• Veröffentlichungsdatum : 10.11.2018
  • – Letztes Update : 12.11.2018

  • 10 Min -
  • 2017 Wörter
  • - 12 Bilder

Gekommen, um zu bleiben

Gerold Keusch

Das Ennser Museum Lauriacum, der Hauptort der Oberösterreichischen Landesausstellung 2018 im ehemaligen Rathaus neben dem Stadtturm, besteht seit 1892. Wie der Name bereits andeutet, liegt das Schwergewicht des Museums in der Präsentation der römischen Epoche der Stadt. Aber auch andere historische Meilensteine werden dort dargestellt die, so wie das römische Legionslager auch, eine überregionale Bedeutung aufweisen.

Im Jahr 2018 stand das Museum vom 27. April bis zum 4. November im Mittelpunkt der Oberösterreichischen Landesausstellung „Die Rückkehr der Legion - Römisches Erbe in Oberösterreich“. Bei dieser gab es neben dem Hauptort Enns auch kleinere Ausstellungen in Oberranna und Schlögen, die beide an der Donau, dem ehemaligen Grenzfluss des römischen Imperiums, liegen. Neben der allgemeinen Darstellung des römischen Lebens in der Region standen vor allem die militärischen Anlagen des Donaulimes im Zentrum der Betrachtung. Hinsichtlich der behandelten Epoche wurde vor allem die Zeit nach der Errichtung des Legionslagers ab ca. 200 n. Chr. bis zum Ende der römischen Herrschaft beleuchtet, obwohl auch die Zeit davor und danach erwähnt wurde.

Landesausstellungen entwickelten und etablierten sich in Österreich ab dem Jahr 1951 schrittweise als temporäre Ausstellungen für Kunst-, Kultur- und Geschichte bzw. einem Mix daraus. Sie knüpften an die Tradition der gewerblichen Landesausstellungen an, die es in der Zwischenkriegszeit gab. Neben der Kultur- und Wissensvermittlung verfolgen sie den Zweck erhaltenswürdige Gebäude zu renovieren und sollen den regionalen Tourismus einen Impuls geben. Die aktuelle Landessausstellung erweiterte diesen Aspekt, da nicht nur das Museumsgebäude in Enns umfassend renoviert, sondern auch permanente Ausstellungen in Schlögen und Oberranna initiiert, wurden.

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse

Neben einem Geldtopf für Renovierungs-, Instandhaltungs- und Baumaßnahmen gab es für diese Landesausstellung auch ein Budget für wissenschaftliche Grundlagenforschung zum Ausstellungsthema. Aufgrund dieser finanziellen Unterstützung konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden, die sogar eine teilweise Umschreibung bzw. Adaption der Geschichte der römischen Epoche zur Folge haben. Ein Beispiel dazu findet sich etwa zehn Kilometer östlich von Enns in St. Pantaleon (Niederösterreich). Dort konnte im Ortsteil Stein mit neuen Forschungsmethoden (geophysikalische Prospektion mit Magnetometer und Georadar) ein „neues“ Römerkastell lokalisiert und gesichert werden. Dieser Fund sowie Erkenntnisse hinsichtlich des Römerlagers in Albing, das die Größe eines Legionslagers aufweist, führen zu der Annahme, dass sich das erste Kastell in der Region in Stein befand und nicht in Albing, wie bisher angenommen wurde.

Das niemals fertiggestellte Lager in Albing, das bisher als kurzfristiges Vorgängerlager betrachtet und beschrieben wurde, das unter Umständen wegen eines Hochwassers aufgegeben werden musste, scheint aus anderen Gründen errichtet worden zu sein. Eine Erklärung ist, dass es ein vorbereitetes Lager für zusätzliche Truppenkontingente war, die im Bedarfsfall dorthin verlegt worden wären. Eine andere Überlegung ist, dass man ein neues Lager für die Legion errichten wollte; ein Plan der aber noch während der Bautätigkeiten verworfen wurde. Vermutlich wird man die wahren Gründe nie ermitteln können, ausgenommen jemand würde schriftliche Aufzeichnungen darüber finden. Die Annahmen weisen alle auf die Gefährdung des Raumes südlich der Donau aufgrund der Annäherungsmöglichkeit germanischer Truppen entlang des Aisttales über Pregarten hin und bestätigen somit die bisherigen strategisch-operativen Annahmen für das militärische Engagement der Römer am Donaulimes.

