• Veröffentlichungsdatum : 20.11.2017
  • – Letztes Update : 28.08.2018

  • 12 Min -
  • 2429 Wörter

Konflikt - Gestern. Heute. Morgen. Teil 1

Bernhard Schulyok, Lukas Bittner

Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Gruppen, Völkern und Staaten sind einem ständigen Wandel unterworfen, so zeigt es die Militärgeschichte. Eine Auseinandersetzung, die vor einiger Zeit noch als Krieg galt, hat heute einen anderen Namen oder ist überhaupt aus unserem Wortschatz verschwunden. Dafür tauchen neue Begriffe auf, die es bislang nicht gab. Aktuelle Bedrohungsszenarien und (gewaltsame) Auseinandersetzungen erfordern die Ein- und Abgrenzung auftretender Akteure und deren Ziele. Die Definition der geltenden völkerrechtlichen Rahmenbedingungen und die Identifizierung der Zuständigkeiten sind Grundlage zur Problemlösung.

Die internationale Ordnung, wie wir sie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geschaffen haben, ist im Zerfallen. Im Moment ist nicht absehbar, welche Form des internationalen Systems sich zukünftig durchsetzen wird. In Zeiten des Umbruches, neuer Herausforderungen und Bedrohungen trägt gerade der sorgfältige Umgang mit den Begriffen der (gewaltsamen) Auseinandersetzungen zur Klarheit bei. Andernfalls ist plötzlich alles „Krieg“ oder „Chaos“.

Krieg ist definiert

Die vorliegende Artikelreihe soll demnach zur Schärfung der Begrifflichkeiten für die derzeitigen Formen der bewaffneten Konflikte beitragen. Dabei geht es vorerst um die grundsätzliche Frage: Welche Formen der (gewaltsamen) Auseinandersetzung insbesondere des „Krieges“ gibt es? Entscheidend sind die Akteure, also wer sich an bewaffneten Auseinandersetzungen (reguläre versus irreguläre Akteure) beteiligt, und die Wege der Konfliktaustragung, also wie gekämpft  wird (konventionelle versus nicht- oder sub-konventionelle Konfliktaustragung bzw. symmetrisch versus asymmetrisch).

Eingangs muss festgehalten werden, dass eine klare Unterscheidung in vielen Fällen nicht möglich ist. Die meisten Konflikte lassen sich heute nicht mehr konträr, also als gegensätzliche Begriffspaare definieren. Eine eindeutige Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden bzw. zwischen symmetrischen und asymmetrischen Konflikten ist meistens weder machbar noch tunlich.

Es ist nicht sinnvoll, Begriffe zu simplifizieren oder mit Gewalt des Ordnungswillens wegen zu kategorisieren und krampfhaft Verbindungen oder Gegensätze zu suchen, wo es keine gibt. Komplexe Situationen einfach darstellen zu können, ist eine Kunst, doch nicht alles passt in vereinfachte Raster. Gerade da sollte das Militär nicht dem Populismus verfallen, weil es gerade dem Zeitgeist entspricht. Im Wortlaut „aufzurüsten“ und jeden Konflikt als „Krieg“ zu bezeichnen, wie z. B. Wirtschaftskrieg, Propagandakrieg, Krieg im Informationsraum, Cyber-Krieg oder „War on Terror“ (Krieg gegen den Terror), führt zu einer Inflation des Begriffes. Diese Worte dienen oft der politischen Argumentation und haben nichts mit der eigentlichen Konfliktaustragung mit Waffengewalt zwischen Staaten zu tun. Hier ist es notwendig, den korrekten Terminus zu verwenden. 

Die Begriffe „Konflikt“, „Auseinandersetzung“ oder ähnliche „weiche“ Begriffe sollen das Wort „Krieg“ weder verharmlosen noch abschwächen. „Krieg“ ist „Krieg“, und eben eine definierte Form des bewaffneten Konfliktes. Damit sind völkerrechtliche Normen und Voraussetzungen verbunden, die nicht aufgeweicht werden dürfen. „Krieg“ zu pauschalieren und den Begriff „Krieg“ in kultivierter Argumentation missbräuchlich zu verwenden bzw. in rechtlicher Hinsicht zu erweitern und neu interpretieren zu wollen, ist bedenklich und unseriös.

