• Veröffentlichungsdatum : 30.01.2024
  • – Letztes Update : 06.02.2024

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Militär und Recht: Neues aus der Gesetzgebung

Karl Satzinger

Der Beobachtungszeitraum war in politischer Hinsicht – bei fortlaufender Kontinuität der seit Jänner 2020 bestehenden Regierungskoalition – durch einen zweifachen Wechsel des Bundeskanzlers sowie mehrfacher Neubesetzungen von Ministerposten, einschließlich der damit verbundenen politischen Verwerfungen, geprägt. Daneben bildeten auch die im Frühjahr 2020 entstandene und bis Frühsommer 2023 anhaltende „Corona-Krise“ sowie der seit Februar 2022 herrschende internationale bewaffnete Konflikt in der Ukraine laufende Arbeitsschwerpunkte im legistisch-rechtlichen Bereich des Ressorts.

Das Verteidigungsministerium hatte im Rahmen der seit März 2020 anlassbezogen kürzestfristig begonnenen und in unterschiedlichen Ausprägungen und Intensitäten fortlaufenden Maßnahmen zur Bekämpfung der „Corona-Krise“ auch an der allgemeinen, durch jeweils äußerst kurzfristige Legislativprozesse gekennzeichneten „COVID-Legistik“ auf Bundesebene mitzuwirken und dabei insbesondere seinen legislativen Änderungsbedarf in diversen „Fremdnormen“ geltend zu machen. Dies betraf insbesondere das im Dezember 2020 verabschiedete COVID-19-Lagergesetz, BGBl. I Nr. 126/2020, dessen Geltungsdauer im Wege zweier Novellierungen (BGBl. I Nrn. 189/2021 bzw. 210/2022) letztlich bis zum Ablauf des 30. Juni 2023 erstreckt wurde. Mit diesem Gesetz wurde im Wesentlichen die Republik Österreich, vertreten durch die Bundesministerin für Landesverteidigung, ermächtigt, einen Notvorrat an Schutzausrüstung und sonstigen notwendigen medizinischen Materialien zu beschaffen, zu lagern, zu bewirtschaften und zu verteilen. Seit 1. Juli 2023 ist nunmehr (gleichsam als eine Art „Nachfolgeregelung“) das Bundeskrisenlagergesetz, BGBl. I Nr. 104/2023, in Kraft. Die Geltungsdauer dieses Gesetzes ist mit Ablauf des 31. Dezember 2024 befristet. Im Wehrrecht im engeren Sinn waren im Rahmen der meist kürzestfristig erlassenen zahlreichen COVID-Gesetze keine unmittelbaren Änderungen notwendig. Mit den in diesem Rechtsbereich bereits seit langem normierten vielfältigen Notstandsregelungen konnte nämlich für diesen Anlass das Auslangen gefunden werden. Basierend auf den Resultaten einer umfassenden Evaluierung der praktischen Erfahrungen aus den „Anti-Corona-Maßnahmen“ des Österreichischen Bundesheeres, insbesondere der Heranziehung von Wehrpflichtigen zum Aufschub- und Einsatzpräsenzdienst im Frühjahr 2020, ergab sich die Notwendigkeit einer Fortentwicklung des diesbezüglich relevanten Rechtsrahmens im besoldungsrechtlichen Bereich. Dieses Vorhaben konnte mit einer am 1. August 2021 in Kraft getretenen Novelle des Heeresgebührengesetzes 2001, BGBl. I Nr. 126/2021, umgesetzt werden. Dabei wurden einerseits eine (zumindest weitgehende) Vereinheitlichung der spezifischen Einsatzbesoldung der Soldaten im Präsenz- und Ausbildungsdienst, andererseits zusätzliche finanzielle Anreize (Freiwilligenprämie bzw. Kaderausbildungsprämie) für Grundwehrdienst leistende Soldaten zur künftigen Übernahme von Milizfunktionen normiert.

