• Veröffentlichungsdatum : 28.06.2023
  • – Letztes Update : 29.06.2023

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Edelweiss Raid 2023

René Auer

Von 27. Februar bis 3. März 2023 fand der militärische Gebirgswettkampf "Edelweiss Raid 2023" auf dem Truppenübungsplatz Wattener Lizum statt. 22 Mannschaften aus neun Nationen stellten sich auf 2.000 Metern Seehöhe einem Spezialwettkampf für Gebirgsjäger.


Austausch und Steigerung von Erfahrungen

Der Wettbewerb fand dieses Jahr zum zehnten Mal statt und brachte alle Teilnehmer mental und körperlich an ihre Grenzen. Die Veranstaltung wird im Zuge des EU-Programmes „Pooling and Sharing Mountain Training Initiative“ durchgeführt, das seit 2012 vom Österreichischen Bundesheer organisiert wird. Die „Edelweiss Raid“ ist nicht nur ein sportlicher Wettkampf, sondern bietet auch die Möglichkeit, die Fähigkeiten der Teilnehmer im Hochgebirge unter einsatzähnlichen Bedingungen zu testen. 

In zwei Tagen werden mit 15 kg Gepäck, Sturmgewehr sowie Ski- und Lawinenausrüstung mehr als 40 Kilometer mit über 4.000 Höhenmetern im alpinen Gelände zurückgelegt. Neben militärischen Einsatzaufgaben werden sportliche Höchstleistungen erbracht und Fähigkeiten gefordert, die ein hohes Durchhaltevermögen voraussetzen. Gewonnen wird der Wettkampf an Stationen, bei denen klassische Herausforderungen für Gebirgsjäger zu bewältigen sind. Die Teams profitieren nicht nur von einer Stärkung der persönlichen Einsatz- und Führungsfähigkeiten, sondern auch vom gegenseitigen Erfahrungsaustausch mit Soldaten anderer Nationen. Neben der Vernetzung mit anderen Gebirgsjägern ist der Vergleich von Techniken und Ausrüstung ein Ziel der „Edelweiss Raid“. 

Vorgaben 

Jedes Team besteht aus acht Gebirgssoldaten, von denen zumindest einer eine Qualifikation zum Führen im Hochgebirge vorweisen muss. Neben der genau vorgeschriebenen Ausrüstung dürfen die Teilnehmer die militärische Standardausrüstung der jeweiligen Nationen bei der Durchführung der Aufgaben tragen. Die eigene Waffe, mit der geschossen wird, muss während des gesamten Wettkampf-es am Mann sein. Um bei der Station „Schießen im Gebirge“ für alle Teilnehmer die gleichen Bedingungen zu garantieren, stand für alle Teams ein vorbereitendes Scharfschießen auf der Agenda. Einige Mannschaften reisten bereits eine Woche früher an, um sich an die hochalpinen Verhältnisse anzupassen und mit der Umgebung vertraut zu machen. Der Schießplatz „Wasserschloss“ auf dem Truppenübungsplatz Lizum-Walchen wurde von internationalen Mannschaften auch zum Einschießen ihrer Handfeuerwaffen genutzt.  

Teilnehmer 

22 Mannschaften, von denen es 18 ins Ziel geschafft haben, stellten sich dieses Jahr der Herausforderung und bewiesen physisches und psychisches Durchhaltevermögen. Die Teams kamen aus Bulgarien, China, Deutschland, Polen, Rumänien, der Schweiz, Tschechien, den USA und Österreich.  

Aufgaben und Können 

Die Wettkampfroute verläuft über eine Distanz von mehr als 40 Kilometern, bei der die Mannschaften an den zwei Wettkampftagen 4.200 Höhenmeter im Aufstieg überwinden müssen. Die Strecke führt die Soldaten vom Hochlager in der Wattener Lizum über Umwege in das Mölstal. Dort wird ein Biwak für die Übernachtung errichtet. In weiterer Folge geht es über die Torspitze bis zur Eiskarspitze ins Ziellager Lizum.

Der Wettkampf fordert folgende Punkte von den Teilnehmern:

  • großes alpines Können durch das Bewältigen von Marschstrecken auf Ski im Hochgebirge mit voller Kampfausrüstung;
  • das Absolvieren vorgegebener militärischer Aufgaben;
  • körperliche Höchstleistungen;
  • große Durchhaltefähigkeit;
  • mentale Stärke;
  • Führungsfähigkeit der Kommandanten;
  • Teamfähigkeit und Kameradschaftsgeist.

Die Aufgaben, die es während des Wettkampfes zu meistern gilt, sind Klettern über schwierige Felsgrate, Orientierungsaufgaben im Gebirge, Scharfschießen in alpinem Gelände, Handhabung des Lawinenverschüttetensuchgerätes, Bergung und Abtransport eines Verletzten im schwierigen verschneiten Gelände sowie das Selbstzubereiten der Verpflegung bzw. das Erhalten der Kampfkraft.

