• Veröffentlichungsdatum : 08.04.2019
  • – Letztes Update : 10.04.2019

  • 15 Min -
  • 3050 Wörter
  • - 20 Bilder

Ein Jahrhundert im Zeichen der Sammelbüchse

Alexander Barthou

Das Österreichische Schwarze Kreuz – Kriegsgräberfürsorge ist ein überparteilicher Verein und beschäftigt sich seit seiner Gründung 1919 mit der Erhaltung, der Pflege und Errichtung von Grabstätten für Soldaten und zivile Kriegsopfer. Es hilft auch bei der Suche nach Grabanlagen von Kriegstoten, wirkt bei der Exhumierung, Identifizierung und Überführung von Gefallenen oder Kriegstoten in ihre Heimat mit und arrangiert Kriegsgräberfahrten ins Ausland. Seit seinem Bestehen haben sich die Aufgaben stetig gewandelt und erweitert.

 Alljährlich sieht man zu Allerheiligen und Allerseelen das gleiche Bild: Soldaten, Freiwillige, Schüler und viele weitere ehrenamtliche Helfer stehen an den Friedhofseingängen mit einer Sammelbüchse und bitten Friedhofsbesucher um eine Spende für das Österreichische Schwarze Kreuz (ÖSK). Auf Nachfragen fügen sie die Erklärung hinzu: „Zur Pflege der Kriegsgräber!“. Allerdings ist jene Generation, die tatsächlich einen Krieg erlebt hat, beinahe zur Gänze verstorben; die Nachfolgegenerationen empfinden schon weniger Verständnis für die Notwendigkeit einer Pflege von Kriegsgräbern. Und bei den Jüngeren hört man des Öfteren als Antwort, dass man besser für die Lebenden Sorge tragen solle. Darum ist es wichtig, den Auftrag und Zweck der Kriegsgräberfürsorge darzustellen und Verständnis für die Arbeit des ÖSK zu erwecken. Im Wesentlichen umfasst diese Aufgabe die Sorge um die Auffindung, Instandhaltung und Pflege der Friedhöfe und Gräber der in den Kriegen an der Front und in der Heimat ums Leben gekommenen Menschen.

Gründung des ÖSK

Schon während des Ersten Weltkrieges (1914 bis 1918) machten sich in Österreich-Ungarn die Streitkräfte Gedanken über die Zusammenführung der Gefallenen, ihre Identifizierung und ihre Bestattung. Das k.u.k. Militärkommando Krakau, in dessen Bereich der Kriegsschauplatz „Galizien“ lag, schuf im November 1915 aufgrund der unerwartet hohen Anzahl an Kriegsopfern eine eigene Kriegsgräberabteilung. Der Wirkungsbereich umfasste ein Kampfgebiet von mehr als 11 000 km2 und bis 1918 mehr als 400 Kriegerfriedhöfe. Die Anzahl der Toten belief sich nach nur vier Monaten Kampfhandlungen in diesem Gebiet auf bereits Tausende. Nach diesem Beispiel wurde beim k.u.k. Kriegsministerium ebenfalls eine Kriegsgräberabteilung geschaffen, deren Wirkungsbereich sich auf die Kampfräume der Nordostfront, des Balkans und in der Folge der gesamten Südwestfront erstreckte.

Im zuständigen Erlass von damals heißt es: „Um zu verhindern, dass die Gräber der in diesem Krieg gefallenen oder an Verwundung und Krankheit verstorbenen Soldaten der Vergessenheit oder der Zerstörung anheimfallen, sieht sich das Kriegsministerium veranlasst, diesbezügliche Gegenvorkehrungen zu treffen, d. h. ein eigenes Amt aufzustellen und mit der Aufgabe zu betrauen, jenen Gräbern die gebührende Pflege angedeihen zu lassen.“ Kaiser Franz Josef I. übernahm persönlich das Protektorat „Zum Schutz und zur Pflege der Kriegsgräber“, deren Tätigkeit sich auf das damalige Staatsgebiet der Monarchie erstreckte. Mit dem Zerfall von Österreich-Ungarn löste sich diese Einrichtung im Jahre 1918 von selbst auf. Bis Mai 2018 wurden von den Kriegsgräberinspektionen der Militärkommanden insgesamt 912 948 tote Soldaten beerdigt, davon allein 600 410 im Militärkommandobereich Przemy?l (Galizien; heute Polen).

