• Veröffentlichungsdatum : 13.09.2023
  • – Letztes Update : 05.10.2023

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50 Fragen und Antworten zum Jahrgang Starhemberg 1683 - Teil 5

Jahrgang Starhemberg 1683

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41. Gab es Regeln und Vorschriften für das persönliche Aussehen bzw. Auftreten?

Ja, sogar viele. Dazu ein paar Beispiele: Die Haare mussten auch vor dem Haarschnitterlass der Ära Lütgendorf kurz geschnitten sein und durften den Hemdkragen nicht berühren. Sichtbare Tätowierungen waren verboten, ebenso Piercings, „Flinserln“, bunt gefärbte Haare oder Schmuck (z.B. Halsketten). Die Fingernägel mussten kurz und sauber sein. Ein Oberlippenbart war erlaubt, ansonsten musste man auch bei Übungen glatt rasiert sein. Eine Ausnahme davon erteilte ausschließlich der Truppenarzt temporär, z.B. bei einer Hauterkrankung. Eine Rasurbefreiung aus religiösen oder kulturellen Gründen gab es vor 50 Jahren nicht. Die Uniform musste stets korrekt und anlasskonform sein. Religiös oder kulturell motivierte Kopfbedeckungen statt der vorgesehenen militärischen waren verboten. Damals sah man im Aussehen eines Soldaten auch ein Spiegelbild der (unverzichtbaren) militärischen Disziplin.

Die dienstliche Anrede erfolgte bei Ranghöheren mit „Herr“ (Frauen mit Dienstgraden gab es im Bundesheer noch nicht) sowie dem Dienstgrad (z.B. „Herr Hauptmann“), bei Gleichrangigen und Rangniedrigeren ebenso oder mit dem Dienstgrad und dem Zunamen (z.B. „Zugsführer Huber“). Bei Vorgesetzten meldete man sich „in der dritten Person“ (z.B. „Herr Leutnant! Militärakademiker Müller meldet sich wie befohlen.“). Man war im Dienst per „Sie“, das „Duzen“ innerhalb des Jahrganges war aber grundsätzlich erlaubt, nicht jedoch bei Befehlen, Meldungen, beim Exerzierdienst und ähnlichen Anlässen.

Regeln und Vorschriften gab es selbst für das Verfassen von Schriftstücken sowie für das Verhalten im Akademiegebäude. Im Schriftverkehr erfolgte die Anrede Höherstehender mit „sehr verehrter …“, z.B. „sehr verehrter Herr Hauptmann“, ab Oberst hingegen mit „hochgeehrter …“, z.B. „hochgeehrter Herr Brigadier“. Beim Betreten eines Speisesaales oder eines anderen größeren Raumes ohne Kopfbedeckung hatte man sich in Grundstellung zu verneigen (das Salutieren ohne Kopfbedeckung gab es erst ab 1972) und als Militärakademiker durfte man die so genannte Generalsstiege nicht benutzen.

42. Wie sah es im Jahrgang mit Ordnung und Disziplin aus und (wie) wurde Fehlverhalten bestraft?

Ordnung und Sauberkeit wurden häufig überprüft – von der Spindordnung über die Sauberkeit der Ausrüstung, Haarschnitt und Schuhputz bis zu den Bügelfalten der Hose. Es galten strenge disziplinäre Regeln, die jedoch von den Militärakademikern generell berücksichtigt wurden (meist aus Einsicht, oft aus Gewohnheit aber fallweise auch aus Angst vor möglichen Konsequenzen). Ein Wachvergehen oder die Nichtbefolgung eines Befehls hätte mit Sicherheit zu einer Strafanzeige bzw. zum Hinauswurf geführt. Auch bei Dienstvergehen gab es keinen Pardon: Schlafen während eines Dienstes, unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst oder die Nichtbefolgung einer Weisung zogen zumindest eine Ordnungsstrafe nach sich, z. B. ein mehrtägiges Ausgangsverbot.

Auf Grund des disziplinierten Verhaltens der Militärakademiker waren Bestrafungen zwar selten aber durchaus „real“. Hatte man z.B. den Spindschlüssel unter dem Kopfkissen versteckt, anstatt ihn bei sich zu tragen, wurde man zum Rapport befohlen und bekam eine Ordnungsstrafe (wegen Verleitung zum Kameradschaftsdiebstahl), die im Führungsbuch eingetragen wurde. Bei kleineren „Missetaten“ (wie zu spät zur Standeskontrolle kommen, schlechte Rasur, ungeputzte Schuhe etc.) wurde man gerügt bzw. „durfte“ man sich beim Dienstführenden Unteroffizier „freiwillig“ für einen zusätzlichen „Samson“ (Samstag-Sonntag-Dienst) melden, der nicht bezahlt wurden, und die Sache war erledigt. Es war aber besser, das Fehlverhalten in der nächsten Zeit nicht zu wiederholen, denn im Wiederholungsfall wurde es „teurer“.

