee auch den Einsatz der beiden SS-Regimenter („Der Führer“ und „Deutschland“) erzwingen, damit diese nicht mehr als Reserve zur Verfügung stehen würden. Den Sowjets gelang es von Ried aus bis zum Ortsrand von Krustetten vorzugehen, wo sich – so wie in Höbenbach – ein Truppenverbandsplatz befand, mussten jedoch kurz darauf wieder zurückweichen. Obwohl die Deutschen Krustetten nehmen konnten, scheiterte der erste Gegenstoß, den sie über die freie Fläche nach Ried geführt hatten. Das Schwergewicht des Kampfes lag an diesem Tag neben der Ortschaft Ried beim Höhenzug Maria Ellend, der mehrmals den Besitzer wechselte, letztendlich aber nicht von den Sowjets erobert werden konnte.

Der Höhenzug bei Maria Ellend war für beide Seiten von entscheidender Bedeutung: Die Deutschen konnten von dort aus weit in das Wölblinger Becken nach Süden beobachten, die Sowjets hätten von diesem Punkt aus Teile der Stadt Krems einsehen und ihre Artillerie gezielt zum Einsatz bringen können. In Oberwölbling gingen die Soldaten der Roten Armee ebenfalls vor und kämpften den Ort im Nahkampf frei, wobei manche Häuser mehrmals den Besitzer wechselten. Aufgrund dieser Lageentwicklung bezogen Teile der Reserve (2. SS-Panzerdivision „Das Reich“) nun Stellungen an den Waldrändern westlich von Oberwölbling und Ambach. Der Kampf um den Brückenkopf sollte nun auch vom Norden her geführt werden, weshalb die Sowjets ab etwa 2000 Uhr versuchten, die Donau zu übersetzen, was jedoch misslang. Die ungarische Donauflottille und die deutschen Truppen, die nördlich der Donau eingesetzt waren (Kampfgruppe Volkmann), vereitelten diesen Plan.

Am 18. April begannen die Sowjets mit der Umgruppierung der 3. Ukrainischen Front. Die bisher dort eingesetzten Kräfte wurden abgelöst und in weiterer Folge nördlich von Wien bei der 2. Ukrainischen Front eingesetzt, was eine Reduzierung der Truppenstärke südlich der Donau zur Folge hatte. Auf die Kämpfe am Kremser Brückenkopf wirkte sich diese Umgruppierung jedoch erst ein paar Tage später aus. Dort begannen die Sowjets in den Morgenstunden des 18. April einen Angriff auf Unterwölbling, der jedoch scheiterte. Wenig später konnten Oberwölbling und Ambach bei einem deutschen Gegenangriff mit Unterstützung des SS-Regiments „Der Führer“ zurückerobert werden, wobei vor allem die Höhe zwischen Ober- und Unterwölbling heftig umkämpft war. Einem sowjetischen Stoßtrupp in Halbzugsstärke (etwa 15 Soldaten) gelang es in Theyern bis zur Kapelle vorzudringen, wo er komplett aufgerieben wurde.

Kritischer war die Lage erneut in Maria Ellend. Dort gelang es den Sowjets bei einem mit Panzerkräften geführten Angriff kurzfristig die Geländekante zu nehmen und bis zum Wirtshaus „Zur schönen Aussicht“ vorzugehen. Ab etwa 1700 Uhr trat die 10. Kompanie der SS-Kampfgruppe „Mähren“ an, um Maria Ellend wieder in Besitz zu nehmen. Zunächst wurde das Gasthaus und schließlich der gesamte Raum genommen und der Angriff bis an den Ortsrand von Kuffern vorgetragen. Als die Sowjets zum Gegenangriff ansetzten, mussten die deutschen Kräfte auf die Geländekante Maria Ellend zurückgenommen werden, die allerdings eine starke Verteidigungsposition war. Ein Angriff auf Ried wurde ebenfalls vorbereitet, aber kurz vor dessen Ausführung abgesagt, da die deutschen Kräfte nicht ausgereicht hätten, um den Ort zu nehmen.