Die meisten gegenwärtigen und zu erwartenden Konflikte sind eine Mischform von (bewaffneten) Auseinandersetzungen, und gerade darin besteht auch die größte Herausforderung für Streitkräfte, weil es letztendlich auch um die rechtliche Zuständigkeit und Lösungskompetenz geht.

Wann wird eine Bedrohung zum Konflikt?

Bevor wir uns im militärischen Sprachgebrauch mit dem Terminus Konflikt auseinandersetzen, müssen wir zunächst klären, was in Abgrenzung dazu eine Bedrohung darstellt. Nur weil beispielsweise in unmittelbarer Nachbarschaft Österreichs militärisches Potenzial vorhanden ist, ist hierbei nicht von Bedrohung zu sprechen - erst, wenn (Gewalt-)potenzial mit der Absicht verknüpft vorhanden ist, dieses auch gegenüber jemanden konkret einzusetzen/anzuwenden, wird dies als Bedrohung definiert. Wird diese Absicht umgesetzt, also (Gewalt-)potenzial tatsächlich angewandt, sprechen wir von (bewaffneter) Konfliktaustragung oder Konfliktführung. Wird diese (bewaffnete) Auseinandersetzung nicht aktiv/offen betrieben, sprechen wir nur von einem Konflikt (z. B. latenter, schwelender Konflikt, eingefrorener Konflikt, vgl. auch „Kalter Krieg“).

Die Ebenen der (bewaffneten) Konfliktführung sind  

  • konventionell,
  • nicht-konventionell und
  • sub-konventionell.

Gerade die Begriffe konventionell, nicht-konventionell und sub-konventionell werden in vielen Fällen synonym verwendet und führen damit zu Verwechslungen. So gibt es auf internationaler Ebene den „Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa“, die „UN-Waffenkonvention“, die „Chemiewaffenkonvention“, das Humanitäre Völkerrecht mit den „Genfer Konventionen“, um die wesentlichen Übereinkommen zu nennen.

Man erkennt, dass auf internationaler Ebene Verträge und Konventionen beschlossen wurden, um bestimmte Waffen zu klassifizieren (hier „VN-Waffenkonvention“), zu verbieten (z. B. ABC-Waffen - z. B. „Chemiewaffenkonvention“) oder das Verhalten der kämpfenden Truppen zu regeln (durch das „Humanitäre Völkerrecht“). Darüber hinaus ist mit konventioneller Konfliktführung auch das Zusammenwirken von militärischen Systemen und Mitteln, das organisierte Wirken von Großverbänden etc. gemeint. Es ist also wichtig, zu wissen, was gemeint ist, wenn von konventionell/nicht-konventionell bzw. sub-konventionell gesprochen wird. Sonst spricht der Eine nur von einer Klassifizierung von Waffensystemen und der Andere von der Form der Konfliktführung. Für die weitere Bearbeitung werden die folgenden Definitionen verwendet.

Konventionelle Konfliktführung

Konventionelle Konfliktführung bedeutet, dass alle beteiligten Konfliktparteien völkerrechtlich klassifizierte Waffensysteme nutzen (also keine ABC-Waffen) und organisatorisch so ausgerichtet sind, dass sie die Vorgaben des Humanitären Völkerrechtes einhalten und in der Lage sind, unterschiedliche Waffensysteme und Mittel aufeinander abgestimmt wirken zu lassen. Diese Form der Konfliktführung findet fast ausschließlich in einem „internationalen bewaffneten Konflikt“ gemäß völkerrechtlicher Normierung statt.

Nicht-konventionelle Konfliktführung

Nicht-konventionelle Konfliktführung bedeutet, dass sich mindestens ein Konfliktakteur nicht oder nur teilweise an die zuvor angeführten völkerrechtlichen Bestimmungen hält oder halten kann. Es werden beispielsweise nicht klassifizierte oder verbotene Waffensysteme eingesetzt. 

Der Organisationsgrad ist zu gering ausgeprägt, um völkerrechtlich klassifiziert zu werden, oder es fehlt die Absicht des Akteurs, sich an das Humanitäre Völkerrecht zu halten. Oder der betreffende Akteur ist technisch oder organisatorisch nicht in der Lage, großräumige militärische Verfahren durchzuführen bzw. Systeme und Mittel komplex zusammenwirken zu lassen. 

