• Veröffentlichungsdatum : 23.11.2018
  • – Letztes Update : 05.12.2018

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Scharfschützengewehre und Unterkunft für das Jagdkommando

Gerold Keusch

Am 23. November 2018 übergab Bundesminister Mario Kunasek ein neues Kanzlei- und Unterkunftsgebäude sowie neue Scharfschützengewehre an das Jagdkommando. Somit verfügen die österreichischen Spezialeinsatzkräfte über ein zeitgemäßes Kasernengebäude für eine Task-Group und ein zusätzliches Waffensystem, das ihre Einsatzfähigkeit erhöht.

„Die Soldaten des Jagdkommandos sind die Speerspitze des Bundesheeres. Ob in Afghanistan, Mali oder der EU-Mission SOPHIA - Sie sind immer dann zur Stelle, wenn Österreich bestens ausgebildete Soldaten braucht!“  Mit diesen Worten würdigte Verteidigungsminister Mario Kunasek das Jagdkommando beim Festakt anlässlich der Übergabe des neuen Kasernengebäudes und des neuen Scharfschützengewehres in der Flugfeldkaserne. In Richtung der angetretenen Soldaten sagte Kunasek: „Ich habe mich heuer schon mehrmals vom hohen Ausbildungsstand des Jagdkommandos überzeugen können und freue mich, dass wir mit der Übergabe des neuen Gebäudes und des modernen Waffensystems wichtige Investitionen tätigen konnten."

Neben den Jagdkommandosoldaten bedankte sich der Verteidigungsminister bei den Projektverantwortlichen für die Errichtung des neuen Kanzlei- und Unterkunftsgebäudes für die rasche Umsetzung des Bauvorhabens. Im Zuge dessen betonte er die Notwendigkeit einer ausreichenden finanziellen Ausstattung des Bundesheeres für zukünftige Bauprojekte. Hinsichtlich den neuen Scharfschützengewehren meinte Kunasek, dass diese den Kampfwert des Jagdkommandos zusätzlich steigern werden und äußerte den Wunsch, die Jagdsoldaten bei ihrer Ausbildung begleiten zu können.

Neue Scharfschützensysteme

„Die neuen Scharfschützensysteme werden die Leistungsfähigkeit des Jagdkommandos bei ihren Einsätzen unmittelbar erhöhen!“, sagte der Kommandant des Jagdkommandos, Oberst dG Mag. Horst Hofer, in seiner Ansprache. Warum diese Leistungssteigerung notwendig wurde, erklärte Brigadier Mag. Georg Kollmann, Leiter der Abteilung Waffensysteme und Munition in der Sektion 3 des Bundesministeriums für Landesverteidigung: „Die neue Familie der Scharfschützengewehre ist eine Antwort auf die immer komplexeren Bedrohungen in aktuellen Szenarien, die mit einem Universalsystem (wie dem aktuellen Scharfschützengewehr 69) nicht mehr abgedeckt werden können.“  Darüber hinaus stellte Kollmann fest, dass die Vielzahl an Systemen dem Scharfschützen nun die Möglichkeit gäbe, für jeden Auftrag und jedes Szenario über die richtige Waffe zu verfügen.

Aktueller Projektstand

Insgesamt soll das Jagdkommando, aber auch andere Verbände des Bundesheeres in den kommenden Jahren drei neue Scharfschützengewehre erhalten:

  • 7,62-mm-leichte Scharfschützengewehr (lSSG) mit einer Einsatzschussweite von 800 m;
  • 8,6-mm-mittlere Scharfschützengewehr (mSSG), mit einer Einsatzschussweite von 1.200 m;
  • 12,7-mm-schwere Scharfschützengewehr (sSSG) mit einer Einsatzschussweite von 2.000 m.

Alle drei Scharfschützengewehre sind mit modernen Optiken und Restlichtverstärkern ausgestattet, die die Nachtkampffähigkeit sicherstellen. Die optischen Geräte bilden mit den Gewehren ein modernes Scharfschützensystem, das in Zukunft auch über ein Wärmebild-Vorsatzgerät verfügen soll und hinsichtlich der Präzisions- und Leistungsparameter auf internationalen Top-Niveau ist. Alle Scharfschützensysteme sollen über die gleichen optischen Komponenten verfügen, was hinsichtlich der Bedienung, Ausbildung aber auch der Wartung und Logistik günstig ist.

