• Veröffentlichungsdatum : 20.01.2017
  • – Letztes Update : 23.05.2017

  • 3 Min -
  • 572 Wörter

Neue Aufgaben für die Truppenpsychologie

Bernhard Penz

Der Flüchtlingsstrom in Richtung Europa, der im Spätsommer des Jahres 2015 begonnen hat und dessen Ende noch nicht absehbar ist, hat national und international die politischen Verantwortungsträger, Institutionen und Einsatzkräfte erheblich gefordert, manchmal sogar überfordert.

Die Komplexität des Geschehens, die individuellen und strukturellen Problemstellungen, das Auftreten von Menschenmassen und die Zusammenarbeit unterschiedlichster Trägerorganisationen unter zum Teil schwierigen und belastenden Rahmenbedingungen bringen neue psychische Herausforderungen für alle Betroffenen mit sich. Um im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz (sipolAssE) und der Unterstützungsleistung, den psychischen Belastungen professionell begegnen zu können, stellt sich die Truppenpsychologie in den Dienst aller Mitarbeiter des Ressorts. Sie handelt damit im Auftrag des Dienstgebers und trägt so zur Erhaltung der psychischen Gesundheit und der Herstellung und Erhaltung der psychischen Einsatzbereitschaft bei.

Einsatzvorbereitung

Die psychologische Einsatzvorbereitung wird durch die Brigadepsychologen in Zusammenarbeit mit den eingesetzten territorialen Truppenpsychologen und Peers gestaltet. Sie zielt auf die besonderen Herausforderungen in der Dienstverrichtung beim sipolAssE aus psychologischer Sicht ab. Dabei werden die Probleme benannt und geeignete persönliche und kollektive Bewältigungsstrategien aufgezeigt. Damit soll die persönliche psychische/physische Widerstandsfähigkeit (Resilienz) gestärkt und gefördert werden. Als Hilfestellungen wurden Vortragsunterlagen und Faltkarten zur Verfügung gestellt. Alle Vorbereitungsmaßnahmen verfolgen den Zweck, die persönliche Handlungssicherheit von Soldaten, auch in stressbedingten Situationen, zu erhöhen.

Einsatzbegleitung

Die Begleitung der Soldaten während des Einsatzes wird von den durch das einsatzführende Kommando zugeteilten Psychologen und Peers wahrgenommen. Ziel ist es, die unmittelbare Einsatzsituation und die Bedürfnisse der Soldaten wahrzunehmen, sowie das Gespräch mit den Kommandanten zu suchen.

Um ein möglichst umfassendes Lagebild der Soldaten im Einsatz zu generieren, wurde bereits sehr früh eine Befragung mittels Fragebogen im Einsatzraum durchgeführt. Die wesentlichsten Belastungen sahen die im Einsatz stehenden Soldaten in den Umweltbedingungen (Geruch, Lichtverhältnisse, Lärm etc.), der zeitlichen Inanspruchnahme (hohe Tagesbelastungen, Dienst an Wochenenden und Feiertagen), der persönlichen Sicherheit (krankmachende Bedingungen, Schutzausrüstung, Angst vor Erkrankungen etc.), der hohen Medienpräsenz und der Ungewissheit hinsichtlich der Einsatzdauer und der damit einhergehenden mangelnden Planbarkeit der persönlichen Zukunft.

Der Großteil der im Einsatz stehenden Soldaten fühlt sich gut auf den Einsatz vorbereitet und den Herausforderungen gewachsen. Die Zusammenarbeit mit und zwischen den Organisationen, die erlebte Kameradschaft und die Möglichkeit an der Geschichte Österreichs aktiv teilzuhaben, lassen den Einsatz sinnvoll und bereichernd für das Leben erscheinen.

Zwischenzeitlich haben sich politische Entscheidungen und damit auch der Dienst wesentlich verändert. Die Herausforderungen und vor allem die Belastungen des Einsatzes werden geringer. Die hohe moralische und ethische Verantwortung der Soldaten sind jedoch geblieben.

Einsatznachbereitung

Der fordernde Einsatz verlangt eine Reflexion des Einsatzgeschehens. Eine Zusammenschau über das Geschehene, das Ansprechen von Fehlern, Enttäuschungen, Frustrationen, aber auch jener Dienstverrichtungen, die besonders gut funktioniert haben. Diese Reflexionen sind notwendig, um den Einsatz persönlich gut abschließen zu können. Die Erfahrungen, die im Einsatz gemacht wurden, sollen zur Qualitätssicherung für die weitere Auftragserfüllung beitragen.

Zusammenfassung

Soldaten sind im Einsatz massiven psychischen Belastungen ausgesetzt. Diese zu reduzieren kann zwar durch organisatorische und strukturelle Maßnahmen versucht werden, auszuschließen sind sie jedoch nicht. Der Vorbereitung auf den Einsatz, der Begleitung während des Einsatzes und der Durchführung einer professionellen Einsatznachbereitung kommen daher erhöhte Bedeutung zu. Soldaten müssen unter möglichst realitätsnahen Bedingungen auf das Einsatzgeschehen vorbereitet, in den Stressverarbeitungsstrategien umfassend geschult und in der Anwendung der psychologischen Selbst- und Kameradenhilfe trainiert sein.

Das hohe Engagement der Psychologen, die beeindruckende Bereitschaft zur Dienstleistung der Peers und die Akzeptanz der Inanspruchnahme der psychologischen Dienstleistungen sind die Motivation der Truppenpsychologen für den Dienst an der Truppe.

HR Mag. Bernhard Penz, ObstdhmfD, ist Leitender Psychologe in den Streitkräften

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