Nach dem Ersten Weltkrieg, mit insgesamt zehn Millionen Kriegstoten, wurde die Kriegsgräberfürsorge durch die Friedensverträge von Versailles und St. Germain-en-Laye (bei Paris) international geregelt. Österreich wurde verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Grabstätten der auf seinem Territorium ruhenden Kriegstoten gepflegt und instand gehalten werden. Auch die assoziierten und alliierten Mächte versprachen, dies in ihren Ländern umzusetzen und auf Verlangen diese Informationen auszutauschen. Zur Erklärung: Das heutige Österreich war im Ersten Weltkrieg kein Kampfgebiet, jedoch befanden sich auf dessem Territorium zahlreiche Kriegsgefangenenlager mit einer dementsprechenden Anzahl an Friedhöfen, und dort wurden die an Krankheiten verstorbenen italienischen, serbischen und russischen Soldaten begraben. In den ehemaligen Kampfgebieten wiederum, insbesondere an der Nordost- und Südwestfront, aber auch auf dem Balkan bis hin in den Orient und in Russland gab es Kriegsgefangenenlager mit dort umgekommenen k.u.k. Soldaten.

Österreich war in seiner Kriegsgräberfürsorge an die Bestimmungen des Staatsvertrages von St. Germain-en-Laye 1919 gebunden. Der Bundesregierung wurden darin Aufgaben zugewiesen, deren Durchführung konkrete Maßnahmen und die Beistellung öffentlicher Mittel erforderlich machten. Diese waren nicht im ausreichenden Umfang vorhanden, wodurch es notwendig wurde, eine zivile Organisation zu gründen. Im Sommer 1919 fanden sich Männer dazu bereit, jene während des Krieges im k.u.k. Kriegsministerium eingeleiteten Maßnahmen zur Pflege der Kriegsgräber bzw. Friedhöfe wiederaufzunehmen und fortzusetzen. Der damalige Staatssekretär, Dr. Erwin Waihs, unterstützt von Offizieren aller Waffengattungen, legte den Grundstein zur Gründung des Vereines „Schwarzes Kreuz“. Den Ehrenschutz übernahm der österreichische Staatspräsident Karl Seitz. Folgender Beschluss wurde gefasst: „Der Kriegsgräberkataster der 10. Abt des Kriegsministeriums ist gemeinsames Eigentum sämtlicher Nationalstaaten, welche auf dem Boden der ehemaligen österr.-ung. Monarchie entstanden sind und bildet internationales Gut. Das Evidenzmaterial, welches sich in den Ländern der einzelnen Nationalstaaten befindet, wird von den Vertretern dieser Staaten nach Wien gebracht und hier bearbeitet. Die 10. Abt des KMs wird ersucht, den Vertretern der einzelnen Nationalstaaten einen detaillierten Arbeitsplan für die Liquidierung der 10. Abt und eine Übersicht sämtlicher Unterabteilungen der 10. Abt zukommen zu lassen."

 Die Abteilung 8/HB des deutsch-österreichischen Staatsamtes für Heerwesen erließ am 8. Juli 1919 eine schriftliche Festlegung der Organisation der Kriegsgräberfürsorge. Während dem Schwarzen Kreuz in Wien sämtliche Aufgaben zufielen, die sich auf die Betreuung der eigenen Soldatengräber im Ausland erstreckten, bildeten sich in den Bundesländern selbstständige Landesvereine. Im Laufe der Jahre schlossen sich diese Landesvereine, die sich bisher nur in ihrem territorialen Bereich der Kriegsgräberfürsorge widmeten, der Zentrale in Wien an und gaben ihre rechtliche Eigenpersönlichkeit zugunsten des Gesamtverbandes, der sich nunmehr über das ganze Bundesgebiet erstreckte, auf. Den Ehrenschutz übernahm der Bundespräsident.

