• Veröffentlichungsdatum : 01.12.2020
  • – Letztes Update : 04.12.2020

  • 10 Min -
  • 2006 Wörter
  • - 10 Bilder

Die Garnison Graz 1920 bis 2020 - Teil 2

Mario Rauchenbichler

Die wechselhafte Geschichte der Garnison Graz wurde in den letzten 100 Jahren besonders durch die beiden Weltkriege beeinflusst. Wohnungsnot, Spardruck und Kriegsschäden prägen die Entwicklung der Garnison bis heute. Aufgrund der steigenden Bevölkerungszahl der steirischen Landeshauptstadt dehnt sich das Ortsgebiet in alle Richtungen aus. Das veränderte auch die Nutzung der militärischen Infrastruktur.

Teil 2 der TD-Onlineserie mit 

  • der (Kaiser) Franz Josef Kaserne
  • der neuen Landwehrkaserne
  • der Bahnhofs- (Not-) Kaserne
  • dem Monturdepot in Gösting und
  • der Trainkaserne in Schönau.

zum Dachartikel

Die (Kaiser) Franz Josef Kaserne

Die Kaserne im Stadtteil Eggenberg bestand bei der Übernahme im Jahr 1895 aus mehreren, den modernen Ansprüchen der damaligen Zeit entsprechenden, Gebäuden: einem Kommandogebäude, zwei kleinen Unteroffizierswohngebäuden, zwei langgezogenen Mannschaftsgebäuden, einem Sanitätsgebäude sowie einem Arrestgebäude. Sie lag unmittelbarer im Anschluss an die beiden Landwehrkasernen sowie die Bahnhofskaserne.

Es handelte sich um den letzten Kasernenneubau in Graz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die Kosten für diesen Militärkomplex wurden von der Stadt Graz getragen. Am 28. Oktober 1895 erfolgte die offizielle Übernahme durch die k.u.k. Armee, wie das Grazer Tagblatt am Folgetag beschrieb: „Die commissionelle Uebergabe der Normal-Infanteriekaserne seitens der Stadtgemeinde an das Militärärar (Bezeichnung für materielles und immaterielle Vermögen; Anm.) wurde gestern abends beendet." Die offizielle Bezeichnung der in 20 Monaten erbauten Kaserne lautete ab 1. November „Franz Josef Kaserne". Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren Teile des k.u.k. Infanterieregiments Nr. 7 dort untergebracht.

Aufgrund des Wohnungsmangels nach dem Zusammenbruch der k.u.k. Monarchie im Herbst 1918, nutzten zivile Parteien Teile der Kaserne. So waren in einem Mannschaftsgebäude eine größere Zahl an Eisenbahnern untergebracht, die erst im Laufe des Jahres 1920 aus der Kaserne auszogen. In der Volkswehrzeit (1918 bis 1920) beherbergte die Kaserne vor allem das Volkswehrbataillon Graz Nr. I und das Arbeiterhilfskorps.

Die Aufstellung des Bundesheeres im Mai 1920 führte zur Unterbringung des Regimentsstabs und des I. und II. Bataillons des Alpenjägerregiments Nr. 9. Die offizielle Anschrift lautete Laudongasse Nr. 2-14. In den frühen 1920er Jahren versuchte die Stadtgemeinde, einen Schlussstrich unter die Ära der Habsburgerdynastie zu ziehen und verlangte die Umbenennung der Kaserne sowie die Entfernung des kaiserlichen Adlers vom Kommandogebäude. Aus diesem Grund bezeichnete man den Kasernenkomplex ab dem Jahr 1924 als „Alpenjägerkaserne", da in ihr Alpenjäger stationiert waren. Als sich die politischen Vorzeichen in den 1930er Jahren wieder änderten, wurde der Name vom Landesverteidigungsministerium im Jahr 1936 in „Kaiser Franz Josef Kaserne" geändert.

Die Kaserne wurde in der NS Zeit als „Laudonkaserne" bezeichnet, nach ihrer Lage in der Laudongasse. Die Grazer Teile des AJR Nr. 9 wurden zur Aufstellung des II. Bataillons des Gebirgsjägerregiment 138 der Wehrmacht herangezogen. Nachdem dieses Regiment im August 1939 mobilisiert wurde und Graz verließ, stellte man die dazugehörigen Ersatztruppen des Regiments in der Kaserne auf. Dieser Truppenkörper wurde 1943 nach Marburg an der Drau verlegt.

