• Veröffentlichungsdatum : 30.01.2024
  • – Letztes Update : 13.02.2024

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Kommandounteroffizier: Im Dienste der Mission

Rudolf Pfalzer

Die European Force (EUFOR) Operation ALTHEA wurde im Jahr 2004 als Nachfolger der NATO-Missionen Implementation Force (IFOR) und Stabilization Force (SFOR) in Bosnien und Herzegowina ins Leben gerufen. Seit damals gibt es im Camp Butmir, dem Sitz des EUFOR-Kommandos in Sarajewo, einen Regimental Sergeant Major (RSM). Seine Aufgabe ist das Aufrechterhalten von Disziplin, Ordnung und dem militärischen Auftreten der EUFOR-Soldaten.

Anfangs war der RSM der Betriebs-organisation im Camp Butmir zugeordnet und wurde in den ersten Jahren vor allem von irischen Unteroffizieren wahrgenommen. Später wurde der RSM dem Commander EUFOR (COMEUFOR) direkt zugeteilt und die Umbenennung der Funktion in Command Sergeant Major (CSM) vollzogen. Seit 2013 werden österreichische Unteroffiziere im jährlichen Wechsel mit ungarischen Unteroffizieren für diese Funktion herangezogen. Im November 2021 übernahm ich die Funktion des CSM von meinem ungarischen Vorgänger für die folgenden zwölf Monate.

CSM bei EUFOR ALTHEA

Mit der Funktion des CSM übernahm ich eine Führungsrolle bei der EUFOR Truppe. Meine dienstliche Stellung als Teil des Kommando-Teams ermöglichte es mir, direkt, unmittelbar und selbstständig Einfluss auf das Leben im Camp zu nehmen. Mein Aufgabengebiet war klar definiert. Ich war Berater des EUFOR-Kommandanten in Angelegenheiten der Unteroffiziere sowie der Mannschaften und damit für die Disziplin und Ordnung im Camp Butmir verantwortlich. Ebenso war ich ein Bindeglied zwischen den nationalen Kontingenten und ihren Personengruppen. Bei offiziellen Anlässen repräsentierte ich EUFOR, auch als Vertreter des COMEUFOR, indem ich meine Kompetenz bei protokollarischen Angelegenheiten einbrachte. Tatsächlich war ich der einzige Soldat der gesamten EUFOR-Truppe, der mit allen Personen – vom General bis zum Soldaten sowie zwischen Militär- oder Zivilperson – in dienstlichen oder privaten Angelegenheiten jederzeit und proaktiv, in Kontakt treten konnte.

Um diese Funktion auszuüben, sind ein gewisses Dienst- und Lebensalter und die damit gewonnenen umfassenden militärischen sowie persönlichen Erfahrungen notwendig. Als unabdingbar möchte ich meine Erfahrungen aus vorangegangenen Einsätzen bezeichnen. Vor allem meine Tätigkeit als Unteroffizier in einem Liaison Observation Team in dieser Mission in den vergangenen Jahren gab mir ein fundiertes Wissen über den Einsatzraum. Umfassende Sprachkenntnisse in Englisch, der EUFOR-Arbeitssprache, sind eine unverzichtbare Befähigung für die Funktion als CSM-EUFOR. Weitere Sprachkenntnisse (Bosnisch, Französisch etc.) hätten die Kommunikation erleichtert, waren aber nicht unbedingt notwendig. Meine Erfahrung aus neun Jahren als Kommandounteroffizier (KdoUO) der Heeresunteroffiziersakademie (HUAk), die dem CSM-EUFOR weitgehend entspricht, war ein weiterer Vorteil. Sie gab mir vor allem in sensiblen Situationen das nötige Rüstzeug, um diese zu bewältigen.

Dienst in der Funktion

Meine tägliche Dienstroutine umfasste das morgendliche Koordinationsmeeting, verschiedene Inspektionsrundgänge, das Beantworten dienstlicher E-Mails und termingerechtes Bearbeiten von Aufträgen. Darüber hinaus nahm ich an diversen Besprechungen teil. Bei vielen Gelegenheiten, wie Dienstaufsichten und offiziellen Besuchen, begleitete ich den COMEUFOR innerhalb und außerhalb des Camps. Dabei repräsentierte ich die Unteroffiziere und Mannschaften der EUFOR-Truppe, knüpfte Kontakte zu anderen Soldaten und gab bei Bedarf meine Fachexpertise ab.

Zum Tagesgeschäft gehörte auch die Entgegennahme von Beschwerden, Wünschen und Anregungen. Selbstverständlich mussten die Soldaten erst das Vertrauen zu mir gewinnen. Das gelang vor allem durch meine häufige Präsenz bei der Truppe und den nationalen Unterstützungselementen. Dennoch waren viele Gespräche notwendig, um die nötige Vertrauensbasis herzustellen. Jede noch so gering erscheinende Beschwerde nahm ich ernst, jedoch nicht ohne einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt bzw. den Beweggründen der Beschwerdeführer. Mit jeder erfolgreichen Problemlösung stieg auch das Vertrauen der Soldaten in meine Person.

