• Veröffentlichungsdatum : 02.08.2023
  • – Letztes Update : 23.08.2023

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STIRLING HAMMER - Angriff auf Schnöggersburg

Hubert Köll

Die verstärkte 1. Jägerkompanie (KPE) des Jägerbataillons 19 übte mit ihrem deutschen Partnerverband, dem Jägerbataillon 1. Schauplatz der Übung STIRLING HAMMER war die größte und modernste Ortskampfanlage Europas, der urbane Ballungsraum Schnöggersburg am Gefechtsübungszentrum Heer auf dem deutschen Truppenübungsplatz Altmark.
 

Allgemein  

Das im Beitrag skizzierte Szenario (Lage der Brigade und Auftrag des Bataillons) wurde bei der Truppenpartnerschaft zwischen dem deutschen Jägerbataillon 1 und dem österreichischen Jägerbataillon 19 am Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ-H) auf dem Truppenübungsplatz Altmark zum Leben erweckt. Die Übung STIRLING HAMMER dauerte von 21. November bis 3. Dezember 2022 und widmete sich dem Thema des multinationalen Kampfes der verbundenen Waffen im Rahmen der Landesverteidigung.

Die Aktivitäten der österreichischen Soldaten gliederten sich, nach Tagen der Verlegung und Logistik, in drei Blöcke: Den ersten Abschnitt mit vier Tagen Kompanieübung, den Ausbildungsblock mit einem Tag für die Bataillonsbefehlsausgabe (Sonntag 0800 Uhr) inklusive Backbrief, ROC-Drill (Rehearsal of Concept) und Angriffsvorbereitungen sowie den dritten Block mit drei Tagen Angriff im Bataillonsrahmen. Abgeschlossen wurde die Übung mit Materialerhaltung, Reorganisation und Rückverlegung. 
 

Ausgangslage

Feindliche Kräfte haben einen Teil des Staatsgebietes eines Bündnispartners in Besitz genommen. Der Bündnisfall wurde ausgelöst und die multinationale Eingreifkraft führt nun einen Angriff mit dem Zweck der Rückeroberung dieses Gebietes durch. Im Raum Magdeburg (bei der Colbitz-Letzlinger Heide) kämpft die verstärkte Panzerbrigade 21 um die Inbesitznahme des urbanen Ballungsraumes Schnöggersburg. Hierzu sichern ein US-amerikanisches mechanisiertes Infanterie- und ein deutsches Panzerbataillon die Flanken für den Einbruch in die Ortschaft.

Das Jägerbataillon 1 hat den Auftrag, in die Ortschaft einzubrechen und zumindest zwei Brückenübergänge über den Fluss Eiser in Besitz zu nehmen, um den weiteren Angriff eines folgenden Panzergrenadierbataillons in die Tiefe der Stadt zu ermöglichen. Schnöggersburg wird von einem mechanisierten Bataillon (Kampfkraft von 40 Prozent) verteidigt, das im Verbund mit dem Regiment und der Brigade über alle Elemente der Aufklärung, der Pionier- und der Kampfunterstützung verfügt. Kampfpanzer T-80, Schützenpanzer BMP-2, Mannschaftstransportpanzer BTR-80 und Panzerabwehrlenkwaffen wurden im urbanen und im ruralen Gelände in Stellung gebracht, um im Verbund mit Sperren (Panzerminen-, Verlegeminen- und Richtminensperren) und mit dem Einsatz von Steilfeuer den Einbruch der Bündnistruppen zu verhindern. Der Feind hatte 24 Stunden Zeit, um sich zur Verteidigung einzurichten.

Gelände 

Nachfolgend wird die Übungsstadt Schnöggersburg, unabhängig von der Seite, nach den Parametern Beobachtung, Bewegung, Wirkung und Deckung analysiert.