Die Ordnungs- und Disziplinarvorgesetzten der Militärakademiker (der Jahrgangs- und der Bataillonskommandant) waren streng. Sie legten es aber niemals darauf an, so oft wie möglich zu strafen, sondern setzten eher auf Erklärungen, Warnungen und Ermahnungen, um ein (strafbares) Fehlverhalten von vornherein zu verhindern.

43. Gab es viel Drill und/oder Leerlauf?

Drill gab es jede Menge. Nicht nur an der Militärakademie sondern auch an den Waffenschulen – und das war gut so! Richtig angewandter Drill bedeutet automatisiertes Handeln und das braucht jeder Soldat in einer Gefahrensituation. Wer bei einem Fliegerangriff oder bei unerwartetem Beschuss erst nachdenken muss, was zu tun ist, ist wahrscheinlich bald tot, egal welchen Dienstgrad er hat. Das drillmäßig erlernte Befehlsschema erleichtert die Führung unter Stress. Drillausbildung ist auch heute unverzichtbar!

Leerlauf ist generell ein missverständlich gebrauchter Begriff, der Nichtstun und Nichtorganisation im Anlassfall zum Ausdruck bringt. Nicht darunter fallen systemimmanente Wartezeiten (begrenzte Zahl von Schießständen, Essensausgabe aus der Feldküche, Geldauszahlung etc.). Diese wurden aber an der Militärakademie so kurz wie möglich gehalten bzw. durch Parallelausbildung vermieden. Heeresgegner nannten jedoch selbst systemimmanentes Warten „Leerlauf“ und leiteten daraus eine mögliche Verkürzung der Wehrdienstzeit ab, bzw. bezeichneten den Wehrdienst als „verlorene Zeit“.

Während des Gefechtsdienstes und vor allem bei Übungen kam es (ebenfalls systemimmanent und wirklichkeitsnah) zu Phasen, in denen man abwehrbereit war, aber kein Feind auftauchte. Man befand sich dann etwa in der gleichen Situation wie ein Feuerwehrmann auf der Feuerwache, wenn es gerade keinen Brand gibt. Dieses Warten war und ist jedoch ein nicht zu unterschätzender Teil der Ausbildung. Scharfschützen und Spähtrupps warten oft tagelang, bis ein Ziel auftaucht oder es etwas zu beobachten gibt, weshalb man auch das Warten lernen muss. Der Ausbildungs- und Leistungsdruck an der Militärakademie war vor 50 Jahren aber generell so hoch, dass sich manche Militärakademiker oft nach etwas „Leerlauf“ sehnten.

44. Wann bzw. warum musste jemand den Jahrgang verlassen? Durfte man diesen dann wiederholen?

Den Jahrgang verlassen musste man nach Konferenzbeschluss u.a. bei Straftaten, mehrmaligem, reichlichem Alkoholkonsum (Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit), längerem Nichterbringen von (körperlichen) Limits, nicht genügenden Leistungen in den Lerngegenständen bzw. beim Gefechtsdienst, einer untauglich machenden Krankheit (z.B. Diabetes), einer Verletzung oder mangelnder Kommandanteneignung. Vor 50 Jahren lag „die Latte ziemlich hoch“. Wer den Jahrgang verlassen musste, war weder dumm noch unbeholfen, mancher davon wurde später Wissenschaftler oder Bankdirektor. Hatte man Lehrziele z.B. auf Grund einer temporären Krankheit, Verletzung oder zu schlechter Leistungen nicht erreicht, durfte man den Jahrgang wiederholen. Das war keine Schande. Mehrere ursprünglich im Jahrgang Starhemberg 1683 befindliche Militärakademiker schieden aus dem Jahrgang aus und beendeten ihre Ausbildung erst im Folgejahrgang (Khevenhüller).

Wer den Jahrgang aus disziplinären Gründen verlassen musste, durfte nicht wiederholen. Es gab auch die Möglichkeit, (nicht zu umfangreichen) versäumten Lehrstoff im Folgejahrgang nachzuholen und danach mit diesem auszumustern, dabei blieb man Angehöriger des ursprünglichen Jahrganges. Auch im Jahr 1973 wurde ein Angehöriger eines früheren Jahrganges mit ausgemustert. Es war sogar möglich, nach dem Austritt aus der Militärakademie wieder zu dieser zurückzukehren, jedoch nicht im selben Jahrgang. Ein solcher, ursprünglich aus dem Jahrgang Starhemberg 1683 stammender Rückkehrer wurde im Folgejahrgang sogar Jahrgangserster.

