• Veröffentlichungsdatum : 17.03.2021
  • – Letztes Update : 18.03.2021

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Das Ende der Karriere

Gerold Keusch, Luis Wildpanner

Dass auch die erfolgreichste Karriere irgendwann ein Ende hat ist eine Tatsache, der sich jeder Sportler früher oder später stellen muss. Viele Dinge kann man Zeit seines Lebens machen, für andere hingegen gibt es nur einen begrenzten Zeitabschnitt, den der Athlet – wenn er erfolgreich sein möchte –auch entsprechend nutzen muss. Dazu gehört zweifellos der Hochleistungssport auf Weltklasseniveau.

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Anders als bei Spielsportarten, wie dem Fußball sind im Ausdauersport auch noch jenseits des 30. Geburtstages sehr gute Leistungen und Erfolge möglich bzw. können diese erst wegen der notwendigen vorgestaffelten Trainingsjahre in einem gewissen Alter erreicht werden. Spätestens aber mit 40 Jahren ist das Ende der Konkurrenzfähigkeit in Sichtweite. Darüber hinaus zehren die Jahre der extremen Belastungen an Körper, Geist und Seele eines Sportlers. In dieser Hinsicht war auch Wildpanner keine Ausnahme, der seine Karriere im 47. Lebensjahr beendet hat.

„Das Ende meiner Karriere war weder freiwillig noch erzwungen, sondern irgendwo dazwischen. Die Probleme mit den Waden blieben unberechenbar und zwangen mich zweimal dazu, entscheidende Wettkämpfe abzubrechen, wie die WM im zehnfach-Ironman in Hawaii, die das wichtigste Rennen meines Lebens werden sollte. Bei meinen darauffolgenden Laufeinheiten bemerkte ich, dass meine Wadenprobleme immer wieder an unterschiedlichen Stellen, mit wechselnder Intensität und zu verschiedenen Zeitpunkten auftraten. Aber nicht nur im Training, sondern auch bei Aufbauwettkämpfen musste ich feststellen, dass diese Probleme jederzeit akut werden konnten.“

Dennoch ging es im Jahr 2005 langsam wieder aufwärts. Wildpanners Form, die Konkurrenz- und Leistungsfähigkeit, aber auch seine mentale Stärke begannen erneut Fahrt aufzunehmen. „Möglich wurde das vor allem durch die Umstellung meines Trainings. Wegen der hartnäckigen und in unregelmäßigen Abständen wiederkehrenden muskulären Wadenprobleme verlagerte ich meinen Trainingsschwerpunkt langsam aber stetig auf das Radfahren. Ich lief nur mehr so lange bzw. so schnell, wie ich es meinen Beinen gerade noch zumuten konnte.“

Die letzte Zielflagge

Obwohl er diesen Schritt nie offiziell bekanntgab, sollte 2006 das letzte Jahr seiner offiziellen Karriere im Ultra-Triathlon werden: am Ende dieses äußerst erfolgreichen Jahres und somit am Höhepunkt seiner sportlichen Laufbahn fällte er endgültig die Entscheidung für den Rücktritt. 2007 ging er zwar noch ein letztes Mal über die doppelte Ironman-Distanz in Moosburg an den Start. Das geschah jedoch aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Veranstalter und war sein letzter Ultra-Bewerb, der aber weder als Europa- noch als Weltmeisterschaft ausgetragen wurde.

„Neben den Wadenproblemen war auch mein Alter ein Grund für den Entschluss, meine Laufbahn zu beenden. Man kann zwar auch noch mit 50 Jahren im Ultra-Triathlon relativ erfolgreich sein, aber irgendwann wird auch der beste Sportler langsamer und müde. Dagegen ist man machtlos, das ist der natürliche Leistungsabfall durch den Alterungsprozess, der normal und unausweichlich ist.“ Das fortschreitende Alter zeigte sich auch unbarmherzig am Abstand zur Konkurrenz, der von Wettkampf zu Wettkampf kleiner wurde. „Meine zu Beginn herausragenden Laufleistungen nahmen vor allem durch die Verlagerung meines Trainingsschwergewichts vom Laufen zum Radfahren deutlich ab. Früher war ich den meisten meiner Konkurrenten in beiden Disziplinen teilweise deutlich überlegen. Nach dieser Umstellung musste ich allerdings bereits beim Radfahren an mein Leistungslimit gehen, damit ich den Vorsprung während des Laufbewerbs bis ins Ziel bringen konnte.“