Beobachtung

Der urbane Ballungsraum, umgeben von ebenen, freien Flächen und Waldstücken, bietet eine Vielzahl von Beobachtungsmöglichkeiten. Die Domänen Luft und Weltraum ausgeklammert, ermöglichen Hochhäuser eine Beobachtung von oben über mehrere Kilometer vor die Stadt und zwischen die Gebäude sowie in die Straßen und Gassen. Der urbane Raum ermöglicht eine Beobachtung aus der Tiefe bzw. in die Tiefe durch zahlreiche Fenster und Mauerdurchbrüche. Der Angreifer kann, ohne Unterstützung aus der Luft, aufgrund fehlender Erhöhungen lediglich Gebäudegruppen (Bahnhof, Industrieviertel, landwirtschaftliche Betriebe) vor der Stadt, die ersten Häuserreihen und herausragende Gebäude beobachten. Bewegungen des Verteidigers können bei mehr als 550 Gebäuden nur eher zufällig durch Fenster beobachtet werden; Wärmebildgeräte können unterstützen.

Bewegung

Die engen, verwinkelten Gassen der Altstadt, Mauern, Hecken und Zäune erlauben es dem Verteidiger, sich infanteristisch unerkannt zu verschieben. Die Kanalisation sowie die U-Bahn leisten ihren Beitrag zur beweglichen Einsatzführung des Verteidigers in dem ihm bekannten Gelände. Die ebenen Flächen der Heide und das Wegenetz samt Kreisverkehr und Autobahnanschluss ermöglichen es, Gefechtsfahrzeuge heranzuführen und hinter Gebäuden in Stellung zu bringen. Kleinere Gefechtsfahrzeuge, wie der österreichische „Pandur“ und der deutsche „Wiesel“, können sich auch abseits von Wegen zwischen Gebäuden bewegen.

Die Mauern, Hecken und Zäune verlangsamen das Vorgehen eines Angreifers. Mögliche Stoßachsen aus dem Westen in die Ortschaft ergeben sich aus dem Birkhuhnwald, beim Bahnhof vorbei und zwischen dem Industrieviertel und den südlich davon liegenden landwirtschaftlichen Betrieben oder zwischen dem Industrieviertel und der nördlich davon liegenden zerstörten Infrastruktur. Jedoch muss bei der zweiten Stoßachse durch das Elendsviertel gestoßen werden, was eine Kanalisierung der Kräfte zur Folge hat.

Wirkung 

Schützen können aus Fenstern und Mauerdurchbrüchen aus nächster, naher und mittlerer Entfernung wirken. Panzerabwehrwaffen können entlang von Bewegungslinien, von Gebäudedächern oder aus der Flanke zwischen Gebäuden abgefeuert werden. Auf Gefechtsfahrzeuge kann aus erhöhten Stellungen von oben gewirkt werden. Gefechtsfahrzeuge können entlang der Straßen und über Zäune, Mauern und Hecken hinweg in Stellung gehen. Angrenzende rurale Geländeteile, wie der Stadtwald auf einer kleinen Geländekante im Süden der Ortschaft, eignen sich als Stellungsraum von Kampfpanzern und Panzerabwehrelementen. Steilfeuer kann durch gezielte Beobachtung von Joint Fire Support, Aufklärern, Drohnen und Flugzeugen im gesamten Gefechtsstreifen zur Wirkung gebracht werden. Die Räume zwischen dem Bahnhof, dem Industrieviertel oder den landwirtschaftlichen Betrieben, aber auch die Bewegungslinien innerhalb des Ballungsraumes bieten sich als Stoßachsen an und sind als sperrgünstiges Gelände zu bewerten.

Deckung

Stahlbeton, Metall, Blech, Holz, Glas und weitere verbaute Materialien bieten unterschiedliche Deckungsgrade. Die Keller, die Kanalisation und die U-Bahn-Station bieten Schutz gegen Steilfeuer und Luftangriffe. Die Tiefe des Raumes und die Summe hintereinanderliegender Mauern bieten Schutz vor Kampfpanzer- oder Maschinenkanonenbeschuss. Der feindlichen Beobachtung können sich sowohl Schützen als auch Gefechtsfahrzeuge durch das Ausnützen von Gebäuden, Mauern, Buschreihen bzw. der Kanalisation oder des U-Bahn-Netzes entziehen. Bereits in der Planungsphase sind die Besonderheiten des urbanen Raumes, die Breite von Straßen, die Bodenbeschaffenheit und der Bewuchs des Geländes sowie die Traglast von Brücken zu berücksichtigen. Unterstellte deutsche Pionierelemente wurden von Beginn an in das Planungsverfahren des Kompaniekommandos miteinbezogen und konnten so wertvolle Beiträge bei der Geländeaufschlüsselung und -beurteilung leisten.


