• Veröffentlichungsdatum : 31.05.2021
  • – Letztes Update : 08.06.2021

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Gefecht bei Wörgl

Reinhard Kocznar

Am 13. Mai 1809 fand das Gefecht bei Wörgl während des Tiroler Volksaufstandes zwischen Österreich unter Feldmarschallleutnant Chasteler und Bayern unter Generalleutnant Wrede statt. Dieses endete mit einer Niederlage der Österreicher.

Als Napoleon im Jahr 1808 mit beträchtlichen Kräften in Spanien gebunden war, versuchte Österreich die Niederlage des Krieges von 1805 (Dritter Koalitionskrieg) wiedergutzumachen. Zugleich beabsichtigte man, nach dem Vorbild der spanischen Guerilla Volksaufstände anzufachen. Dafür waren allerdings nur in Tirol entsprechende Vorbereitungen gediehen. Im Februar 1809 entschloss man sich zum Angriff. Der Plan sah vor, dass Erzherzog Ferdinand d'Este mit 30.000 Mann in Polen einmarschierte, während Generalissimus Erzherzog Carl mit der Hauptarmee von 190.000 Mann nach Bayern vorstieß und Erzherzog Johann als Kommandant der „Innerösterreichischen Armee“ mit 60.000 Mann im Süden der Monarchie operierte. In Erzherzog Johanns Befehlsbereich fiel das Gefecht bei Wörgl.

Die „Innerösterreichische Armee“ bestand aus dem 7. Armeekorps (Feldmarschallleutnant Gyulai) und dem 8. Armeekorps (Feldmarschallleutnant Chasteler). Vom 8. Korps wurde nur ein Teil für Tirol bestimmt, da die Versorgung einer großen Truppe dort nicht sichergestellt werden konnte. Chasteler verfügte in Tirol über drei Brigaden mit insgesamt etwa 6.000 Mann. Oberbefehlshaber Erzherzog Carl beabsichtigte, mit der Hauptarmee südlich der Donau vorzugehen. Er bestimmte das 8. Korps Erzherzog Johanns (unter Chasteler) zur Sicherung seiner südlichen Flanke. Nach Bereitstellung in Salzburg sollte dieses durch das Inntal vorrücken. Erzherzog Johann setzte sich mit seinem Wunsch, stattdessen durch das Pustertal anzugreifen und Brixen und Sterzing zu besetzen, durch.

Erzherzog Carl ließ Johann einen großen Handlungsspielraum, woraus ersichtlich war, dass er Erfolgen im Süden keine entscheidende Bedeutung beimaß. Er wies allerdings in einem Befehl vom 10. April 1809 Brixen und den Brenner als Operationsziele zu. Feldmarschallleutnant Chasteler untersagte er sich gegen das Etschtal zu wenden, ehe das Inntal durch die Hauptarmee gesichert war. Damit war Chasteler in den Dienst der Hauptarmee gestellt, obwohl er unter dem Kommando Erzherzog Johanns stand.

Mit dem Einmarsch der k.k. Truppen begann der wohlvorbereitete Tiroler Volksaufstand. Über eine offene Ordre riefen Martin Teimer und Andreas Hofer am 9. April den Landsturm auf. Am 13. April waren in Nord- und Südtirol die bayrischen Truppen überwunden, noch bevor die k.k. Truppen zur Stelle waren. Zwischen 11. und 13. April kapitulierten vor den Tiroler Bauern, deren Verluste in diesem Zeitraum 26 Tote und 42 Verwundete betrugen,

  • Major Speicher, bei Sterzing mit zwei Kompanien – etwa 400 Mann (11. April),
  • Generalleutnant Kinkel bei Innsbruck mit etwa 2.500 Mann samt Tross (12. April),
  • die Besatzung des Klosters Volders mit 80 Mann (12. April);
  • Major Erbach, bei der Lorettokapelle in Hall, 120 Reiter (12. April) und -
  • Generalleutnant Bisson, bei Wilten mit mehr als 3.000 Mann (13. April).

Die Taktik des bayrischen Generals Kinkel bei der Verteidigung Innsbrucks wurde in Bayern stark kritisiert. Man meinte, er hätte nach Rattenberg gehen und sich dort verteidigen sollen. Denselben Vorwurf musste bald darauf auch Chasteler nach seiner Niederlage bei Wörgl über sich ergehen lassen.

