• Veröffentlichungsdatum : 13.10.2020
  • – Letztes Update : 19.10.2020

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Go West!

Jörg Loidolt

Ausbildungskooperation mit ungarischen Streitkräften in Wels

Ende 2018 bestellte die „Honvédség“, die Streitkraft Ungarns, bei der deutschen Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann (KMW) 44 Stück „Leopard 2A7“-Panzer. Diese Tatsache verbreitete sich in Fachkreisen wie ein Lauffeuer, verfügte die Honvédség bis dahin lediglich über 22 „T-72“-Panzer und nur zwei Panzerkompanien.

Dem Vernehmen nach suchten die Ungarn nach gebrauchten A5- oder A6-Panzern, die aber am Markt nicht verfügbar waren und sind. Daher wurde „in die Vollen“ gegriffen und das Topmodell „Leopard“ A7 geordert. Die Auslieferung der ersten Modelle ist für 2023 geplant, eine erste Einsatzbereitschaft ist nicht vor 2025 zu erwarten. Eine volle gefechtstechnische, taktische und logistische Einsatzbereitschaft wird wohl in Summe eine zehnjährige Einführungsphase brauchen.

Umstieg vom T-72

Um den Umstieg vom sowjetischen „T-72“ auf die westlich Panzertechnik in Form des „Leopard 2“ zu erleichtern, wurden durch KMW zwölf Leopard 2A4 in Form einer Leasing-Variante zur Verfügung gestellt. Diese Panzer sind in Österreich durchaus bekannt, stammen sie doch aus der Reduzierung der österreichischen Panzerflotte von drei auf ein Panzerbataillon (PzB). Damit sind diese Panzer „echte Europäer“. In Deutschland gebaut für die niederländische „Koninklijke“-Landmacht, später an das ÖBH verkauft, von KMW zurückgekauft und nun an die Ungarn geleast.

Der Konfigurationsstand der zwölf „Leoparden“ entspricht denen des österreichischen PzB14. So sind diese ebenfalls mit dem „FN-MAG“-Maschinengewehr, der „VIC-3.0“-Interkom-Anlage und dem Funkgerät „RACAL“ ausgerüstet. Da weder KMW noch die Deutsche Bundeswehr über Simulatoren für dieses Modell verfügen, kam für die Ausbildung der Honved schnell Österreich und das PzB14 ins Spiel. Dass das PzB14 über bestens ausgebildete Soldaten verfügt, wurde seit 2017 mehrfach unter Beweis gestellt und mit Top-Platzierungen bei der „Strong Europe Tank Challenge“ (siehe "Strong Europe Tank Challenge") bewiesen. Das Training beim Nachbarn kam den Kameraden aus Tata aber auch geografisch gelegen.

Vorerst wurde eine Ausbildungskooperation für die Jahre 2020 und 2021 fixiert. Neben der COVID-bedingt auf 2021 verschobenen Fahrschule für acht ungarische Soldaten wurde beginnend mit dem 28. September 2020 ein insgesamt sechswöchiger Ausbildungsblock vereinbart. Davon werden in den ersten und den letzten beiden Wochen die Simulatoren in Wels intensiv genutzt. Die zwei Wochen in der Mitte dienen zur Vertiefung des Erlernten und der Umsetzung in Ausbildungsbehelfe in Ungarn.

Alle 16 ungarischen Soldaten sind Angehörige des PzB11 aus Tata, das auf halbem Weg zwischen Nickelsdorf und Budapest liegt. Die Kameraden sind engagiert bei der Ausbildung, allerdings zeigen sich doch erhebliche Unterschiede zwischen dem T-72 und dem „Leopard 2“. Zum Einsatz kommen bei dieser Ausbildung die zwei Ausbildungsanlagen Turm sowie beide Schießsimulatoren. Eine Einweisung in das FN-MAG und das RACAL runden das Programm ab. Dabei ist nicht nur die Funktion des Ladeschützen augenscheinlich neu. Auch die volle Rohrstabilisierung, der präzise Laserentfernungsmesser und der dynamische Vorhalt zum Bekämpfen von Zielen in Bewegung erfordern eine grundlegende Neuausrichtung in der Handhabung des Systems Kampfpanzer. Natürlich können diese vier Wochen in Wels nur die Spitze des Ausbildungs-Eisberges abdecken und es wird noch viel Wasser, die Traun über die Donau bis Budapest fließen, bis neben den Einzelfunktionen, Besatzungen, Züge oder gar Kompanien gebildet werden.

Lessons Identified - Kommentar Jörg Loidolt, Kommandant PzB14

Die wesentlichen Schlüsse („Lessons Identified“) für das PzB14 sind, dass die Einführung eines völlig neuen Waffensystems zumindest zehn Jahre dauert, die Verfügbarkeit von neuem Gerät am Weltmarkt stark begrenzt ist und es ein langer und steiniger Weg ist, einmal beherrschtes Können wieder zu erlangen. Für das österreichische Bundesheer muss die Lesson Identified sein, dass Waffengattungen zumindest im Umfang eines kleinen Verbandes zur Verfügung stehen müssen, um die notwendige Aufwuchsrate im aktiven und im besonderen Maße für die Miliz zu gewährleisten.

Die strategische Vorwarnzeit von zehn Jahren beginnt immer morgen, denn ein Panzer-, Fliegerabwehr-, Cyberkampf- oder auch Drohnenverteidigungsbataillon braucht etwa zehn Jahre, um einsatzbereit zu sein. Damit ist das Vorhalten von maximal kompaniestarken Kräften nicht ausreichend, logistisch aufwendig und auch nicht ausreichend für den gefechtstechnischen, taktischen und im besonderen logistischen Wissenserhalt. In einer Epoche, in der ständig alte Konflikte an den Rändern Europas erneut aufbrechen, ist es verteidigungspolitisch unverantwortlich, nur auf die Szenarien höchster Eintrittswahrscheinlichkeit vorbereitet zu sein – zumindest für Streitkräfte.

Für Szenarien wie die aktuelle Pandemie, großflächige Blackouts oder klimabedingte Naturkatastrophen muss ein Staat gerüstet sein. Diese sind aber gesamtstaatliche Aufgaben, bei denen die Streitkräfte unterstützen, sofern sie nicht für ihre Kernaufgabe, die Landes- und/oder Bündnisverteidigung, gebraucht werden. Der eben wieder heiß gewordene Konflikt um Bergkarabach zeigt, dass eine Pandemie kein Garant für die internationale Zusammenarbeit und die Überwindung von staatlichen Dissonanzen sein muss, sondern als strategischer Schwächemoment von Akteuren ausgenutzt werden kann.

Dies führt uns zum britischen Spruch: “A Tank is like a dinner jacket, you don´t need it very often, but when you do, nothing else will do.” Bei einer Einladung, bei der ein Dinnerjacket gefordert ist, wird man sich so rasch keines ausleihen können, sondern man muss selbst eines besitzen und wissen, wie man es am glatten Parkett trägt. In diesem Sinne: Panzer Voraus!

Oberstleutnant Jörg Loidolt ist Kommandant des Panzerbataillons 14.

 

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