Die Nähe zum Grazer Hauptbahnhof brachte es mit sich, dass die Kaserne durch den Luftkrieg in den Jahren 1944 und 1945 massiv beschädigt wurde und eine weitere Nutzung nicht mehr in Frage kam. In der Nachkriegszeit wurden die zerstörten Gebäude nach und nach abgetragen. Auf dem Grund der ehemaligen Kaserne steht seit den 1970er Jahren eine Hochhaussiedlung und Firmenareale.

Die neue Landwehrkaserne

Dieser damals moderne, vierstöckige Kasernenbau lag neben der Franz Josef Kaserne und bestand aus einem Hauptgebäude für den Truppenbelag, einer Fuhrwerkremise sowie einem Truppenspital. Die Errichtung der Kaserne wurde im Juni 1892 abgeschlossen. Das Grazer Volksblatt schrieb am 3. Juni 1892: „Die neue Landwehrkaserne ist nun in allen Räumen fertiggestellt. Die Übergabe an das Militär-Ärar wird noch im Laufe dieses Monats stattfinden."

In der Kaserne befand sich bei Kriegsbeginn das Landsturmbezirkskommando Nr. 3. Nach der Bekanntgabe des Mobilisierungsbefehls strömten die Landwehrsoldaten in die Landwehrkaserne, und am 16. August 1914 marschierte das Landwehrinfanterieregiment Graz Nr. 3 aus der Kaserne, um am Ostbahnhof in Richtung Osten verlegt zu werden.

Nach dem Ersten Weltkrieg war der Kasernenkomplex im Besitz der Stadt, die dafür die Verwendung als öffentliches Spital Graz West vorgesehen hatte. Die Finanzierung des Spitals erfolgte durch Bundesmittel, die jedoch nach Unterzeichnung der Genfer Anleihe 1922 stark eingeschränkt waren. Dem dadurch erzwungenen Sparkurs fiel am 30. April 1923 schließlich auch das Spital Graz West zum Opfer. Noch im selben Jahr gab die Gemeinde Graz Geldreserven für den Umbau des ehemaligen Spitals frei und schuf dadurch 63 Wohnungen für Kriegsinvaliden. Daher setzte sich als neue Bezeichnung für die Gebäude in weiterer Folge die Bezeichnung „Invalidenheim" durch.

Ab dem Jahr 1933 erzwang die Erhöhung der Personalstände des Bundesheeres eine Neuorganisation der Unterkünfte in Graz, da in allen Kasernen der Stadt Platzmangel drohte. Aus diesem Grund setzte das Bundesministerium für Landesverteidigung die ersten Schritte, um Teile der ehemaligen Neuen Landwehrkaserne zu übernehmen. Konkret ging es um die Überlassung des ehemaligen Truppenspitals, in dessen Räume die Brigadesanitätsanstalt aus der Alpenjägerkaserne im Jänner 1935 übersiedelte.

Als nächster Schritt wurden auch das Hauptgebäude und somit die gesamte Kaserne vom Bundesheer übernommen. Ab 1. September 1936 hieß die ehemalige Neue Landwehrkaserne „Feldmarschall Daun Kaserne". In ihr waren Teile der beiden Grazer Alpenjägerregimenter Nr. 9 und 10 untergebracht. In der Kriegszeit von 1939 bis 1945 gilt für diese Kaserne ähnliches wie für die angrenzende Franz Josef Kaserne. Sie erhielt zahlreiche Bombentreffer und wurde nach Kriegsende abgetragen. Auf dem ehemaligen Kasernengelände steht heute ein riesiger Wohnkomplex.

Die Bahnhofs- (Not-) Kaserne

Diese Kaserne wurde im Jahr 1902 von der Stadt Graz beigestellt und von der k.u.k. Armee sowie als Remise für die Fuhrwerke der Traindivision Nr. 3 und des Feldjägerbataillons Nr. 9 gemietet. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs fand die Kaserne Verwendung als Magazin für das bosnisch-herzegowinische Infanterieregiment Nr. 2. Im Jahr 1920 befand sich die nun „Bahnhofs- (Not-) Kaserne" genannte Anlage noch immer im Stadtbesitz. Da sie im direkten Anschluss an die Franz Josef Kaserne lag, diente sie in der Zwischenkriegszeit für die Unterbringung der Pferde des Alpenjägerregiments Nr. 9. Fehlende Investitionen in die Erhaltung der Gebäude ließen diese rasch verfallen.

Die Kaserne, welche von der Deutschen Wehrmacht nicht benutzt und im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerangriffe umfangreiche Beschädigungen erlitten hatte, wurde in der unmittelbaren Nachkriegszeit abgerissen. Bereits in den 1950er Jahren baute man auf dem ehemaligen Kasernengelände größere Firmen und Lagerhäuser. Heute befinden sich verschiedene Firmen auf dem Gelände sowie ein Objekt der steirischen Landesbahnen.