45. Gab es Kontakte zu ausländischen Militärakademien?

Den Jahrgang Starhemberg 1683 besuchten z.B. mehrere Kadetten der englischen Militärakademie Sandhurst. Diese trugen ein Kommandostäbchen und wurden von einem ehemaligen Unteroffizier begleitet, der u.a. deren Uniform pflegte. Mitbetreut wurden sie von einem relativ gut Englisch sprechenden Militärakademiker des Jahrganges, der sie u.a. durch das Heeresgeschichtliche Museum führte oder beim Geländefahren mit dem glLKW ¼ t Puch-Haflinger begleitete. Jeweils vier Militärakademiker des Jahrganges Starhemberg nahmen an Exkursionen zur amerikanischen Militärakademie in Westpoint und zur italienischen Militärakademie in Modena teil.

46. Lernte man damals als Militärakademiker auch tanzen und eröffneten Militärakademiker tatsächlich jedes Jahr den Opernball?

Beides stimmt. Jeweils sechs Militärakademiker durften – als Repräsentanten des Bundesheeres – sowohl im Zweiten als auch im Dritten Jahrgang mit ihren Partnerinnen den Opernball eröffnen. Die Voraussetzungen dafür waren gute Linkswalzerkenntnisse und ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch bei der Organisatorin des Opernballs, damals Frau (Gräfin) Christl Schönfeldt. Zur Balleröffnung trugen die Militärakademiker ihre grauen Ausgangsuniformen mit weißem Hemd, eine Seidenkrawatte, Volldekoration und weiße Handschuhe. Darüber hinaus erhielten die Militärakademiker von der Staatsoper und dem Burgtheater regelmäßig einige Freikarten.

Die Teilnahme am jährlichen Ball der Offiziere (Alt Neustädter Ball, damals in den Sofiensälen in Wien) sowie am Ball in der Burg (Militärakademie), organisiert vom jeweils Dritten Jahrgang (den so genannten Burgherren), war sogar Pflicht. Auch der Jahrgang Starhemberg 1683 organisierte 1973 einen derartigen Ball in der Burg, nachdem dieser 1972 auf Grund der schlechten Situation des Bundesheeres abgesagt worden war. Ebenso Pflicht war der Besuch eines Abend-Tanzkurses einer Wiener Neustädter Tanzschule, abgehalten in der Militärakademie.

Viele Militärakademiker sahen den Tanzkurs und die Ballbesuche damals als eine (selbstverständliche und durchaus angenehme) Berufs- und Standespflicht bzw. als willkommene Abwechslung. Das änderte sich anscheinend im Zuge der Studienordnung 80, denn im Jahre 1982 beschwerten sich 39 (!) Fähnriche über die Pflichtteilnahme an einem Tanzkurs und forderten für diesen rückwirkend eine Überstundenbezahlung.

47. Wie erfolgte die Ausbildung an den Waffenschulen im Dritten Jahrgang und wie lief die Sonderausbildung der Piloten ab?

Die waffengattungsspezifische Ausbildung der Militärakademiker erfolgte im Dritten Jahrgang (für die Flieger bereits ab Mitte des zweiten Jahrganges) in neun waffengattungsspezifischen Lehrgruppen an den acht unten genannten Waffenschulen. Kleine, nicht ernst gemeinte, Sticheleien gegen andere Waffengattungen waren durchaus üblich, hielt doch jeder Militärakademiker seine Waffengattung für die beste.

Jägerschule

Die fünf Militärakademiker der Lehrgruppe Jäger wurden zunächst an der Heeres-Sport- und Nahkampfschule in Hainburg in einem sechswöchigen „Jagdkommando-Einweisungskurs“ für die Besonderheiten des Kleinkrieges ausgebildet. Anschließend erfolgte an der Jägerschule in Saalfelden die Ausbildung zum Kommandanten für den Jägerzug, den schweren Jägerzug, den rPAK(10,6-cm-rückstoßfreie Panzerabwehrkanone M40 mit Zielmarkierungsgewehr)-Zug, sGrW(12-cm-schwerer Granatwerfer 42 bzw. 60)-Zug, IFlA(2-cm-Fliegerabwerkanone 65/68 Oerlikon Contraves)-Zug und Truppenpionierzug, wobei dem Winterkampf im alpinen Gelände viel Raum gewidmet wurde. Zusätzlich erfolgte eine Einschulung in die Offiziersfunktionen im Stab eines Jägerbataillons, von S1 (Adjutant) bis S4 (Versorgungsoffizier), Fernmeldeoffizier, Kraftfahroffizier, Ordonanzoffizier. Das Programm für die Jägerfähnriche war besonders dicht, da diese drei Monate weniger Zeit als alle anderen Waffengattungen hatten, denn von April bis Juli 1973 waren sie an der Militärakademie zur Ausbildung und Eignungsüberprüfung der Offiziersanwärter des Auswahlkurses eingesetzt.