Der gute Kontakt zu den ranghöchsten Unteroffizieren (Senior NCO) der EUFOR-Kontingente war ein Schlüssel zum Erfolg meiner Tätigkeit. Der „NCO Support Channel“ war zu Beginn meines Einsatzes nur gering ausgeprägt. Nach wenigen Wochen war jedoch ein Netzwerk der Senior NCO entstanden, wodurch viele Probleme, Ungereimtheiten und Missverständnisse rasch und relativ unkompliziert bewältigt werden konnten. Für die Kontingente entstand dadurch die Möglichkeit einer gegenseitigen Unterstützung, die für ein spürbar besseres Arbeitsklima im Camp sorgte. Meine Aufgabe war es auch, Verbindungen herzustellen und meine Kameraden zu animieren miteinander zu reden. Besonders erfolgreich empfand ich die Umsetzung der verschärften Maßnahmen zur Einhaltung der Disziplin und Ordnung während der Großübung „Quick Response 2022“. Der „NCO Support Channel“ unterstützte dabei sowohl beim Bekanntmachen als auch beim Einhalten der befohlenen Maßnahmen. Als Detail am Rande sei erwähnt, dass zum Zeitpunkt der Übung, mit bis zu 2 000 Soldaten so viel Personal wie noch nie zuvor seit Beginn der EUFOR-Mission im Camp Butmir untergebracht war.

Die protokollarischen Aufgaben waren ein weiterer, wesentlicher Teil meiner Aufgaben als CSM. Praktisch jede offizielle EUFOR-Veranstaltung erfordert eine professionelle Planungs- und Führungsleistung. Ich trat dabei als Parade Sergeant Major ebenso in Erscheinung, wie als Kommandant der Ehrenformation für offizielle Besuche beim Kommando EUFOR oder als Vertreter der Unteroffiziere beim Abschreiten der Front durch den COMEUFOR. Eine weitere Aufgabe war die Beratung für die Kontingente bei zahlreichen Zeremonien im Camp, wie Gedenkfeiern, Jahrestagen oder Jubiläen. Meine Expertise wurde oft und gerne angenommen und in die Planungen der Veranstaltungen miteinbezogen. Das Herstellen einer Verbindung zum COMEUFOR war ebenso erforderlich, da die Vorbereitung (z. B. Absprachen über Abläufe und Bewegungssequenzen) für das Gelingen der Festakte wesentlich war.

„Ungewöhnliches“ Einsatzjahr

Das Jahr 2022 war geprägt durch den Kriegsausbruch in der Ukraine und dem stufenweisen Ende der Corona-Pandemie. Diese herausfordernden Zeiten waren auch im Camp Butmir zu merken. Um den Auftrag dennoch zu erfüllen, waren Teamwork und Kameradschaft wichtiger als in den, meistens relativ ruhigen, Jahren zuvor. Als CSM konnte ich einen Beitrag für den Aufbau und das Aufrechterhalten des dafür notwendigen „Einsatzklimas“ leisten.

Die Voraussetzung dazu war, dass ich mir den Respekt sowohl meiner Vorgesetzten als auch meiner Untergebenen erarbeiten konnte. Die aufeinandertreffenden Militärkulturen waren zu unterschiedlich, als dass dies selbstverständlich wäre. Die Basis dafür waren meine Bemühungen und mein Wirken im fachlichen, sozialen und interkulturellen Bereich. Durch Präsenz und Kommunikation konnte ich Vertrauen schaffen. Zusätzlich stärkten die mir erteilten Befugnisse meine Durchsetzungsfähigkeit. Ein weiterer Schlüssel, um meine Aufträge zu erfüllen, war die weitgehende Handlungsfreiheit, die meine Tätigkeit als CSM erst ermöglichte: Immer im Sinne des Kommandanten, immer im Dienste der Mission!

Im November 2022 übergab ich die Funktion an meinen Nachfolger von der ungarischen Luftwaffe. Damit endete mein Einsatz in Bosnien und Herzegowina. Die Zeit als CSM EUFOR war nicht nur eine fordernde und besondere Erfahrung, sondern auch ein Höhepunkt meiner Unteroffizierskarriere. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden in meiner Dienstverrichtung als KdoUO der HUAk und in mein Bemühen um die Entwicklung des österreichischen Unteroffizierskorps einfließen. Ich bin stolz, als österreichischer Unteroffizier in dieser internationalen Spitzenfunktion tätig gewesen zu sein.

Vizeleutnant Rudolf Pfalzer, Kommandounteroffizier der HUAk.


Dieser Kommentar erschien im TRUPPENDIENST 4/2023 (394).

Zur Ausgabe 4/2023 (394)


 

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