Diese Form der Konfliktführung kann entweder intendiert (der Akteur „will“ nicht) oder nicht-intendiert (der Akteur „kann“ nicht) sein. Diese Form der Konfliktaustragung findet meistens bei „nicht-internationalen bewaffneten Konflikten“ statt (näheres hierzu im nächsten Teil dieser Artikelreihe).

Sub-konventionelle Konfliktführung

Im Gegensatz zur nicht-konventionellen steht die sub-konventionelle Konfliktführung. Die Anwendung militärischer Verfahren und Mittel findet in einem Umfang bzw. in einer Intensität außerhalb des völkerrechtlich relevanten Status statt - es ist daher im Gegensatz zum Völkerrecht nationales Staatsrecht anzuwenden.

Diese Form der Konfliktführung kommt zum Beispiel bei „hybriden Konflikten“, aber auch bei bestimmten Terroranschlägen zum Tragen. Die besondere Herausforderung besteht in Österreich darin, dass im Fall eines größeren Terroranschlages nach der derzeitigen Gesetzeslage die Polizei zuständig wäre, aber ab einer besonders hohen Intensität Gefahr laufen könnte, weder über die notwendigen Mittel noch Verfahren zu verfügen, um darauf adäquat reagieren zu können. Das Bundesheer darf aber nicht einschreiten, weil die rechtliche Grundlage fehlt: „Der eine ist zwar zuständig, kann aber nicht, der andere könnte zwar, darf aber nicht!“ - denn sicherheitspolizeiliche Assistenz kann nicht alle Probleme lösen. Diesen rechtlichen Graubereich gilt es zu schließen (näheres hierzu in einem der folgenden Teile dieser Artikelreihe).

Was ist „Krieg“?

Der preußische Militärphilosoph Generalmajor Carl von Clausewitz nutzte die Metapher des „Chamäleons“, um den Wandel des Krieges zu beschreiben. In seinem vielzitierten Buch „Vom Kriege“ definierte er allgemein: „Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen.“ („Vom Kriege“; Kap 1.1). Zentral sind in seiner Kriegstheorie zwei Punkte. Zum einen ist der Krieg nicht als „selbstständig“ zu denken, sondern immer ein Mittel zur Erreichung eines politischen Zieles. Zum anderen unterscheiden sich die Kriege auch nach der „Natur“ und den „Verhältnissen“, aus denen sie entstehen, also aus den politischen, rechtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Umfeldbedingungen. Militärische Gewaltanwendung ist also nicht gleichwertig mit Politik zu sehen, sondern „Krieg ist nichts anderes als die fortgesetzte Staatspolitik mit anderen Mitteln“ (Clausewitz) - Primat der Politik. Alle Maßnahmen zur Zielerreichung eines Staates haben der gesamtstaatlichen Politik zu entsprechen und werden durch diese geleitet.

Auch wenn sich die Art, Krieg zu führen, und die Formen der Konfliktaustragung seit dem Tod von Generalmajor von Clausewitz mehrfach geändert haben, so sind folgende Grundlagen bis heute gültig: Krieg wird geführt, um ein politisches Ziel zu erreichen (wie immer dieses auch aussehen mag), und die Kriegsführung ist abhängig von äußeren (internationales System, Völkerrecht, …) und inneren (politisches System, technisches Know-how, …) 

Verhältnissen. In der Grafik sind im Überblick zum besseren Gesamtverständnis die Formen von (bewaffneten) Konflikten unter den Rahmenbedingungen des Humanitären Völkerrechtes dargestellt, um den „Krieg“ als Sonderform ebendort verorten zu können.

Daraus werden nun vier unterschiedliche Konfliktvarianten beschrieben, die „landläufig“ mit dem Begriff „Krieg“ in Verbindung gebracht werden. „Erklärter Krieg“, „internationaler bewaffneter Konflikt“, „nicht-internationaler bewaffneter Konflikt“ und die Grauzone des „hybriden Konfliktes“.

Der „erklärte Krieg“

Der „erklärte Krieg“ wird klassisch auch Staatenkrieg genannt. Er entspricht am ehesten jener Vorstellung von Krieg, welche als kriegerische Auseinandersetzung zwischen Staaten in Verbindung gebracht wird. Ein „erklärter Krieg“ findet demnach dann statt, wenn ein souveräner Staat einem anderen souveränen Staat den Krieg erklärt hat. Gerade die Kriegserklärung stellte im klassischen Völkerrecht ein wichtiges Element zur Unterscheidung zwischen dem Kriegszustand auf der einen Seite und dem Frieden auf der anderen Seite dar.