Im Jahre 1929 schlossen mehrere europäische Staaten ein Übereinkommen, dass es in der Kriegsgräberfürsorge keinen Unterschied zwischen Freund und Feind, im Glaubensbekenntnis, in der Nationalität und im Dienstgrad geben dürfe. Diese Konvention ist in den Jahren danach zum Leitgedanken der Arbeit des Österreichischen Schwarzen Kreuzes geworden.

Bilanz 1919 bis 1945

Es erwies sich als unmöglich im verarmten Österreich genügend finanzielle Mittel aufzubringen. Die jährlich 12 000 bis 14 000 Schilling waren die finanzielle Basis, auf der die umfangreiche Arbeit damals beruhte. Damit war die Instandsetzung von großen Gräberanlagen und zahlreichen Einzelgräbern ebenso wie ein Verwaltungsapparat für die umfangreiche Korrespondenz zu finanzieren.

Auf dem Staatsgebiet der jungen Republik Österreich befinden sich aus dem Ersten Weltkrieg auf 189 Lager-, Krieger- und Ortsfriedhöfen 146 369 Kriegsgräber. Aus dem Zweiten Weltkrieg sind auf dem österreichischen Staatsgebiet 391 Kriegerfriedhöfe mit 111 671 Kriegstoten vorhanden. Alle diese Gräber werden durch das ÖSK in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres (BMI) betreut.

Mit der Besetzung Österreichs im Jahr 1938 wurde das Schwarze Kreuz aufgelöst und in den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge übergeleitet. Die Gräberfürsorge der Deutschen Wehrmacht oblag während der Dauer des Zweiten Weltkrieges dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW). Sie umfasste die Heldengedenkstätten und Gräber der Gefallenen nur insoweit, als sie in Operationsgebieten außerhalb der Grenzen der vom Großdeutschen Reich besetzten Gebiete lagen. Das OKW betraute bei der ihm obliegenden Gräberfürsorge im Inland den Reichsminister des Inneren. Die Fürsorge im Ausland, mit Ausnahme der Operationsgebiete, wurde vom Auswärtigen Amt wahrgenommen. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 erfolgte die nächste Zäsur durch die Beendigung der Tätigkeit der Gräberdienststellen des Volksbundes in Österreich.

Erweiterte Aufgaben ab 1945

Durch die Wiederrichtung der Republik Österreich wurde der Verantwortung für die „Kriegsgräberfürsorge“ wieder nachgegangen. Denn im Zweiten Weltkrieg gab es auf österreichischem Staatsgebiet bei den Kämpfen in den Jahren 1944/45 zehntausende Tote. Anstelle des Begriffes „Gefallene“ trat nun das den Verhältnissen besser Rechnung tragende Wort „Kriegstote“. Nicht nur den im Kampf Gefallenen und in Lazaretten Verstorbenen, sondern auch jenen, die als Zivilpersonen, als Heimatvertriebene und hinter Stacheldraht ihr Leben lassen mussten sowie die im Elend der Nachkriegsjahre an den Folgen des Krieges verstorben waren, sollte in ebenso würdiger Form gedacht werden.

So fasste ein Forum, wiederum um Staatssekretär a. D. Waihs, kurz nach Kriegsende den Entschluss, das Schwarze Kreuz neu zu gründen. In Absprache mit dem Bundesministerium für Inneres wurden die Richtlinien festgelegt, Kompetenzen abgegrenzt und die Ämter der Landesregierungen angewiesen, das ÖSK weitestgehend zu unterstützen. Die rechtliche Grundlage wurde durch die Bundesgesetze Nr. 175 und 176 vom 7. Juli 1948 geschaffen.

