• Veröffentlichungsdatum : 12.08.2020
  • – Letztes Update : 22.12.2020

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Das Radargerät RAT-31

Nathalie Passon

Das Großraumradargerät RAT-31 DL/M ist ein weltweit einzigartiges 3D-System. Bis zu einer Reichweite von 450 Kilometern und einer Erfassungshöhe von 30 Kilometern können Flugziele erkannt und verfolgt werden. Eine lückenlose Luftraumüberwachung erfolgt aus dem Führungsgefechtsstand. Radargerät und Gefechtsstand sind durch die Containerbauweise in jede Region der Welt verlegbar.

Die radargestützte Luftraumüberwachung erfolgt in den NATO-Ländern und bei den österreichischen Luftstreitkräften aus der Luftraumüberwachungszentrale, dem Control and Reporting Centre (CRC), die ihre Daten aus verschiedenen Radarsensoren erhalten. Die deutsche Luftwaffe besitzt zwei CRC, die in Erndtebrück (etwa 90 km östlich von Köln) beim Einsatzführungsbereich 2 und in Schönewalde (90 km südlich von Berlin) beim Einsatzführungsbereich 3 stationiert sind. Um auch von anderen Standorten der Welt agieren zu können, befindet sich in Schönewalde/Holzdorf das Deployable Control and Reporting Centre (DCRC), ein verlegefähiger Führungsgefechtsstand unter der Leitung des Einsatzführungsbereiches 3. Dieses ist analog aufgebaut, wie die beiden stationären CRC. Der einzige Unterschied besteht darin, dass es überall eingesetzt werden kann, vorausgesetzt die topografischen Gegebenheiten lassen eine 40 mal 60 Meter große, ebene Fläche zu.

Die 14 bis 21 Container des DCRC, mit einem Gewicht von jeweils 8 bis 14 Tonnen, werden binnen zweier Wochen in Schönewalde/Holzdorf abgebaut und sind sowohl land- als auch luft- und seetransportfähig. So können weltweit Schwerpunkte gebildet oder Lücken in der Radarabdeckung geschlossen werden. Ist das DCRC aufgebaut und alle Anlagen angeschlossen, ist es für mehrere Wochen einsetzbar. Um einen Betrieb von 24 Stunden gewährleisten zu können, arbeitet das Bedienungspersonal in drei Schichten zu 25 bis 30 Personen.

Bodenständig und mobil

Gemeinsam haben alle Führungsgefechtsstände bei der Deutschen Bundeswehr die Aufgaben, ein Luftlagebild im zugewiesenen Einsatzgebiet zu erstellen, Kampfflugzeuge im Luftraum zu führen und ihnen Ziele zuzuweisen. Sie bilden somit die Grundlage für die taktische Führung von Luftoperationen jeglicher Art. Das Erstellen eines solchen Luftlagebildes funktioniert jedoch nur mithilfe von Radaranlagen, die verschiedene Daten erfassen und an die Führungsgefechts-stände senden. Den beiden deutschen CRC stehen dafür stationäre Radaranlagen, die in ganz Deutschland verteilt sind, zur Verfügung. Das DCRC hingegen hat zwei verlegefähige 3D-Großraumradargeräte vom Typ RAT-31 DL/M.

RAT steht für „Radar Avvistamento Terrestre“, das aus dem italienischen übersetzt „Bodenständiges Aufklärungsradar“ bedeutet. Die Buchstaben DL/M bedeuten D-Band, Long range und Mobile. D-Band ist der Bereich von 110 bis 170 Gigahertz von Funkfrequenzen im elektromagnetischen Spektrum. Long range weist auf die hohe Reichweite des Radars und Mobile auf die Mobilität und Verlegefähigkeit hin. Das RAT-31 DL/M besteht aus drei Komponenten, die jeweils in 20-Fuß-ISO-Containern untergebracht werden: der Bedienshelter, die Stromerzeugeranlage und eine faltbare Antenne. Die Container können für den Transport auf Lastkraftwagen oder im Transportflugzeug A400M verladen werden. So wird eine rasche Verlegefähigkeit und hohe Mobilität gewährleistet. Das technische Personal der Radaranlage, das sowohl für den 24-Stunden-Betrieb als auch für den Auf- und Abbau benötigt wird, umfasst 10 bis 15 Personen.

