Zwischenziel erreicht

Die Reaktionsmiliz ist ein neues Element des Bundesheeres. Bewährungsprobe für die Soldaten der Reaktionsmiliz beim Jägerbataillon 12 war eine neuntägige Waffenübung. Mit dieser erreichten sie ihr erstes Ziel, die Fähigkeit zum Einsatz in einem Schutzszenario geringer Intensität.
Vom 11. bis 19. Oktober 2024 fand auf dem Schießplatz Ramsau/Molln die Beorderte Waffenübung (BWÜ) der 4. Jägerkompanie/Jägerbataillon 12 statt. Diese Einheit ist ein Element der Reaktionsmiliz des Bundesheeres und übt im Verbund des Bataillons weitgehend autark. Inhalte dieses Vorhabens waren die Erste-Hilfe-Ausbildung, die Waffen- und Geräteausbildung sowie diverse Scharfschießen. Der Höhepunkt war eine 48-stündige durchgehende Übung in einem Schutzszenario, das sich über drei Tage erstreckte. Das Ausbildungsthema war der Objektschutz einer Einrichtung der Kritischen Infrastruktur.
Üben in der Funktion
Die Kompanie hat aktuell eine Stärke von etwa 60 Soldaten. Das entspricht einem Kompaniekommando mit einer Versorgungs- und einer Kommandogruppe sowie einem (verstärkten) Jägerzug. Diese Personalstärke wurde auch bei dieser dreitägigen Übung berücksichtigt. Der Jägerzug war beim Schutzobjekt eingesetzt, ein Sendemast auf dem Schießplatzgelände, den er bewachte, und er überwachte das Angelände. Das Kompaniekommando befand sich beim Gebäude des Truppenübungsplatzkommandos, von wo aus es seine Führungs- und Versorgungsaufgaben wahrnahm. Das war insofern günstig, da alle Elemente getrennt voneinander üben konnten, aber doch so nahe beisammen waren, dass sie eine gefechtstechnische Einheit blieben.
Der Jägerzug hatte mehr Soldaten als es der Organisationsplan vorsieht, und die Scharfschützengruppe der Kompanie war ihm auch unterstellt. Somit konnte der Zug ohne Einschränkungen üben. Der Kompanie fehlten hingegen die anderen Züge. Das wurde hinsichtlich der Übungsanlage so gelöst, dass fiktive Einlagen eingespielt wurden, die auch jene Züge berücksichtigten, die es (aktuell) noch nicht gibt.
Für beide Elemente galt, und das war ein Grundsatz dieser Übung, dass die Organisationplanwahrheit gewahrt blieb und jeder Soldat in seiner Funktion üben konnte. Eine Fülltruppe war somit nicht notwendig, wenngleich kaum eine Übung ohne externe Elemente bzw. zusätzliche Soldaten auskommt. Bei dieser BWÜ waren das Soldaten des Aktivstandes, die temporär zu dieser Kompanie gehörten, dienstzugeteilte Ausbilder des Bataillons für die Übungseinlagen und die dazugehörigen Feinddarsteller, aber auch das Personal des Schießplatzes Ramsau/Molln.
Einsatz des Zuges
Der Einsatz des Jägerzuges beim Schutzobjekt erfolgte anhand der Grundsätze, die in den einschlägigen Vorschriften verfügt sind. Konkret gab es eine innere Sicherung, die den unmittelbaren unbefugten Zugriff auf das Objekt verhindern sollte, und – mit deutlich mehr Elementen – eine äußere Sicherung, die eine (unerkannte) Annäherung von Personen – an der Zufahrtsstraße sowie im Angelände – frühzeitig erkennen sollte.