Der Auf- und Ausbau des ÖSK war nach 1945 jedoch mit größten Schwierigkeiten verbunden. Innerhalb Österreichs waren Ausbettungen und Überführungen von Kriegstoten in ihre Heimatorte möglich. Fast unüberwindliche Hindernisse gab es aber bei der Überführung von Kriegstoten aus dem Ausland nach Österreich. So musste zum Beispiel jedes Mal die Genehmigung des Alliierten Rates eingeholt werden, wenn Überführungen aus Deutschland nach Österreich durchgeführt werden sollten.

Organisatorisch begann man seitens des ÖSK neue und vereinfachte Wege zu gehen. Die Statuten und eine Geschäftsordnung für das ÖSK erleichterten die Umsetzung von Maßnahmen. So wurden die zum Großteil üblichen Grabzeichen aus Holz durch Kunst- und Natursteine aufgrund der länger zu erwartenden Lebensdauer ersetzt. In jenen Friedhöfen, wo eine größere Anzahl von Soldatengräbern existierte, sollte ein zentrales Mal die Grabstätten kennzeichnen.

Mit dem Staatsvertrag 1955 (BGBl. Nr. 152/1955) erfolgte eine Wiederbestätigung der Artikel von St. Germain-en-Laye 1919 mit der Ergänzung, dass die Betreuung von Kriegsgräbern auf österreichischem Boden für alle Soldaten und zuzüglich die Einbindung von Opfern rassistischer Verfolgung beinhalten sollte. Zugleich wurde auch den im Ausland lebenden Angehörigen von in Österreich bestatteten Kriegsopfern das Recht eingeräumt, eine Überführung der sterblichen Überreste in das jeweilige Heimatland zu gewähren.

Das „dauernde Ruherecht“

Während in anderen Staaten die Kriegsgräberfürsorge ausschließlich von staatlichen Institutionen wahrgenommen wird, ist in Österreich das Bundesministerium für Inneres (BMI) für wesentliche Aufgaben der Kriegsgräberfürsorge zuständig. Mit dem BMI und dem deutschen Verein „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ (VDK) arbeitet das Österreichische Schwarze Kreuz eng zusammen. Aufgrund der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich 1938 bis 1945 und der hierauf völkerrechtlich nicht gegebenen Existenz des Staates Österreich wurde in einem Übereinkommen festgehalten, dass der Volksbund grundsätzlich für alle Angelegenheiten der Deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg verantwortlich ist. Die Soldatenfriedhöfe mit Österreichern aus dem Ersten Weltkrieg verblieben im Verantwortungsbereich des ÖSK. Ebenso erfolgreich - insbesondere für die Suche nach Vermissten und Kriegsgräbern - erfolgt die Zusammenarbeit mit ähnlichen Organisationen anderer Staaten wie dem „Oorlogsgravenstichting“ in den Niederlanden, dem „Commissariato Generale Onoranze Caduti in Guerra“ in Italien, der „Commonwealth War Graves Commission“ in Großbritannien, der „Souvenir Français“ in Frankreich, der „Wojenniy Memorialyi“ in Russland und den zuständigen Organisationen in den Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie.

Die Gräber der Kriegstoten unterliegen nicht der turnusmäßigen Auflassung, wie sie auf Zivilfriedhöfen üblich ist. Ihnen ist ein dauerndes Ruherecht gesetzlich zuerkannt. Die rechtlichen Bestimmungen umfassen des Weiteren, dass innerhalb einer Grabanlage einheitliche Grabzeichen errichtet werden. Denn gerade durch die Gleichheit ihrer Form wird das Charakterbild des Soldatenfriedhofes geprägt. Dies gilt für alle Anlagen im In- und Ausland.

