• Veröffentlichungsdatum : 16.11.2021
  • – Letztes Update : 17.11.2021

  • 9 Min -
  • 1713 Wörter
  • - 4 Bilder

S-70 "Black Hawk" – Mit neuem Cockpit zukunftsfit

Reinhard Zmug

Die hohe Leistungsfähigkeit in Verbindung mit zusätzlichen Ausstattungen wie Selbstschutzausrüstung, Night-Vision-Goggles-Kompatibilität oder die Rotorblattenteisung, erlauben vielfältige Einsatzmöglichkeiten für den „Black Hawk“ und werden ständig am Puls der Zeit gehalten. Trotzdem war es notwendig, nach 20 Jahren die Avionik komplett zu überholen. Die Modernisierung beinhaltet unter anderem ein Helmvisier, GPS-gestützte Anflugverfahren und die Nutzung des Luftraumes nach Sicht- und Instrumentenflugregeln.

Das Besondere am S-70A-42 des Österreichischen Bundesheeres war bei der Übernahme im Jahr 2002 das moderne Glascockpit. Die österreichische Tranche war die Erste mit dem neuen Electronic Flight Instrument System, das umgangssprachlich als „Glascockpit“ bezeichnet wird. Es sind konfigurierbare Fluginstrumente („Bildschirme“) und ersetzen die früher gängigen analogen Rundinstrumente wie Künstlicher Horizont, Kompass, Navigationsanzeigen, Höhenmesser oder Fahrtmesser. Die vielen Haupt-, Neben- und Subsysteme wurden in einer komplexen Avionikarchitektur mit zahlreichen Schnittstellen zusammengeführt und als Gesamtsystem in das Cockpit integriert.

Der S-70A-42 war somit quasi der Prototyp für die nach wie vor produzierte Serie UH-60M „Black Hawk“, die neben strukturellen Verbesserungen auch serienmäßig über ein Glascockpit verfügt. Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine, in der Luftfahrt „Pilot-Vehicle-Interface“ genannt, veränderte sich durch die Digitalisierung völlig. Pilot und Besatzung mussten früher zahlreiche Einzelinstrumente bedienen bzw. beobachten und interpretieren. Der Großteil der Eingaben eines Piloten erfolgte über eine zentrale Steuer- und Kontrolleinheit. Heute wird die Information auf großflächigen Multifunktionsanzeigen dargestellt und kann je nach Flugsituation bzw. sonstigen Erfordernissen (z. B. taktische Informationen) nahezu beliebig angepasst werden. Der Pilot bekommt die Informationen optimiert angezeigt, die für die aktuelle Flugphase wichtig sind. Somit ist ein permanentes Beobachten einer Vielzahl von Einzelinstrumenten nicht mehr erforderlich, was insgesamt die „Situational Awareness“ einer Besatzung bei der Durchführung von Flugaufträgen erhöht.

Obsoleszenz – Damoklesschwert in der Logistik

Obsoleszenz bedeutet im Wesentlichen, dass ein Bau- bzw. Bestandteil eines Systems entweder nicht mehr repariert werden kann oder nicht mehr hergestellt wird und die Gefahr besteht, dass somit das ganze System unbrauchbar wird. Insbesondere bei den digitalen Komponenten wird die Lebensdauer eines Produktes – nicht zuletzt auch aufgrund der rasanten Weiterentwicklung – immer kürzer. Derzeit wird im Bereich der Militärluftfahrttechnischen/-logistischen Dienste (MLLD) von einer Nutzungszeit von zehn bis 15 Jahren ausgegangen.