Vom 14. bis 16. April erfolgte die Besetzung Nordtirols durch k.k. Truppen, Chasteler übernahm am 16. April die Gesamtregierung. Vom 21. bis 26. April erfolgte die Besetzung Welschtirols. Nach dem Sieg bei Volano beabsichtigte er einen Vorstoß nach Süden, um Erzherzog Johann bei seiner Operation gegen Verona zu unterstützen. Chasteler stand an der Etsch, als am 28. April die Nachricht von der Niederlage des Generalissimus Erzherzog Carl in Deutschland eintraf. Gleichzeitig zog sich die Division Jellacic von München nach Salzburg zurück. Damit war die Nordgrenze Tirols ungeschützt.

Chastelers Einheiten befanden sich nun großteils im Süden, weshalb er sie in Eilmärschen nach Nordtirol verlegte. In der Bevölkerung Welschtirols wurde ihm das übel genommen. Wegen neuerlicher Einfälle von Franzosen mussten Teile wieder dorthin zurückverlegt werden. Chasteler befand sich in einer widersprüchlichen Lage. Er handelte grundsätzlich unter Erzherzog Johanns Kommando und unterstützte dessen Operationen im Süden. Erzherzog Johanns Dispositionen liefen wiederum dem Befehl des Generalissimus Carl entgegen. Dieser befahl Chasteler keinesfalls an die Etsch vorzurücken, bevor das Inntal nicht gesichert war. Ein Schreiben des Kaisers aus Strengberg (Niederösterreich) wies ihm zudem an, die Fortschritte in Italien nicht zu unterbrechen. Diese Weisung war durch die inzwischen eingetretene Niederlage der Hauptarmee Erzherzog Carls allerdings überholt. Anfang Mai erhielt Chasteler direkte Befehle aus den Hauptquartieren des Kaisers, des Generalissimus Carl und des Erzherzogs Johann. Deren Kenntnis der Lage in Tirol war unterschiedlich. Selbst Chastelers eigene Nachrichtenlage war unzureichend.

Die Lage nach dem 29. April

Nach der Niederlage von Carls Hauptarmee räumte Feldmarschallleutnant Jellacic mit seiner Division am 29. April Salzburg, das von Marschall Lefebvre unverzüglich mit drei bayrischen Divisionen besetzt wurde. Chasteler erfuhr davon am 2. Mai in Innsbruck. Er ordnete sofort die Befestigung der bedrohten Abschnitte im Norden und Osten Tirols an. Erzherzog Johann begann am 30. April seinen Rückzug aus Oberitalien. Napoleon wollte während seines Vormarsches im Donautal kein aufständisches Tirol in seinem Rücken. Er wies Marschall Lefebvre an, mit seinem VII. Armeekorps Kufstein zu besetzen, die Rebellen zu schlagen, Dörfer der Empörer niederzubrennen und Innsbruck zu bedrohen. Wer mit der Waffe angetroffen wurde, sollte „über die Klinge springen“. Zudem verlangte er von Lefebvre: „Seien Sie schrecklich!“  Dieser Befehl wurde treulich ausgeführt.

Lefebvre ließ die 1. Division Kronprinz zurück, um Jellacic zu beobachten. Die 3. bayrische Division unter Generalleutnant Bernhard Erasmus von Deroy ließ er über Traunstein und Kufstein vorrücken, die 2. Division unter Generalleutnant Karl Philipp Freiherr von Wrede über Reichenhall und das Saalachtal gegen den Pass Strub. Vom Ausmaß der feindlichen Operationen ahnte Chasteler nichts. Dass Marschall Lefebvre auch den längsten und schwierigsten Weg über den Pass Strub in seine Operationen einschloss, zog er nicht in Betracht.

Bei der Befestigung der bedrohten Abschnitte handelte er zum Teil auf Gerüchte hin. Er rechnete mit Operationen von Feldmarschallleutnant Jellacic aus Salzburg. Dass dieser genug eigene Probleme hatte, musste Chasteler bekannt gewesen sein, denn Jellacic erwähnte in einem Schreiben vom 7. Mai „die ungeheuer große Strecke, die er besetzen müsse, und dass sich die Division in Posten auflösen würde, die leicht zu werfen seien“ und dass er schon „zu zwei oder drei Tage ohne Brot sei.“  Dennoch ließ er zu Chastelers Unterstützung eine starke Kampfgruppe bis Saalfelden vorrücken. Diese zog er nach der Niederlage bei Wörgl wieder zurück, da Lefebvre danach den Weg nach Innsbruck frei hatte. Der mit der Grenzverteidigung beauftragte Generalmajor Fenner rückte bis Waidring vor und blieb dort stehen. Am Kampf um den Pass Strub nahm er nicht teil. Er berichtete am 10. Mai lediglich aus Waidring über den Umgehungsversuch des Feindes am Pass und am 11. Mai aus St. Johann über dessen Erstürmung. In St. Johann spottete man über ihn: „Da General Fenner is goa a lener.“  („len“ bedeutet weich, matt)

