• Veröffentlichungsdatum : 21.11.2025

  • 3 Min -
  • 504 Wörter

Eine gefährliche Frau. Die Geschichte von Virginia Hall, der meistgesuchten Spionin des Zweiten Weltkriegs

Sonia Purnell

Purnell, Sonia:

Eine gefährliche Frau. Die Geschichte von Virginia Hall, der meistgesuchten Spionin des Zweiten Weltkriegs

BTB: München 2022

505 S, 37 s/w Abb., 1 Karte,

ISBN: 978-3-442-77159-2

Die US-Amerikanerin Virginia Hall (1906 bis 1982) gilt als eine der erfolgreichsten Agentinnen der britischen SOE („Special Operation Executive“) und des US-Geheimdienstes OSS („Office of Strategic Services“, Vorläuferin der CIA), die in der Zeit der deutschen Besatzung Frankreichs 1940 bis 1944 im Untergrund tätig war.

Was Virginia Hall besonders macht, ist die Tatsache, dass sie ihre beachtlichen Leistungen trotz ihrer Körperbehinderung durch eine Beinprothese durchführte. Nach dem Krieg arbeitete sie bei der 1947 gegründeten CIA, weigerte sich jedoch – anders als viele ehemaligen Agenten – ihre Geschichte in der Öffentlichkeit zu präsentieren, sodass sie bald in Vergessenheit geriet. Das sollte sich nach der Jahrtausendwende, vor allem anlässlich ihres 100. Geburtstages ändern. 2019 wurde ihre Biografie in dem Film „Liberté: A Call to Spy“, dargestellt durch Sarah Megan Thomas, verarbeitet.

In insgesamt zwölf Kapiteln samt einem Epilog wird Halls Biografie in dem vorliegenden Werk dargestellt. Die meisten behandeln ihr Arbeiten und Leben in Frankreich in den Jahren 1940 bis 1942 und 1944/45. Die Quellen stammen aus britischen und US-Amerikanischen Archiven, aber auch vom Service Historique de la Défense und dem Centre d´Historie de la Resistance e de la deportation.

Die verwendete Literatur ist größtenteils aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum. Angesichts der Tatsache, dass sich diese Handlungen zum Großteil in Frankreich abspielten, ist es merkwürdig, dass die reichhaltige französische Literatur nicht stärker berücksichtigt wurde. Ebenfalls fehlt die deutsche Spezialliteratur, wie Klaus Hammerschmidts Dissertation zu Klaus Barbie, der in Lyon vergeblich versuchte Virginia Hall aufzuspüren („Die Nachkriegskarriere des „Schlächters von Lyon“).

Bei aller Detailgenauigkeit und Quellenschärfe fällt auf, dass die Autorin Virginia Hall als Lichtgestalt und makel- sowie selbstlose Kämpferin für eine fremde (französische) Sache präsentiert wird. Sie wird dabei mit wohlwollenden Adjektiven überhäuft, wodurch die französischen Widerstandskämpfer der Resistance wie Jean Moulin (1899 bis 1943) außerhalb der SOE beinahe verschwinden und ein weibliches Heldenepos US-amerikanischer Art präsentiert wird. Auch der deutsche Titel des Buches wird dem amerikanischen Original (A woman of no importance) nicht gerecht, sondern ist reißerisch formuliert und mit Superlativen („meistgesucht“) überfrachtet.

Bis auf kurze Abschnitte fehlt der Überblick über die kriegshistorischen Ereignisse ab 1940 bis zum Kriegsende wie auch eine bessere Beschreibung von Vichy-Frankreich und des besetzten Teiles. Eklatant ist jedoch das fehlende Wissen der Autorin in militärhistorischer Hinsicht, was sich etwa in verwunderlichen Aussagen über den „Blitzkrieg“ zeigt. Mit der Konsultierung einschlägiger deutschsprachiger Literatur (etwa Karl Heinz Friesers Werk „Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940“) hätte sich das vermeiden lassen.

Dass Purnell einen sehr guten Schreibstil pflegt, ist unbestritten, doch um eine exquisite Biographie zu schreiben, bedarf es mehr – auch wenn das Buch den „Plutarch Award“ bekommen hat. Eine fachliche Überarbeitung wäre dringend notwendig, auch humpelt die deutsche Übersetzung durch das militärhistorische Fachvokabular und sollte durch einen militärhistorischen Fachmann überarbeitet werden. Dennoch ist das Buch lesenswert, empfehlenswert ist jedoch sich zuerst die vierteilige Dokumentation von ARTE „Widerstand – die Resistance“ zu Gemüte zu führen.

-mpr-

 

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