Das ÖSK betreut in Österreich an die tausend Soldatenfriedhöfe und Anlagen. Hierbei wird kein Unterschied zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg sowie Kriegstoten aus anderen Ländern gemacht. Das hat die Zusammenlegung von einzelnen Kriegsgräbern in Sammelfriedhöfen erfordert. In Österreich war dies besonders für die zahlreichen Opfer, die in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges zu beklagen waren, notwendig geworden. Diese Gräber und Friedhöfe sind heute Wegweiser und unübersehbare Mahnmale für den Erhalt des Friedens geworden. Der positive Effekt: Bei diesen Umbettungsaktionen konnte bei mehr als einem Drittel der „unbekannten“ Kriegsopfer die Identität festgestellt werden.

Auch heute noch geht dieser Prozess unvermindert weiter. Die „Deutsche Dienststelle“ in Berlin für die Benachrichtigung der Angehörigen von Gefallenen/Vermissten der Deutschen Wehrmacht hat mit ihren archivierten Personalunterlagen über die, von der Truppe gemeldeten Verluste und Bestattungsorte im Zweiten Weltkrieg, wesentlich zum Erfolg dieser Aktion beigetragen. Im Hinblick auf Angaben über Verluste der k.u.k. Armee im Ersten Weltkrieg konnte (und kann) das österreichische Staatsarchiv/Kriegsarchiv mit seinen gesammelten Grundbuchblättern das Schicksal der Soldaten nachvollziehen. Der Kameradschaftsbund wiederum pflegt mit Gemeinden und Pfarren die „Kriegsdenkmäler“ in den Städten und auf dem Land.

Sammlungen

Das ÖSK ist für die Abdeckung seiner Auslagen auf Sammlungsergebnisse aller Art und auf freiwillige Spenden angewiesen. Haupteinnahmequelle sind die alljährlich stattfindenden Friedhofssammlungen zu Allerheiligen und Allerseelen im gesamten Bundesgebiet. Die satzungsgemäße Verwendung der Spendengelder unterliegt der Kontrolle durch einen Wirtschaftsprüfer und der Landesregierungen mit der Entlastung des Vorstandes und des Präsidiums des ÖSK durch eine einmal jährlich stattfindende Kuratoriumssitzung.

Jugendarbeit

Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an der Arbeit des ÖSK leisten die Teilnehmer an Jugendlagern im In-und Ausland. Hervorzuheben ist der Einsatz der Feuerwehrjugend in Italien und Polen und ebenso jener der Soldaten des Österreichischen Bundesheeres und der Deutschen Bundeswehr. Dadurch ist es möglich, den gefallenen Soldaten erneut einen Namen und ein Gesicht zu geben und sie der Vergessenheit zu „entreißen“. Neben eindrucksvollen Arbeitsleistungen kommt es dabei zu Begegnungen mit Menschen, vor allem mit Jugendlichen aus anderen Ländern oder anderer Nationen. Hierbei treffen Schüler und Soldaten, ebenso wie Jungfeuerwehrmänner und -frauen in Projektarbeiten bei der praktischen Kriegsgräberfürsorge zusammen. Organisiert wird das von den Landesgeschäftsstellen des ÖSK auf Kriegsgräberanlagen im In- und Ausland. Unter anderem können das Nachziehen von Inschriften, die Pflege der Grabstätten als „gelebte Geschichtsarbeit“ bezeichnet werden, die immer mehr an Bedeutung gewinnen, je länger die Zeitspanne zu den vergangenen Kriegen zurückliegt.

Ein Beispiel aus jüngster Zeit sind die Lehrerschaft und Schüler in der Ortschaft Pestschanka bei Wolgograd in Russland, die das von den Österreichern errichtete Stalingrad-Denkmal, in Form einer Pyramide für die (österreichischen) Opfer anlässlich der Schlacht um Stalingrad 1942/43 erinnernd, pflegen und die Begebenheiten um das Denkmal in Projekt­arbeiten und Ausstellungen zum Thema Krieg und Frieden in den Unterricht einbauen. Das ÖSK hat die Abschlussklasse 2015 nach Österreich eingeladen, um die in Österreich gepflegte Erinnerungskultur für Kriegsopfer praktisch kennenzulernen und mit den Gepflogenheiten in ihrer Heimat zu vergleichen.