Sicherheitsmanagement 

Um die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten, war ein umfassendes Sicherheitsmanagement mit Maßnahmen zur Risikoreduzierung notwendig. Aufgrund des hochalpinen Charakters des Wettbewerbes beobachteten militärische Alpinspezialisten durchgehend die Wetter- und Lawinensituation. Zusätzlich wurde ein alpinbewegliches Sanitätspersonal und ein Notarztteam bereitgestellt, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Die Einschätzung der Wetter- und Lawinensituation, die Auswertungen der Echtzeitanalyse und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Sanitätstrupps diente auch dazu, bestehende Strukturen auf ihre Einsatzfähigkeit zu testen. Jede Gruppe wurde mit GPS-Sendern ausgestattet, die ständig Signale zu einer speziellen Auswertung sandten. Die Betreuer der Mannschaften konnten ihre Teams auf Großbildschirmen, die in Echtzeit die jeweiligen Positionen auf einer Landkarte zeigten, verfolgen.
 

Start und Aufgaben 

Bei optimalem Wetter startete die „Edelweiss Raid“ am 28. Februar 2023 mit einer militärischen Eröffnungsfeier. Die Fahnenträger mit den jeweiligen Nationalflaggen wurden bei ihrem Einmarsch von der Militärmusik Tirol begleitet. Anschließend wünschte der Kommandant der 6. Gebirgsbrigade, Brigadier Gerhard Pfeifer, allen Mannschaften viel Glück und einen unfallfreien Wettbewerb. Als der Startschuss ertönte, stürmten die 176 Wettkämpfer in einen der weltweit härtesten militärischen Gebirgswettbewerbe, der nicht umsonst als Weltmeisterschaft der Gebirgssoldaten gilt. Nach dem Start absolvierten die Gebirgssoldaten die etwa zweistündige Überschreitung des 2.857 Meter hohen Geier. Bei den Stationen „Abseilen im Hochgebirge“ und „Abfahren mit Ski am Seil“ konnten die Teilnehmer ihr Können zeigen. Anschließend folgte bei der Station „Bergen“ die Suche nach Verschütteten. 

Bei dieser Station formierte sich aus den noch am Seil in einer Reihe befindlichen Mitgliedern der Gebirgsmannschaften binnen kürzester Zeit ein eingespieltes Rettungsteam, bei dem jeder Handgriff abgestimmt war. Besonderes Augenmerk lag auf den beiden Aufgaben „Standplatzbau/Verankerung“ und dem Zusammenbau der Rettungstrage des Österreichischen Bundesheeres. Die Aufgabe musste unter Zeitdruck und mit der Suchausrüstung absolviert werden. Nachdem der Bergretter mit der Rettungstrage zum „Verletzten“ abgestiegen war und diesen darauf fixiert hatte, war die restliche Mannschaft bereit, den verletzten Bergkameraden mittels Flaschenzuges nach oben zu ziehen. Anschließend ging es für die Teilnehmer zur zweiten Station, die drei Stunden Marschzeit entfernt war und das Aufklären im hochalpinen Gelände zum Ziel hatte. Bei der Station „Aufklärung“ waren Teamwork und Arbeitsteilung gefragt. So gingen zwei Gebirgssoldaten in Stellung, während andere den von der Stationsleitung ausgehändigten Übungsauftrag erfassten und danach umsetzten.

Erste Zwischenergebnisse 

Das Eintreffen der ersten Mannschaften erfolgte mit geringen Zeitabständen. Die führende Mannschaft nach dem ersten Tag war Deutschland 1 mit 17 Minuten Vorsprung, gefolgt vom Team des Jägerbataillons 26 aus Spittal an der Drau. An dritter Stelle, knapp fünf Minuten dahinter, war die Mannschaft des Führungsunterstützungsbataillons 2 aus St. Johann im Pongau. Als Vierte, mit weiteren acht Minuten Rückstand, kamen die Soldaten der chinesischen Armee mit der Gruppe China III, die zum ersten Mal am Start war. Danach folgte das Team der Schweiz, anschließend die polnische Mannschaft. Auf Rang acht platzierte sich überraschend das junge, fast ausschließlich aus Grundwehrdienern bestehende Team des Pionierbataillons 2 aus Salzburg.