Urbaner Ballungsraum Schnöggersburg

Die Übungsstadt Schnöggersburg befindet sich auf dem Truppenübungsplatz Altmark in der Colbitz-Letzlinger Heide. Der Truppenübungsplatz ist 230 km² groß und bietet der Truppe vor allem Panzer- und urbanes Übungsgelände. Schnöggersburg ist die größte mehrerer Ortskampfanlagen vor Ort. Sie bietet mit verschiedenen Stadtteilen und Geländeabschnitten alles, was die Truppe zur Vorbereitung auf militärische Einsätze benötigt, egal ob das Szenario die Bündnis- und Landesverteidigung oder friedenserhaltende Missionen vorsieht. Verantwortlich für die Anlage, Ausbildung und Übung ist das Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ-H). Diese Einrichtung ist für die Einsatzausbildung im Heer zentral. Mit Schwergewicht üben Truppenkörper den Kampf der verbundenen Waffen bei Landoperationen. Um den Ausbildungserfolg der übenden Truppe sicherzustellen, stehen dem GÜZ-H neben der großflächigen Infrastruktur moderne Simulationssysteme, Feinddarsteller und erfahrene Ausbilder aller Ebenen zur Verfügung. Die Feindkräfte werden bis zu bataillonsstarken Kräften mit Kampfpanzern des Typs „Leopard“ 2A6, Kampfschützenpanzern „Marder“, Waffenträgern „Wiesel“ und Transportpanzern „Fuchs“ dargestellt. Die Rotpartei kämpft nach konventionellen Grundsätzen und wird in allen Einsatzarten real geführt. Die Effektdarstellung erfolgt mittels Pyrotechnik, Geräuschen, Vibration oder Nebelfahrzeugen. Brücken können auf Knopfdruck verschoben werden, so dass deren Überqueren nicht mehr möglich ist. So kann im laufenden Gefecht eine Brückensprengung dargestellt werden. Darüber hinaus gibt es Duellsimulatoren, vergleichbar mit jenen des Bundesheeres. Alle Gebäude sind mit dem Simulationssystem verbunden und lassen z. B. bei Steilfeuer- oder Maschinenkanonenbeschuss die darin befindlichen Soldaten ausfallen. Der genaue Standort der Schützen im Gebäude sowie das wirkende Waffensystem werden dabei berücksichtigt. Durch das Zusammenwirken verschiedener Elemente der Effektdarstellung und Simulation ist das Üben so realitätsnahe wie möglich. 
 

Zahlen – Daten – Fakten

  • 550 Gebäude;
  • 16 km Straßen;
  • 800 m Flusslauf;
  • 600 m Kanalisation mit 20 Ein-  und Ausgängen;
  • 1 U-Bahn-Station;
  • Errichtungskosten: ca. 152 Mio. Euro.

Verteidiger

Gekämpft wurde gegen das MechRgt43, das bereits während der vorangegangenen Kämpfe Verluste an Mannschaft und Gerät verzeichnen musste. Im urbanen Ballungsraum Schnöggersburg verteidigte das MechBtl432 mit einer 40-prozentigen Kampfkraft. Dargestellt wurde der Feind durch eine mechanisierte Kompanie des GÜZ-H mit Kampfpanzern „Leopard“ 2A6, Schützenpanzern „Marder“, Transportpanzern „Fuchs“, Waffenträgern „Wiesel“ sowie Aufklärungs- und Pionierelementen. Vereinfacht dargestellt war die vermutliche Absicht dieses verminderten Verbandes, unter

  • Einsatz eines vorgeschobenen Sicherungselementes im Raum Bahnhof,
  • Einsatz von Verlegeminen-, Draht- und Richtminensperren,
  • vorbereiteten Brückensprengungen,
  • Einsatz von Steilfeuer des Regimentes,

mit

  • einem gemischten Panzerzug im Raum Stadtwald und
  • drei verminderten mechanisierten Infanteriekompanien in der Ortschaft,

vorerst den Raum westlich der Eiserübergänge zu verteidigen, um den Einbruch gegnerischer Kräfte in die Ortschaft zu verhindern. Bei einem erfolgreichen Einbruch war mit dem Ausweichen des Feindes in die Stadtviertel ostwärts der Übergänge und dem Sprengen der Brücken zu rechnen.