Das Monturdepot in Gösting

Gösting war in der damaligen Zeit eine eigenständige Gemeinde und wurde erst unter dem NS Regime ein Teil der Stadtgemeinde Graz. Im Jahr 1907 wurde das bisherige Monturdepot aus der Innenstadt nach Gösting verlegt. Auf dem weitläufigen Gelände standen 15 Gebäude und Unterkünfte, die als „Monturdepot" bezeichnet wurden. Darüber hinaus gab es noch Werkstätten und Lagerräume, die jedoch nach 1918 zum Teil abgetragen wurden.

Das Bundesministerium für Heereswesen erachtete den riesigen Kasernenkomplex für nicht notwendig. Aus diesem Grund wurden die vorhandenen Nebengebäude an private Firmen vermietet oder als Schulgebäude verwendet. So wurde die Bundesgewerbeschule Graz nach dem Umsturz 1918 in das Monturdepot nach Gösting verlegt. In den folgenden Jahren wurden die Gebäude umgebaut und eine Höhere Schule für Maschinenbau und Elektrotechnik sowie eine Werkmeisterschule dort errichtet.

Die Republik hielt das Hauptgebäude, das 1920 noch für Lagerzwecke verwendet wurde, zwar für ein Pionierbataillon geeignet, schreckte jedoch vor den hohen Umbaukosten zur Herstellung der Unterkünfte zurück. Ende 1921 wurde die Sachdemobilisierung des Landes Steiermark für beendet erklärt und die restlichen, noch nicht veräußerten Gegenstände wurden im ehemaligen Monturdepot in Gösting zur Versteigerung angeboten. Es handelte sich in erster Linie um Bekleidungsgegenstände. Im April 1922 befand sich auf dem Gelände unter anderem eine Bleistiftfabrik.

Die Erhöhung der Stände des Bundesheeres ab 1933 und die geänderten Raumbedürfnisse erforderten die Nutzung des ehemaligen Monturdepots. Von 1932 bis 1936 wurde es von der 5. Kompanie des Alpenjägerregiments Nr. 9 genutzt. Mitte der 1930er Jahre erinnerte man sich an die Pläne, ein Pionierbataillon Gösting unterzubringen. Da nun ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung standen, erfolgte ein Umbau der Kaserne. Im Herbst des Jahres 1936 wurde die Kaserne in „Hermann-Kaserne" umbenannt und das Pionierbataillon Nr. 5 zog in die Unterkunft ein.

Das ehemalige Monturdepot lag günstig neben dem großen Exerzierplatz (Übungsplatz; Anm.) an der Göstinger Au. Dort konnten nicht nur die Alpenjägerregimenter der Grazer Garnison üben, sondern es gab auch einen eigenen Pionierübungsplatz. Dort erfolgte die praktische Ausbildung des Pionierbataillons Nr. 5 und der Truppenpioniere, der in Graz stationierten Alpenjägerregimenter.

Mit dem Anschluss an das Deutsche Reich wurde die Kaserne in „Hermann Göring Kaserne" umbenannt. Bis zum Ausbruch des Krieges war das Gebirgspionierbataillon Nr. 83 der 3. Gebirgsdivision dort untergebracht. Auch diese Kaserne wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelassen. Auf dem ehemaligen Kasernengrundstück in Gösting stehen heute eine Schule (die Bulme; Anm.) und mehrere Industriebetriebe.

Die Trainkaserne in Schönau

Die Trainkaserne, später als „Schönaukaserne" und zuletzt „Kirchner-Kaserne" bezeichnet, war als einzige Grazer Kaserne (im Korpskommandogebäude waren Stäbe untergebracht; Anm.) sowohl in der Ersten Republik als auch in der Zweiten Republik vom Bundesheer mit Truppen belegt. Der letzte Namensgeber war der Militär-Maria-Theresienordens-Ritter Hermann Kirchner (1890 – 1953).

Im Jahr 1828 wurde die ehemalige Fabrik vom Militär erworben und diente seither als Unterkunft des Fuhrwesens und der Trains (veralteter Begriff für militärisches Transportwesen, auch Tross; Anm.). Im Jahr 1872 erfolgte eine massive Erweiterung der Kaserne, wodurch dort Kriegsmaterial erstmals im großen Rahmen eingelagert werden konnte. Bis 1914 belegte die Traindivision Nr. 3 mit ihren fünf Eskadronen (kleinste taktische Einheit der Kavallerie; Anm.) die Unterkünfte. Neben den Ausrüstungsmaterialien gab es auch Werkstätten, eine Hufbeschlagsschmiede sowie Stallungen.

