• Veröffentlichungsdatum : 29.09.2022
  • – Letztes Update : 30.09.2022

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"Teamwork makes the dream work"

Anna Hlawatsch

Brigadier Gerfried Promberger, Kommandant der Luftstreitkräfte des Österreichischen Bundesheeres, über Herausforderungen in den Luftstreitkräften, den Wegfall der Saab 105 und warum es sich lohnt, Teil des Teams zu werden. Das Gespräch führte TRUPPENDIENST-Redakteurin Anna Hlawatsch.

TRUPPENDIENST: Herr Brigadier, Wie geht es den Luftstreitkräften?

Gerfried Promberger: Den Luftstreitkräften geht es ähnlich wie dem Bundesheer. Weil sie eine hochtechnische Teilstreitkraft sind, bedarf es größerer finanzieller Aufwendungen. Gleichzeitig ist das Gerät immer nur so gut wie seine Spezialisten. Wir benötigen daher dringend Fachpersonal, weil wir vor einer Pensionierungswelle stehen.

TD: Welche Berufsgruppen werden gesucht?

Promberger: Es werden immer die Piloten genannt, aber sie alleine machen nicht die Luftstreitkräfte aus. Natürlich sind wir ständig auf der Suche nach neuen Pilotinnen und Piloten, um eine Bestenauswahl durchführen zu können. Dringend brauchen wir aber auch Fluglotsen, Radarleitoffiziere und Techniker (Flugzeugtechniker, Radartechniker etc.; Anm.). Radartechniker, weil das Bundesheer – Stichwort „Goldhaube“ – auch Wartungsarbeiten auf Industrieniveau bei den Radargeräten durchführt. Darüber hinaus haben die Luftstreitkräfte die höchste Dichte an Gebäuden der Sicherheitsstufe A. Daher suchen wir auch nach Betriebsführern für diese Anlagen. 

TD: Bei welchen Flotten herrscht der größte Engpass?

Promberger: Aus dem Tränental bei den Hubschrauber-Piloten sind wir noch nicht ganz heraus. Bis der Personalstand wieder angewachsen ist, wird es noch dauern. Hinzu kommt, dass der Umbau eines Hubschraubers Monate, manche Wartungsereignisse sogar bis zu einem Jahr dauern können. Der Hubschrauber steht während dieser Zeit nicht zur Verfügung. Dadurch werden andere Systeme mehr belastet. Wir haben deshalb auf allen Flotten einen Engpass, weil die Modifizierungen im Zehn- bis 15-Jahre-Zyklus anfallen. Beim „Black Hawk“ hat man versucht, das hinauszuzögern, jedoch mit mäßigem Erfolg.

TD: Können die Luftstreitkräfte die aktuellen Aufträge erfüllen?

Promberger: Den Grundauftrag, die Überwachung des österreichischen Luftraumes, erfüllen die Luftstreitkräfte täglich. Das passive System ist durchgehend im Einsatz. Das aktive System ist ausbaufähig, auch, um international aufschließen zu können. Kommt es zu einem Anstieg der Assistenzeinsätze in mehreren Bundesländern gleichzeitig, etwa durch Überschwemmungen oder Murenabgänge und Schilfbrände, stoßen wir an unsere Grenzen. Hier holt uns die Sparpolitik der vergangenen Jahre ein.

TD: Wie hat sich die Corona-Krise auf die Luftstreitkräfte ausgewirkt?

Promberger: Sowohl beim Jet als auch bei den Hubschraubern wird jeder Wartungsschritt genau dokumentiert. Die Wartungsereignisse sind daher im Voraus planbar. Zu einem gewissen Grad verfügen wir über einen Vorrat an Ersatzteilen. Wird dieser aber durch Einsparungen nicht aufgestockt, stehen wir vor einem Problem. In Krisenzeiten greifen andere Armeen auf die vorrätigen Ersatzteile zurück. Aufgrund unserer kleinen Flotten haben wir häufig nicht die Priorität bei den Herstellern. 

Durch die Corona-Krise ist der Ersatzteilbestand beinahe aufgebraucht, das erschwert die Lage zusätzlich. Die Frauen und Männer der Luftstreitkräfte leisten trotz dieser schwierigen Situation immer wieder Beeindruckendes. Die Löschung des Waldbrandes in Hirschwang an der Rax im Herbst 2021, bei dem bis zu 16 Luftfahrzeuge gleichzeitig im Einsatz waren, ist der ausgefeilten Koordination, vor allem des Kommandos Luftunterstützung, zu verdanken. Aber langsam wird es eng. Denn wenn von neun Hubschraubern nur noch zwei bis drei flugklar sind, kann man bald keinen Auftrag mehr erfüllen.

TD: Wie wirkt sich der Ausfall der Saab 105 aus? 