Angreifer

Bei der Übung hat der Partnerverband des Jägerbataillons 19, das Jägerbataillon 1 aus Schwarzenborn (ausgestattet mit gepanzerten Transport-Kraftfahrzeugen „Boxer“) angegriffen. Das Jägerbataillon 1 bestand aus einer Stabskompanie, einer Panzerpionierkompanie, einer verstärkten Kampfunterstützungskompanie, zwei gehärteten verstärkten Jägerkompanien sowie einer gemischten Panzergrenadierkompanie.  Alle Elemente der Führungs- und Kampfunterstützung wurden vollumfänglich beübt. Die Einsatzunterstützung wurde bis zur Ebene des Bataillons teilweise abgebildet. Die Komponente Luft wurde durch Drohnen und Pilatus-PC-12-Flugzeuge zur Aufklärung und Feuerunterstützung miteinbezogen. Insgesamt griffen etwa 780 Soldaten an.

Die 4. Jägerkompanie/Jägerbataillon 19 (AUT), wie die 1. Jägerkompanie (KPE) des Jägerbataillons 19 für die Dauer der Unterstellung bezeichnet wurde, bestand aus drei Jägerzügen, einem österreichischen Panzerpionierzug (Teile Pionierbataillon 2 und 3), einem deutschen Panzerpionierzug, einem Joint Terminal Attack Controller (JTAC) vom Jagdkommando inklusive zweier Beobachtungstrupps Steilfeuer, einem Scharfschützentrupp, einer Kommando- und einer Versorgungsgruppe, einem beweglichen Arzttrupp inklusive Sanitätstrupp (DEU) und zeitweise sogar einem Zug mit „Wiesel“, der über Panzerabwehrlenkwaffen (Typ TOW) und Maschinenkanonen verfügte. Insgesamt bestand die Kompanie aus bis zu 28 Gefechtsfahrzeugen und mehr als 150 Soldaten. Der Entschluss des Bataillons änderte sich mehrmals, da verschiedene Varianten des Angriffes, vor allem die Phasen Annäherung und Einbruch, geübt wurden. 
 

Erfahrungen

Ausgewählte Aspekte der Bereiche: Kampf gegen einen konventionellen Gegner, feindbezogenes Vorgehen, Einsatz der Gefechtsfahrzeuge, Markierungen, Funk sowie Sanitätsversorgung werden näher betrachtet.

Kampf gegen konventionellen Gegner 

Der Feind im Gefechtsübungszentrum kämpfte, abgestützt auf Minensperren verschiedener Ausmaße und vernichtete dort den Gegner mit Steilfeuer. Er nützte Schwächemomente, offene Flanken und Lücken aus, indem er Gegenstöße durchführte und alle Maßnahmen entschlossen umsetzte. Anstatt sich auf den Nahkampf einzulassen und möglicherweise zu verzahnen, setzte sich der Gegner ab und nutzte die Angriffsspitzen mit Steilfeuer ab. Pro Übungsdurchgang fiel, alleine durch Steilfeuer, durchschnittlich ein Drittel der angreifenden Kompanien aus. Wenn ein Feind aufgeklärt wurde, dann kaum einsehbar, feuernd aus der Tiefe. Der Nahkampf unter 50 m war die Ausnahme. 