Panzertruppenschule

Die sechs Militärakademiker der Lehrgruppe Panzer erhielten an der Panzertruppenschule (vor allem bei Übungen) die Ausbildung zum Kommandanten eines Panzerzuges, eine Panzerfahrausbildung (Kampfpanzer M 60A1), wurden als Panzerkommandanten (M 60A1, M 47, Jagdpanzer „Kürassier“), Gruppenkommandanten einer Panzergrenadiergruppe (Schützenpanzer „Saurer“) sowie in der Panzerschießlehre (theoretisch und praktisch) geschult und absolvierten einen Bergekurs für Schwerfahrzeuge. Die Praxisausbildung zum Kraftfahr- und Nachschubunteroffizier (mechTruppe) erfolgte beim damaligen Panzerbataillon 10.

Artillerieschule

Die Ausbildungsschwerpunkte für die drei Akademiker der Lehrgruppe Artillerie waren Artillerietaktik, Dienst an der Rechenstelle (u.a. am Schießelementeermittler XAMAX), Vermessungsdienst, (artilleriespezifischer) Fernmeldedienst, Waffen- und Munitionskunde sowie Wetterdienst und Geschützdienst an der 10,5-cm-leichten Feldhaubitze M2, der 15,5-cm-schweren Feldhaubitze M1 sowie der 15,5-cm-schweren Feldkanone M2 „Long Tom“ einschließlich deren Protzfahrzeugen, der 15,5-cm-Panzerhaubitze M-109 und dem 13-cm-Raketenwerfer RM-130 auf Praga V3S. Die praktische Ausbildung erfolgte im Raum Baden, Heiligenkreuz, Gaaden und Bad Fischau, ergänzt und erweitert durch eine dreimonatige Dienstzuteilung zum Artillerieregiment 2 in Gratkorn. Dort übten die Fähnriche in verschiedenen Funktionen des Regiments u.a. als Adjutant und Erster Offizier einer schießenden Batterie (einschließlich einer Raketenwerferbatterie). Dem folgte der artilleristische Einsatz bei der Abschlussübung der Theresianischen Militärakademie am Truppenübungsplatz Allentsteig.                                                            

Pioniertruppenschule

Die Lehrgruppe Pionier bestand aus drei Militärakademikern. Diese wurden im Zuge der Fachausbildung auf ihre Erstverwendung als Kommandant eines Pionierzuges bzw. als Pionier-Erkundungs- und Vermessungsoffizier einer Pionierkompanie vorbereitet. Gemäß den Aufgaben der Pioniertruppe „die eigene Bewegung fördern, die Bewegung des Feindes hemmen, die Kampfunterstützung sicherstellen und im Katastrophenfall der Bevölkerung zu helfen“ gestaltete sich die Ausbildung abwechslungsreich, fachlich und technisch anspruchsvoll sowie oft schweißtreibend und vor allem muskelstärkend.

Die theoretischen und praktischen Ausbildungsfächer umfassten Sperrdienst, Sprengdienst, Minendienst, Stege- und Behelfsbrückenbau, Kriegsbrückenbau, Vermessungsdienst, Straßenbau, Wasserdienst, Bedienung und Einsatz von Pioniergeräten und Pioniermaschinen, Stellungsbau und Bau von Feldbefestigungen, Baumechanik, Technisches Zeichnen, Pioniertaktik und Sport.

Sprengdienst und Wasserdienst wurden in Kursform (mit Chargen, Unteroffizieren und Offizieren der Pioniertruppe) ausgebildet und jeweils mit einer kommissionellen Prüfung abgeschlossen. Das Ziel des Sprengkurses war die Erlangung der großen Pioniersprengbefugnis (Pioniersprengmeister). Die aus drei Kursen bestehende Wasserausbildung auf der Donau bestand aus Wasserfahrgrundausbildung, Außenbordmotorkurs und Fährenkommandantenkurs (Erlangung der Befugnis als Kommandant Fähren aller Tonnagen zu steuern).