Promberger: Die Saab 105 war, als sie in den 1970er-Jahren angeschafft wurde, für eine andere Rolle konzipiert, nämlich als Jagdbomber und Aufklärer. Dennoch hat sie über 50 Jahre gute Dienste geleistet. Sie war bei der Luftraumüberwachung, bei Sicherungsoperationen, Jagdbomber-Simulationen durch Luft- und Bodeneinsätze sowie bei der schnellen Zielerstellung und -aufklärung wesentlich. Gleichzeitig war sie bei der Jetpiloten-Grund- und -Fortgeschrittenenausbildung sowie der Radarleitoffiziersausbildung ein wichtiger Grundstein. Ich selbst bin bis zum Schluss auf diesem System geflogen und immer wieder davon begeistert, wie unsere Techniker die Flugzeuge selbst nach 50 Jahren noch in der Luft gehalten haben. 

Diese Motivation, Freude und der Spirit für die Saab 105 – das war etwas ganz Besonderes. Mit dem kompletten Wegfall sind wir nicht mehr in der Lage, einen Personalpool aufzubauen – dadurch ist es unmöglich, eine Bestenauswahl durchzuführen. Zudem müssen Ausbildungen ausgelagert werden, weshalb wir in diesem Bereich fremdbestimmt sind. Jeder Flugschüler verlässt nach seiner Grundausbildung Österreich. Sein Weg führt ihn zum Militärflugplatz Lecce-Galatina (Phase 3) und weiter nach Decimomannu (Phase 4), beide Italien, bevor er nach Rostock-Laage kommt. Nach zweieinhalb Jahren kehrt er nach Österreich zurück. Das ist nicht ideal, auch wegen der Prägung (Airmanship). Schließlich sollte ein junger Einsatzpilot seine Erfahrungen in einem Staffelflugbetrieb sammeln, bevor er ins Ausland geht.

TD: Kommt nun doch ein Nachfolger für die Saab 105?

Promberger: Eine derartige Vorhabensabsicht liegt zwar schriftlich vor, letztlich ist es aber eine politische Entscheidung. Aus Sicht der Luftstreitkräfte wäre ein Nachfolger notwendig und zweckmäßig. Fähigkeitslücken könnten für das Bundesheer geschlossen werden und in der Gesamtheit die Ausbildungskosten günstiger werden. Mit der Auflösung des Elementes gingen letztlich auch ein Verlust des Know-hows und der Fluglehrer-Kapazität einher. Den Personalpool der Jet-Grund- und -Fortgeschrittenenschulung wieder aufzubauen, würde fünf bis acht Jahre dauern. Dafür notwendig ist ein hoher Grad der Standardisierung. Neben der Implementierung neuer Curricula müssen die Lehrer trainiert werden. Eine Besonderheit des Bundesheeres kommt uns hier im internationalen Vergleich zugute, nämlich, dass auch Unteroffiziere Jets fliegen können. 

TD: Wie sieht es bei den Nachbeschaffungen in den Luftstreitkräften aus? 

Promberger: Derzeit werden 18 Stück AgustaWestland AW169 beschafft. Erste Piloten und Techniker werden bereits ausgebildet. Die Infrastruktur im Ennstal wird ebenfalls angepasst und Simulatoren beschafft. Das ist notwendig, denn die moderne Fliegerei ist ohne diese nicht vorstellbar. Aktuell steht auch ein Cockpit-Update der Pilatus PC-6 (Einsatz bei Personentransport, Feuerlöscheinsätzen, Luftaufklärung etc.; Anm.) und der Pilatus  Turbo Trainer PC-7 im Raum. Das Projekt Nachfolgelösung für die Lockheed C-130 „Hercules“ (Transportflugzeuge; Anm.) wurde bereits angestoßen. 

Die Sikorsky S-70 „Black Hawks“ werden derzeit in den USA einem Midlife-Update unterzogen. Dieses betrifft vor allem das Cockpit. Zudem ist der Kauf von drei weiteren „Black Hawks“ geplant. Das Midlife-Update der Agusta Bell AB-212 wurde abgeschlossen. Aufgrund des Personalmangels müssen wir aber immer mehr Wartungsereignisse an zivile Firmen auslagern. Wir suchen deshalb dringend nach Technikern für unsere Werften. 

TD: Wie heben sich die Luftstreitkräfte von anderen Teilstreitkräften ab? 

Promberger: Wir haben seit jeher ein besonderes Verständnis für Teamarbeit. Als meine Kollegen und ich Teil der „Tiger“-Staffel wurden, waren wir sofort integriert und akzeptiert – unabhängig, ob Unteroffizier oder Offizier. Unsere Techniker sind häufig im gesamten Fähigkeitsspektrum mitgeflogen. Das ist bis heute so und wichtig, denn in den Luftstreitkräften müssen sich Piloten und Techniker zu 100 Prozent aufeinander verlassen können. Gleiches gilt für die Kommunikation zu Fluglotsen und allen anderen Berufssparten bei den Luftstreitkräften. Hier gilt das Motto: „Teamwork makes the dream work“.