Steilfeuer kann auf dieser Führungsebene im Gefecht nicht verhindert, sondern nur unterlaufen werden. Der Faktor Geschwindigkeit hat bis zur Verzahnung mit dem Feind oberste Priorität in der eigenen Einsatzführung. Zur frühzeitigen Erkennung feindlicher Gegenstöße müssen Flanken und Lücken ständig überwacht und daraufhin rasch abgeriegelt werden. Beim Halten des gewonnenen Geländes muss unverzüglich mit dem Anlegen eigener Sperren begonnen werden, um Gegenstöße nachhaltig abzuwehren. Ausreichend Panzerabwehrrohre müssen gegen feindliche Fahrzeuge auch in der Ortschaft mitgeführt und eingesetzt werden. Zum Kampf auf mittlere Entfernung und in die Tiefe sind Maschinengewehre (Kaliber 7,62 mm) zweckmäßig. Maschinengewehre (Kaliber 12,7 mm), kombiniert mit der elektronisch fernbedienbaren Waffenstation, ermöglichen den Feuerkampf auf weite Entfernungen, den Kampf gegen feindliche Mannschaftstransportpanzer (MTPz) und den Einsatz eigener MTPz als Feuerunterstützungselement. Munition ist immer „Mangelware“, weshalb immer so viel wie möglich mitgeführt werden muss. Der Einzelschütze kann bei falscher Stellungswahl (z. B. kein Wirken aus der Tiefe des Raumes, zu langes Verharren in derselben Stellung) erkannt werden und Steilfeuer auf sich bzw. seinen Zug ziehen. Der Kampf erfordert Flexibilität der Kommandanten und Konzentration jedes Schützen, um durch initiative Einsatzführung die Handlungsfreiheit zu erhalten. Geführt werden muss von vorne.

Feindbezogenes Vorgehen 

Die Größe des urbanen Ballungsraumes und der Steilfeuereinsatz des Verteidigers ließen ein langsames, raumbezogenes Vorgehen des Angreifers kaum zu. Das im Bundesheer gelehrte genaue Nehmen von jedem Raum in jedem Gebäude des eigenen Gefechtsstreifens stoppte den Angriffsschwung bereits in seiner Entstehung. Die Folge war eine unverzügliche feindliche Aufklärung, gefolgt von Steilfeuer auf die soeben gewonnenen Gebäude. Beim Kampf gegen einen nichtkonventionellen, subversiven Feind mit mangelnder Kampfunterstützung kann das eine korrekte Gefechtstechnik sein, nicht aber gegen konventionell kämpfende Streitkräfte. Hier müssen Lücken bewusst in Kauf genommen werden, um die Verzahnung mit dem Feind rasch herzustellen und das Steilfeuer zu unterlaufen.

Beispiele aus der Praxis

Beide Beispiele passierten während der Kompanieübungsphase. Beim ersten Szenario fielen zwei Züge innerhalb weniger Minuten durch Steilfeuer aus, und der Einbruch war 1.500 m vor der Ortschaft gescheitert. Nach einer Nachbesprechung und Auswertung durch das GÜZ schaffte die Kompanie den Angriff (Szenario 2) mit wenigen Verwundeten in den Einbruchsraum. Die Ausganssituation war beide Male wie folgt: Ein vorgeschobenes Sicherungselement des (feindlichen) Verteidigers auf dem Bahnhofsgelände setzt sich nach dem Erkennen der (eigenen) Angriffsspitzen und kurzem Feuerkampf in die Ortschaft Schnöggersburg ab.

Beim ersten Szenario nahm der Angreifer das Bahnhofsgelände vollständig in Besitz, um eine weitere Feindbedrohung vor Ort auszuschließen. Das Nehmen aller Gebäude und deren Räume dauerte so lange, dass der Gegner nach dem Schließen der Minengasse in der Tiefe Stellungen beziehen, das Vorgehen des Angreifers beobachten und Steilfeuer auf einen vorbereiteten Zielpunkt auslösen konnte.

Beim zweiten Szenario ging der Angreifer unverzüglich weiter vor, stieß mit den Spitzen den sich absetzenden Sicherungselementen des Feindes nach und unterlief so dessen geplante Einsatzführung. Erst nachkommende Elemente sicherten das Bahnhofsgelände. Der sich absetzende Feind konnte vernichtet werden. Ein Schließen der Sperren und das Auslösen des Zielpunktes konnte aufgrund der Verzahnung mit den Angriffsspitzen nicht erfolgen. Darüber hinaus musste durch den Verteidiger eine erneute Lagebeurteilung durchgeführt werden, da Manöverelemente vernichtet wurden bzw. der Angreifer bereits eingebrochen war.

Flanke – Einbruchsstelle – Tiefe des Raumes (FET) 

Das Kürzel FET wurde vom deutschen Kompanieausbilder/-schiedsrichter der österreichischen Kompanie bei mehreren Nachbesprechungen wiederholt und blieb der Kompanie in Erinnerung. Es beschreibt, dass folgende Räume für einen erfolgreichen Einbruch (egal welcher Ebene) mit Feuer überwacht oder bedeckt sein müssen: 

  • Flanke;
  • Einbruchsstelle;
  • Tiefe des Raumes.