 

Vergabeverfahren

Bereits zu Beginn des vergangenen Jahrzehntes zeichneten sich bei den „Black Hawk“ des Österreichischen Bundesheeres die ersten Obsoleszenzen ab.   Der Hersteller Sikorsky informierte das Bundesheer, dass einige Komponenten in Kürze nicht mehr lieferbar sein werden. Insbesondere betraf dies die beiden wesentlichen Bauteile des Avioniksystems, die Multifunktionsdisplays (MFD) sowie die zentrale Eingabe- und Steuereinheit (Central Display Unit – CDU). Mit dieser Information begann der langwierige Planungsprozess zur Modernisierung der „Black Hawk“-Flotte und zur erforderlichen Finanzierung. Aufgrund des erwarteten finanziellen Umfanges dieser Modernisierung dauerte es mehrere Jahre, bis das erforderliche Budget für das Programm verfügbar gemacht werden konnte. Parallel dazu erfolgten intensive Marktbeobachtungen und Firmenbesuche, um für das bevorstehende Vergabeverfahren bestmöglich vorbereitet zu sein. Darüber hinaus musste eine dem Stand der Technik entsprechende technische Leistungsbeschreibung erstellt werden.

Im Herbst 2016 erfolgte die Angebotseinholung, an der drei Firmen teilnahmen und fristgerecht ihre Angebote abgaben. Interessant war, dass der Hersteller der „Black Hawk“ selbst nicht am Vergabeverfahren teilnahm, sondern nur als Subunternehmer bei einer anderen Firma in Erscheinung trat. Eine Bewertungskommission des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV) führte die Angebotsprüfung durch und ermittelte den Bestbieter, die Firma „ACE Aeronautics LLC“ aus den USA, mit der nach Abschluss der Vertragsverhandlungen am 1. Juni 2017 der Vertrag zur Modernisierung der „Black Hawk“ des Bundesheeres unterzeichnet wurde. Mit der konkreten Vertragsabwicklung konnte erst etwa ein halbes Jahr später begonnen werden, da ein unterlegener Mitbewerber das Bundesverwaltungsgericht befasste.

Was ist neu?

Beinahe die gesamte Avionik im „Black Hawk“ wurde erneuert. ACE Aeronautics ersetzten die Komponenten des Avioniksystems als Gesamtsystem. Die neue Avionik basiert auf einem zertifizierten Garmin System, dem G5000H, womit sämtliche Anforderungen, die für die Nutzung des Luftraumes nach Sicht- und Instrumentenflugregeln, insbesondere GPS-gestützte Navigationsverfahren, erfüllt werden. Die militärischen Anforderungen, wie Freund-Feind-Kennung oder taktischer Funk werden durch ein taktisches Missionssystem über definierte Schnittstellen integriert, womit der Besatzung sämtliche erforderliche Informationen (zivil und militärisch) zur Verfügung gestellt werden.

Darüber hinaus werden durch den Austausch des Gesamtsystems ebenfalls Komponenten ersetzt, die derzeit noch nicht von Obsoleszenz betroffen sind, die aber jederzeit hätte auftreten können. Dazu zählen unter anderem der Radarhöhenmesser, die Air Data Computer und das Wetterradar. Letztendlich werden in diesem Programm langjährige Forderungen des Betriebes, wie die Integration eines Behördenfunkgerätes (BOS) oder ein so genanntes „Helmet Mounted Display“ umgesetzt. Aufgrund dieser Lösung ist zu erwarten, dass die Versorgbarkeit und der punktuelle Ersatz zukünftig mit bedeutend geringerem technischen und somit auch finanziellen Aufwand verbunden sein werden.

Reise über den Atlantik

Am 5. Dezember 2017 war es soweit. Der erste „Black Hawk“ des Bundesheeres mit der Dienstbezeichnung 6M-BC wurde als Prototyp festgelegt und in die USA zum Upgrade transportiert. Zunächst flog der „Black Hawk“ von Langenlebarn nach Bremerhaven in Deutschland, wo nach einer imposanten Landung mitten in den Hafenbereich die Vorbereitungen für die Schiffsverladung, z. B. das Zusammenfalten der Hauptrotorblätter, durchgeführt wurden. Im Anschluss verlud man den „Black Hawk“ auf ein riesiges Transportschiff, einen so genannten „Vehicles Carrier“, der seine Reise über den Atlantik nach Savannah in den USA antrat. Nachdem der „Black Hawk“ dort wieder in einen flugklaren Zustand gebracht worden war, begann der letzte Teil der Verlegung nach Alabama zum Sitz der Firma ACE Aeronautics.