Der Kampf um den Pass Strub

General Wrede hatte am 4. Mai Melleck erreicht. Am 11. Mai griff er den Pass Strub an. Durch die Erfahrungen von 1805 gewarnt, versuchte er diesmal eine Umgehung. Zur Erkundung begab er sich auf die Loferer Alpe. Die Umgehung stellte sich als unmöglich heraus, weil in den Schluchten tiefer Schnee lag und der Fußsteig für seine Truppen nicht benutzbar war. Er stellte aber fest, dass der Pass nur mit geringen Kräften besetzt war und über Waidring hinaus keine Reserven standen. In der Folge entschloss er sich, den Pass mit seiner gesamten Truppe von 8.000 Mann frontal anzugreifen.

Die Tiroler Besatzung bestand aus 512 Mann mit zwei Geschützen, die zum Angriff bestimmten bayrischen Truppen hatten 3.000 Mann mit 12 Geschützen. Die ersten drei Angriffe wurden abgewiesen, dann fiel gegen Mittag die Artillerie der Verteidiger aus. Der vierte Sturm konnte noch durch Ablassen von Baumstämmen und Felsen abgewehrt werden. Danach setzte Wrede den größten Teil seiner Artillerie für einen längeren Beschuss ein und befahl den fünften Angriff für 1500 Uhr. Als eine Umgehungskolonne den schwach besetzten linken Flügel erreicht hatte, geriet der Pass in die Hand der Angreifer. Die Verluste der Verteidiger wurden auf 80 bis 100 Mann geschätzt, die der Angreifer auf 1.000. Der Kampf hatte neun Stunden gedauert. Wredes Truppen setzten den Vormarsch unter Plünderungen und Grausamkeiten fort, zwischen dem Pass Strub und St. Johann wurden 43 Häuser niedergebrannt.

Das Gefecht

Am 10. Mai erhielt Chasteler die Nachricht, dass die Armeedivision Deroy nach Kufstein unterwegs sei. Am folgenden Tag bekam er gegen Mittag aus Waidring die Information, dass der Feind den Pass Strub zu umgehen versucht hatte. Er befahl vor dem Abmarsch die Aufgebote von Innsbruck und Sonnenburg bei Rattenberg zu sammeln, jene von Kössen und Kitzbühel nach Erpfendorf und St. Johann zu senden, sowie eine Reserve im Oberinntal zu bilden.

Am 11. Mai marschierte er ab 1700 Uhr mit der Hauptreserve in Eilmärschen nach Wörgl. Das 2. Lusignan-Bataillon (ursprünglich ein Teil der Division von Feldzeugmeister Franz Joseph Marquis de Lusignan, der am 19. April schwer verwundet wurde; Anm.) wurde auf Flößen auf dem Inn vorangeschickt, traf um 1100 Uhr in Wörgl ein, marschierte sofort nach Söll und wurde von dem dortigen Befehlshaber Fenner zur Verteidigung eingesetzt. Bei einer Rast in Rattenberg hatte Chasteler von Fenner die Nachricht erhalten, dass der Feind den Pass Strub am 11. Mai abends genommen hatte und Fenner sich mit den Resten seiner Truppen, den Tiroler Schützen und dem Kitzbüheler Landsturm, nach Ellmau zurückgezogen habe.

Daraufhin ließ Chasteler ein Lusignan-Bataillon in Rattenberg als Reserve zurück und beschleunigte seinen Marsch nach Wörgl. Dort traf er am 12. Mai abends mit dem 1. Lusignan-Bataillon, Kavallerie und Artillerie ein. Zu diesem Zeitpunkt war der Grenzschutz vom Pass Strub bis Kössen und auch im Inntal nach schweren Kämpfen und zahlreichen abgeschlagenen Angriffen bereits völlig zusammengebrochen. Schützenkompanien und Landsturm hatten sich aufgelöst. Gegen zwei feindlichen Armeedivisionen blieben Chasteler nur mehr fünf Bataillone und etwa 300 Mann Landsturm mit geringer Kavallerie und Artillerie. Über den Umfang dieser Katastrophe war er zu diesem Zeitpunkt nicht informiert. In der Nacht zum 13. Mai langte eine weitere Nachricht Fenners ein. Dieser hatte endlich verstanden, welcher Macht unter Marschall Lefebvre und General Wrede er mit seinen schwachen Kräften gegenüberstand. Er war deshalb hinter Ellmau zurück gezwungen worden.