Am 19. April sollte Kuffern erneut angegriffen werden, doch auch dieses Mal scheiterte der Angriff und die SS-Kompanie (10. Kompanie SS-Regiment „Mähren“) musste zurückweichen und erneut ihre Ausgangspositionen beziehen. In Krustetten standen nun genügend deutsche Kräfte bereit, um Ried anzugreifen. Mit Unterstützung durch Granatwerfer griffen sie entlang der Wälder nördlich und südlich des Ortes an und konnten diesen bis zum Abend in Besitz nehmen. Der weitere Ansatz auf Nussdorf scheitert zwar, dennoch konnte die SS-Kampfgruppe „Mähren“ die Front auf diese starke Geländekante vorziehen. Am Ende des Tages hatten die Deutschen jenen Raum bezogen, an dem sie bis zum Ende des Krieges am 8. Mai bleiben sollten.

Das Beziehen dieser Linie wurde von den Sowjets jedoch nicht kampflos zur Kenntnis genommen. Bereits am 20. April rannten mehrere Kompanien der 105. Garde-Schützen-Divison erneut gegen die Geländekante Maria Ellend an. Wieder war ein Krisenmoment für die Deutschen entstanden, da die Sowjets diese zunächst tatsächlich nehmen konnten. Dass sie sich dort endgütlig festsetzen konnten, verhinderte ein mit Panzern geführter Gegenangriff. Aber nicht nur bei Kuffern, auch nördlich von Oberwölbing versuchten die Sowjets noch einmal vorzugehen, scheiterten dort aber an den deutschen Kräften in den Wäldern. Mit dem Ende der Kampfhandlungen vom 20. April, die fünf Tage nach dem Fall von St. Pölten und dem offiziellen Ende der Wiener Operation stattfanden, kam nun auch die Front am Kremser Brückenkopf einigermaßen zur Ruhe.

Exkurs: Angriff auf Maria Ellend

Curt Lehmann war Sturmmann in der 10. Kompanie der SS-Kampfgruppe „Mähren“. Der junge Soldat absolvierte eine etwa dreimonatige Grund- und Waffengattungsausbildung in einer Sturmgeschützabteilung, die am 1. April 1945 abgeschlossen war. Am 16. April kam er mit seiner Einheit am Bahnhof von Hadersdorf am Kamp an und marschierte danach etwa 20 Kilometer nach Furth, wo er die Nacht verbrachte. Am 17. April bezog seine Kompanie Stellungen südlich von Meidling im Fladnitztal und sollte in weiterer Folge die Kräfte in Unter- bzw. Oberwölbing ablösen. Doch es kam anders.

In der Früh des 18. April wurden Lehmann und seine Kameraden an den westlichen Waldrand von Maria Ellend geführt. Dort erhielten sie den Auftrag, Schützenlöcher zu graben und darin den Angriff auf Maria Ellend abzuwarten, der noch am selben Tag von ihrer Kompanie ausgeführt werden sollte. „Ein Zug hatte das Angriffsziel ‚Gasthaus zur schönen Aussicht’, ein Zug das Angriffsziel nordöstlich der Anhöhe ‚Im Tal’ und ein Zug war als Reserve eingesetzt“, erinnert sich Curt Lehmann, der in dem Reservezug war. „Die Angriffe wurden über die freie Fläche von Osten nach Westen geführt und waren äußerst verlustreich. 60 Mann verloren dabei ihr Leben.“

Zum Zeitpunkt des Angriffes, der um 1700 Uhr begann, wurde das Gasthaus von einem sowjetischen Zug mit einer Stärke von etwa 30 Mann verteidigt, die auch über zwei Panzerabwehrkanonen verfügten. Den beiden deutschen Zügen gelang es, ihre Angriffsziele zu nehmen. Der Reservezug von Curt Lehmann wurde auf die Anhöhe nördlich „Im Tal“ nachgezogen. Während des Vorgehens erhielt er einen Steckschuss am linken Oberarm, der von dem Maschinengewehrschützen Eduard Augustin notdürftig versorgt wurde, nachdem sie die Anhöhe gewonnen hatten. Danach lief Lehmann zum Truppenverbandsplatz, um seine Verwundung behandeln zu lassen.