Der nächste Abschnitt war gekennzeichnet von zahlreichen Programmbesprechungen und „Desgin Reviews“, die für ein derart komplexes Vorhaben gemäß den international üblichen Vorgaben erforderlich sind. Den Umbau selbst begleitete eine permanente Bauaufsicht von Technikern des Materialstabes Luft sowie der Fliegerwerft 1.

Trotz der intensiven Bemühungen von allen Stellen, gab es auch in diesem Programm Zeitverzögerungen. Insbesondere zwei Ereignisse wirkten sich erheblich auf den zeitlichen Ablauf des Programmes aus. Zum einen führten zwei Abstürze von Boeing 737 MAX dazu, dass die US-Luftfahrtbehörde (Federal Aviation Administration) nach viel internationaler Kritik sämtliche Bearbeitungen bei der Zertifizierung von Luftfahrzeugen wesentlich intensiver und somit zeitaufwendiger durchführte. Nachdem gemäß Vertrag mit der Firma ACE Aeronautics auch die notwendigen Zertifizierungsdokumente für eine nachfolgende Wiederzulassung zu liefern waren, wirkte sich dieser Umstand ebenfalls auf das Upgrade-Programm in zeitlicher Hinsicht nachteilig aus. Und dann kam zusätzlich noch die Corona-Pandemie hinzu: die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie waren beträchtlich. Sowohl bei der Firma selbst als auch bei Subunternehmen gab es positive COVID-19-Fälle, darüber hinaus konnten sämtliche Abstimmungen mit der Firma nur mehr virtuell durchgeführt werden.

Eine Werksgüteprüfung, die den Vorteil hat, dass allfällige Mängel unverzüglich durch den Auftragnehmer an Ort und Stelle behoben werden können, konnte aufgrund der weltweiten Reisebeschränkungen nicht durchgeführt werden.
Trotz dieser Umstände konnte ACE Aeronautics schließlich im Oktober 2020 den „Black Hawk“ an das Bundesheer ausliefern, wobei sich hier ebenfalls die Auswirkungen der Pandemie zeigten. So musste der „Black Hawk“ nach der Ankunft im belgischen Hafen auf dem Landtransport nach Österreich transportiert werden.

In Österreich angekommen, wurde die Güteprüfung durchgeführt, und der erste „Black Hawk“ steht seit Februar 2021 der Einsatzstaffel wieder zur Verfügung, wobei die Masse der Flugstunden auf dem Gerät für die Umschulung von Piloten und Technikern verwendet wurde.
Mittlerweile ist die Einrüstung der neuen Cockpits in die restlichen Serienmaschinen im Gange. Um zumindest einen Teil der insbesondere durch COVID-19 verursachten Verzögerungen aufholen zu können, wurde mittels Vertragsänderung vereinbart, dass zwei weitere „Black Hawk“ bei der Firma ACE Aeronautics in den USA umgebaut werden. Die beiden „Black Hawk“ befinden sich seit Anfang Mai 2021 in den USA und werden voraussichtlich gegen Jahresende 2021 wieder der Staffel zur Verfügung stehen. Parallel dazu erfolgt der Serieneinbau auch im Bereich der Fliegerwerft 1 im Rahmen von planmäßigen Wartungsaktivitäten. Im Idealfall wird die „Black Hawk“-Staffel in Langenlebarn ab dem Frühjahr 2022 neben zwei bis drei „alten“ „Black Hawk“ zusätzlich bereits vier modernisierte Hubschrauber einsetzen können.