In den Haager Konferenzen wurde deswegen auch vereinbart, dass Feindseligkeiten nicht ohne vorausgehende Benachrichtigung beginnen sollten und ein Kriegszustand unverzüglich neutralen Mächten anzuzeigen sei: „Die Vertragsmächte erkennen an, dass die Feindseligkeiten unter ihnen nicht beginnen dürfen ohne eine vorausgehende unzweideutige Benachrichtigung, die entweder die Form einer mit Gründen versehenen Kriegserklärung oder die eines Ultimatums mit bedingter Kriegserklärung haben muss.“  Und weiter: „Der Kriegszustand ist den neutralen Mächten unverzüglich anzuzeigen und wird für sie erst nach Eingang einer Anzeige wirksam, die auch auf telegraphischem Wege gemacht werden kann. Jedoch können sich die neutralen Mächte auf das Ausbleiben der Anzeige nicht berufen, wenn unzweifelhaft feststeht, dass sie den Kriegszustand tatsächlich gekannt haben.“  (Artikel 1 des III. Übereinkommens der II. Haager Friedenskonferenz vom 18. Oktober 1907)

Über Jahrhunderte wurde das „Recht zum Krieg“ (ius ad bellum) als legitimes Instrument von Staaten angesehen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einem Umdenken im internationalen System. Neben ethischen Überlegungen waren es vor allem wirtschaftliche als auch (waffen-)technische Entwicklungen, die zu einer zunehmenden Begrenzung des Rechtes zur Kriegsführung führte (auch „Einhegung des Krieges“ genannt). Der Erste und Zweite Weltkrieg wurden als sogenannte „Totale Kriege“ geführt. Der Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller definiert den Begriff des „Totalen Krieges“ als „(...) eine Totalisierung der Kriegsanstrengungen, die Mobilisierung der ganzen Gesellschaft für den Krieg bis hin zu ihrer Erschöpfung, die Entgrenzung politischer Kriegsziele, die bis hin zur Vernichtung ganzer Staaten und Völker führen können, die Ideologisierung und Enthumanisierung der Kriegsführung sowie den Einsatz moderner Technik und Wissenschaft für militärische Zwecke.“

Aufgrund der ungeheuren Verluste und massiven wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Ersten Weltkrieges bekannten sich 1928 im Kellogg-Briand-Pakt zunächst elf Staaten zum Verzicht eines Krieges und zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten. Diesen Pakt unterzeichneten in der Folge noch weitere Staaten. Mit der Gründung der Vereinten Nationen kam es zu einem allgemeinen „Gewaltverbot“ für Staaten. Die klassischen Staatenkriege, die mit einer Kriegserklärung beginnen und einem Friedensschluss zwischen den Staaten enden, sollten damit endgültig Geschichte sein.

Internationaler bewaffneter Konflikt

Mit dem in Art. 2, Ziff. 4 der Charta der Vereinten Nationen festgeschriebenen allgemeinen Gewaltverbot hat sich auch die Begrifflichkeit von „Krieg“ auf „internationaler bewaffneter Konflikt (zwischen den Hohen Vertragsparteien)“ verschoben. Heute ist der einzige völkerrechtlich legitime Einsatz von Streitkräften durch Staaten die „individuelle oder kollektive Selbstverteidigung“.

Die Vereinten Nationen definieren das Recht hierzu in Artikel 51: „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffes gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechtes trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.“

In der Fachliteratur stellt der bewaffnete Angriff den Ausgangspunkt bzw. den Beginn eines internationalen bewaffneten Konfliktes dar. Ein Vorgehen mit militärischen Mitteln durch einen Staat, also durch den Einsatz von Streitkräften, ist dafür die Grundvoraussetzung. Gleichzeitig kommt es durch Art. 51 aber - zumindest theoretisch - zu einer zeitlichen Einschränkung des bewaffneten Konfliktes. Durch die Verpflichtung, die Inanspruchnahme der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung dem Sicherheitsrat anzuzeigen, kommt es unmittelbar zu einer Verschiebung der Zuständigkeit zu den Vereinten Nationen. Gerade der Sicherheitsrat hat hierbei eine zentrale Rolle, ist er doch für die - politischen, wirtschaftlichen und militärischen - Maßnahmen nach Art. 41 bzw. 42 der Charta der Vereinten Nationen zuständig.