Eingesetzt waren je eine Gruppe für das Betreiben des Kontrollpunktes bei der Zufahrtsstraße, für die Verbindungs- sowie den stehenden Spähtrupp und als Eingreifkraft. Die vierte Gruppe hatte Ruhe und wurde grundsätzlich ausgespart. Darüber hinaus wurden Elemente des Zugtrupps für die unmittelbare Bewachung des Schutzobjektes und für die Zutrittskontrolle eingesetzt. Die vier Soldaten der Scharfschützengruppe waren ebenfalls dem Zug unterstellt, jedoch selbstständig als „Auge“ eingesetzt und betrieben einen Beobachtungspunkt.
Ein wesentliches Element der Übung war die Organisation innerhalb des Zuges. Damit verbunden war das Erstellen eines Dienstrades durch den Zugs- und die Gruppenkommandanten. Damit sollte eine lückenlose Durchführung des Auftrages genauso gewährleistet werden wie das Erhalten der Kampfkraft. Zusätzlich gab es eine Ablöse innerhalb des Zuges, damit jede Gruppe und somit jeder Soldat auch jede Tätigkeit/Aufgabe beim Schutz eines Objektes üben konnte. Die Zeitanhalte waren jedoch deutlich kürzer als bei einem realen Einsatz, damit diese Zielsetzung auch tatsächlich möglich gemacht werden konnte.





Drehbuch
Die Übung folgte einem Drehbuch. Dieses ist die Voraussetzung für die Planung der Einlagen, die dem Ausbildungsstand entsprechen und ein realistisches Bild vermitteln sollen. Das Drehbuch ist aber auch die Basis für das Einhalten der Ausbildungsgrundsätze oder die Anforderung von Personal und Material bzw. die diesbezüglichen Einweisungen und somit eine wesentliche Planungsgrundlage. Die Einlagen begannen bereits beim Einrichten des Zuges, wobei es sich um einfache Aufgaben handelte, wie Personenkontrollen ohne Verdachtsmomente.
Etwa alle zwei Stunden gab es eine Aktion, die mit einer schrittweisen Steigerung der Schwierigkeitsstufe bzw. einer Lageeskalation verbunden war. Beispielsweise mussten mehrere Personen kontrolliert werden, die keine Ausweise und verbotene Gegenstände bei sich hatten, oder Fahrzeuge durchsucht werden, in denen Waffen versteckt waren. In den Nachtstunden gab es zwischen 2400 und 0430 Uhr absichtlich keine Aktionen. Die Übung lief dennoch weiter.
Bei den Aktionen waren neben den Feinddarstellern auch ein oder mehrere Ausbilder (Kadersoldaten) vor Ort. Die Gefechtssituationen wurden grundsätzlich komplett durchgespielt. Danach gab es eine Übungsunterbrechung und eine Nachbesprechung. Dabei wurde erörtert, was gut oder schlecht funktioniert hatte, wo es noch welchen Nachholbedarf gab, und es wurden praktische Tipps von erfahrenen Ausbildern gegeben. Manche Aktionen wurden wiederholt, um sicherzustellen, dass „die richtigen Bilder“ vermittelt werden und der Übungs- und Ausbildungserfolg gewährleistet ist. Auch deshalb war der Zwei-Stunden-Takt bei den Einlagen günstig, da so die nötigen zeitlichen Freiräume für Wiederholungen und Nachbesprechungen gewährleistet waren.
Die Teilnehmer lösten die ihnen gestellten Aufgaben ihrem Ausbildungsstand gemäß gut, jedoch mit den damit verbundenen typischen Fehlern. Das waren beispielsweise zu geringe Abstände zwischen den Personen (zu den Verdächtigen, aber auch zwischen den Soldaten) bei Kontrollen, das Übersehen von gefährlichen Gegenständen, keine Weitergabe von Meldungen, unzureichende Sicherung und ähnliche Dinge. Bei den Nachbesprechungen brachten sich die Milizsoldaten aktiv durch Nachfragen ein und konnten so die Tipps und Tricks der Ausbilder im weiteren Übungsverlauf umsetzen.