TD: Warum würden Sie einem jungen Menschen den Eintritt in die Luftstreitkräfte empfehlen?

Promberger: Im Cockpit zählt die physische und psychische Leistungsfähigkeit.  Für die Aerodynamik ist es nicht relevant, welches Geschlecht, Alter, welche politische Ausrichtung oder sexuelle Orientierung eine Pilotin oder ein Pilot hat. Wir pflegen eine „Open-minded“-Arbeitskultur und eine „No blame culture“. Beispielsweise bei einem Flugunfall versuchen wir, die Hintergründe des Unfalles herauszufinden, damit dieser in Zukunft verhindert werden kann. Außerdem gibt es ein anderes Motivationsmodell als in anderen Teilstreitkräften. Bereits während der Ausbildung zum Fluglehrer sind die Fluglehrer-Anwärter bemüht, ihren Flugschülern alles beizubringen. Hier wird der zukünftige Einsatzpilot geformt und soll so ein wertvolles Staffelmitglied werden – der Fluglehrer-Anwärter wird mit der Qualifikation Fluglehrer belohnt. 

Regelmäßig finden im internationalen Verbund Übungen statt. Wir sind deshalb stark vernetzt und die Arbeitssprache der Luftfahrt ist Englisch. Der Dienst ist abwechslungsreich und spannend. Darüber hinaus ist das Betätigungsfeld breit gefächert. Vom Piloten bis zur Flughafenfeuerwehr verfügen die Luftstreitkräfte über beinahe jede Berufsgruppe. Ich glaube, dass wir auch für junge Frauen und alleinerziehende Mütter ein spannender Arbeitgeber sind. Gerade weil sich unsere Arbeitszeitmodelle anpassen lassen. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, als Fluglotse auf einem Tower eingesetzt zu werden, sollten vermehrte Übungstätigkeiten oder Auslandseinsätze nicht  möglich sein. Voraussetzung ist allerdings der erfolgreiche Abschluss dieser Ausbildung. Der Neubau der Villacher Kaserne, die einen Betriebskindergarten hat, ist ein weiteres Zeichen, dass das Bundesheer bemüht ist, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen.  

TD: Was unterscheidet den Beruf des Piloten bei den Luftstreitkräften von jenem im zivilen Bereich?

Promberger: Wir sind keine Linienpiloten. Unser Einsatzspektrum erstreckt sich vom Inlands- bis zum Auslandseinsatz. Der Übergang ist fließend, da die Luftstreitkräfte mehrere Einsätze gleichzeitig bedienen. Derzeit stellen wir z. B. ein Aviation Detachment Project in Bosnien und Herzegowina, die Crews der „Hercules“ fliegen Anschlussversorgungen nach Bamako (Mali; Anm.), in den Libanon und den Kosovo. Zudem unterstützen wir die Kameraden der Landstreit- und Spezial­einsatzkräfte bei Verlegungen. Das macht diesen Beruf meiner Ansicht nach so spannend. Man fliegt nicht nur in Österreich, sondern ist international aktiv.  

TD: Haben Sie einen Tipp für Menschen, die sich für die Luftstreitkräfte begeistern?

Promberger: Die Luftstreitkräfte sind ein toller Arbeitgeber für computer- und technikbegeisterte Frauen und Männer, die auch gerne im Team arbeiten. Wir bieten viele Informationsveranstaltungen an. Auch bei der AIRPOWER22 gibt es die Möglichkeit, sich intensiv zu informieren. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Für einen ersten Eindruck kann ich die Bundesheer-Webseite empfehlen. Meine Tür steht außerdem immer offen.

TD: Welche Type würden Sie wählen, wenn Sie nochmal am Anfang Ihrer Karriere stehen würden?

Promberger: Historisch gesehen wäre ich gerne die Saab 35 („Draken“) geflogen, die ein legendärer Doppeldeltaflügler ist. Zwar ist das Fliegen noch immer wichtig, aber in der heutigen Zeit geht es auch darum, die Systeme zu verstehen. In die modernere Sparte blickend finde ich alle Flugzeuge der 5. Generation spannend. Diese zu fliegen wäre sicherlich eine Herausforderung, weil man bei diesen Flugzeugen in ganz andere Dimensionen vorstoßen kann. Ansonsten: Let’s go to space.

Mag. Anna Hlawatsch, Redakteurin beim TRUPPENDIENST.

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Die Luftstreitkräfte des Österreichischen Bundesheeres

 

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