Roter Stern über Graz – 75 Tage sowjetische Besatzung 1945

Barbara Stelzl-Marx
Roter Stern über Graz – 75 Tage sowjetische Besatzung 1945
Verlag: Molden Verlag
Erscheinungsjahr: 2025
280 Seiten
ISBN: 978-3-222-15148-4
28,00€
Mit ihrem Buch „Roter Stern über Graz – 75 Tage sowjetische Besatzung 1945“ beleuchtet die Historikerin Barbara Stelzl-Marx diese kurze, aber einschneidende Phase der sowjetischen Besatzung in der steirischen Landeshauptstadt.
Die Autorin schildert die 75 Tage der sowjetischen Präsenz in Graz nach dem Einmarsch der Roten Armee in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945. Anhand von zahlreichen Archivdokumenten, Zeitungsartikeln und eigens durchgeführten Interviews mit Zeitzeugen beschreibt sie den Alltag der Menschen in dieser von Angst und Ungewissheit, aber zugleich auch Erleichterung und Hoffnung geprägten Übergangszeit. Stelzl-Marx gelingt es, die vielschichtige Situation der Besatzung mit all ihren Facetten differenziert darzustellen: Neben Berichten über Gewalt, den Mangel an Nahrungsmitteln und der Sorge vor Repressalien, zeigt sie auch Szenen von Zusammenarbeit und Zuversicht. Dabei gelingt es ihr, die menschlichen Schicksale zu schildern, ohne jedoch zu dramatisieren und bewahrt dennoch einen nicht zu distanzierten Ton.
Das Buch ist klar gegliedert. Jedes Kapitel beginnt mit einer schriftlichen Meldung an die Polizei, das Stadtkommando oder den Bürgermeister, worin die Bürger unter anderem Sachverhalte wie Plünderungen oder sexuellen Missbrauch zur Anzeige bringen. Im weiteren Verlauf werden in den Textabschnitten die Umstände genauer beschrieben. Dabei zieht sich die Perspektive von Johanna Herzog, der Dolmetscherin des sowjetischen Stadtkommandanten, wie ein roter Faden durch die gesamte Publikation. Besonders eindrücklich geblieben sind zwei Aspekte, die das Spannungsfeld dieser Zeit deutlich machen: Zum einen die sexualisierte Gewalt gegen Frauen und die daraus resultierenden ungewollten Schwangerschaften, zum anderen die Schilderung, dass viele sowjetische Soldaten als ausgesprochen kinderlieb charakterisiert wurden. Diese Ambivalenz – der Kontrast zwischen brutaler Gewalt und menschlicher Zuwendung – zeigt, wie widersprüchlich diese Zeit war und wie unterschiedlich die Erfahrungen der Menschen ausfielen.
„Roter Stern über Graz“ ist ein Muss für alle, die sich für die Nachkriegsgeschichte in Österreich interessieren. Gerade in Zeiten, in denen in Europa wieder Krieg herrscht, ist dieses Buch besonders lesenswert. Es erinnert uns daran, dass derartige Zustände jederzeit wieder Realität werden können und wie wertvoll Frieden und Freiheit sind.
-san-