• Veröffentlichungsdatum : 27.02.2023

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Aktionswoche HGM: Kinder im Krieg

Gerold Keusch

Vom 20. bis 24. Februar 2023 veranstaltete das Heeresgeschichtliche Museum die Aktionswoche „Kinder im Krieg“ für Schulen. Der diesjährige Schwerpunkt lag auf dem Ukraine-Krieg. Schüler erhielten dabei unter anderem die Möglichkeit mit jungen Menschen aus der Ukraine zu sprechen, die Kampfhandlungen persönlich miterlebt haben.

„Kriege gehören ins Museum“, lautet das Motto des Wiener Heeresgeschichtlichen Museums (HGM). Die Realität sieht jedoch anders aus. Zahlreiche Konflikte, militärische Auseinandersetzungen und Kriege in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen begleiten seit jeher die Menschheit. Dass auch Europa kein friedlicher Kontinent ist, beweist – neben den zahlreichen Kriegen des 20. Jahrhunderts – der aktuelle Ukraine-Krieg.

Bewusstsein für ein Tabu 

In keinem Krieg findet der Kampf ausschließlich an der Front, weit weg von der Zivilisation, nur zwischen den Soldaten der Kriegsparteien statt. Immer ist auch das Hinterland betroffen, durch Bomben, Granaten, Raketen oder andere Geschoße, die unter anderem in Wohngebieten einschlagen. Leidtragend ist immer auch die Zivilbevölkerung. Besonders betroffen sind Kinder, die sich kaum wehren können und ihre traumatischen Erlebnisse, die sie oft ihr gesamtes Leben begleiten, deutlich schwieriger einordnen und verarbeiten können als Erwachsene.

Das Thema „Kind und Krieg“ ist ein Tabu. Bilder von verletzten, verstümmelten oder toten Kindern sind für viele Menschen unerträglich. Sie zeigen die „hässliche Fratze“ des Krieges, der vielleicht in einem völkerrechtlichen oder politisch-ideologischen Verständnis gerecht sein mag, aber nie sauber sein wird. Es sind aber diese Bilder, die klar machen, dass „der Krieg ins Museum gehört“. Damit schließt sich der Kreis zu der Aktionswoche. Diese wird seit 2010 jährlich vom HGM organisiert, konnte jedoch durch die Corona-Pandemie 2021 und 2022 nicht stattfinden. 2023 wurde das Vorhaben weitergeführt, bei dem – aufgrund der Aktualität und räumlichen Nähe – der Fokus auf der Ukraine lag.

„Wir wollen ein Bewusstsein schaffen für das Thema“, erklärt Georg Rütgen. Er ist für die Vermittlungsarbeit im HGM verantwortlich. „Ziel der Aktionswoche ist es, mit Jugendlichen die Problematik ‚Kinder im Krieg‘ historisch zu verorten und einen Einblick in die Situation von Kindern in einer aktuellen Kriegsregionen geben. Die Zielgruppe sind Schüler ab 14 Jahren, da der Inhalt psychisch fordernd und manchmal hart an der Grenze des Erträglichen ist.“ Vor allem die Gespräche der Schüler mit Zeitzeugen, seit Beginn ein Fixpunkt dieses Vermittlungsprogrammes, können psychisch fordernd sein. Das gilt nicht nur für die Schüler, sondern vor allem für die Zeitzeugen.

Stationsprogramm im 20-Minuten-Takt 

In der gesamten Woche beginnt ab 8 Uhr alle 20 Minuten ein Durchgang für eine Klasse, die von zwei Vermittlern begleitet werden. Danach beginnt ein Stationsbetrieb mit den vier Stationen

  • allgemeine Einweisung,
  • Präsentation,
  • Filmvorführung und
  • Zeitzeugengespräche,

die jeweils etwa 20 Minuten dauern. Danach gibt es eine Station, bei der sich die youngCaritas, der Kooperationspartner der Aktionswoche, präsentiert und das Thema aus ihrer Sicht erörtert.