Chasteler ordnete vor dem Abmarsch aus Wörgl noch an, den Landsturm von Rattenberg nach vorn in Marsch zu setzen. Um einen Rückzug zu decken beorderte er einige Landwehrkompanien an wichtige Stützpunkte wie Schloss Itter, die Söller Höhe und an beiden Seiten der Straße von Wörgl nach Ellmau. Seine linke Flanke deckte die nach Kufstein zurückbeorderte Abteilung von Oberst Reissenfels mit 600 Mann, am anderen Innufer war das Villacher Landwehrbataillon bei Langkampfen. Diese unzureichenden Kräfte standen bald der Übermacht der Division Deroy gegenüber.

Das Treffen bei Söll

Bei seinem Abmarsch aus Wörgl am 13. Mai um 0500 Uhr musste Chasteler feststellen, dass der Landsturm nicht zur Stelle war. Er hatte ihn auf dem Weg nach Wörgl durch Straub aufrufen lassen. Als er in Söll auf den zurückweichenden Fenner traf, erfuhr er, dass sich auch dessen Schützenkompanien und Landsturm aufgelöst hatten. Wrede war am 13. Mai um 0400 Uhr mit 10.000 Mann, 1.300 Reitern und 24 Geschützen von Ellmau aufgebrochen und nach Söll vorgerückt. Als seine Vorhut Fenners Vorposten erreicht hatte, sandte dieser nach Chasteler um Hilfe. Weil der Landsturm ausblieb, konnte er sich allerdings nicht halten. Das Eintreffen Chastelers rettete angesichts der feindlichen Übermacht nichts mehr. Gegen 1100 Uhr war das Gefecht geschlagen. Chasteler hatte schon vorher den Rückzug antreten müssen. Sein Korpsadjutant Major Veyder schrieb in sein Journal: „Nun wäre der Moment des Eingreifens des Tiroler Landsturmes gewesen und hätte vielleicht den Ausschlag gegeben ... Statt Tausende fanden sich aber nur Hunderte ein.“

Bei diesem Gefecht wäre Chasteler beinahe gefangen genommen worden. Durch seine Kurzsichtigkeit verwechselte er die grün-roten Uniformen seiner Hohenzollern mit denen der bayrischen Chevauxlegers (leichte bzw. mittelschwere Kavallerie; Anm.) und war bald umzingelt. Als Lefebvre davon erfuhr, verkündete er bereits, dass der „Räuberanführer“  Chasteler, „angeblich General in österreichischen Diensten“  binnen einer Stunde hingerichtet werden würde. Napoleon hatte ihn per Tagesbefehl in Acht erklärt. Der Oberjäger Martin Münzl rettete ihn mit einer Abteilung der 5. Kompanie vom 9. Jägerbataillon jedoch vor den bayrischen Reitern.

Wörgl

Chasteler hatte sich noch in Gefechtsordnung vom Feind lösen und den Rückzug antreten können. Gegen 1100 Uhr erreichte er erneut die Ebene von Wörgl. Der nachdrängende Gegner ließ ihm nicht die Zeit, eine geeignete Stellung zu finden. In dieser Ebene war ein Weitermarsch seiner noch immer geordneten Truppe wegen der Überlegenheit der feindlichen Kavallerie, die sich hier entfalten konnte, unmöglich. Von Söll verfolgte ihn die Division Wrede, und als die von Kufstein heranrückende Division Deroy ebenfalls in den Kampf eingriff, zog er seine Truppen nach Wörgl zurück. Korpsadjutant Veyder versuchte, das von Deroy angegriffene Devaux-Bataillon 45 zu retten und Zeit für die Aufstellung bei Wörgl zu gewinnen. Dazu postierte er die Nachhut mit einer Kanone bei der gedeckten Holzbrücke bei Gratten, zusammen mit dem 1. Lusignan-Bataillon. Nachdem ein Drittel der Österreicher gefallen war, bahnten sich die Bayern den Weg.