Der Höhepunkt der Aktionen war eine Demonstration, die auch das Ende der Gefechtsübung markierte. Diese war hinsichtlich der Vorbereitung aufwendig, da die Darsteller zum Übungsort transportiert werden mussten und dort in den Ablauf einzuweisen waren. Solche Einlagen können rasch eine ungewollte Eigendynamik entwickeln, weshalb die Ausbilder während der Aktionen auch diesen sicherheitsrelevanten Aspekt beachten mussten. Das galt aber nicht nur für die „Übungsdemonstranten“, sondern auch für die beübte Truppe.
Vorschriftskonformes Training
Eine Herausforderung, die jede Ausbildung begleitet, ist deren vorschriftskonforme Durchführung. Neben der damit verbundenen Rechtssicherheit und Einheitlichkeit ist auch die Vorbereitung anhand von Vorschriften ein wesentlicher Aspekt. Bei der Reaktionsmiliz gilt dies insofern, als die Soldaten über jene Vorschriften verfügen, die sie in ihrer Funktion benötigen. Anhand dieser bereiten sie sich auf die Inhalte ihrer Übungen vor, wobei das theoretische Wissen ebenfalls überprüft wird.
Neben dem klassischen Selbststudium nützen sie auch die Online-Plattform „Sitos 6“ des Bundesheeres, deren Inhalte ebenfalls den Vorschriften entsprechen. Somit ist gewährleistet, dass alle Übungsteilnehmer – sowohl das Ausbildungskader (Berufssoldaten) als auch die Auszubildenden – die einschlägigen Bestimmungen kennen und einhalten. Das Übertragen der Theorie in die Praxis bleibt dennoch eine Herausforderung für alle Beteiligten und der Hauptzweck von praktischen Übungen im Feld.
So gelingt die Ausbildung
- Klare Ziele: Festlegen von mess- und erreichbaren Jahreszielen und den damit verbundenen Zwischenzielen (Übungszielen) gemäß den Vorgaben für die jeweilige Funktion innerhalb eines Elementes.
- Motivation: Sowohl die Auszubildenden als auch die Ausbilder müssen einen Sinn in ihrer Tätigkeit sehen und diese ausführen wollen.
- Wertschätzung: Ein kameradschaftlicher Umgang ist die Basis für den Korpsgeist und das Vertrauen innerhalb einer Kampfgemeinschaft.
- Vorbereitung: Die frühzeitige und detaillierte Planung, bei der auch Lageänderungen berücksichtigt werden können, ist die Voraussetzung für eine zielgerichtete und aufbauende Ausbildung sowie für das Vorhandensein des nötigen Gerätes und Personals.
- Vorschriftenwissen: Theoretisches Wissen ist die Basis für eine praxisorientierte Ausbildung; den gleichen Wissensstand innerhalb der Truppe zu haben ist das Fundament rechtssicheren Handelns.
- Weniger ist mehr: Gemäß dem Paretoprinzip kann man (sinngemäß) mit 20 Prozent (Basis-)Wissen, 80 Prozent aller Aufgaben erfüllen, weshalb dieses Prinzip (inklusive Zeitreserven) in der Ausbildung ebenfalls relevant ist.
- Ausbildungsschritte: Das Vermitteln der Ausbildungsinhalte vom Bekannten zum Unbekannten, vom Leichten zum Schweren und vom Teil zum Ganzen führt die Soldaten an das Ausbildungsziel.
- Grundsätze: Sowohl für die Ausbildung als auch für die Führung gibt es Leitlinien, die für den Erfolg auf dem Gefechtsfeld und der damit verbundenen Ausbildung essenziell sind.