Bereits vor etwa zehn Jahren wurde auf politischer Ebene im Hinblick auf die jahrzehntelangen praktischen Erfahrungen und den daraus abzuleitenden Adaptierungsbedarf eine Änderung des KSE-BVG (Bundesverfassungsgesetz über die Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland) in Aussicht genommen. Die daraufhin begonnenen Vorarbeiten führten als Ergebnis diverser Verhandlungen auf Expertenebene schon im Frühjahr 2016 zur Erstellung eines entsprechenden Novellierungsentwurfes durch das Verteidigungsressort. Eine konkrete Weiterbearbeitung erfolgte auch aufgrund der zweimaligen vorzeitigen Beendigung einer Legislaturperiode nicht. Auf der Grundlage einer ausdrücklichen Absichtserklärung im aktuellen Koalitionsabkommen der Regierungsparteien vom Jänner 2020 wurde dieser Novellierungsentwurf im Frühjahr 2020 im Verteidigungsministerium aktualisiert. Mit Entschließung des Nationalrates Nr. 272/E vom 13. Oktober 2022 wurde die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landesverteidigung und die Bundesministerin für EU und Verfassung, aufgefordert, dem Nationalrat einen Entwurf zur Novellierung des KSE-BVG unter spezieller Berücksichtigung der Implikationen des „Strategischen Kompasses“ der Europäischen Union vorzulegen. Erste Besprechungen auf interministerieller Ebene begannen im Frühjahr 2023. Der vorerwähnte aktualisierte Ressortentwurf des Verteidigungsressorts soll in weiterer Folge als erste Arbeitsgrundlage für die konkrete legislative Bearbeitung dienen.

Auf der Grundlage der umfangreichen praktischen Erfahrungen der vergangenen Jahre begannen im Frühjahr 2022 legislative Vorarbeiten zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfes mit dem Ziel einer erleichterten Personalgewinnung für Funktionen in der Einsatzorganisation des Bundesheeres. Hierzu wurde eine wehrrechtliche Sammelnovelle unter dem Kurztitel „Wehrrechtsänderungsgesetz 2023“ konzipiert, mit der diesbezügliche Änderungen im Wehrgesetz 2001, Heeresdisziplinargesetz 2014 und Heeresgebührengesetz 2001 vorgenommen werden sollten. Nach entsprechender parlamentarischer Behandlung und Verabschiedung wurde dieses „Gesetzespaket“ mit dem BGBl. I Nr. 207/2022 kundgemacht und trat am 1. Jänner 2023 in Kraft. Inhaltlich wurden darin im Wesentlichen eine verwaltungsvereinfachende Neuregelung für freiwillige militärische Eignungstestungen, eine erhebliche Erhöhung der laufenden Bezüge im Grundwehrdienst (etwa auf das Niveau der Mindestsicherung) und Verbesserungen bei den Ansprüchen auf Prämien für eine künftige Übernahme von Milizfunktionen normiert. Weiters erfolgen Erleichterungen beim Zugang zu einer Wohnkostenbeihilfe im Präsenz- und Ausbildungsdienst unter Bedachtnahme auf die einschlägige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes.

Im Zusammenhang mit dem im Februar 2022 begonnenen Ukraine-Krieg begannen auf politischer Ebene Bemühungen, im Interesse der Sicherstellung einer verbesserten Aufgabenerfüllung des Bundesheeres, eine nachhaltige Steigerung des Landesverteidigungsbudgets zu erreichen und damit längerfristig die finanziellen Rahmenbedingungen für einen Abbau der erheblichen materiellen Defizite im Bundesheer zu ermöglichen. Hierzu wurde ein am 1. Jänner 2023 in Kraft getretenes LandesverteidigungsFinanzierungsgesetz (LV-FinG), BGBl. I Nr. 185/2022, geschaffen. Dieses Gesetz ist ein programmatisches Bekenntnis zur schrittweisen Verbesserung der militärischen Fähigkeiten und der budgetären Situation der Landesverteidigung. Zudem bezweckte man die im Rahmen der jährlichen Bundesfinanzgesetze anzustrebenden budgetären Aufstockungen für die militärische Landesverteidigung in den Jahren 2023 bis 2026. Diese Regelungen sind allerdings in einer rechtlich unverbindlichen und damit (nach wie vor) von der jeweils aktuellen politischen Willensbildung abhängigen Form gestaltet. Im Übrigen normiert dieses Gesetz auch eine Verpflichtung zur jährlichen Vorlage eines rollierend aktualisierten Landesverteidigungsberichtes an den Nationalrat sowie die Einrichtung einer Kommission beim Verteidigungsressort zur Sicherstellung einer gesetzmäßigen, sparsamen und zweckmäßigen Wahrnehmung bestimmter Beschaffungsaufgaben.     

