Der gedachte Krieg
In der Publikation geht es um die Art, wie in der Deutschen Bundeswehr, Krieg gedacht wird. Es geht darum, wie Krieg vorzustellen ist und welches Bild eines eventuellen Krieges in den Köpfen der Verantwortlichen der in Frage kommenden Zeit gemalt wurde. „Kriegsbild“ ist ein sehr schwieriges Thema. Das ist schon alleine deshalb so, weil über die Eigenart eines zukünftigen Krieges oft die eine Meinung gegen die andere steht. Mit der jeweiligen Art der Vorstellung unterscheidet sich natürlich auch die Sichtweise auf den Krieg und damit auf das Kriegsbild.
Das Thema wird in wissenschaftlich-logischer Reihenfolge abgehandelt. Zuerst wird danach gefragt, was ein Kriegsbild ist. Dabei zeigt Reichenberger, der als Oberstleutnant beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) tätig ist, dass es drei Hauptinterpretationen gibt. Erstens als Darstellung von Kriegsgegebenheiten, zweitens als materielle Abbildung aus Kriegszeiten und drittens als theoretische Vorstellung vom Krieg. Er gibt zu bedenken, dass mindestens so viele Kriegsbilder wie Kriegsdefinitionen bestehen und es deshalb schwierig ist, eine allgemeingültige Beantwortung der Frage nach dem Kriegsbild per se zu geben. Nach der Begriffsbestimmung werden die gedanklichen Grundlagen, die das Thema für Deutschland bestimmen dargelegt. Beginnend mit der Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 erarbeitet er die geschichtliche Entwicklung des Kriegsbildes vom operativ geprägten Ideal des ausgehenden 19. Jahrhunderts über dessen Desillusionierung im Ersten Weltkrieg hin zum totalen Volks- und Blitzkrieg. Damit ist der Boden für den eigentlichen historischen Teil aufbereitet. Der umfasst die Fragen, ob es ein einheitliches Kriegsbild in der militärischen Führung der Bundeswehr gab und wie es sich im Lauf der Zeit veränderte. Hier zeigt Reichenberger über mehrere Stufen die Entwicklung in ihrer Wechselbeziehung mit politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten genauso auf wie die Abhängigkeit von Wissenschaft und Technik.
Reichenberger schafft es mit dieser Publikation einen interdisziplinären und zwischen den Teilstreitkräften vergleichenden Ansatz zum Thema Kriegsbild zu kreieren. Das Thema wird historisch korrekt, wissenschaftlich fundiert und hermeneutisch nach allen Regeln der Kunst darstellt. Die getroffenen Aussagen sind mit einem Wust an Quellenmaterial hinterlegt und stilistisch wie formal hervorragend verfasst. Ein Genuss für alle im weitesten Sinne historisch, ideengeschichtlich und /oder medial Interessierte, die sich auch über die DBW hinaus mit dem Thema auseinandersetzen wollen.
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