Mittlerweile griffen die Sowjets die Höhe „Im Tal“ an. Ihre Übermacht zwang die 10. Kompanie dazu, sich nach Norden zur Kapelle „Maria Ellend“ bzw. dem Waldrand östlich davon abzusetzen und dort Stellungen zu beziehen. Der Maschinengewehrtrupp, der Lehmann geholfen hatte, hielt die Stellung und deckte damit den Rückzug der beiden Züge der 10. Kompanie, die über die freie Fläche stürmten, um sich abzusetzen. Eduard Augustin und sein Maschinengewehrschütze 1, Erwin Giering, gelten seit diesem Zeitpunkt als vermisst. „Mit großer Wahrscheinlichkeit sind sie gefallen und nach Beendigung des Krieges im Acker verscharrt worden, wie auch andere Kameraden, deren Gräber wir nicht fanden“, so Lehmann, der den Krieg überlebte und häufig an den Ort dieses Gefechtes zurückkehrte. (Anmerkung: Die Namen der beiden Soldaten befinden sich auf dem Denkmal der Deutschen Gefallenen vor der Kirche in Kuffern.) Das verdankte er vor allem seiner Verwundung, aufgrund derer er mit einem Lazarettzug nach Westen transportiert wurde, während seine Kameraden am Kremser Brückenkopf kämpften und viele von ihnen – genauso wie unzählige junge sowjetische Soldaten auf der anderen Seite – ihre Heimat nicht wiedersehen sollten.

Kämpfe an der stehenden Front 

Ab dem 21. April verlagerten die Sowjets ihr Schwergewicht endgültig auf den Angriff in das Traisen- und Gölsental. Beim Kremser Brückenkopf bzw. im Wölblinger Becken gingen die Sowjets kampflos aus Oberwölbling und Ambach zurück und bezogen die Linie Eitzendorf – Hausheim – Anzenhof – Hermannschacht – Flötzersteig – Absdorf – Kuffern. Bei Ried kam es noch einmal zu einem sowjetischen Angriff, der mit Granatwerferunterstützung vorgetragen wurde, letztendlich aber nicht erfolgreich war. Ein deutscher Gegenstoß nach Nussdorf, den das SS-Panzergrenadierregiments „Der Führer“ hätte führen sollen wurde – wie viele andere größere und kleinere Gegenangriffe auch – zwar erwogen, schlussendlich jedoch abgesagt.

Am Abend des 21. April war der Kampf am Kremser Brückenkopf im Großen und Ganzen beendet und die Front kam zum Stillstand. Die Sowjets gruben sich entlang ihrer ersten Stellungslinie ein und errichteten eine zweite Stellungslinie, mit einem durchgehenden Schützengraben, die ein paar hundert Meter hinter der ersten verlief. Zusätzlich verlegten sie in dem Gelände vor ihren Stellungen Panzer- und Schützenminen. Nachdem diese Arbeiten beendet waren, wurde die Zivilbevölkerung – die davor gezwungen worden war, die Schanzarbeiten durchzuführen – teilweise evakuiert. Die deutschen Kräfte bezogen eine Frontlinie, die östlich von Ambach, südlich von Ober- und Unterwölbling und von dort weiter entlang der Geländekante 400 m westlich der Traisen bis zum Wetterkreuz und von dort nach Osten vorspringend bis Hollenburg bzw. zur Donau verlief.

Obwohl die neue Frontlinie ab dem 22. April bezogen war und ausgebaut wurde und die Kampfhandlungen auf der taktischen Ebene beendet waren, kam die Front noch nicht zur Ruhe. Auf beiden Seiten begann nun der Stellungskrieg der stehenden Front. Das bedeutet – wie auch an anderen Abschnitten, an denen die Front zum Stillstand gekommen war – den

  • Einsatz von Scharfschützen, die den Gegner beobachteten und erkannte Soldaten bekämpften,
  • das nächtliche Ausschwärmen von Spähtrupps, die in den feindlichen Stellungen Verwirrung stiften und Gefangene machen sollten,
  • Artillerieüberfälle auf die Stellungen und Ziele in der Tiefe, um die Soldaten an der Front zu zermürben und die Versorgungsmaßnahmen hinter der Frontlinie zu stören,
  • örtlich begrenzte Angriffe, die auch mit Panzerunterstützung durchgeführt wurden, jedoch eher eine kampfkräftige Aufklärung waren, aber auch
  • durchaus ernsthafte Versuche die Frontlinie ein paar hundert Meter vorzuziehen, wovon vor allem der Raum zwischen Wagram ob der Traisen und Hollenburg betroffen war, wo die Sowjets beinahe täglich angriffen und immer wieder zu ihrer Ausgangsposition zurückgedrängt wurden.