Zur Ausbildung zählte auch die Handhabung und der Einsatze von Pioniergerät und Pioniermaschinen, wie Tischler-, Maurer- und Zimmermannswerkzeugsatz, Vermessungs- und Sprengsätze, Beleuchtungssätze, Kettensägen, Gesteinsbohrgerät, Rüttelverdichter, Vibrationswalze, Dieselrammen und Stromaggregate. Quasi „nebenbei“ erlangten (vor allem im stressigen Stadtverkehr von Wien) die Fähnriche der Lehrgruppe den LKW-Führerschein der Gruppe C.

Teltruppenschule (ab 1978 Fernmeldetruppenschule und seit 2011 Führungsunterstützungsschule)

Die drei Militärakademiker der Lehrgruppe Tel (Tel war keine Abkürzung sondern ein Kunstwort für Telegrafie und Telefonie) erlernten dort während ihrer Ausbildung zum Zugskommandanten der Teltruppe und der Truppentelkräfte und Teloffizier (Fernmeldeoffizier) eines kleinen Verbandes Fernmeldeeinsatz, Feldkabel- und Feldfernkabelbau, Wellenausbreitung, Fernmeldetechnik (einschließlich Löten, Fehlereingrenzung und Behelfsantennenbau), Fernmeldebetriebsdienst, Schlüsseldienst, Maschinschreiben (um die Sendezeit bei Draht- und Funkfernschreibern kurz zu halten), Morsen im Zuge der Amateurfunkausbildung und für Notbetrieb (im Warschauer Pakt war Morsen noch Jahre später eine Betriebsart) und andere Fertigkeiten z.B. das Verlegen von Feldkabel (aus eigens dafür hergestellten Einwegkabelrollen) über Gewässer ohne Brücken mittels Übungsgewehrgranaten.

Die Militärakademiker wurden aber auch an ca. 50 verschiedenen Fernmeldegeräten der Teltruppe (ab 1978 Fernmeldetruppe) und der Truppentelkräfte (ab 1978 Truppenfernmeldekräfte) – vom kleinsten Entstörtelefon (TA-1-PT, das, anstatt zu klingeln bei einem Anruf wegen der Geräuschtarnung  –  Einsatzerfahrung aus dem Vietnamkrieg  –  wie ein Frosch „quakte“, ein Elektretmikrofon hatte und keine Batterien brauchte) bis zum größten Funkfernschreiber – etwa im gleichen Umfang ausgebildet, wie die dort eingesetzten Chargen und Unteroffiziere. AN/GRC-26, ein auf einem dreiachsigen, geländegängigen Transportfahrzeug M35 mit Kastenaufbau und Aggregatanhänger verlasteter Funkfernschreibgerätesatz, bedient durch vier Mann. Der AN/GRC-26, an dem die Militärakademiker ausgebildet wurden, hat übrigens „überlebt“ und ist heute Teil der Fernmeldegerätesammlung des Heeresgeschichtlichen Museums in der Starhembergkaserne.

Fliegerschule

Das Ausbildungsziel der aus fünf Militärakademikern bestehenden Lehrgruppe Flieger war die Qualifikation als Militär-Flugzeugführer. Geschult in Zeltweg an der Saab 91 „Safir“ erwarben die Fähnriche ab Mitte des Zweiten Jahrganges die Befähigung des selbstständigen Führens einmotoriger Luftfahrzeuge mit einem maximalen Abfluggewicht von 2.000 kg, die Befähigung für Sichtflüge bei Nacht sowie für den Flugfunkverkehr. Zu den Ausbildungsinhalten zählten u.a. Luftfahrzeugkunde, Aerodynamik, Meteorologie, Navigation, Luftverkehrsregeln, Luftfahrtrecht, Geographie, Flugfunk einschließlich Morsen, Grundlagen des Instrumentenfluges sowie fliegertaktische Ausbildung. Die weitere Ausbildung zum Einsatzpiloten – darunter Tiefflug, Verbandflug, Kunstflug, fliegertaktische Fortbildung mit Aufklärung und Schießen sowie die Typenschulung – erfolgte nach der Ausmusterung beim Einsatzverband.           

Fliegerabwehrtruppenschule (später in Fliegerabwehrschule umbenannt)

Die drei Militärakademiker der Lehrgruppe Fliegerabwehr (der österreichische Begriff Fliegerabwehr entspricht nicht dem gleichlautenden deutschen Begriff, sondern dem deutschen Begriff Flugabwehr, wenngleich der deutsche Begriff Fliegerabwehr dem österreichischen Begriff Fliegerabwehr aller Truppen entspricht) erlernten an der Waffenschule die Führung eines Fliegerabwehrzuges und die Bedienung folgender Fliegerabwehrkanonen: 2-cm-Fliegerabwehrkanone 65/68 (Oerlikon), 3,5-cm-Zwillings-Fliegerabwehrkanone 65 (Oerlikon) samt Feuerleitgerät 65 „Super Fledermaus“ (Contraves), 4-cm-Fliegerabwehrkanone 55/57 (Bofors) und 4 cm Zwillings-Fliegerabwehrkanone auf Selbstfahrlafette M 42 (Bofors).