Zusätzlich wurden mehrere römische Marschlager im Aisttal nördlich der Donau, außerhalb der Grenzen des Imperiums entdeckt. Diese gab es zwar auch nördlich von Vindobona bzw. Carnuntum, sie zeugen aber auch davon, dass die Römer den Grenzraum über den Flusslauf der Donau hinaus dachten und zumindest teilweise beherrschen wollten. Wie weit sie der Beweis einer konkreten und nachhaltigen militärischen Operation zur Vergrößerung des Territoriums sind, steht nicht fest. Das wäre jedoch insofern denkbar, da jeder Kaiser das römische Reich, um eine Provinz erweitern sollte.

Die Legion im Museum

Das römische Militär ist nicht das einzige Thema des Ennser Museums, es nimmt jedoch einen breiten Raum darin ein. Das zeigt sich bereits am Namen, aber auch im Eingangsbereich, wo ein überdimensionaler römischer Soldatenkopf die Besucher mit einem „Salve“ begrüßt. Die Präsenz der römischen Armee setzt sich im Eingangsbereich und in den ersten beiden Ausstellungssälen fort. Aus militärischer Sicht ist nicht nur die Bewaffnung, Ausrüstung und die Kampfführung (die hier jedoch kaum dargestellt wird) interessant, sondern vor allem die Organisation der römischen Armee bzw. einer Legion. Bemerkenswert sind hier vor allem die Parallelen zwischen der Gliederung und den Einrichtungen aus der Römerzeit mit den Strukturen moderner Streitkräfte.

Saal 1 - Das Leben des Legionssoldaten

Nachdem er den ersten Saal betreten hat, sticht dem Besucher zuerst das römische Feldzeichen mit dem Adler und das Modell eines römischen Soldaten ins Auge. „Rom braucht dich!“, steht auf der Tafel neben dem römischen Legionär. Daneben befinden sich mehrere Vitrinen und weitere Tafeln, die kurz und bündig die wichtigsten Informationen im Leben eines römischen Legionärs beschreiben. Dabei wird die Dienstzeit abseits der Heimat genauso thematisiert, wie die Bewaffnung und Ausrüstung, das Leben im Lager und andere Aspekte wie beispielsweise der Sold.

Der Blickfang des Saales während der Landesausstellung war ein Diorama, das in der Mitte des linken Saalteiles stand und als einziges großes Objekt nun nicht mehr im Museum zu sehen ist. Dieses zeigte eine komplette Legion in der Sollstärke von 6.000 Soldaten, die dort „in Reihe und Glied“ in ihren Formationen auf dem Schlachtfeld dargestellt waren. Neben diesem Diorama befand sich ein Monitor, der mittels Touchscreen bedient werden konnte und unter anderem zeigte aus welchen militärischen Formationen eine römische Legion aufgebaut war.

Organisation einer römischen Legion

Eine römische Legion war ein selbstständiger Kampfverband mit etwa 6.000 Soldaten (das entspricht in etwa einer heutigen Brigade), die von einem Legaten, der aus dem römischen Senatorenstand kam, geführt wurde. Das römische Reich verfügte zu Beginn des 3. Jahrhunderts über 33 Legionen, die aufgrund ihrer Ausrüstung und Ausbildung, aber auch wegen ihrer taktischen Verfahren - die vor allem im Verbund wirkungsvoll waren - eine enorme Schlagkraft aufwiesen. In Enns war die zweite italische Legion, die LEGIO II ITALICA, stationiert.

Die Legion in Lauriacum bestand aus zehn Kohorten (eine Kohorte entspricht in etwa einem Bataillon) und einer Reitereinheit. Die I. Kohorte verfügte über eine Mannschafts-Sollstärke von 800 Soldaten, die II. bis X. Kohorte über eine Sollstärke von 480 Mann. Die Kohorten hatten keinen eigenen Kommandanten und wurden vom Kommandanten der ersten Centurie, dem Centurio, geführt. Die erste Kohorte hatte fünf Doppelcenturien zu je 165 Mann, die restlichen Kohorten hatten sechs Centurien zu je 85 Mann, weshalb diese Formation hinsichtlich der Organisation ein Mittelding zwischen einer Kompanie und einem Zug ist. Die kleinste militärische Einheit war das Contubernium, das mit einer Stärke von acht Mann einer Gruppe entspricht. Die Soldaten dieser militärischen Formation waren auch gemeinsam in einem Zelt (im Feld) bzw. einem Zimmer mit Vorraum (im Legionslager) untergebracht.