Die nachträgliche Auswertung der Wettkampfergebnisse, im Speziellen die Vergleiche der Zwischenzeiten innerhalb der jeweiligen Disziplin, zeigen, dass der Abstand zu seinen Konkurrenten nicht geringer wurde, weil diese schneller wurden. Vielmehr wurde Luis aufgrund seines Alters und der deutlichen Reduzierung seines Lauftrainings langsamer. Im Laufe dieser intensiven und von verschiedenen Härten geprägten Jahre wich – trotz aller Erfolge – auch die Lust und Freude am Training. Damit wandelte sich sein Wille zum Sieg immer mehr zu einem inneren Zwang. „Eines war mir immer klar: Ich will keinesfalls ein ‚Methusalem-Sportler’ werden, der einen Wettkampf – wenn überhaupt – als einer der Letzten beendet und danach Wochen für die Regeneration braucht oder sich sogar in ärztliche Betreuung begeben muss. Schließlich gibt es neben dem Sport auch noch andere Dinge im Leben, die es wert sind, erlebt und genossen zu werden.“

Aber auch der „Kampf“ um seinen WM-Titel 2006 über die dreifache Ironman-Distanz in Moosburg war mitentscheidend für seinen sportlichen Rückzug. Dort kam es nach dem Bewerb zu Streitigkeiten zwischen der International Ultra Triathlon Association (I.U.T.A.) und dem Veranstalter. Dieser eskalierte so weit, dass der Bewerb, bei dem Wildpanner zum zweiten Mal Weltmeister im Triple-Ultra geworden war, kurz vor der Annullierung stand. Das hätte bedeutet, dass er trotz eines regulär errungenen Sieges um seinen dritten WM-Titel gebracht worden wäre, ohne selbst für diese Entscheidung verantwortlich zu sein. Anlass der Querelen war eine Terminkollision zweier Ultra-Bewerbe, wobei sich eine nicht unerhebliche Anzahl von Athleten für den Start bei der Konkurrenzveranstaltung in Frankreich entschied. Der Grund dafür war einfach: die Chancen für einen Sieg waren dort erheblich größer, da alle Favoriten in Kärnten starteten. Dem Veranstalter in Moosburg fehlten nun aber deren Startgelder, weshalb er der I.U.T.A. die Veranstaltungsgebühren nicht bezahlen wollte.

Nicht nur dieser Streit war zermürbend, auch mit der Organisation so mancher Veranstaltung – vor allem im Ausland, mit Ausnahme von Lensahn – war der Perfektionist Luis Wildpanner zunehmend unzufrieden. Der negative Höhepunkt war zweifellos Hawaii, wo er – wie bereits erwähnt – erst nach etwa der Hälfte des Radbewerbes (nach etwa 1.000 von insgesamt 1.800 km) erfuhr, wie viele Runden er noch zu fahren hatte. „Das waren die Momente, in denen ich mich ernsthaft gefragt habe, ob das alles meinen – in jeder Hinsicht immensen – Aufwand tatsächlich wert ist. Schließlich investierte ich meine gesamte Zeit und Lebensenergie bereits in die Vorbereitung für diese Wettkämpfe, flog mit ‚Sack und Pack’ und einem zehnköpfigen Team um die halbe Welt, gab ein Vermögen für die Reise, den Aufenthalt, die Verpflegung und sämtliche weitere Erfordernisse aus, um dann ein organisatorisches Chaos zu erleben.“

Als negative Draufgabe kam es damals erstmals auch in seinem Betreuerteam zu größeren Reibereien zwischen einzelnen Mitgliedern, die für Wildpanner unbeschreiblich zermürbend waren und ihn neben den Strapazen des Wettkampfes zusätzlich psychisch belasteten. Das Betreuerteam, das bis dahin ein unverzichtbarer Garant all seiner bisherigen Erfolge war, begann – wie bereits die Erfahrungen im Vorfeld befürchten ließen – zu bröckeln. Dadurch war aber auch die Grundlage für seine zukünftigen Wettkampferfolge ernsthaft gefährdet. Die Schwierigkeiten im Betreuerteam hatten sich nach Hawaii zwar wieder gelegt, da Luis danach wieder auf Teile seiner Stamm-Mannschaft zurückgreifen konnte. Dennoch war ihm bewusst geworden, dass es nicht selbstverständlich war dieses Team jederzeit an seiner Seite zu haben und dies auch nicht immer möglich war.

Das Zünglein an der Waage für seine Entscheidung, die sportliche Karriere zu beenden, war letztendlich die Tatsache, dass es trotz seiner Erfolge immer mühsamer wurde Sponsoren zu finden. Einige hatten sich vermutlich (und berechtigterweise) einen größeren Werbeeffekt erhofft, da über seine Erfolge sogar im ORF und sämtlichen großen Tageszeitungen, aber auch international berichtet, wurde. „Obwohl ich bereits mehrfacher Welt- und Europameister und Inhaber zweier Weltrekorde war, wurden die Anstrengungen, um zumindest meine Unkosten zu decken, immer größer. Das war zunehmend frustrierend und irgendwann wollte ich einfach nicht mehr stundenlang telefonieren, Mails schreiben oder aufwendige Pressemappen gestalten, nur um letztendlich in den meisten Fällen eine Absage zu erhalten.“

Das Hauptproblem, Sponsoren zu finden, war damals wie heute dasselbe: Randsportarten fehlt – auch wenn sie medial erwähnt werden – die breite Aufmerksamkeit, weshalb sie für potenzielle Sponsoren wenig bis gar nicht relevant sind. Das sportliche Interesse der Medien und möglicher Geldgeber liegt in Österreich vor allem beim Fußball oder dem Schifahren. Nachdem im Jahr 2006 Wildpanners ursprünglicher Hauptsponsor die Unterstützung ohne Angabe von Gründen die Unterstützung nicht mehr verlängerte, war seine Entscheidung für das Karriereende endgültig gefallen.

