• Veröffentlichungsdatum : 02.05.2019

  • 2 Min -
  • 378 Wörter

Dimensionen der Mittäterschaft. Die europäische Kollaboration mit dem Dritten Reich

Klaus KELLMANN

666 Seiten, 18 x 25 cm, gebunden

€ 52,00

ISBN 978-3-205-20053-6

Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2019

Das exakt 666 Seiten umfassende Werk des deutschen Politologen Klaus Kellmann ist eine fundierte Zusammenschau der verschiedenen Länder und ihrer Verstrickungen in die Agenden des Dritten Reiches. Somit schließt es eine seit geraumer Zeit klaffende Lücke in der Forschung und zur Darstellung der Kollaboration mit dem Nazi-Regime in Europa. Nach einer sehr erhellenden Einführung bringt der Autor minutiös erarbeitete Darstellungen der Nationen. Diese werden der Reihe nach abgehandelt und Motive als auch Auswirkungen der Aktionen, die Kollaborateure setzten, beschrieben. 

Der Autor beginnt im Vorwort mit seiner Selbstdarstellung als einer, der „ein Mitglied und Nachfahre der Täternation“ sei. Diesen individuellen Zugang zur Täterschaft beatmet die gesamte ansonsten objektiv recherchierte und hervorragend geschriebene Publikation. Ein großes Kapitel führt denn auch zu Österreich, dessen Opferstatus in der Argumentation von Kellmann zunichtegemacht, mithin ein Platz als Täternation zugedacht wird. Danach folgen Italien, Schweiz, Frankreich und viele andere Länder, die auf die eine oder andere Weise mit den Nazis kooperierten. Auch hier vermerkt der Autor kritisch, dass man sich vielerorts nicht gegen das Regime erhoben, zumindest jedoch nicht protestiert wurde.

Die Kollaboration war auch vielschichtig. Oft waren es nur Einzelne, die einen Ausschlag machten, indem sie für Informationen, sorgten, denunzierten oder einfach ihre Arbeitskraft dem Regime bedingungslos zur Verfügung stellten. Zum Beispiel die 1.600 dänischen „Zeitfreiwilligen“ zur Unterstützung der deutschen Truppen die im Buch beschrieben werden. Auch institutionelle Machenschaften und (staats-)übergreifende Zusammenhänge werden aufgedeckt. Insgesamt spannt Kellmann einen Bogen von individuellen Darstellungen wie die Erinnerung eines polnischen Bauern, wie enthusiastisch die Deutschen in seinem Ort begrüßt und aufgenommen wurden, bis hin zu großangelegten Verdrängungen des Holocaust wie durch die schwedische Reichsregierung 1941.

Kellmann schließt seine durchaus ernüchternden und erschütternden Ausführungen mit einem Kapitel über europäisches Gedächtnis und Identität. Ziel dazu wäre die Etablierung einer gemeinsamen europäischen Identität. Die tour d’horizon, für die er dies angestoßen hat, schlägt leider fehl. Dies nicht bloß, weil sie eine „Baustelle, ein permanentes Werden und kein Sein“ ist, sondern auch wegen der eindeutigen politischen Einstellung des Autors, die gerade im aktuellen politischen Diskurs eine gewisse Subjektivität der Beurteilung herstellt. Dennoch ist es ein hervorragend geschriebenes, die eigenen Positionen hinterfragendes Werk, das sich für Fachleute wie interessierte Laien als Wissensbasis hervorragend eignet.

-per-

 

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