Die LEGIO II ITALICA verfügte darüber hinaus über eine Reitereinheit. Diese bestand aus 120 Reitern und Pferden und ist mit einer Kompanie zu vergleichen, auch weil sie aus vier Turmae zu je 30 Reitern bestand, die wiederum Zügen entsprechen. Die Reitereinheit hatte vor allem Aufklärungs- und Verbindungsaufgaben zu erfüllen und war somit ein wesentliches Mittel für die Führung und die Führungsunterstützung. Diese hatte sie vor allem in Friedenszeiten zu erfüllen, da sie im Kriegsfall gemeinsam mit den Reitertruppen der Hilfstruppen als Kavallerieelement fungiert hätte. Im Gefecht wurden sowohl die gesamte Legion als auch die Centurien durch Signale mittels Feldzeichen sowie parallel dazu durch akustische Signale aus Hörnern geführt.

Saal 2 - Legionslager Lauriacum

Über einen Raum in dem sich mehrere große Übersichtskarten bzw. Grafiken über die Standorte der römischen Legionen, sowie bekannten militärischen Standorten der römischen Provinz Noricum und des österreichischen Anteiles des Limes befinden, gelangt man zum zweiten Saal. In diesem wird der Legionsstandort Lauriacum näher beschrieben und es gibt weitere Informationen und Hintergründe hinsichtlich des Soldatenlebens, die anhand von Tafeln und zahlreichen Artefakten erklärt werden. Eine Tafel zeigt beispielsweise die Stationen, die ein Legionskommandant im Lauf seiner Karriere zurücklegte und die ihn an verschiedene Orte im römischen Reich führte.

Auch in diesem Saal bildet ein Schaukasten das Kernelement. Dieser zeigt ein Modell des Ennser Legionslagers mit seinen Einrichtungen und gibt einen Eindruck, wie es damals darin ausgesehen hat. Um diesen Eindruck anschaulich zu gestalten, können die einzelnen Funktions- bzw. Bauelemente beleuchtet werden und heben sich dadurch von den anderen Gebäuden des Modells ab. Daneben steht eine Tafel, die die Geschichte der LEGIO II ITALICA hinsichtlich ihrer Entstehung und Verlegung erklärt und die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von römischen Legionslagern darstellt und erörtert. Das Lager in Lauriacum unterschied sich im Wesentlichen dadurch, dass es - nicht wie die anderen Lager - die Form eines Rechteckes, sondern eines Parallelogrammes aufwies. Das wird durch die Lage an der ersten südlichen Donauterrasse erklärt, die hochwassersicher war.

Das Legionslager als antike Großkaserne 

Die römischen Lager für die Legionen bzw. die Kastelle für die Kohorten waren alle nach dem de facto gleichen Muster aufgebaut. Ein Legionslager hatte die folgenden Gebäude und Einrichtungen:

  • eine Lagerumfassung, die als Mauer mit Wachttürmen errichtet war,
  • vier Lagertore mit Türmen,
  • zwei Lagerstraßen, die bei den Lagertoren beginnen, ein Kreuz bilden und bei
  • der Principia, dem Kommandogebäude, zusammenlaufen,
  • die Lagertherme als zentrale Sanitäranlage,
  • das Lagerspital sowie
  • die Wohngebäude für Stabsoffiziere (die Tribunen), in der Nähe der Principia und
  • die Unterkünfte für die Mannschaften, die gemäß der Zugehörigkeit ihrer Einheiten in einem Gebäude untergebracht waren.