Den gefallenen Sowjetsoldaten in Österreich aus den Jahren 1944/45 hat das Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung mit Unterstützung des ÖSK ein Gedenkbuch gewidmet, das alle Namen der Sowjetsoldaten aufweist, die im Zweiten Weltkrieg in Österreich ums Leben gekommen sind, mit Geburtsort, Dienstgrad und Ort der Bestattung. Mittlerweile hat sich in der zweiten Ausgabe dieses Werkes die Zahl der Gefallenen auf 80 000 erhöht - ein Ende ist nicht abzusehen.

Situation im Ausland

In Italien befanden sich im Jahr 1918 an der k.u.k. Südwestfront 2 650 k.u.k. und italienische Soldatenfriedhöfe. Die Instandhaltung und Pflege der oft im unwegsamen Hochgebirge befindlichen Grabstätten erwiesen sich für die italienischen Behörden als außerordentlich schwierig. Ein großer Teil dieser Anlagen wurde daher aufgelassen und man veranlasste eine Zusammenführung durch Umbettung in Ossarien (Gebeinhäuser). Im Jahre 1930 befanden sich in diesen Gebieten 104 k.u.k., 54 italienische und 115 gemeinsame Anlagen mit einer Gesamtzahl von 222 937 Gefallenen und in Kriegsgefangenschaft Verstorbenen. Die italienische Armee, Gemeinden und Veteranenverbände halten das Andenken an alle Kriegsopfer sichtbar hoch und ehren diese in jährlichen Gedenkveranstaltungen in Anwesenheit hochrangiger Politiker.

In Polen - insbesondere im Landesteil Kleinpolen, dem ehemaligen Galizien - sind in den Jahren 1914 bis 1917 468 000 k.u.k. Soldaten gefallen oder wurden als vermisst gemeldet. Akribisch erfasst hat diese Opfer das eingangs erwähnte Militärkommando Krakau, das mithilfe von elf Millionen italienischen Kriegsgefangenen über 400 Soldatenfriedhöfe in diesem Landesteil eingerichtet hat. Mit Unterstützung namhafter Architekten und Künstler der damaligen Zeit wurde die Ausgestaltung dieser Anlagen Großteils im Jugendstil vorgenommen. Ein nicht geringer Teil dieser Architektur ist erhalten geblieben und wird von den Gemeinden mit Unterstützung der Woiwodschaften und des ÖSK gepflegt. Ebenfalls noch zu erwähnen ist die Zahl an Kriegsgräbern im ehemaligen Jugoslawien, wo es 113 800, in Albanien 3 600, in Ungarn 54 000, in Rumänien 38 200, in Bulgarien 1 800 und in Tschechien/der Slowakei 17 800 Kriegsgräber gibt.

Die Gesamtzahl der in der ehemaligen Sowjetunion im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallenen oder vermissten Soldaten der k.u.k. Armee und der Deutschen Wehrmacht wird auf 2,2 Millionen geschätzt. Es wird davon ausgegangen, dass in der Deutschen Wehrmacht etwa zehn Prozent Österreicher gewesen sind. Die Grabanlagen verteilten sich anfangs auf 118 000 Orte. Der Volksbund bemüht sich seit Jahren - insbesondere nach der Öffnung der Grenzen im Osten - eine Zusammenführung in Sammelfriedhöfe in die Wege zu leiten. Hier gibt es herzeigbare Erfolge.

Den Landesgeschäftsführern des ÖSK sind einzelne europäische Länder zur Betreuung zugewiesen. Sie führen schwerpunktmäßig alljährlich Projekte zur Generalsanierung dieser Friedhöfe durch und setzen Pflege und Instandhaltungsmaßnahmen vor Ort in enger Absprache mit Gemeinden, auf dem Balkan auch mit den österreichischen Kontingenten, im Rahmen ihrer Einsätze zur Friedenssicherung.