Völkerrechtsfähige Subjekte wie Staaten, aber auch stabilisierte De-facto-Regime versuchen in den meisten Fällen von bewaffneten Konflikten, die über die Staatsgrenzen hinausgehen, die Einordnung als „internationaler bewaffneter Konflikt“ zu vermeiden, da sie sonst die Zuständigkeit an die Vereinten Nationen übergeben müssten. In den meisten Fällen wird daher in diesem Zusammenhang durch den Aggressor als Abschwächung bevorzugt von „Grenzzwischenfällen“, „Zusammenstößen“ und „Scharmützeln“ gesprochen. Denn erst darüber hinaus gehende organisierte, andauernde Kampfhandlungen zwischen bewaffneten Streitkräften von Staaten können als bewaffneter Konflikt klassifiziert werden - diese erfüllen die Voraussetzungen hinsichtlich ihres Organisationsgrades, gleichzeitig muss jedoch eine gewisse Intensität der Kampfhandlungen erreicht werden. Nicht jeder bewaffnete Angriff löst somit einen bewaffneten Konflikt aus, der dem Sicherheitsrat anzuzeigen ist.

Eine unmittelbare konventionelle militärische Bedrohung des österreichischen Staatsgebietes ist zumindest mittelfristig nicht absehbar“, stellt die aktuelle Teilstrategie Verteidigungspolitik fest. Und diese Feststellung betrifft die meisten Staaten weltweit. Kein Staat mit „Hausverstand“ möchte sich als „Paria-Staat“ selbst aus der internationalen Staatengemeinschaft ausschließen und noch viel weniger einen Nuklearkrieg riskieren. Allerdings kann heute niemand vorhersagen, wie sich das internationale System in den kommenden Jahren und Jahrzehnten entwickeln wird. Auch wenn der bewaffnete Konflikt als Mittel der Politik durch die Staaten geächtet ist, kann man heute nicht völlig ausschließen, dass in Zukunft dieses Mittel wieder als legitim anerkannt wird. Der Erhalt der Fähigkeiten zur konventionellen Konfliktaustragung durch einen „Rekonstruktionskern“ im Bundesheer ist daher zielführend und zukunftsweisend.

Auf einen Blick

Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass ein Krieg zwischen Staaten durch das Völkerrecht als internationaler bewaffneter Konflikt normiert ist. Er stellt eine gewaltsame militärische Auseinandersetzung dar und findet zwischen Staaten statt (da ausschließlich Staaten auch Vertragsparteien sind; als Ausnahme gelten die „anerkannten Völkerrechtssubjekte“ - dies waren meist Unabhängigkeitsbewegungen in Kolonialkriegen.)

Völkerrechtlich ist diese Konfliktform verboten („Gewaltverbot“) und deswegen, aber auch aufgrund der möglichen Auswirkungen („Nukleare Extermination“; nukleare Vernichtung) für die meisten Staaten kein Mittel ihrer Politik. Sie ist damit unwahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich geworden. Sollte sich das internationale System weiter verändern oder ein Staat zum Schluss gelangen, dass er keine anderen Mittel als militärische zur Umsetzung seiner Politik besitzt, so könnte ein derartiger Krieg durchaus (wieder) stattfinden.

Auch wenn internationale bewaffnete Konflikte unwahrscheinlich geworden sind, so gelten die Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft vermehrt sowohl bei der Bewältigung nicht-internationaler Konflikte als auch bei einer „neuen“ Art der Auseinandersetzung, wobei ihre Streitkräfte als Teil eines umfassenden Lösungsansatzes („Comprehensive Approach“) dienen sollten. 

wird fortgesetzt...

Teil 2

Oberst Bernhard Schulyok, MA; Abteilung Militärstrategie im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport. Milizfunktion: Kommandant des Jägerbataillons Wien 2 „Maria Theresia“.

Oberstabswachtmeister Lukas Bittner, BA, MA; Abteilung Verteidigungspolitik im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport. Milizfunktion: S3-Bearbeiter beim Jägerbataillon Wien 2 „Maria Theresia“.

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)