Jeder Handgriff sitzt

Nachdem die Mannschaft des DCRC im Einsatzgebiet angekommen ist, folgen unverzüglich die Aufbauarbeiten. Das Bedienpersonal des Radarzuges zieht aus Sicherheitsgründen einen Zaun mit Stacheldraht um die errichtete Anlage. Der Bereich ist im Wesentlichen aus Sicht der IT-Sicherheit einzurichten und sollte eine Größe von 100 mal 100 Metern aufweisen. Die darin verarbeiteten Daten sind sensibel.

Nachdem der Zaun errichtet worden ist, werden die Kabel angeschlossen, die Stromerzeugeranlage eingeschaltet, Stützen ausgefahren und der Radarschirm aufgestellt. Innerhalb kurzer Zeit ist die Anlage aufgebaut und einsatzbereit. Das Radar wird vom DCRC aus gesteuert. Dennoch müssen kleinere Einstellungen, das Sicherstellen der Funktion der Stromanlage und das Beheben von technischen Problemen vor Ort erledigt werden. Dafür ist der Radarzug verantwortlich.

Die Antennenfläche des RAT-31 DL/M umfasst 77 m². Es arbeitet mit 42 Strahlerreihen zu jeweils 52 Dipolen und 42 Sender-/Empfängermodulen mit einer Sendeleistung von je zwei Kilowatt. Während es sich pro Minute sechs Mal um seine Achse dreht, deckt es 360 Grad ab. Die Rundumsuche erfolgt während der Umdrehungen durch vier unabhängige Beams (Radarstrahlen) im D-Band. Die vertikale Schwenkung der Beams geht mittels elektronischer Phasenverschiebung vor sich. Bei der Antenne handelt es sich um eine Phased-Array-Antenne. Phased-Array bedeutet phasengesteuertes Feld. Sie erreicht eine Bündelung der Strahlungsenergie durch die Anordnung und Verschaltung einzelner Strahler. Da sich diese Strahler unterschiedlich ansteuern lassen, ist das Diagramm der Antenne elektronisch schwenkbar.

Entfernung, Richtung und Höhe

Mit einer Reichweite von zehn bis 450 Kilometern – abhängig vom Betriebsmodus und Aufstellungsort – und einer Erfassungshöhe von 30 Kilometern kann das Radar Flugziele erkennen, verfolgen und begleiten. Es kann auch Daten von anderen Teilstreitkräften, verbündeten Nationen oder Radaranlagen empfangen und weiterleiten. Dabei erfasst es unter anderem die Daten der Entfernung, Richtung und Höhe von Flugobjekten (drei Dimensionen – 3D). Diese leitet es mithilfe von Satellitenkommunikation oder über LAN-Verbindungen an Empfänger wie das DCRC weiter. Dort werden die gesammelten Daten ausgewertet, weiterverarbeitet und letztendlich ein Luftlagebild erstellt. Über militärische Datennetzwerke werden die neuen Erkenntnisse an Empfänger wie verbündete Kampfflugzeuge weitergeleitet.

Da die Führung von Luftfahrzeugen nicht ausschließlich durch den Austausch von Daten funktioniert, werden in der Nähe der Radaranlagen Radiostationen aufgebaut. Die Funkreichweite zu den Luftfahrzeugen wird erhöht und deren Führung durch die verbale Kommunikation als Ergänzung zu den Daten vereinfacht. Das Radar und die Radiostation bilden so die Augen und Ohren des DCRC und helfen bei der Luftraumüberwachung.

Auf einen Blick

Derzeit besitzt Deutschland die einzigen beiden Systeme in dieser verlegefähigen Variante. Beide sind bei der Einsatzunterstützungsstaffel 34 in Schönewalde stationiert. Um die multinationale Zusammenarbeit im Bereich der Luftraumüberwachung und Führung zu stärken und zu verbessern, finden regelmäßig Übungen statt.

Das Radar RAT-31 DL/M ist kein Radar wie jedes andere. Vielmehr ist es wichtig für die Luftraumüberwachung in Deutschland, zur Verdichtung beziehungsweise Schwerpunktbildung im verlegten Einsatz und bei Übungen. Mit diesem mobilen System kann Deutschland flexibel auf die Anforderungen einer modernen Luftraumüberwachung und -verteidigung reagieren.

Nathalie Passon ist Fahnenjunker beim Kommando Luftwaffe der Deutsche Bundeswehr.

 

Ihre Meinung

Meinungen (1)

  • Michael Löffler // 10.01.2021, 19:15 Uhr Danke für den Artikel, aber bitte die Frequenzangabe im D-Band dringendst überprüfen....das tut weh...

    Ein Typ: ein Anruf dazu beim Kdo LRÜ kann hier helfen..
    Mfg
    M. Löffler