Bisher wurden einige 12,7-mm-sSSG ausgeliefert, wobei die Munition dazu teilweise noch beschafft werden muss und dieses System vermutlich ab 2019 vollständig ausgeliefert wird. Das 8,6-mm-mSSG wurde dem Jagdkommando am 23. November 2018  als ersten Verband übergeben und ist dort somit einsetzbar. Ebenfalls 2019 soll das 7,62-mm-lSSG zulaufen. Somit wird dem aktuellen 7,62-mm-SSG 69 vermutlich zum 50. Jahrestages seiner Einführung ein breitgefächertes Spektrum moderner Scharfschützensysteme zur Seite gestellt.

Mittleres Scharfschützengewehr

Das 8,6-mm-mSSG ist eine Zylinderverschluss-Repetierbüchse mit einer Einsatzschussweite von 1.200 m, einer Länge von 128 cm (mit Schalldämpfer 140 cm) und einem Grundgewicht von 6,28 kg (je nach Optik und Zubehör bis zu 11 kg), das sowohl am Tag als auch in der Nacht eingesetzt werden kann. Der Lauf hat eine Länge von 69 cm und verfügt über einen konstanten Rechtsdrall zur Geschoßstabilisierung. Die Projektile erreichen nach dem Abfeuern eine Anfangsgeschwindigkeit (V°) von 889 mm/Sekunde. Die Patronenzufuhr erfolgt über ein Magazin das zehn Patronen fasst. Das Zielfernrohr Kahles 24i hat eine 6-24fache Vergrößerung, eine Länge von 40,5 cm und ein Gewicht von 0,95 kg. Die Verbindung zwischen der Waffe und der Optik erfolgt mit einer Picatinny-Schiene, auf die ebenfalls der Restlichtverstärker (Nachtsichtvorsatzgerät - Nitesport NR) mit einer Länge von 26 cm und einem Gewicht von 0,92 kg aufgesetzt werden kann.

Entwicklung und Beschaffung

Das mSSG wurde in einem zweistufigen internationalen Wettbewerbsverfahren beschafft. In der ersten Stufe gab es elf Firmen, die an der Entwicklung interessiert waren und aus Österreich, der EU und dem EU-Ausland kamen. In der zweiten Stufe blieben vier Anbieter übrig, von denen zwei aus Österreich und zwei aus der EU kamen. Die österreichische Firma Steyr Arms (früher Steyr Mannlicher) erhielt den Zuschlag, da ihr Angebot das beste Preis-Leistung-Verhältnis aufwies. Aber nicht nur das Gewehr, auch das Zielfernrohr - das für ein Scharfschützensystem eine wesentliche Komponente ist - kommt aus Österreich. Dieses ist, so wie das Gewehr, ein Spitzengerät auf dem Markt und bietet als einziges System weltweit die Möglichkeit die Optik einzustellen ohne die Schusshand verwenden zu müssen.

Die Entwicklung des Waffensystems fand in enger Abstimmung mit Scharfschützen des Jagdkommandos statt, die in allen Entwicklungsschritten ihre Expertise einbrachten. Somit ist dieses System nicht nur ein gemeinsames und richtungsweisendes Produkt hinsichtlich der Evolution der Waffe mit ihren Komponenten. Vielmehr konnte durch diese Vorgangsweise ein Scharfschützensystem entwickelt bzw. adaptiert werden, das den Kundenwünschen bestmöglich entspricht und eine hohe Feldverwendungsfähigkeit garantiert. Neben dem Jagdkommando soll auch die Jägertruppe mit diesem System ausgestattet werden.

Kanzlei- und Unterkunftsgebäude

Bereits 1986 wurde die Errichtung eines Kanzlei- und Unterkunftsgebäudes zum ersten Mal beantragt, dessen Spatenstich im April 2017 erfolgte. Nach einer Bauzeit von etwa eineinhalb Jahren wurde das Kasernengebäude am 23. November 2018 nun an das Jagdkommando übergeben, in dem die Task-Group 2 untergebracht wird. Für den Kommandanten des Verbandes ist die Errichtung dieses Gebäudes ein wesentlicher Zwischenschritt, bei der Erreichung des Zieles, alle Kräfte des Verbandes in der Flugfeldkaserne zusammenzuführen. Der Leiter des Militärischen Immobilienmanagement Zentrums (MIMZ), Hofrat Dr. Johannes Sailer erklärte die wesentlichen Schritte der Planung und Ausführung des Bauvorhabens sowie die Eckpunkte dieses Gebäudes.