Das Wohnobjekt dieser Kaserne war ein älterer Bau, während die übrigen Objekte jüngeren Baudatums waren. Inmitten der Kaserne befand sich ein Materialdepot, das dem Roten Kreuz gehörte. Im Jahr 1920 war die Kaserne mit der Trossstaffel und verschiedenen Dienststellen des ehemaligen k.u.k. Heeres belegt, wobei letztere noch im selben Jahr aufgelöst wurden.

Kurz nach der Aufstellung des Bundesheeres im Juli 1920 übersiedelte die Brigadeverbindungskompanie Nr. 5 aus der Reiterkaserne in die Trainkaserne, die in „Schönaukaserne" umbenannt wurde. Die offizielle Anschrift lautete Kasernenstraße Nr. 24. Im Jahr 1930 erfolgte der Einbau eines modernen 200 Watt Senders in die Kaserne, die als Heeresfunkstation Nr. 5 in Dienst gestellt wurde. Die Kompanie wurde im Jahr 1936 in das Telegraphenbataillon Nr. 5 umgegliedert.

Darüber hinaus waren dort in der Zwischenkriegszeit auch Fahreinheiten untergebracht. Der Brigade-Kraftfahrzug Nr. 5, ab 1928 Steirische Kraftfahrkompanie Nr. 5 wurde 1936 in die Divisionskraftfahrabteilung Nr. 5 umgewandelt. Ihre Aufgabe war es, die Truppen im Einsatzfall rasch in den Einsatzort zu transportieren. Der 1920 als Brigadetrosszug Nr. 5 aufgestellte Nachschubverband wurde 1923 in Brigade-Fahrzug Nr. 5 umbenannt und 1928 zur Steirischen Fahrkompanie erweitert. Im Jahr 1935 wurde sie aufgelöst und das Personal zur Aufstellung des Maschinengewehrschwadrons Nr. 2 herangezogen.

Die Wehrmacht nutzte die Kaserne weiterhin für die Nachrichtentruppe und stationierte die Gebirgsnachrichtenabteilung Nr. 68 in der Kaserne. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren von Juli 1945 bis 1947 britische Besatzungstruppen in der Kaserne einquartiert. Im Herbst des Jahres 1948 begann die staatliche Kraftfahrzeugaußenstelle Graz, auf diesem Kasernenareal die von den Alliierten überlassenen KFZ in Stand zusetzten. 1951 begann die Aufstellung der Gendarmerieschule mit der offiziellen Bezeichnung Gendarmerieschule Schönaukaserne unter dem Kommandanten Rittmeister Erwin Fallada. Aus dieser Einheit wurde 1954 die Gendarmerieschule I, die 1955 wiederum in provisorische Grenzschutzabteilung Nr. 3 umbenannt wurde.

Mit der Aufstellung des Bundesheeres der Zweiten Republik erfolgte eine erneute Umbenennung in Brigadestabskompanie Nr. 5. Im Jahr 1967 wurde die Kaserne in „Kirchner-Kaserne" umbenannt und das Stabsbataillon Nr. 5 dort untergebracht. In den Folgejahren war die Kaserne Dreh- und Angelpunkt für verschiedene Truppenkörper und Verbände. Parallel zum Bundesheer der Ersten Republik lag in dieser Kaserne ab 1962 die Brigadetelegraphenkompanie. Bis zur Schließung der Kaserne im Jahr 2014 waren als letzte Verbände die Militärmusik Steiermark und die 6. Kompanie des Versorgungsregiments Nr. 1 in der Kirchner-Kaserne untergebracht.

2016 wurde die ehemalige Kaserne um 11 Millionen Euro an einen privaten Investor verkauft. Das über 57.000 Quadratmeter große Areal umfasste zu diesem Zeitpunkt 31 Objekte. Auf dem Kasernengelände befanden sich zudem ein Sportplatz und zwei Bunker. Im Jänner 2020 wurde in den Medien verlautbart, dass die neue Nutzung der ehemaligen Kaserne nun fixiert wurde: Spätestens im Jahr 2023 sollen auf dem Gelände eine Wohneinheit mit bis zu 550 Wohnungen, ein Park und ein Bezirkssportplatz entstehen.

wird fortgesetzt

zum Dachartikel

Mag. Mario Rauchenbichler ist Gymnasialprofessor, Historiker und Milizoffizier.

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)