Inzwischen hatte Chasteler seine Aufstellung beendet und hoffte, den Angriff bis zum Abend aufhalten zu können, um im Schutz der Nacht die taktisch günstigere Stellung bei Rattenberg zu erreichen. Die Stellung, die Chasteler nun bezog, war beinahe 1,8 km lang. Angesichts der feindlichen Übermacht war diese Stellung für seine Truppe deutlich überdehnt. Sie verlief von einem Wasserfall am Brachberg vor dem Dorf Wörgl vorbei bis an den Inn. Die Landwehrbataillone wurden am rechten und linken Flügel aufgestellt, das 2. Lusignan-Bataillon besetzte in der Mitte das Dorf und die Häuser. Die geringe Artillerie stand rechts und links der Straße. Seine Reiterei umfasste noch 70 Mann. Teile des Landsturms unter Schützenmajor Margreiter waren teilweise am Berg postiert, wo sie keine Wirkung entfalteten.

Der Chronist Prem schreibt 1909, dass der „Kriegsmethodiker“ Chasteler mit dem Landsturm nichts anzufangen wusste. 1.000 Mann unter dem bewährten Schützenmajor Straub stellte er als linken Flügel mit der Kärntner Landwehr in den Innauen auf, wofür sie – an den Gebirgskampf gewöhnt – nicht geeignet waren. Durch das laufende Zurücklassen von Reserven, wodurch diese nicht verfügbar waren, und das Verteilen von kleinen Einheiten an viele Stellen, verblieben Chasteler knapp 4.000 Mann, denen nun 12.000 Bayern gegenüberstanden.

Wrede stellte unverzüglich seine Truppen in Schlachtordnung auf. Da sechs österreichische Geschütze die Infanterie am Vorrücken hinderte, ließ er drei Eskadronen Reiterei angreifen, die beim ersten Ansatz geworfen wurden. Beim zweiten Angriff überrannten sie die österreichischen Reiter. 20 bayrische Geschütze zwangen die neun österreichischen rasch zum Rückzug durch das brennende Dorf. Marschall Lefebvre durchbrach mit einem Regiment südlich von Wörgl Chastelers Linie und rollte den rechten Flügel gegen den Berg hin auf. Dabei ging ein Teil des Trosses verloren, wenngleich Leutnant Stribanek konnte die Kasse des 9. Feldjägerbataillons retten konnte. Die Bayern machten zahlreiche Gefangene, darunter auch eine Einheit der Klagenfurter Landwehr, die zur falschen Zeit von Rattenberg aufgerückt war.

Eine Kavallerieattacke brachte Chastelers linken Flügel unter Straub in den Innauen durcheinander. Die bayrische Kavallerie wandte sich dann zur Straße nach Kundl, um den Geschlagenen den Rückweg abzuschneiden. Nach einer Stunde war die österreichische Streitmacht aufgelöst. Als Wörgl geräumt wurde war sie bereits von zwei Seiten umgangen. Chasteler entkam nur dank seines schnellen Pferdes der Gefangenschaft. Die Reste von vier Bataillonen erreichten zwei Stunden später Rattenberg, das sie verschlossen vorfanden. 500 Mann konnten sich über den Pinzgau nach Radstadt durchschlagen. Die Verluste an Toten, Verwundeten und Gefangenen betrugen 600 Mann, einschließlich der Artillerie und des Trosses. Da auch Rattenberg nicht verteidigt werden konnte, richtete Chasteler bei der Volderer Brücke eine Verteidigungsstellung mit den Resten seiner Truppe und des Landsturms ein. Sein Hauptquartier verlegte er nach Steinach.

Ende des Feldzuges

Wegen der von seiner Division auf dem Vormarsch begangenen Grausamkeiten erließ der Wrede einen Tagesbefehl, in dem er unter anderem schrieb: „...wer hat euch das Recht eingeräumt, selbst die Unbewaffneten zu ermorden, die Häuser und Hütten zu plündern und Feuer in Häuser und Dörfer zu anlegen? Soldaten! Ich frage Euch, wie tief sind gestern und heute Eure Gefühle von Menschlichkeit gesunken? ... Ich erkläre daher, dass der Erste, der noch eine solch schimpfliche Handlung begeht am ersten Baume aufgehangen wird.“  Marschall Lefebvre sagte nach den Ereignissen in Schwaz: „Solche Gräuel habe ich sogar in Burgos, Bilbao und Valladolid nicht erlebt.“  Die Bayern rückten nach der Brandschatzung weiterer Orte, darunter der Zerstörung von Schwaz, in Innsbruck ein.

