• Veröffentlichungsdatum : 18.09.2019
  • – Letztes Update : 19.09.2019

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"Die Landesverteidigung hat Priorität"

Gerold Keusch

TRUPPENDIENST traf sich mit dem FPÖ-Wehrsprecher, Obmann des Landes-verteidigungsausschusses des Nationalrates und amtsführenden Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheerkommission, Dr. Reinhard Eugen Bösch. Themen des Gespräches waren der aktuelle Zustand des Österreichischen Bundesheeres, die aktuellen FPÖ-Positionen zur Sicherheitspolitik und Landesverteidigung, aber auch das Partei- und Wahlprogramm der FPÖ zu diesem Thema.

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TRUPPENDIENST (TD): Herr Dr. Bösch, Sie sind Obmann des Landesverteidigungsausschusses des Nationalrates, Amtsführender Vorsitzender der Parlamentarischen Bundesheerkommission, Wehrsprecher der FPÖ und Oberst der Reserve. Sie kennen das Bundesheer sehr gut. Wie geht es dem Bundesheer heute?

Bösch: Dem Bundesheer geht es schlecht. Wir haben Defizite in allen Bereichen, die für das Funktionieren einer Armee, wie wir sie bräuchten, notwendig sind. Das Ziel muss es sein, die Defizite in diesen Bereichen zu beseitigen.

TD: Wie sehen sie das Positionspapier des Generalstabschefs?

Bösch: Die Aussagen von General Robert Brieger und des ehemaligen Verteidigungsministers Mario Kunasek unterstreiche ich zu hundert Prozent.

TD: Erwarten Sie weitere schlechte Nachrichten von Verteidigungsminister Starlinger bei der Präsentation des Zustandsberichts?

Bösch: Ich erwarte mir eine Bestätigung der freiheitlichen Positionen zum Thema Landesverteidigung und Bundesheer sowie der freiheitlichen Politik, die unter dem ehemaligen FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek begonnen wurde. Ich hoffe, dass das Ergebnis des Zustandsberichts dazu beiträgt, die budgetäre Situation des Bundesheeres zu verbessern.

TD: Wie kann man das Heer retten?

Bösch: Das Bundesheer braucht 2,6 Milliarden Euro für das Jahr 2020, drei Milliarden für 2021 und in weiterer Folge ein Wehrbudget von einem Prozent des BIP. Diese Summen sind notwendig, um im personellen und materiellen Bereich die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um die Defizite zu beseitigen. Diese Forderung haben wir im Nationalrat mit einem Entschließungsantrag bereits dokumentiert.

TD: Das Thema Sicherheit ist ein wesentlicher Punkt des FPÖ-Parteiprogrammes. Die FPÖ war von Dezember 2017 bis Mai 2019 in der Regierung und hat den Verteidigungsminister gestellt. Heute steht das Bundesheer vor einem Scherbenhaufen. Wie groß ist die Mitschuld der FPÖ am aktuellen Zustand des Bundesheeres?

Bösch: Die Zeit war zu kurz um jene Schritte zu setzen, die ich bereits skizziert habe (Anhebung des Wehrbudgets; Anm.). Die Gespräche zwischen Mario Kunasek, dem ehemaligen Bundeskanzler und dem ehemaligen Finanzminister hinsichtlich einer Anhebung des Wehrbudgets waren schon weit fortgeschritten. Leider ist durch das Zerbrechen der Bundesregierung dieser Weg unterbrochen worden. Die FPÖ hatte immer die Absicht, dem Bundesheer ein ausreichendes Budget zu geben. Das wurde auch in den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP so vereinbart, die sich aber nicht daran gehalten hat.

TD: Im aktuellen FPÖ-Wahlprogramm wird im Vorwort darauf hingewiesen, dass man in der ÖVP-FPÖ-Koalition viel erreicht habe, es aber offene Punkte – wie ein ausreichendes Budget für das Bundesheer – gibt. Ansonsten wird das Bundesheer nur in jenem Punkt thematisiert, bei dem der Stundenlohn für Asylanten, am Beispiel des geringen Solds der Grundwehrdiener gerechtfertigt wird. Ist der FPÖ das Bundesheer doch nicht so wichtig?

Bösch: Der FPÖ ist das Bundesheer sehr wichtig, das haben wir auch immer betont. Der angesprochene Vergleich soll ausdrücken, dass der Dienst als Soldat der Gesellschaft mehr bedeuten muss als er das aktuell tut. Deshalb muss er auch besser bezahlt werden als bisher.

TD: Parteiobmann Norbert Hofer möchte die Koalition mit der ÖVP fortsetzen. Was bedeutet das für die Entwicklung des Bundesheeres, konkret für das Wehrbudget?

Bösch: Der Inhalt des Entschließungsantrages, bei dem der Budgetbedarf des Bundesheeres von uns definiert wurde, wird auch Gegenstand von allfälligen künftigen Koalitionsverhandlungen sein. Bei denen werden wir unsere Anliegen hinsichtlich des Heeresbudgets dementsprechend einbringen.