Planung und Ausführung 

Die Soldaten des Jagdkommandos waren als Nutzer des Gebäudes in den gesamten Planungsprozess eingebunden, wodurch es für dieses Projekt konkrete Anforderungsprofile gab. Nachdem die Rahmenbedingungen geklärt waren, wurde ein wettbewerbsähnliches Vergabeverfahren durchgeführt. Der Kommandant des Jagdkommandos war ein Mitglied des Bewertungsteams und stellte dadurch sicher, dass die Bedürfnisse seiner Soldaten bei dem Bau bestmöglich berücksichtigt werden konnten. Im Juni 2015 begann die konkrete Planung für das Gebäude, und im August 2016 erfolgte die Baubewilligung. Bei dem EU-weiten Vergabeverfahren erhielt der Generalunternehmer Pittel & Brausewetter GmbH den Zuschlag, der für die Umsetzung des Bauprojektes ausschließlich österreichische Firmen als Subunternehmer betraute. Die Koordinierung des gesamten Bauvorhabens wurde von einer Projektgruppe des MIMZ durchgeführt. Diese stellte sicher, dass sowohl die vorgegebene Bauzeit von 18 Monaten als auch die geplanten Gesamtkosten von sieben Millionen Euro eingehalten wurden.

Architektur 

Das Task-Group-Gebäude ist in einer geradlinigen zeitgemäßen Architektur erbaut und besteht aus zwei getrennten Einheiten mit einer Bruttogrundfläche von etwa 3.400 m². Der erste Gebäudeteil, das eigentliche Kanzlei- und Unterkunftsgebäude, ist ein zweigeschossiger rechteckiger Baukörper. Im Erdgeschoss befinden sich Kanzleien für etwa 80 Personen sowie Besprechungsräume. Im Obergeschoss sind die Unterkünfte der Soldaten mit flexibel nutzbaren Unterkunftsmodulen eingerichtet, die für etwa 120 Personen Platz bieten. Der zweite Gebäudeteil ist das eingeschossige quadratische Lehrsaalgebäude. Darin befinden sich zwei Lehrsäle mit je etwa 80 m², drei Lehrsäle mit je etwa 40 m² sowie Neben- und Sanitärräume.

Bauoffensive des ÖBH 

„Eine auf den Verwendungszweck ausgerichtete Infrastruktur ist eine wesentliche Grundlage für die Aufgabenerfüllung“, sagte Oberst des Intendanzdienstes Claus-Joachim Heitz bei seiner Ansprache im Zuge des Festaktes. Heitz erklärte, dass das neue Gebäude in der Flugfeldkaseren ein Teil einer im Jahr 2016 gestarteten Offensive zur Erneuerung und Verbesserung der Unterkunfts- und Sportinfrastruktur sei. Im Zuge dieser „Offensive“ sollen alleine in Niederösterreich zwischen 2019 bis zum Jahr 2022 etwa 57 Millionen Euro investiert werden. Zurzeit werden die folgenden Projekte umgesetzt bzw. geplant, für die dieses Budget teilweise verwendet wird:

  • Fliegerhorst Brumowski Langenlebarn - Generalsanierung eines Unterkunftsgebäudes (neun Millionen Euro);
  • Birago-Kaserne Melk - Errichtung eines Garagen- und Werkstattbezirkes (33 Millionen Euro);
  • Ostarrichi-Kaserne Amstetten - Renovierung eines Mannschafts- und Verwaltungsgebäudes (sieben Millionen Euro);
  • Raab-Kaserne Mautern - Generalsanierung einer Mannschaftsunterkunft (drei Millionen Euro).

Zusätzlich soll im Bereich der Theresianischen Militärakademie bzw. der Daun-Kaserne in Wiener Neustadt in den nächsten Jahren die Sicherheitsschule errichtet werden. Für die Umsetzung dieses Bauprojekts sind etwa 28 Millionen Euro veranschlagt.

Fazit

Eine moderne Infrastruktur, körperliche und geistige Fitness, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, zielorientierte und einsatzbezogene Ausbildung sowie moderne Waffensysteme sind die Basis der Einsatzfähigkeit eines Soldaten und die Grundlage der Auftragserfüllung. „Der Zusammenhang zwischen dem neuen Gebäude und dem neuen Scharfschützengewehr ist für mich insofern gegeben, dass gut betreute und untergebrachte Jagdkommandosoldaten mit modernen leistungsfähigen Waffensystemen die bestmögliche Leistung im Einsatz erzielen können“, stellte der Kommandant des Jagdkommandos, Oberst dG Mag. Hofer fest. Er zeigte sich davon überzeugt, dass beide der Garant dafür wären, damit das Jagdkommando auch in Zukunft schlagkräftig und einsatzbereit sei.

Offiziersstellvertreter Gerold Keusch, BA ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.


Mittleres Scharfschützengewehr Steyr 08A2

Jagdkommando

Militärisches Immobilienmanagementzentrum

 

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