Auf Befehl Erzherzog Johanns rückte Chasteler am 29. Mai aus Tirol ab, um sich diesem anzuschließen. Bis dahin erließ er noch zahlreiche Befehle, die zum Teil Stunden später widerrufen wurden, um dann doch bestätigt zu werden. Das führte zu etlichen Hin- und Rückmärschen seiner Einheiten. Auf dem Marsch erreichte Chasteler die Siegesnachricht vom Treffen am Bergisel, womit Tirol zum zweiten Mal befreit war. Beide Befreiungen waren ohne Unterstützung durch die k.k. Truppen erfolgt.

Das Gefecht in der Nachwelt

Chasteler musste sich schwere Vorwürfe gefallen lassen. In Hall rettete ihn der Kronenwirt Straub aus der wütenden Menge. Der Vorwurf der Feigheit war für einen Offizier, der im Lauf seiner Karriere 14 Verwundungen erlitten hatte, zweifellos ungerechtfertigt. Seine vor dem Abmarsch und während des Anrückens erlassenen Dispositionen blieben unbeachtet. Im entscheidenden Moment stand er dem Gegner allein gegenüber. Darüber hinaus wurde der Vorwurf erhoben, er hätte sich bei Rattenberg stellen sollen. Bei der Überlegenheit der feindlichen Kavallerie wäre so ein langer Marsch in der Ebene jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen, weshalb er bei Wörgl die Entscheidung suchte. Zudem bleibt die Frage offen, ob er bei Rattenberg mit knapp 4.000 Mann einem Gegner standhalten hätte können, dessen Stärke mittlerweile auf etwa 16.000 Mann angewachsen war.

Erzherzog Johann kritisierte Chasteler bereits einige Tage vor dem Gefecht in dessen Bericht vom 9. Mai: „Vereinzelung seiner Kräfte, eine Menge Unternehmungen, unsicheren Nachrichten Glauben beimessend, viel guter Wille; aber es zeigt sich, wozu alle diese Schwindeleien hinführen.“  Johann überging dabei seine Weisungen, die an dieser „Vereinzelung“ ihren Anteil hatten. Mit demselben Problem sah sich auch Feldmarschallleutnant Jellacic konfrontiert. Zusätzlich kritisierte Erzherzog Johann die von Chasteler durchgeführten Plünderungszüge nach Bayern, die auch Andreas Hofer missbilligte. Jedoch hatte er diese früher selbst befürwortet, auch weil der Kaiser im Rücken Napoleons operieren wollte. Wenig Verständnis hatte man in Tirol für das anerkennende Schreiben des Erzherzogs Carl vom 10. Juni: „Seine Majestät der Kaiser und Ich vernehmen mit außerordentlichem Vergnügen Ihre standhafte Behauptung Tyrols.“  Chasteler hatte zum Zeitpunkt der zweiten Befreiung das Land bereits verlassen.

Rückblickend ist jedenfalls zu bemerken, dass Chasteler seine Kräfte tatsächlich an vielen Stellen verteilt hatte und daher am entscheidenden Ort zu wenig waren, um wirksam Widerstand leisten zu können. Unter dem Kommando von Erzherzog Johann, der im Süden operierte, hatte er der Grenze zu Salzburg zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, da er im Süden Einfälle der Franzosen abzuwehren hatte. Mangels einer Lagebeurteilung bemühte er sich mit der verfügbaren Hauptreserve von etwa 2.870 Mann zu Hilfe zu kommen und verkleinerte diese Truppe während des Anmarsches durch das Abordnen von Einheiten. Sein Vorgesetzter Erzherzog Johann kritisierte das, ohne in Erwägung zu ziehen, dass die widersprüchlichen Befehle von zwei Stellen einer klaren Beurteilung erschwerten. Überdies war die Kommunikation zwischen dem Generalissimus Carl und seinem Feldherrn Johann unzureichend. Churchill sagte zu einer ähnlichen Situation später: „Auch wenn an der obersten Spitze der Kriegführung Zweifel bestehen, ist es doch immer richtig, dem General an Ort und Stelle keine Kenntnis davon zu geben und ihm Instruktionen zukommen zu lassen, die klar und eindeutig sind.“

Reinhard Kocznar ist Schriftsteller, Fotograf und Unternehmer.

 

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