Jahreshöhepunkt
Insgesamt 30 Tage Übung müssen die Soldaten der Reaktionsmiliz in einem Kalenderjahr ableisten. Diese BWÜ war die fünfte Übung dieses Jahres, dem ersten seit es das Modell der Reaktionsmiliz gibt. Diese war nicht nur aufgrund der Länge von neun Tagen der Höhepunkt des Jahres. Mit ihr wurde auch das Jahresziel 2024 erreicht, die Qualifikation zur Bewältigung eines Assistenzeinsatzes von geringer Intensität. Im nächsten Jahr soll das Ausbildungsniveau so weit ansteigen, dass die Kompanie auch für Assistenzeinsätze höherer Intensität eingesetzt werden kann. Darunter versteht man insofern ein robusteres Szenario, bei dem auch mit Anschlägen und Angriffen auf Schutzobjekte und auf die dort eingesetzte Truppe zu rechnen ist.
Ebenfalls 2025 soll die Kompanie das Ziel erreichen, de facto autark zu agieren. Das bedeutet, dass sie alle Übungen und die damit verbundenen Ausbildungen ohne Berufssoldaten anderer Kompanien bewältigen kann. Voraussetzung dafür ist neben der fachlichen Qualifikation auch der personelle Aufwuchs. Aktuell dienen etwa 60 Soldaten in der Kompanie, wobei es einen Aufwärtstrend gibt. Manche verlassen diese Einheit, weil sie aus persönlichen (meist aus familiären) Gründen den Dienst quittieren müssen; dafür kommen andere dazu.
Die meisten Soldaten sind gerne in dieser Kompanie und zufrieden, dass sie mit der Reaktionsmiliz die Möglichkeit erhalten, ihr Interesse am Militär und am Soldatenleben verfolgen zu können, ohne ihren Beruf aufgeben zu müssen. Ein großes Plus ist die Planbarkeit der Vorhaben, die gegeben ist, und die Möglichkeit, sich beim Festlegen des Jahreskalenders aktiv einzubringen. Zusätzlich motiviert die Soldaten der Reaktionsmiliz, dass sie über moderne Ausrüstung verfügen, es kaum Stehzeiten gibt, sie viel üben und dadurch ihr soldatisches Handwerk festigen können.
Mittlerweile hat die Kompanie einen guten Korpsgeist entwickelt, und ihre Männer (noch gibt es keine Frauen in dieser Einheit) sind zu guten Kameraden geworden, die sich gerne treffen. Natürlich spielen bei der Entscheidung, in die Reaktionsmiliz einzutreten, auch finanzielle Überlegungen eine Rolle, da die Prämien hoch sind (siehe TD-Heft 397, „Reaktionsmiliz – Bereit in 48 Stunden“).
Ausbildungsgrundsätze
- Anschaulichkeit
- Mitarbeit
- Zeitgemäßheit
- Wirklichkeitsnähe
- Vergessenssicherung
Führungsgrundsätze
- Klares Ziel
- Einfachheit
- Initiative
- Schwergewichtsbildung
- Kooperation
- Beweglichkeit
- Synchronisation
- Überraschung und Täuschung
- Einheit der Führung
- Reservenbildung
- Informationsüberlegenheit
- Schutz und Sicherheit
- Ökonomie der Kräfte
Fazit
Die Soldaten der 4. Jägerkompanie haben mit dieser BWÜ ihr erstes Jahr in der Reaktionsmiliz beendet. Damit haben sie das erste Zwischenziel genommen, wenngleich das Endziel noch nicht erreicht ist. Mit ihren Leistungen haben die Angehörigen dieser speziellen Einheit bewiesen, dass sie auf dem richtigen Weg sind und die an sie gestellten Aufgaben bewältigen können. Dass die Kompanie noch viele Fehlstellen aufweist, obwohl der Personalstand kontinuierlich ansteigt, ist ein Manko. Das eröffnet aber auch für interessierte Milizsoldaten die Möglichkeit, Teil dieser Kompanie zu werden.
Stabswachtmeister Lukas Huber; Zugskommandant beim Jägerbataillon 12

Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 1/2025 (402).