Mit der 3,5-cm-Zwillingsfliegerabwehrkanone und der Selbstfahrlafette M 42 wurde am Truppenübungsplatz Allentsteig auf Erd- und Luftziele scharf geschossen. Am Luftzielschießplatz Oggau überwachten die Militärakademiker u.a. als Radarbeobachter im Feuerleitgerät „Super Fledermaus“ die Flugsicherheitszone um einfliegende Luftfahrzeuge an die Schießübungsleitung zu melden. Dabei gelang es sogar eine MiG-21 in Überschallgeschwindigkeit etwa zehn Kilometer von der Staatsgrenze entfernt aufzufassen und automatisch zu verfolgen.

Das Schwergewicht des praktischen Trainings lag bei der Schulung als Kommandant einer 3,5-cm-ZillingsFlAK Feuereinheit (eines Fliegerabwehrzuges), wobei als Geschützbedienung Soldaten der Einjährig-Freiwilligen-Batterie zur Verfügung standen. Flugzeugerkennungsdienst, Radartechnik, zu erwartender Luftfeind, Einsatzgrundsätze der Fliegerabwehr, Einsatz der Flugmelder und ausländische Flugabwehrsysteme waren weitere Kernpunkte der Ausbildung. Im Winter befanden sich die Militärakademiker der Lehrgruppe Fliegerabwehr als Ausbilder der Einjährig-Freiwilligen-Batterie bei deren Alpinkurs am Truppenübungsplatz Lizum/Walchen.

Heeresversorgungsschule

Die Ausbildung der vier Militärakademiker der Lehrgruppe Wirtschaftsdienst prägte die Vorbereitung auf ihre künftigen Aufgaben als Wirtschaftsoffizier. Neben der intensiven, praxisorientierten Vermittlung von Fachkenntnissen ging es dabei stets um das Verständnis der Tätigkeit „bei der Truppe“ und die Mitverantwortung für das Wohl der Soldaten. Die Ausbildung umfasste v.a. die Bereiche Verpflegung (einschließlich aller gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Hygiene, Beschaffung, Lagerung und Zubereitung verbunden mit dem Auftrag, im Frieden und im Einsatz ausreichendes und gesundes Essen bereit zu stellen), Bekleidung und Ausrüstung (im Sommer und Winter, sowohl im Ausbildungsbetrieb in den Kasernen als auch im hochalpinen Gelände), Unterbringung der Soldaten (in „bewohnbaren“ Kasernen auch bei Manövern), Flurschadensbehebung (bei und nach Übungen) sowie finanzielle Angelegenheiten einschließlich Auszahlung (damals erhielten die Soldaten das Gehalt noch direkt von den Angehörigen des Wirtschaftsdienstes) und Inkasso (des Zeitwertes von Ausrüstungsgegenständen vom Verlierer oder Beschädiger).

Die Lehrgruppe technischer Dienst, bestehend aus 20 Militärakademikern, wurde vor allem zur Lösung der technischen Probleme zur Erhaltung und Instandsetzung der technischen Ausstattung kleiner Verbände ausgebildet. An der Heeresversorgungsschule erlernte die Lehrgruppe gemeinsam militärspezifische Mathematik, Physik, Chemie, Elektronik sowie Maschinenbau einschließlich der einschlägigen Gesetze und Vorschriften (wie Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, technische Sicherheitsbestimmungen und Unfallverhütung). Ein weiterer Ausbildungsschwerpunkt war das Erlernen einer leitenden Funktion zur Sicherstellung der ständigen materiellen Einsatzbereitschaft der Waffensysteme und Feldzeuggeräte des kleinen Verbandes (einschließlich dessen Kraftfahrzeugen und technischen Anlagen sowie die dazu erforderliche Einleitung und Durchführung personeller, technischer und materieller Maßnahmen). Die intensive praktische Ausbildung erfolgte bei der Truppe und bei privaten Unternehmen. Dazu wurden die Militärakademiker auf Fachgruppen in der für sie vorgesehenen Verwendung (Kraftfahrzeugtechnik, Panzertechnik, Luftfahrzeugtechnik, Radartechnik, Waffentechnik, Fernmeldetechnik etc.) aufgeteilt. Nach dreijähriger Verwendung in ihrer Fachfunktion konnten die Absolventen der Ausbildung (auf Ansuchen verbunden mit einer Prüfung) den Ingenieurstitel erhalten.