TD: Das bedeutet, dass es bei einer FPÖ-Regierungsbeteiligung keine weiteren Kürzungen beim Wehrbudget geben wird?

Bösch: Dafür werden wir uns einsetzen.

TD: Wären für Sie auch andere Koalitionsvarianten als jene mit der ÖVP denkbar? Zum Beispiel mit der SPÖ, mit der sie den Entschließungsantrag eingebracht und beschlossen haben?

Bösch: Mit der SPÖ konnten wir in diesem Sachbereich eine Übereinstimmung erzielen, was mich sehr gefreut hat. Es gibt aber andere Bereiche, die eine Koalition mit der SPÖ unwahrscheinlich machen. Solange die SPÖ vor allem im Punkt der illegalen Zuwanderung keinen Politikwechsel vollzieht, sehe ich eine Zusammenarbeit als sehr schwierig an.

TD: Stichwort Entschließungsantrag: Warum hat man kein Gesetz, beispielsweise für eine Sonderfinanzierung beschlossen?

Bösch: Der Entschließungsantrag ist ein guter Anfang. Dessen Inhalt wollen wir in allfällige Regierungsverhandlungen bzw. in die zukünftige Wehrpolitik einbringen, wo er zweifellos eine Grundlage für die Budgetverhandlungen sein wird.

TD: Wo soll das Geld für das Bundesheer herkommen? Wer soll weniger bekommen, damit das Bundesheer mehr bekommt?

Bösch: Wir müssen durch eine Straffung der Organisation des Staates jene Geldmittel freimachen, damit das Bundesheer das nötige Budget erhält. Im Bereich der Sozialversicherungen ist es bereits zu Einsparungen im System gekommen. Nun ist es notwendig diesen Weg weiter zu beschreiten, um ein Plus im Staatshaushalt zu erreichen und dadurch die staatspolitisch wichtigen Ausgaben finanzieren zu können.

TD: Das Anheben des Heeresbudgets wäre demnach ein Teil eines großen Ganzen hinsichtlich einer Neustrukturierung der Finanz- und Budgetpolitik und des Bundeshaushaltes?

Bösch: Ja, so ist es. Schließlich hat sich die FPÖ dazu bekannt, das Nulldefizit zu erreichen. Neben dem Nulldefizit muss man aber das Funktionieren der staatlichen Aufgaben im Auge habe und das dafür notwendige Geld bereitstellen.

TD: Wo sollte die Priorität – das Schwergewicht – des Bundesheeres liegen?

Bösch: Über diesen Punkt braucht man nicht lange zu philosophieren, wie das in der finanzpolitischen Not gerne getan wird. Das steht ganz klar in der Verfassung der Republik Österreich. Für den Staat gibt es kein wichtigeres „Papier“ als das Grundgesetz - die Verfassung. Dort steht eindeutig, dass das Bundesheer für die Landesverteidigung zuständig ist. Darüber hinaus ist es für den sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz, für den Katastropheneinsatz und die Auslandseinsätze zu rüsten. Diese Aufgabenpalette muss das Bundesheer ausführen können, wofür die politische Ebene die Grundlagen schaffen muss.

TD: In der Prioritätenreihenfolge, die die Bundesverfassung (Art. 79; Anm.) vorgibt, mit der Landesverteidigung als Primäraufgabe?

Bösch: Ja, das ist für uns eine Prioritätenreihung.

TD: Innere und äußere Sicherheit werden häufig verknüpft und das Bundesheer damit gerechtfertigt, dass man es auch für Assistenzaufgaben einsetzen kann. Ein alter und beliebter Militärspruch heißt: „Wer alles sichert, sichert nichts.“ Wäre es nicht sinnvoller die Primäraufgabe der militärischen Landesverteidigung klarer von den Sekundäraufgaben zu trennen?

Bösch: Die FPÖ ist diesen Weg gegangen, indem Mario Kunasek die vier Brigaden wiedereingerichtet hat, damit das Bundesheer – im Rahmen seiner Möglichkeiten – eine Kampfkraft entwickeln kann, wenn das notwendig ist. Die anderen Aufgaben (sicherheitspolizeilicher Assistenzeinsatz, Katastrophenhilfe und Auslandseinsätze; Anm.) müssen aus dieser Kampfkraft heraus generiert werden. Somit haben wir gezeigt, dass wir das wollen und wie wichtig uns die Landesverteidigung ist.

TD: Wie wichtig ist der Schutz der EU-Außengrenze? Wie könnte dieser Schutz aussehen?