Nicht jeder Raum muss mit Flachfeuer bekämpft werden. Vielmehr müssen die Elemente des Steilfeuers und der Luftunterstützung mitberücksichtigt werden und, wenn dies zweckmäßig erscheint, zum Einsatz kommen. Auch auf die Gefechtsfahrzeuge zur weitreichenden Flachfeuerunterstützung darf nicht vergessen werden.

Einsatz der Gefechtsfahrzeuge

Der MTPz war eine wesentliche Stütze der Einsatzführung im urbanen Gelände. Er war nicht nur für den Anmarsch und die Annäherung, sondern auch für den Einbruch und den Kampf in der Ortschaft essenziell. Die Grenzen des urbanen Ballungsraumes lagen nicht im Infanteriegelände. Deshalb mussten zuerst freie Flächen, das Industriegelände und die Siedlungen überwunden werden, um in den urbanen Raum einbrechen zu können. Aus diesem Grund war nur eine aufgesessene Annäherung vor dem Einbruch möglich. Dabei war das Zusammenspiel mit Feuerunterstützungselementen aller Ebenen und Steilfeuer (Nebel) unerlässlich. Fehler in der Synchronisation der Elemente wurden vom Feind in Schnöggersburg sofort mit dem Übungstod bestraft. 

Nach dem Einbruch musste der Einbruchsraum für die weitere Einsatzführung, zum Unterlaufen des feindlichen Steilfeuers und zum Nachführen von Folgekräften unverzüglich ausgeweitet werden. Jedoch war für die 26 Gefechtsfahrzeuge der Kompanie kein Platz im Einbruchsraum. Somit mussten die MTPz unverzüglich nach dem Absitzen der Infanteristen zurück in die Tiefe, um dort unter Führung des Kraftfahrunteroffiziers unterzuziehen. Auch hier galt: Wer nicht ordentlich untergezogen war, starb aufgrund feindlicher Luftaufklärung den Übungstod durch Steilfeuer. 

Die 1. Jägerkompanie legte bereits in vorangegangenen Übungen fest, dass im Zug und im Kompaniekommando ein MTPz zur unmittelbaren Feuerunterstützung oder als CASEVAC nachzuziehen ist. Das wurde auch in Schnöggersburg durchgeführt und hat sich bewährt. Die kleinen „Panduren“ konnten durch Vorgärten, jede Gasse und zwischen fast allen Häuserreihen durchmanövriert und in Stellung gebracht werden. Voraussetzungen dafür sind ein erfahrener Panzerkommandant und das Verständnis der Kommandanten aller Ebenen für den Einsatz des Fahrzeuges. Der „Pandur“ wurde zum Überwachen von Bewegungslinien und Schneisen aus der Tiefe und somit zur Verhinderung von Querverschiebungen, zum Füllen von Lücken und Sichern der Flanken eingesetzt. Da die Kompanie den Raum ab einer gewissen Einbruchstiefe nicht mehr mit infanteristischen Kräften sättigen konnte, wurden diese Lücken mit MTPz gefüllt und Fahrzeuge aus der Tiefe nachgeführt. Ein infanteristischer Schutz der Fahrzeuge war unerlässlich. 

Funk 

Folgende Funkkreise waren innerhalb der Kompanie in Verwendung: 

  • Bataillonsführungskreis;
  • Bataillonsunterstützungskreis (Versorgung);
  • Joint-Fire-Kreis (Steilfeuer und Luftunterstützung);
  • Pionierunterstützungskreis;
  • Kompanieführungskreis;
  • Kompanieunterstützungskreis;
  • Zugsfrequenzen.