Zukunft Jugend

Es ist und bleibt unbestritten, dass das ÖSK auch künftig im Sinne der gesetzlichen Vorgaben in den Staatsverträgen und gesetzlichen Bestimmungen seine Aufgaben statutenkonform wahrnehmen wird. Die Abteilung Gräberpflege in der Sektion IV des BMI und die zuständigen Ämter der Landesregierungen unterstützen hierbei maßgeblich. Die unmittelbar kriegsbeteiligten Generationen sind mit Masse verstorben. Deshalb ist es umso wichtiger, die Jugend für die Kriegsgräberfürsorge zu gewinnen und einzubinden.

Die Mittel hierzu müssen allerdings den technischen Erfordernissen von heute angepasst werden, was ein Umdenken in der Präsentation erforderlich machte. Bis dato beschränkten sich diese auf Ausstellungen und Bilderwände oder auf Referate in Schulklassen ohne Einbindung moderner Bildtechnik (PC). Neue Wege können sein, den Geschichtsunterricht zum Thema „Krieg“ in einen Soldatenfriedhof zu verlegen und anhand eines Grabes das Schicksal eines hier Bestatteten im Zusammenhang mit den Ereignissen von damals aufzuarbeiten. Der Vorteil liegt zum einen in der Anschaulichkeit und zum anderen in der Herbeiführung der Erinnerung an die betreffende Person und damit zu deren Sichtbarmachung. Als Ziel kann das „Nie wieder!“ praxisbezogen herausgearbeitet werden. Des Weiteren können Einzelschicksale von Angehörigen in einer Schulklasse mithilfe des Kriegsarchives erforscht und infolge Grabstellen unter Leitung des ÖSK besucht werden.

Jugendcamps im In- und Ausland dienen primär der Instandhaltung von Soldatenfriedhöfen und damit der Gemeinschaft und helfen die sonst notwendigen Personalkosten für das ÖSK zu minimieren. Die Erfolge bis dato bestätigen das ÖSK. Der Einsatz der Feuerwehrjugend aus den Bundesländern, des Österreichischen Roten Kreuzes, der Pfadfinder oder einzelner Schulklassen, sind es wert angeführt zu werden. Aus diesem Arbeitseinsatz sind persönliche Beziehungen entstanden, die zur Beschäftigung mit dem Thema bis hin zu fächerübergreifenden Maturaarbeiten und Dissertationen geführt haben. Das soll auch weiterhin so betrieben werden.

All das bedeutet jedoch den intensiven Einsatz der ÖSK-Mitarbeiter für die Zusammenarbeit mit den Schulbehörden im In- und Ausland und die weitere Pflege dieser Kontakte.

Auf einen Blick

Die Pflege der Gräber von Kriegstoten stellt einen Gradmesser für unsere Kultur dar.

Die Anfragen von Angehörigen ehemaliger Soldaten nach dem Begräbnisort ihres Gefallenen oder Vermissten beim ÖSK haben in letzter Zeit eher zu- als abgenommen. Das hängt mit dem aufkeimenden Interesse der lebenden Generation zusammen und wird durch die neuen technischen Möglichkeiten im Internet gefördert. Es wird daher als eine wesentliche Aufgabe des ÖSK betrachtet, diese Anfragen zu beantworten, auch wenn dem oftmals Schwierigkeiten entgegenstehen.

Der Toten zu gedenken gehört zur menschlichen Kultur. Der Gefallenen, der gewaltsam Getöteten zu gedenken und jener, die im Krieg umgekommen sind, gehört zur politischen Kultur. Ohne diesen „politischen Totenkult“ ist Geschichte und deren Aufarbeitung nicht denkbar.

Oberst i. R. Alexander Barthou ist seit 2011 Generalsekretär des Österreichischen Schwarzen Kreuzes.

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)