Neben diesen Einrichtungen, die denen einer modernen Kaserne, bis auf einen zentralen Speisesaal und Einrichtungen für den Sport stark ähneln, gab es in den römischen Legionslagern aber auch in den Kastellen diverse Werkstattgebäude. Obwohl es auch in aktuellen Kasernen noch Werkstätten gibt, waren diese in der Zeit der Römer deutlich ausgeprägter. Das hängt vor allem mit dem Umstand zusammen, dass die zivile Infrastruktur nicht die wirtschaftlichen Bedürfnisse der militärischen Einheiten befriedigen konnte, da ihnen dazu die Ressourcen fehlten. Da die römischen Militäreinheiten in arbeitsteiligen Verfahren organisierte Selbstversorgungseinheiten waren, mussten die damaligen Soldaten auch über handwerkliches Geschick besitzen und einen zivilen Handwerksberuf beherrschen. Ein römischer Legionär war somit nicht nur Soldat, sondern auch Handwerker, Arbeiter, Techniker und/oder Beamter und - da es diese damals noch nicht gab - Polizist in Personalunion.

Zeitgemäße Kulturvermittlung

Das Museum sowie die gesamte Landesausstellung präsent(t)ieren sich in einer zeitgemäßen Aufmachung mit übersichtlichen Räumen und anschaulichen Exponaten. Die Schautafeln und Beschreibungen geben mit wenig Text alle Informationen, die der Besucher benötigt. Die Teilnehmer einer Führung sind per Funk bzw. Kopfhörer miteinander verbunden, um den Kulturvermittler zu hören, die restlichen Besucher jedoch nicht zu stören. Für Einzelbesucher oder jene, die sich bereits im Vorfeld eingehend mit der Ausstellung und ihren Artefakten befassen wollen, steht eine Applikation für Mobile Devices zur Verfügung, die einerseits durch die Ausstellung(en) führt und zusätzliche Informationen anbietet. Darüber hinaus gibt es einen ausführlichen und zeitgemäß gestalteten Ausstellungskatalog.

Neben der Hauptausstellung am Ennser Hauptplatz und der Nebenausstellung in der Lorcher St. Laurenz-Basilika begleiteten zahlreiche temporäre Veranstaltungen die Landesausstellung 2018. So gab es ein historisches Festival mit Living-History-Darstellern, bei denen neben den Römern auch die Kelten und mittelalterliche Ritter thematisiert wurden, Römer-Workshops im Zuge der Kinder-Uni, einen Comic-Wettbewerb oder eine wissenschaftliche Vortragsreihe, die im Herbst stattfand. Zusätzlich fanden vom 3. September bis zum 4. November Schaugrabungen im zivilen Siedlungsgebiet statt, die von Gruppen und Einzelpersonen besucht werden konnten und bei denen Archäologen für Informationen und Gespräche bereitstanden.

Permanente Landesausstellung

Die Investitionen des Landes Oberösterreich werden insofern nachhaltig wirken, da die Ennser Landesausstellung auch nach dem offiziellen Ende bestehen bleibt. Nur ein Artefakt - das Diorama mit der Legion - wird sich dann nicht mehr dort befinden, die restlichen Elemente bleiben jedoch vor Ort. Somit wird diese Landessausstellung auch nach 2018 sowohl im Museum als auch in der Lorcher Basilika zu besichtigen sein. Das ist auch im Zusammenhang mit den Bemühungen des Landes Oberösterreich sowie anderer Institutionen und Organisationen zu verstehen, die das Ziel verfolgen die Reste des Donaulimes im Jahr 2019 in die Liste der Weltkulturerbestätten aufzunehmen.

Um jedoch als Weltkulturerbe zu gelten, müssen festgelegte Kriterien eingehalten werden. Eines ist, dass dieses den größtmöglichen Schutz erhält; ein anderes, dass es in einem Zustand zu sein hat, der diesen Stellenwert „verdient“. Damit ist die Verpflichtung verbunden, dieses Erbe zu bewahren und alles zu unterlassen, was dessen Zustand verschlechtern oder dessen Charakter zerstören könnte. Somit ist diese Bewerbung auch ein Bekenntnis, das der Erhalt des kulturellen Erbes der Menschheit wichtiger eingestuft wird als beispielsweise wirtschaftliche Vorteile, die sich aus der Nutzung des Raumes ergeben könnten.

Offiziersstellvertreter Gerold Keusch, BA ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.


Museum Lauriacum

OÖ Landesausstellung 2018

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)