 

Aufstockung der Flotte

Im militärischen Pflichtenheft für die Beschaffung eines „bewaffneten Mehrzweckhubschraubers“ aus dem Jahr 1999 war als mengenmäßiger Bedarf eine Stückzahl von 24 gefordert. Der daraus resultierende, Ende 2000 abgeschlossene, Vertrag sah die Lieferung von zwölf „Black Hawk“ vor, wobei drei Stück als Option ausgewiesen wurden. Diese Option wurde jedoch niemals realisiert, obwohl es dazu viele Anläufe gab. Letztendlich scheiterte jede Umsetzung an der Finanzierung.

Im Zuge des oben beschriebenen Vergabeverfahrens musste jeder Anbieter neben der Hauptleistung – der Modernisierung der neun „Black Hawk“ – auch die Option „Ergänzung der Flotte um bis zu vier Hubschrauber“ anbieten. Sollten, aus welchen Gründen auch immer, plötzlich die erforderlichen Budgetmittel verfügbar sein, könnte die Option kurzfristig gezogen werden. Inhalt dieser Option war im Wesentlichen, dass jeder Bieter vier „Black Hawk“ mit zumindest 8 000 Restflugstunden anbieten musste, an denen dieselbe Cockpitmodernisierung durchzuführen sei. Damit konnten sowohl neue, aber auch gebrauchte, grundüberholte „Black Hawk“ angeboten werden.

 

Zusätzliche „Black Hawk“

Womit niemand rechnete, war, dass die Bundesregierung im Ministerrat vom 22. August 2018 einem „Hubschrauber- und Mobilitätspaket für die Sicherstellung des Katastrophenschutzes durch das Österreichische Bundesheer“ zustimmte. Darin beinhaltet waren neben Systemen für die Landstreitkräfte, der Beschaffung von neuen leichten Mehrzweckhubschraubern als Ersatz für die Alouette III auch die Aufstockung der „Black Hawk“-Flotte auf zwölf Stück, also einer vollen Staffel.

Mit Jahresende 2018 war die Budgetierung durch das Bundesministerium für Finanzen sichergestellt und schon ein Monat später, am 31. Jänner 2019, war die Option abgerufen und die erforderliche Vertragsänderung in Rechtskraft. Bei diesen drei „Black Hawk“ handelt es sich um Hubschrauber aus dem ursprünglichen Bestand der jordanischen Luftstreitkräfte. Der größte Vorteil dieser Hubschrauber mit der Bezeichnung S-70A-56 ist, dass von den mehreren 1 000 produzierten „Black Hawk“ diese dem Bundesheer-„Black Hawk“ am ähnlichsten sind. Struktur, Ausstattung, Triebwerke, aber vor allem das Glascockpit ist ident mit den S-70A-42 des Bundesheeres. Die Firma ACE Aeronautics hat drei dieser jordanischen „Black Hawk“ gekauft, die nach einer Grundüberholung und dem Einbau des neuen Cockpits dem Bundesheer geliefert werden. Die konkrete Umsetzung konnte bis dato noch nicht beginnen, da bei allen US-Rüstungsgütern eine Zustimmung der zuständigen US-Behörden erforderlich ist und dieser Prozess noch nicht positiv abgeschlossen werden konnte.

 

Fazit

Die dringend notwendige „Black Hawk“-Modernisierung ist in vollem Gange und sollte in den kommenden beiden Jahren mit der Umrüstung der neun Bundesheer-„Black Hawk“ und der Ergänzung um drei weitere Hubschrauber abgeschlossen sein. Mit den Alleinstellungsmerkmalen, wie hohe Crashsicherheit, Einsatz bei fast jeder Witterung und dem Transport von Lasten bis zu vier Tonnen verfügt das Bundesheer über ein überragendes Hubschraubersystem. Ausgerüstet mit einem modernen Cockpit wird das System „Black Hawk“ auch in Zukunft wesentlich zur Einsatzbereitschaft des Bundesheeres beitragen.

Oberst dG Mag. Reinhard Zmug; Referatsleiter des Referates 2 der Luftunterstützungsluftfahrzeugsysteme und stellvertretender Abteilungsleiter der Luftzeugabteilung.

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)