48. Wie wurde die Offiziersausbildung vor 50 Jahren vom Ausland eingeschätzt?

Die österreichische Offiziersausbildung galt als überdurchschnittlich. Es wurde sogar schriftlich und mündlich versucht, Jahrgangsangehörige für den Dienst in fremden Armeen (Naher Osten, südliches Afrika) ab- bzw. anzuwerben. Geboten wurde z.B. eine standesgemäße Unterkunft, ein Dienstwagen und 40.000 Schilling Monatsgehalt (entspricht etwa der heutigen Kaufkraft von 11.500 Euro). Das war damals ein kleines Vermögen, fast ein Managergehalt und das Zehnfache des Anfangsgehaltes eines österreichischen Offiziers von ca. 4.000 Schilling (entspricht etwa der heutigen Kaufkraft von 1.150 Euro). Auch das zeigt die internationale Wertschätzung der damaligen Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie. Dennoch wechselte kein einziger Jahrgangsangehöriger zu einer fremden Armee.

49. Wie erfolgten damals die Feierlichkeiten anlässlich der Ausmusterung?

Die Feierlichkeiten anlässlich der Ausmusterung der Militärakademiker zum Leutnant des Bundesheeres am Sonntag den 23. September 1973 begannen im Maria Theresien-Rittersaal mit der Übergabe der Dekrete und der Ehrenringe der Theresianischen Militärakademie in Silber. Der Jahrgangserste erhielt den Ehrenring der Theresianischen Militärakademie in Gold. Dem folgten auf dem Maria-Theresien-Platz – mit Ehrenformation, Gardemusik, zahlreichen Abordnungen, Fahnenübergabe an den nächsten Burgherren-Jahrgang und Großem Zapfenstreich – die Festansprachen des Akademiekommandanten, des Verteidigungsministers und des Bundespräsidenten, das Treuegelöbnis sowie die feierliche Übernahme der Leutnante durch Handschlag des Bundespräsidenten und Oberbefehlshaber des Bundesheeres, Franz Jonas. Den Abschluss bildete die Defilierung („Ausmusterungsparade“) entlang der Grazerstraße über den Burgplatz.

Für viele Absolventen war dieser Tag einer der Höhepunkte ihres bisherigen Lebens, „gehörte“ er doch ausschließlich dem Ausmusterungsjahrgang, denn eine gemeinsame Ausmusterung mit Milizoffizieren (ohne Jahrgangsnamen) gibt es erst seit 1978. Anders als bei den derzeitigen Ausmusterungen erhielten die Absolventen weder Offizierssäbel noch gab es ein Feuerwerk. Als Ausmusterungsscherz (eine Tradition an der Militärakademie) übersandte der Jahrgang dem Verteidigungsminister Karl Lütgendorf eine Bahnfahrkarte mit dem Vorschlag, bei der Fahrt zur Ausmusterung auf sein Dienstfahrzeug zu verzichten. Denn unter Lütgendorf wurde die Wehrdienstzeit verkürzt und die „Ausmusterungsparade“ minimiert, letzteres (angeblich) um Treibstoff zu sparen. Zur steten Erinnerung brachte der Jahrgang auf dem Maria-Theresien-Platz in der Nacht zum Sonntag ein mehrere Meter großes Jahrgangsabzeichen an, das auf Grund der wetterfesten Farbe dort jahrelang prangte.

Darüber hinaus sperrte der Jahrgang den Haupteingang der Militärakademie mit den Haubitzen (10,5-cm-leichte Feldhaubitzen 18/40) die ansonsten dekorativ zu beiden Seiten des Haupteinganges standen. Die Haubitzen wurden dazu quergestellt, zusammengebunden und deren Räder in die „Löwengrube“ (ca. zwei Meter tiefe ausbetonierte rechteckige Grube mit senkrechten Wänden) der Hindernisbahn des Akademieparks verbracht, denn auch die Gäste sollten (genau wie es die Militärakademiker mussten) die Akademie zu Fuß durch den Seiteneingang erreichen.

50. Wer hat die Ausbildung geschafft, was wurde aus diesen Personen und in welchen Bereichen haben sie das Bundesheer der nächsten Jahrzehnte mitgestaltet?