Bei der allgemeinen Einweisung findet eine historische Verortung der Problematik Kinder im Krieg am Beispiel des Zweiten Weltkrieges in Österreich statt. Dabei wird unter anderem die nationalsozialistische Rekrutierungsstrategie erörtert, die mit der Hitlerjugend begann, bei der Buben, aber auch Mädchen, für einen späteren Kriegseinsatz vorbereitet wurden. Zusätzliche Beispiele aus dieser Zeit waren der Einsatz von Jugendlichen als Flakhelfer oder das Schicksal der Zivilbevölkerung während der Bombenangriffe. Ort war der Saal „Republik und Diktatur“, dessen zahlreiche Artefakte von den Vermittlern als Anschauungsobjekte verwendet werden.

Die folgende Präsentation schlug die Brücke von der österreichischen Vergangenheit, die wegen der zeitlichen Distanz immer stärker ins kulturelle Gedächtnis rückt und zunehmend abstrakt erscheint, in die Gegenwart. Im Marinesaal, neben den Resten der U20 der k.u.k. Kriegsmarine, erklärten die Vermittler, wo auf der Welt aktuell bewaffnete Konflikte oder Kriege ausgetragen werden. Dabei beschränkten sie sich nicht auf Zahlen, Daten und Fakten. Sie stellten unter anderem dar, wie Kindersoldaten rekrutiert werden oder welche grundsätzlichen Rechte Kinder haben, die in Kriegssituationen jedoch kaum eingehalten werden können.

Der nächste Programmpunkt war ein Film, der etwa 15 Minuten dauert. Mehrere Kinder erzählen darin von ihren Erlebnissen während des Ukraine-Krieges. Damit bekommen die Inhalte der vorhergehenden Präsentation mehrere Gesichter mit konkreten „Geschichten“ und Schicksalen. Nach dem Ende der Filmvorführung stellen die Vermittler den Kontext zu ihren bisherigen eher theoretischen Ausführungen der vorherigen Programmpunkte her. So werden die Schüler auch auf das nachfolgende Gespräch mit den Zeitzeugen vorbereitet, wo sie auch Fragen stellen können und sollen.

Valerii Kaunov und Vlada Demchenko heißen die beiden ukrainischen Zeitzeugen der heurigen Aktionswoche. Beide sind etwa 20 Jahre alte ethnische Russen aus Mariupol, die heute in Österreich leben. Sie saßen mehrere Wochen im Keller, während in ihrer Stadt gekämpft wurde, die nach mehreren Wochen schließlich von den russischen Streitkräften erobert wurde. Wie sie diese Zeit mit kaum Wasser und Nahrung er- und überlebten und unter welchen Bedingungen sie dort ausharrten, erklären sie den Schülern indem sie deren Fragen beantworten. „Was war das Schlimmste, das du erlebt hast? Wie war der Tagesablauf im Keller? Wie wusstest du, dass du den Keller verlassen kannst?“ Fragen wie diese werden zahlreich gestellt. Georg Rütgen, der diese Station leitet, oder eine Dolmetscherin übersetzen die Fragen auf Englisch oder Russisch. Danach antwortet Valerii auf Englisch oder Vlada mit Unterstützung der Dolmetscherin.

Vermittlung auf Augenhöhe

„Uns ist wichtig, dass wir das Thema in einem Dialog zwischen Vermittlern, Zeitzeugen und Schülern transportieren“, sagt Georg Rütgen. „Das gelingt uns, da wir einerseits die Philosophie vertreten, dass weniger mehr ist und weil wir erfahrene und kompetente Vermittler haben, die sich rasch auf eine Gruppe einstellen können.“ Viele Lehrer besuchen mit ihren Klassen seit vielen Jahren die Aktionswoche. Vor allem für Schulen aus dem Wiener Umfeld ist diese Veranstaltung eine willkommene Option, um den Unterrichtsalltag aufzulockern. „Das Thema ist hart, aber wir müssen uns dem stellen!“, ist Georg Rütgen überzeugt. 2024 soll die Aktionswoche erneut stattfinden. Im Sommer beginnt er mit der konkreten Planung für das nächste Jahr. „Den Fokus weiß ich noch nicht. Unter Umständen werden wir uns mit der Situation im Iran auseinandersetzen, es kann aber auch ein anderer Staat sein.“ Optionen wird es wohl auch in Zukunft mehrere geben, da Kriege eine Realität sind, die es vermutlich noch länger nicht nur im Museum geben wird.

Hofrat Gerold Keusch, BA MA ist Leiter Online-Medien in der Redaktion TRUPPENDIENST.

 

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