Aufgrund der vielen Frequenzen musste eine genaue Aufteilung erfolgen, wer auf welchem Kreis mithört bzw. funkt; Funkdisziplin war obligat. Die 1. Jägerkompanie (KPE)/Jägerbataillon 19 begann im Jahr 2022, das Führen mit dem Kompanieunterstützungskreis zu erproben. Dieser soll den Führungskreis der Kompanie entlasten und dient zum Koordinieren des Abschubes von Verwundeten und Schadfahrzeugen sowie sonstiger Kampf- und Versorgungselemente der Kompanie. Teilnehmer sind neben dem stellvertretenden Kompaniekommandanten die Sanitäts-, Berge-, Versorgungselemente sowie Kampfunterstützer (Pionierzug), die gleichzeitig auf dem Führungskreis sind. Die stellvertretenden Zugskommandanten schalten nur bei Bedarf für Munitions- und Sanitätsmeldungen sowie Anträge auf diesen Kreis um. Dieses System hat sich auch während der Übung in Deutschland bewährt.

Markierungen 

Wenn etwa 780 Soldaten angreifen, müssen diese sich zur leichteren Koordinierung im Gefecht unterscheiden. Das Jägerbataillon 1 befahl für jede Kompanie eigene Farbbänder und Symbole. Die Symbole zur Markierung der Fahrzeuge waren zweckmäßig, die farblichen Bänder für Schützen weniger. Wenn drei Farben bereits drei Kompanien eines Bataillons kennzeichnen, wird die Markierung anderer Bataillone der Brigade schwierig.

Das farbliche Markieren der vordersten Eigenen, des Eindringpunktes, von Sanitätseinrichtungen und Sprengfallen mit Flaggensätzen und Knicklichtern ist per NATO STANAG geregelt. Es hat sich während der Übung als zweckmäßig herausgestellt, durchgehend eine Markierung (vorderste Eigene) auch auf den Flanken zur rechten und linken Nachbarkompanie zu haben, um Eigenbeschuss zu vermeiden.

Signalmittel zur Verbindungsaufnahme mit Gefechtsfahrzeugen und Flugzeugen müssen auf allen Ebenen und Fahrzeugen vorhanden sein, um bei Bedarf unverzüglich die Verbindung aufzunehmen bzw. den eigenen Standort zu markieren. Besonders bei der Zusammenarbeit mit Luftfahrzeugen kommt der Markierung der vordersten Eigenen ein hoher Stellenwert zu. Durch präzise Markierungen konnte sichergestellt werden, dass es kein „Friendly Fire“ gibt und bei einer Verzahnung der Feind mit Flugzeugen so lange wie möglich bekämpft werden kann. Fliegererkennungstücher (NATO-Standard) sollten in jeder Gruppe vorhanden sein. Als improvisierte Variante empfiehlt sich eine Warnweste in Orange. Zur Feuerkoordinierung und Verbindungsaufnahme mit Unterstützungselementen über weite Distanzen, z. B. mit der Nachbarpanzerkompanie, bietet sich die Leuchtpistole an.

Verwundetenversorgung 

Das GÜZ rechnet bei hochintensiven Gefechten im urbanen Raum mit Verlusten des Angreifers von 60 Prozent, wobei 50 Prozent davon Gefallene sind. Diese Zahlen haben sich bei den Übungsdurchgängen bestätigt. Die Sanitätsversorgung innerhalb der Kompanie war wie folgt: 

Beim Ausfallsort des verwundeten Schützen wurden in der nächsten Deckung gemäß erweiterter Selbst- und Kameradenhilfe in Phase 1 lebensbedrohliche Blutungen gestillt. Währenddessen legte der stellvertretende Zugskommandant die Verwundetensammelstelle des Zuges, meist zwei Häuserreihen hinter den Angriffsspitzen oder bei günstigen Querstraßen, fest. Nach der Phase 1 befahl er zu einem günstigen Zeitpunkt den Transport dorthin. In der Verwundetensammelstelle wurde unverzüglich mit der Phase 2 zur Vorbereitung für den Weitertransport, der Markierung der Verwundetensammelstelle und dem Prüfen der Möglichkeiten für den Abschub begonnen. Für die Versorgung und den Transport von Verwundeten musste eine verminderte Gruppe eingeteilt werden. Ließ es das Gefecht und der Einsatz der MTPz des Zuges zu, führte dieser selbstständig den Abschub zum Verwundetennest der Kompanie durch. Konnte der Zug diese Aufgabe nicht selbst lösen, wurde der Abschub durch die Kompanie koordiniert. Das war spätestens bei einem Massenanfall der Fall.