Diese 52 Militärakademiker – Reihung alphabetisch (in Klammer Geburtsjahr, Ausmusterungswaffengattung, eventueller akademischer Grad, letzterreichter Dienstgrad und bei den bereits Verstorbenen das Todesjahr) – haben das Ausbildungsziel erreicht:
 

Einen Generalsrang (Generalmajor, Brigadier) erreichten zwölf, einen akademischen Grad (Dr., Dipl.-Ing., Mag., MSc, …) erlangten ebenfalls zwölf Jahrgangsangehörige. Zwei Jahrgangsangehörigen wurden bereits Märsche gewidmet (Oberst Nidetzky Marsch, Generalmajor Hofer Marsch). Anders als heute blieben fast alle Jahrgangsangehörigen bis zum Eintritt in den Ruhestand oder bis zu ihrem Tod dem Bundesheer treu. Bisher  verstarben 18 Jahrgangsangehörige, drei davon in direkter Folge ihrer dienstlichen Tätigkeit (einer im Einsatz bei der United Nation Disengagement Observer Force, der zweite bei einem Hubschrauberabsturz und der dritte nach dem Einatmen von Giftstoffen, weil er, im Glauben, ein Untergebener wäre noch darin, zur Rettung dessen in einen Raum ging, in dem ein Nebeltopf abbrannte). Im 50. Jahr nach der Ausmusterung waren noch 34 Jahrgangsangehörige am Leben.

Angehörige des Jahrganges Starhemberg 1683 wirkten im Bundesheer der Zweiten Republik in mehr als vier Jahrzehnten u.a. als Nationaler Rüstungsdirektor, Kommandant der Luftstreitkräfte, Militärkommandant von Kärnten, Leiter des Amtes für Wehrtechnik, Kommandant der Pioniertruppenschule, Sektionsleiter, Gruppenleiter, Abteilungs- und Referatsleiter im Verteidigungsministerium bzw. im (ehemaligen) Armeekommando in den Bereichen Logistik, Ausbildung, Vorschriftenwesen, Regiments- und Bataillonskommandanten, Leiter der größten militärischen Logistikanstalt Österreichs, Jahrgangskommandanten, Hauptlehroffiziere, Lehrgruppenoffiziere bzw. Erzieheroffiziere an der Theresianischen Militärakademie, Lehrstabsgruppenkommandanten, Lehrgruppenoffiziere und Lehroffiziere an mehreren Waffenschulen und Militärattaché in Beijing.

Manche davon erbrachten auch über ihre organisationsplanmäßige Funktion hinaus beachtenswerte Leistungen z.B. als Weltmeister im militärischen Einzelkunstflug, zweimaliger Vizeweltmeister im Staffelkunstflug (mit der „Karo Ass Staffel“), zweifacher Militärweltmeister (Degen, Säbel) und sechsfacher Staatsmeister im Fechten (Florett, Degen und Säbel), Ausdauersportler (Marathonlauf, Ironman-Triathlon, Ultralauf), Bezirkshauptmann von Spittal a.d. Drau, Generalsekretär der Kriegsgräberfürsorge „Schwarzes Kreuz“, Regionalpolitiker, Schriftsteller, Lyriker und Dichter, Musiker (Trompete), Kalligraph, Ingenieure, Sachverständige, Konfliktanalytiker, Autoren, Lektoren und Korrektoren von Fachliteratur, Kolumnisten, Informationsoffiziere und Rhetoriktrainer (u.a. eines späteren Bundeskanzlers).

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Zeitgenössische Zitate, Sprüche und Anekdoten


… zu Meldungen und Rapport:

»Ich melde, dass ich nichts zu melden habe« scherzten die Militärakademiker über die Pflicht, fast alles und (sich) fast überall melden zu müssen.

Den Bittrapport nannten die Militärakademiker untereinander zynisch »Küsser« (weil man zum Kommandanten um etwas „Küssen“, also unterwürfig Bitten, ging) und den befohlenen Rapport »Betoner« (weil man dort manchmal „Beton“ ausfasste, also bestraft oder gerügt wurde).

»Herr Hauptmann! Militärakademiker N. meldet sich wegen ungeordnetem Durcheinander wie befohlen zum Rapport!« Auch das gab es, denn auf Ordnung und Disziplin wurde großer Wert gelegt.

… über das Warten:

»Die Hälfte seines Lebens wartet der Soldat vergebens und die andere Zeit ist er marschbereit« wies auf systemimmanente (und andere) Wartezeiten beim Militär hin, die von den Heeresgegnern gerne als „Leerlauf“ hingestellt wurden. Weil einsatzerprobte Offiziere generell mit Imponderabilien rechneten und deshalb Reserven – auch Zeitreserven – einplanten, galt damals auch »Fünf Minuten vor der Zeit ist des Soldaten Pünktlichkeit«.

 

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