Am 1. Jänner 2023 trat eine umfangreiche Novelle des Zivildienstgesetzes 1986, BGBl. I Nr. 208/2022, mit erheblichen Auswirkungen auf den Ressortbereich des BMLV in Kraft. In dieser Novelle ist zunächst aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen eine Anhebung der Bezüge der Zivildienstleistenden in ähnlichem Ausmaß wie für Soldaten im Grundwehrdienst normiert. Weiters wurde eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage für eine weitere Wahrnehmung bestimmter besoldungsrechtlicher Angelegenheiten im Zivildienst durch das Heerespersonalamt geschaffen. Damit wurde im Ergebnis die anderslautende Judikatur des Verfassungsgerichtshofes „ausgehebelt“. Schließlich sind nunmehr (ebenfalls im Verfassungsrang) die militärischen Ergänzungsbehörden zur ausdrücklichen Information der Wehrpflichtigen über die beabsichtigte Einberufung zum Grundwehrdienst verpflichtet. Anstelle dieser Neuregelung waren in der zugrundeliegenden Regierungsvorlage vom Oktober 2022 noch einige Bestimmungen mit erwartbaren erheblichen Nachteilen für die militärische Personalrekrutierung enthalten, die allerdings bei der parlamentarischen Behandlung beseitigt werden konnten.

Auf der Ebene der Durchführungsverordnungen wurden im Beobachtungszeitraum zahlreiche ressortbezogene Eigenlegislativmaßnahmen verwirklicht. So wurden im Frühjahr 2021 die Rechtsgrundlagen für die dienstrechtliche Grundausbildung des militärischen Berufskaders umfassend modifiziert (Grundausbildungsverordnungen BGBl. II Nr. 62 bzw. 232/2021). Darüber hinaus konnten mit Wirksamkeit ab 1. März 2022 zwei militärische Sperrgebiete geschaffen und damit eine bedeutende Verbesserung der rechtlichen Basis für den militärischen Eigenschutz bei den betreffenden „sensiblen“ militärischen Anlagen bewirkt werden (Verordnungen BGBl. II Nrn. 77 bzw. 78/2022). Weiters wurden mehrere aufgrund der seit Sommer 2021 laufenden umfassenden Organisationsreformen notwendige Strukturänderungen durch entsprechende Legislativmaßnahmen umgesetzt. Dies betraf die nachgeordneten Dienstbehörden/Personalstellen (Verordnungen BGBl. II Nr. 170/2022, Inkrafttreten am 1. Mai 2022 bzw. BGBl. II Nr. 232/202, Inkrafttreten am 1. August 2023) und die haushaltsführenden Stellen (Verordnung BGBl. II Nr. 486/2022, Inkrafttreten am 1. Jänner 2023). Schließlich wurden mit der neu erlassenen Truppenmunitionslagerungsverordnung 2023 (BGBl. II Nr. 188/2023, Inkrafttreten am 1. Juli 2023) die rechtlichen Rahmenbedingungen für die beschränkte Lagerung militärischer Munition außerhalb von Munitionslagern nach über 20 Jahren an den aktuellen Stand der Technik angepasst.

Das intensive militärische Auslandsengagement Österreichs setzte sich auch im Beobachtungszeitraum unverändert fort. Hierzu waren im Zusammenhang mit einer in Erwägung gezogenen neuen EU-Mission in Westafrika (EUMPM Niger) sowie einer NATO-Mission im Irak (NMI) im Verteidigungsressort entsprechende Durchführungsverordnungen zur Befugnisausübung im Auslandseinsatz vorzubereiten sowie in weiterer Folge von der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates zu beschließen und danach kundzumachen (BGBl. II Nrn. 68/2023 und 193/2023). Mit diesen Verordnungen konnten auch für diese möglichen Auslandsmissionen gesicherte rechtliche Rahmenbedingungen für eine allfällige Ausübung militärischer Zwangsbefugnisse durch die eingesetzten Soldaten zur Verfügung gestellt werden.

Bereits seit einigen Jahren strebt Österreich eine Intensivierung der grenzüberschreitenden Kooperation im gesamten Spektrum der Luftraumüberwachung an. Zur Umsetzung dieser Absicht wurde zunächst ein (gesetzändernder) Staatsvertrag zwischen Österreich und der Schweiz zur umfassenden Zusammenarbeit im Bereich der grenzüberschreitenden Sicherung des Luftraumes gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft abgeschlossen und mit 1. Februar 2019 in Kraft gesetzt (siehe BGBl. III Nr. 214/2018). Dieser Vertrag bietet nunmehr eine solide, in der Praxis bereits bewährte Rechtsgrundlage für die militärische Zusammenarbeit der beiden Vertragspartner. Inhaltlich sieht dieses Abkommen im Wesentlichen die Möglichkeit des „formlosen“ Überfliegens der gemeinsamen Staatsgrenze durch Militärluftfahrzeuge zum Zweck des sicheren „Übergebens“ eines verdächtigen zivilen Luftfahrzeuges an die Luftstreitkräfte des jeweiligen Nachbarstaates – einschließlich diverser Maßnahmen zur Identifikation und Intervention (ausgenommen die Ausübung eines militärischen Waffengebrauches) –
vor. Die im Frühjahr 2018 begonnenen konkreten Bearbeitungen für einen (weitgehend inhaltsgleichen) Staatsvertrag zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland führten im Wege mehrerer bilateraler Fachgespräche und daran anschließender innerstaatlicher Abklärungen in beiden Staaten sowie nach längeren, auf politischer Ebene gelegenen Verzögerungen zur formellen Unterzeichnung durch die beiden Ressortleiterinnen am 9. Dezember 2022. Der erforderliche Ratifizierungsprozess einschließlich der erforderlichen parlamentarischen Behandlung und Genehmigung ist angelaufen. Im Herbst 2021 bzw. Frühjahr 2022 begannen erste bilaterale Verhandlungen mit Tschechien bzw. Italien zur Erarbeitung inhaltlich gleichartiger Staatsverträge. Ein konkreter Abschluss dieser beiden Abkommen ist derzeit noch nicht absehbar.