Diese Situation dauerte vom 22. April bis zum 28. April. Am Abend des 28. April gab es den letzten bedeutenden Angriff der Sowjets, der Theyern zum Ziel hatte. Aber auch dieser hatte eher den Charakter einer kampfkräftigen Aufklärung bzw. einer größeren infanteristischen Störaktion. Wie bei allen sowjetischen Angriffen zuvor konnte Theyern auch dieses Mal nicht vollständig eingenommen werden und bereits in der Nacht war die Situation bereinigt und der Frontverlauf vor diesem Ansatz wiederhergestellt.

Am selben Tag – einen Monat nachdem die Rote Armee bei Klostermarienberg im Burgenland die Grenze überschritten hatte und einen Tag nach der Ausrufung der Zweiten Republik in Wien – überschritten US-Truppen die österreichische Grenze am Inn. Das bedeutete für die deutschen Kräfte, dass der rückwärtige Raum, der für die Versorgung der Front mit Nachschub von besonderer Bedeutung war, rasch kleiner wurde. Somit war es nur noch eine Frage von wenigen Tagen, bis es keine Munition mehr geben und die Amerikaner im Rücken der Front stehen würden.

Diese Lageänderung machte nicht nur die Deutschen, sondern auch die Kräfte der Roten Armee in Frontabschnitt Traisen nervös. Sie gruben sich mit Unterstützung der zwangsverpflichteten Bevölkerung ein und verbesserten ihre Stellungen. Zusätzlich begannen die Sowjets mit einer „Lautsprecheroffensive“ und beschallten die deutschen Stellungen. Der Inhalt der Meldungen war der knapp bevorstehende „größte Verrat der Menschheitsgeschichte“. Damit war die vermeintliche Gefahr gemeint, dass US-Truppen mit den Deutschen gemeinsam gegen die Rote Armee vorgehen könnten. Dieses Gerücht wurde durch zahlreiche Umstände genährt, die darauf schließen ließen und war auch in den deutschen Reihen weit verbreitet. Wie die Geschichte jedoch gezeigt hat, hielten sich die USA an ihre Vereinbarungen, die sie mit der Sowjetunion getroffen hatten und es kam zu keiner Umkehr der Fronten.

Ende der Kampfhandlungen am Brückenkopf

Auch wenn bisher die konkreten Kampfhandlungen im Fokus standen, darf nicht vergessen werden, dass ein Krieg nicht nur an der Front stattfindet, sondern auch im rückwärtigen Raum. Je nach Entfernung zur Hauptkampflinie sind dort verschiedene Einheiten bzw. Verbände mit unterschiedlichen Aufgaben eingesetzt. Im Fall des Kremser Brückenkopfes waren in den Ortschaften hinter den Frontabschnitten – jenen Geländeteilen, in denen die Kampfhandlungen stattfanden und die häufig den Besitzer wechselten – die Versorgungs- und Führungselemente, die Reservekompanien sowie Kampfunterstützungselemente wie Pioniere und Artillerie eingesetzt. Die Ortschaften, in denen sie sich aufhielten, waren einerseits Krustetten, Höbenbach oder Meidling, die nur etwas mehr als einen Kilometer hinter der Front lagen. Andererseits waren diese Elemente auch weiter hinten in Paudorf, Furth, Palt oder Mautern, zwischen drei und acht Kilometer hinter der Hauptkampflinie. Ausschlaggebend für die Entfernung war vor allem der Auftrag dieser Einheiten und Verbände, die so ungestört wie möglich, aber dennoch effektiv und frontnah sein mussten.

Die deutschen Truppen nutzten die relative Ruhe ab dem 28. April, um ihre Front zu festigen, die Kräfte neu zu organisieren und Umgruppierungen vorzunehmen. Im Zuge dessen wurde das SS-Regiment „Mähren“ Anfang Mai der 232. Panzerdivision unterstellt. Am 7. Mai erhielt diese Division den Befehl, sich so unbemerkt wie möglich aus den Stellungen zu lösen, die Donau zu übersetzen und danach die rechte Flanke des II. SS-Panzerkorps zu sichern. Einige Soldaten blieben in den Stellungen, um die Absetzbewegung zu verschleiern, weshalb sie in die Nacht schossen, was von den Sowjets, denen die Aktivitäten des Gegners nicht verborgen geblieben waren, mit Artillerie erwidert wurde. Nachdem alle Teile der Kampfgruppe die Donaubrücken zwischen Krems und Mautern übersetzt hatten, wurde diese gesprengt.

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Oberstleutnant Volker Chytil, MSD ist stellvertretender G5 der 3. Jägerbrigade, Offiziersstellvertreter Gerold Keusch, BA ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.

 

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