Biwaklager 

Die Nacht vom ersten auf den zweiten Wettkampftag mussten die Gebirgsjäger im freien Gelände verbringen. Hierzu errichteten sie ein Biwaklager auf dem Mölser Hochleger in 2.040 Meter Seehöhe. Die Aufgabe war es, neben der Selbstzubereitung der Verpflegung, die Kampfkraft zu erhalten, um auch während des zweiten Tages den Herausforderungen gewachsen zu sein. Jene Teams, die als Erste in das Lager kamen, waren rasch mit dem Aufbau des Zeltes sowie dem Kochen der Verpflegung fertig und zogen sich bald nach dem Sonnenuntergang ins Zelt zurück. Das letzte Wettkampfteam erreichte erst mitten in der Nacht die Station und musste sein Biwak bei Dunkelheit aufstellen und einrichten. Die Temperatur sank in der Nacht auf minus zwölf Grad Celsius, was sich durch den lebhaften Wind noch kälter anfühlte. Bereits um 0345 Uhr begannen die ersten Wettkampfteams ihr Frühstück vorzubereiten und gegen 0430 Uhr ihre Zelte abzubauen. 
 

Zweiter Wettkampftag 

Alle Mannschaften mussten pünktlich um 0600 Uhr am Startplatz sein. Das Abfeuern einer grünen Leuchtpistole war der Startschuss für den zweiten Tag der „Edelweiss Raid 2023“. Bereits in der Dunkelheit begann der Abmarsch über das Klammjoch zum Geier.

Sechs finale Prüfungen 

Der zweite Wettkampftag hielt für die Teilnehmer noch einmal sechs fordernde Prüfungen bereit. Bei der ersten Station musste sich ein Kamerad in die zusammengebaute Universaltrage 2000 legen, um einen Verletztentransport zu simulieren. Nach einer rasanten Abfahrt vom Geier auf den Lizumer Boden trafen am Donnerstagmorgen die ersten Teams am Schießplatz ein. An einem steilen Hang musste dann ein provisorischer Schießstand errichtet werden. Nun galt es, die am Talgrund aufgestellten Ziele möglichst rasch zu treffen. Nach Erreichen der Eiskarspitze mussten sich die Gebirgssoldaten einer weiteren militärischen Grundfertigkeit bei der Station „Orientieren“ stellen. 

Das Ziel an dieser Stelle war das Erreichen der Wegpunkte gemäß einer Skizze und das Markieren der Kontrollfelder mit einer Zange. Anschließend war das Handgranatenwerfen an der Reihe. Jeder der Teilnehmer musste dort zwei Handgranaten werfen sowie etwaige fehlgeworfene Granaten wieder einsammeln. Erst wenn alle 16 Handgranaten im Ziel lagen, durfte die nächste Aufgabe bestritten werden. Der letzte Abschnitt des Wettkampfes beinhaltete eine Marschplanung und musste bis zum Zieleinlauf im Eilmarsch zurückgelegt werden.
 

Siegerehrung und Abschluss 

Abschluss und gleichzeitig Höhepunkt des Wettkampfes war die Siegerehrung. Diese fand am Donnerstag, dem 2. März 2023, im Hochlager des Truppenübungsplatzes Lizum-Walchen statt. Nach den Herausforderungen des zweitägigen Wettkampfes, bei dem jeder Gebirgssoldat körperliche und mentale Höchstleistungen erbringen musste, wurden in einem militärischen Festakt die besten Mannschaften der „Edelweiss Raid 2023“ ausgezeichnet. 

Das Jägerbataillon 26 erkämpfte sich nach zwei harten Tagen den zweiten Platz. Besser war nur das Team vom deutschen Gebirgsjägerbataillon 233, das sich Gold und somit den Weltmeistertitel holte. Die chinesische Mannschaft der 53rd Mountain Combined Arms Brigade belegte den dritten Platz. Allen Teilnehmern, die die Strapazen erfolgreich absolviert hatten, überreichte Brigadekommandant Brigadier Gerhard Pfeifer das „silberne Edelweiss“. 

Beim anschließenden Kameradschaftsabend wurden unter den nationalen und internationalen Teams die Eindrücke dieser besonderen militärischen Veranstaltung besprochen und Erfahrungen in entspannter Atmosphäre ausgetauscht. Für viele Teilnehmer war es ein einzigartiges Erlebnis, für manche sicher der Beginn für weitere Versuche, die „Edelweiss Raid“ erfolgreich zu absolvieren. In zwei Jahren wird sie wieder ausgetragen. Bis dahin bietet sich die Gelegenheit für die Teams, ausgiebig für die nächste Auflage des härtesten militärischen Gebirgswettkampfes der Welt zu trainieren. 

Fazit: Bei diesem schwierigen und herausfordernden Wettbewerb zeigte sich, dass körperliches Training, aber auch Zusammenhalt und Teamgeist wesentlich für den Erfolg sind.

Major René Auer; Abteilung Öffentlichkeitsarbeit & Kommunikation Militärkommando Salzburg.


 

Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST.

Zur Ausgabe 2/2023 (391).


 

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