Die Bundesregierung hat in einer Ministerratssitzung am 26. Oktober 2021 beschlossen, zur Umsetzung diverser Ankündigungen im aktuellen Regierungsprogramm vom Jänner 2020 sowie im Interesse einer Verrechtlichung des gesamtstaatlichen Krisenmanagements den Entwurf eines Bundes-Krisensicherheitsgesetzes vorzulegen. Dieser Entwurf sollte im Wesentlichen eine umfassende Definition einer Krise im Kompetenzbereich des Bundes und eine formelle Feststellung einer Krise durch Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates enthalten. Inbegriffen ist auch die Einrichtung der Funktion eines Regierungsberaters für alle gesamtstaatlichen strategischen Belange der Umfassenden Landesverteidigung und die Möglichkeit zu strategischen Lagerhaltungen durch das Bundesheer im Auftrag der Bundesregierung. Nach Durchführung eines allgemeinen Begutachtungsverfahrens im Jänner 2023 wurde ein entsprechender Gesetzesentwurf betreffend der Erlassung eines Bundes-Krisensicherheitsgesetzes sowie Änderungen des BVG, des Wehrgesetzes 2001 und des Meldegesetzes 1991 von der Bundesregierung am 14. Juni 2023 als Regierungsvorlage beschlossen. Dieser Entwurf sah im Wege einer Ergänzung des Art. 79 Abs. 2 BVG eine Erweiterung der Aufgaben des Bundesheeres betreffend „einzelne Maßnahmen der Vorsorge“ in bestimmten Fällen von Elementarereignissen, Unglücksfällen und Krisen über Inanspruchnahme der Bundesregierung vor. Auf einfachgesetzlicher Ebene sollten die konkreten Maßnahmen der Krisenvorsorge taxativ (Bereitstellung autarker Kasernen, Koordination der Versorgungssicherung, umfassender Schutz kritischer Infrastruktur sowie Versorgungssicherung mit systemrelevanten Gütern) aufgelistet werden. Da im Zuge der parlamentarischen Behandlung des Gesetzentwurfes keine ausreichende Mehrheit für die Umsetzung der angedachten Verfassungsänderungen absehbar war, wurden diese Bestimmungen (einschließlich aller unmittelbar darauf beruhenden einfachgesetzlichen Änderungen) im Wege eines Abänderungsantrages aus dem Entwurf eliminiert. Dies betraf insbesondere die ins Auge gefassten Erweiterungen der Aufgaben des Bundesheeres. Das Gesetzespaket wurde schließlich mit der notwendigen einfachen Mehrheit im National- und Bundesrat verabschiedet; nach entsprechender Kundmachung unter der BGBl. I Nr. 89/2023 wird das Bundes-
Krisensicherheitsgesetz mit 1. Jänner 2024 in Kraft treten. Dem Verteidigungsressort wird nach diesem Gesetz die Mitgliedschaft in diversen (beratenden) Fachgremien obliegen.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können weder der konkrete Fortschritt der diversen obgenannten offenen Legislativprojekte noch die mögliche Inangriffnahme neuer Vorhaben genauer abgeschätzt werden. Insbesondere wird abzuwarten sein, welche politischen Schwerpunkte zur (weiteren) Umsetzung des Arbeitsprogrammes der Bundesregierung vom Jänner 2020 bis zum (planmäßigen) Ende der Legislaturperiode im Herbst 2024 gesetzt werden.

Ministerialrat Brigadier Mag. Dr. iur. Karl Satzinger; Leiter der Gruppe Direktion Recht.               


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 4/2023 (394).

Zur Ausgabe 4/2023 (394)


 

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