• Veröffentlichungsdatum : 04.09.2025
  • – Letztes Update : 10.12.2025

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  • 569 Wörter

Strategische Kommunikation ist Landesverteidigung

Nicolai Tschol

Das moderne Informationsumfeld ist geprägt durch einen 24-Stunden-Nachrichtenzyklus, die Dominanz sozialer Medien und die Globalisierung öffentlicher Debatten. Während in früheren Konflikten noch ein Mindestmaß an redaktioneller Kontrolle vorherrschte, markierte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine eine Zäsur. Es ist der erste militärische Konflikt, bei dem Sofortnachrichten und Desinformationskampagnen über Plattformen wie Telegram und TikTok die Eindrücke und Empfindungen ungefiltert beeinflussen. Die faktische Realität ist zweitrangig, die Wahrnehmung entscheidend – perception becomes reality.

Bedrohungsfaktor Desinformation

Autoritäre und vorgeblich demokratische Staaten nutzen Desinformation systematisch, um demokratische Gesellschaften zu destabilisieren, ohne die Schwelle einer bewaffneten Auseinandersetzung überschreiten zu müssen. Dadurch soll das Vertrauen in die Institutionen untergraben, gesellschaftliche Spaltungen vertieft und die Handlungsfähigkeit insgesamt gelähmt werden. Ein koordinierter gesamtstaatlicher Ansatz ist unumgänglich, um dem gegenzusteuern. Strategische Kommunikation ist dabei nicht einfach jegliche Kommunikation auf strategischer Ebene, sondern folgt einem gesamtstaatlichen werte- und interessenbasierten Ansatz.

Sie ist die bewusste, koordinierte und angepasste Nutzung aller kommunikativen Fähigkeiten und Instrumente staatlicher Macht zur Durchsetzung eigener Interessen. Dazu müssen die interministerielle Zusammenarbeit intensiviert, das „Silodenken“ überwunden und ein effektives ressortübergreifendes Krisen- und Kommunikationsmanagement geschaffen werden. Mit der Etablierung des Krisensicherheitsbüros im Bundeskanzleramt unter Generalmajor Peter Vorhofer ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung erfolgt.

Worte und Taten

Strategische Kommunikation soll auch als gesamtstaatlicher Bezugs- und Handlungsrahmen für moderne Streitkräfte verstanden werden. Nachhaltiger Erfolg rein durch Kommunikationsmaßnahmen ist eine Illusion, ebenso wie durch einen rein kinetischen Ansatz. Optimale Wirkung im Ziel kann nur durch ein orchestriertes Zusammenspiel zwischen Aktion und Kommunikation erfolgen. Dies bedingt zuallererst einen politischen Willen sowie die entsprechende militärstrategische und operative Umsetzung. So werden Streitkräfte durch militärische Aktivitäten als Projektion des politischen Willens selbst zum Instrument strategischer Kommunikation.

Einstellungen und Verhalten im Fokus

Im 2023 verfügten Querschnittskonzept „Einsatz im Informationsumfeld“ wird konstatiert, dass das Österreichische Bundesheer in die Lage versetzt werden muss, gesamtstaatlich sowie im europäischen Kontext seinen Beitrag leisten zu können. Die geplante Aufstellung der bereits im militärstrategischen Konzept 2017 skizzierten Informationskräfte als eigene Teilstreitkraft, mit den Waffengattungen Kommunikationstruppe und PsyOps-Truppe, zielt darauf ab. Diese müssen aber auch im Rahmen des Internationalen Krisen- und Konfliktmanagements (IKKM) der UN, EU, OSZE und NATO interoperabel sein.

Vor allem die NATO hat in den letzten Jahren begonnen, ebenenübergreifend Elemente für strategische Kommunikation zu implementieren und konzentriert sich verstärkt auf eine verhaltensorientierte Einsatzführung. Nicht mehr das bloße Zusammenwirken militärischer, politischer und ziviler Fähigkeiten ist entscheidend, sondern das Erzielen von Effekten auf der kognitiven Ebene – dort wo Entscheidungen getroffen werden. Die Menschen, ihre Einstellungen, Motive und ihr Verhalten stehen im Fokus, wenn es um die Erreichung strategischer Ziele geht.

Interoperabilität

Das BMLV hat im Rahmen des Individually Tailored Partnership Programme (ITPP) der NATO das Partnership Goal „Strategic Communication“ unterzeichnet und die Absicht bekundet, die Rahmenbedingungen zur Implementierung der strategischen Kommunikation auf allen Führungsebenen zu schaffen. Erst im April dieses Jahres wurde dazu die Allied Joint Doctrine for Strategic Communication adaptiert. Sie dient nun als Grundlage für die nationale Entwicklung von Konzepten und Doktrinen für das BMLV und das Bundesheer.

Österreichs wichtigster (supranationaler) Handlungsrahmen bleibt jedoch die Europäische Union. Mehr Resilienz und die Abwehr hybrider Bedrohungen, insbesondere von Desinformationskampagnen sowie ausländischer Informationsmanipulation und Beeinflussung, ist auch ein zentrales Handlungsfeld des 2022 gebilligten Strategischen Kompasses der Europäischen Union. Dort wird klar: Wer die gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit stärkt und Narrative kontrolliert, gewinnt Auseinandersetzungen. Strategische Kommunikation ist in diesem Sinne ein Element der Landesverteidigung.

 

Oberrat Mag. Nicolai Tschol; Gruppe Direktion Kommunikation 


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 3/2025 (405).

Zur Ausgabe 3/2025 (405)


 

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