Bösch: Die EU-Außengrenze muss selbstverständlich geschützt werden. Es war eines der größten Versäumnisse der abgetretenen Europäischen Kommission, diesen Schutz zu vernachlässigen. Von der Europäischen Union sind die notwendigen Mittel bereitzustellen und Wege einzuschlagen, um die EU-Außengrenzen zu sichern. Dabei dürfen wir aber die EU-Mitgliedstaaten nicht alleine lassen, die an das Mittelmeer grenzen und den Hauptflüchtlingsstrom aufnehmen müssen. Vielmehr haben wir uns solidarisch zu zeigen und müssen Kräfte zur Verfügung stellen, um die illegale Einwanderung zu stoppen. Zusätzlich müssen Mechanismen gefunden werden, die eine Rückführung von illegalen Einwanderern – vor allem über das Mittelmeer in den Nordafrikanischen Raum – sicherstellen, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden und den Schlepperbanden die Grundlage ihrer Geschäftemacherei zu entziehen.

TD: Wie wichtig sind für Sie die Auslandseinsätze des Bundesheeres?

Bösch: Ich schätze die Auslandseinsätze als sehr wichtig ein. Zum einen sind sie eine Prestigeangelegenheit für die Republik, zum anderen kann sich das Bundesheer dort in einem – quasi realen Einsatz unterschiedlicher Gefährdungslage – erproben. Das Bundesheer hat die bisherigen Einsätze sehr gut über die Bühne gebracht und ich bin zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft im Ausland aktiv sein werden. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die dafür notwendige Ausrüstung aber auch das nötige Geld für eine adäquate Bezahlung sichergestellt werden.

TD: Wie weit von Österreich entfernt sollte das Bundesheer an Einsätzen teilnehmen? 1.000 km, 2.000 km oder noch weiter weg, beispielsweise in Afrika, wo es zurzeit eine Mission in Mali gibt?

Bösch: Der Einsatz des Bundesheeres im Ausland sollte nicht von der Entfernung abhängen, sondern vom Nutzen für Österreich.

TD: Wie steht die FPÖ zu sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsätzen?

Bösch: Die FPÖ hält die sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsätze für absolut notwendig. Das Bundesheer hat bewiesen, dass es über viele Jahre hindurch so einen Einsatz ausführen kann. Dabei hat es nicht nur sein Können bewiesen, sondern gezeigt, dass es die einzige Einrichtung Österreichs ist, die über einen längeren Zeitraum eine größere Personengruppe – in diesem Fall Soldaten – organisiert zur Verfügung stellen kann, um eine staatliche Aufgabe zu erfüllen. Das Bundesheer wird in den Strategiepapieren der Bundesregierungen als Strategische Handlungsreserve der Republik gesehen. Ich sehe das auch so, aber diese Strategische Handlungsreserve ist nur dann einsetzbar, wenn wir ihr auch die notwendigen Mittel geben.

TD: Der erste Assistenzeinsatz hat von 1990 bis 2007 gedauert. Besteht nicht die Gefahr, dass man seine Kernkompetenz verliert, wenn man sich zu lange den Sekundäraufgaben widmet?

Bösch: Diese Problematik sehe ich auch. Deshalb dürfen Assistenzeinsätze keine Dauereinrichtung werden, wie es das war. Wir dürfen Assistenzeinsätze nur dann vom Bundesheer verlangen, wenn man eine Lücke in einer anderen Organisation der Republik erkennt und diese kurzfristig schließen muss. Die Einrichtung, die diese Lücke hat, ist jedoch dazu gezwungen, so rasch wie möglich eigene Kompetenzen aufzubauen.

TD: Klarer ist die Situation bei der Luftraumüberwachung, die eine Aufgabe des Bundesheeres ist. Wie wichtig ist die Luftraumüberwachung?

Bösch: Die Luftraumüberwachung halte ich für bedeutend, wenn wir ein souveräner Staat sein wollen – und das sollten wir wollen. Mit den aktuellen Flugzeugen können wir die Luftraumüberwachung akzeptabel durchführen, aber auch hier ist eine Modernisierung und Verbesserung notwendig.

Conclusio

Im Gespräch mit dem TRUPPENDIENST betonte Dr. Reinhard Eugen Bösch die Notwendigkeit eines Bundesheeres, das seine verfassungsmäßigen Aufgaben erfüllen kann. Die Landesverteidigung sieht er als Primäraufgabe, die Kompetenz für die Sekundäraufgaben (sicherheitspolizeilicher Assistenzeinsatz, Katastrophenhilfe und Auslandseinsätze) ergibt sich für ihn aus den Fähigkeiten zur Erfüllung der Primäraufgabe. Bösch sieht das Funktionieren des Bundesheeres aktuell gefährdet und möchte dem mit einer Aufstockung des Wehrbudgets auf ein Prozent des BIP begegnen. Die Neutralität soll so bleiben wie sie ist, da sie von ihm als ein taugliches und bewährtes politisches Instrument betrachtet wird. Darüber hinaus spricht sich Bösch für die Allgemeine Wehrpflicht und die Beibehaltung der aktuellen Wehrverfassung aus.

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Das Interview führte der TRUPPENDIENST-Redakteur und Politologe Offiziersstellvertreter Gerold Keusch, BA.

 

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