Das Verwundetennest befand sich bis zum Nehmen des Angriffszieles ca. 1.500 m hinter den Spitzen. Vor Ort waren der bewegliche Arzttrupp mit dem „Sanitätspandur“ sowie ein deutscher Sanitätstrupp mit einem Sanitätskraftwagen. Aufgrund der Befehlslage hatte die Kompanie die Verwundeten bei einem Übergabepunkt an das Bataillon zu übergeben. Deshalb triagierte und versorgte der Arzt im Verwundetennest, und der Sanitätstrupp brachte die Verwundeten danach zum Übergabepunkt. Aufgrund der Nähe zu den Kampftruppen und den hohen Ausfallszahlen, die durchgehend einen Arzt im Verwundetennest verlangten, blieb dieser vor Ort. Erprobt wurden mehrere Varianten, auch die Abholung Verwundeter aus der Ortschaft durch den beweglichen Arzttrupp mit dem „Sanitätspandur“. Das war jedoch nur in Phasen niedrigerer Intensität und geringer Feindfeuerbedrohung zweckmäßig bzw. möglich.

Der Transport aus der Ortschaft ist aufgrund der Kämpfe oft nicht oder nur spät möglich. Folglich muss die Sanitätsversorgung durch Kameraden sorgfältig durchgeführt und die Verwundeten häufig kontrolliert werden. Das Ziel ist, die Züge so rasch wie möglich zu entlasten, damit die zur Betreuung eingeteilten Schützen wieder für den Kampf zur Verfügung stehen. Ist ein zeitnaher Abtransport aufgrund der Feindlage nicht möglich, müssen die Verwundeten entlang der Angriffsachse gesammelt und bei günstigeren Lageverhältnissen abgeschoben werden.

Das Errichten des Verwundetennestes in der Ortschaft ist zu einem späten Zeitpunkt erfahrungsgemäß günstiger als zu früh. Aufgrund der Bedrohung durch Steilfeuer im Einbruchsraum und Gegenstöße könnte sich ein zu knappes Nachführen der Sanitätskräfte rächen. Die MTPz können derartige Lücken jedoch gut schließen, indem sie Verwundete in wenigen Minuten Hunderte Meter hinter die vordersten Eigenen zum Verwundetennest verbringen können.
 

Resümee

Der Kampf im verstärkten Bataillonsrahmen gegen eine mechanisierte Kompanie in der größten Ortskampfanlage Europas deckte einige Lernfelder aller teilnehmenden Soldaten auf. Es wurden die eigenen Grundsätze hinterfragt, Gefechtstechniken und Taktiken mit denen der deutschen Kameraden verglichen und einige Erfahrungen im Zusammenwirken mit der vollumfänglich abgebildeten  Kampf-, Führungs- und Einsatzunterstützung gemacht. Die wichtigsten Erkenntnisse der Übung sind:

  • Beim Kampf gegen einen konventionellen Feind bewährt sich im infanteristischen Angriff der Grundsatz: „Unerkannt bleiben, Geschwindigkeit, Verzahnung“.
  • Die streitkräftegemeinsame taktische Feuerunterstützung ist ein entscheidender Faktor im Gefecht, die Masse der eigenen und feindlichen Ausfälle entstand durch Steilfeuer – wer im Angriff steht, der stirbt.
  • „Ziehen statt schieben“ – Kommandanten aller Ebenen müssen in entscheidenden Phasen des Gefechtes von vorne führen. Nur so wird die Geschwindigkeit und Entschlossenheit der Untergebenen sowie der Einblick ins Gelände für ein aktuelles Lagebild als Grundlage sichergestellt, um das eigene Feuer zu leiten.

Mit dem Aufbauplan 2032 soll das gesamte Österreichische Bundesheer wieder fähig sein, gegen konventionelle Kräfte zu bestehen. Gemäß Albert Einstein ist Lernen Erfahrung, alles andere nur Information. Wenn seine These stimmt, kann dieses Ziel nicht nur durch Kaderfortbildungen, Unterrichte und Lehrgänge erreicht werden, sondern in erster Linie durch Übungen wie STIRLING HAMMER.

Oberleutnant Hubert Köll, BA; stellvertretender Kommandant 1. Jägerkompanie (KPE)/Jägerbataillon 19.


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST.

Zur Ausgabe 2/2023 (391).


 

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