Letztendlich zog Luis folgendes Resümee: „Ich nehme sämtliche vorstellbaren und unvorstellbaren Mühen auf mich, um Rennen zu gewinnen. Meine Leistungen kann ich nicht mehr steigern und ich erhalte nicht die Anerkennung, die ich aus meiner Sicht verdienen würde. Wenn ich den Input – meinen Aufwand, die Anstrengungen, Entbehrungen und Kosten – betrachte und diese mit dem Output – das geringe öffentliche Interesse, die schwierige Sponsorensuche etc. – vergleiche, gibt es dabei ein riesiges Missverhältnis. Schließlich sagte ich mir: Ich habe alles erreicht, was in dieser Sportart möglich ist. Mehr geht nicht und deshalb möchte ich das hier und jetzt beenden.“ Heute sieht Wildpanner die einstigen Umstände wesentlich entspannter, damals war der Extremsport aber sein gesamter Lebensinhalt und er sah die Hindernisse und Schwierigkeiten wesentlich kritischer. Es gab aber nicht nur sportliche Gründe, die Luis dazu bewegten, den Leistungssport zu beenden.

„Ein weiterer wesentlicher Grund für meine Umorientierung war meine neue Beziehung, die mir völlig unbekannte Sichtweisen und Chancen eröffnete. Dieses, damals noch junge Verhältnis mit meiner Partnerin, mit der ich mittlerweile verheiratet bin, half mir dabei meine Schwer- und Standpunkte grundlegend zu verlagern und zu ergänzen. Aufgrund der intensiven, harten und entbehrungsreichen Jahre hatte ich aber auch große Lust auf Veränderungen. Endlich konnte ich mich dem lang ersehnten Traum vom eigenem Haus mit Garten widmen und sogar die Ausbildung zum Gleitschirmflieger absolvieren.“ Gemäß seiner lebenslang praktizierten Zielstrebigkeit und der intensiven Suche nach dem perfekten Wohnsitz fand Luis bald seine neue Heimat: Ruhpolding in Bayern. Die etwa 6.000 Einwohner zählende Gemeinde ist etwa 30 Autominuten von seinem aktuellen Arbeitsplatz in Salzburg entfernt. Der Ort ist nicht nur weit über die Grenzen Deutschlands als Austragungsort des jährlich stattfindenden Biathlon Weltcups bekannt, sondern vor allem auch wegen seines sanften Tourismus einschließlich der unzähligen Freizeitmöglichkeiten vor Ort.

Leben ohne Hochleistungssport

Der Rücktritt vom Wettkampfsport bedeutete aber keineswegs, dass Luis damit aufgehört hätte sich zu bewegen oder das Rennrad und die Laufschuhe gegen Couch und Kühlschrank eingetauscht hätte. „Anstatt jedoch ewig zu Laufen oder zu radeln habe ich nach meinem Karriereende vermehrt ausgedehnte Bergtouren unternommen. Dabei ging es jedoch nicht mehr darum besondere Leistungen zu erbringen oder irgendwelche persönlichen Ziele zu verwirklichen. Im Gegenteil – ich genoss es in vollen Zügen, ab sofort keinerlei Erfolgsdruck mehr zu haben.

Endlich konnte ich mich ohne schlechtes Gewissen bei einer ausführlichen Gipfelrast auf eine Bank setzen, die herrliche Bergwelt betrachten und diese in aller Ruhe genießen. Ohne Stress, Druck oder gar Enttäuschung, weil ich ein Ziel nicht erreicht hatte. Viele Sportler können einfach nicht mit den Wettkämpfen aufhören. Sie machen immer weiter und weiter – teilweise sogar bis ins hohe Alter. Mir aber ist im Laufe meines letzten und erfolgreichsten Wettkampfjahres, bei dem ich völlig unerwartet zum wiederholten Male Weltmeister im zweifachen und dreifachen Ironman wurde, klar geworden, dass es noch so viel mehr in meinem Leben geben würde.“ 

Eine Aussage, mit der Extremsportler konfrontiert sind ist, dass diese Strapazen wohl nicht gesund sein können. „Soweit ich das aktuell beurteilen kann, habe ich keinerlei nennenswerte Langzeitschäden davongetragen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die genetische Veranlagung eines Athleten der wesentliche Schlüssel zu dessen Erfolg ist – vor allem, wenn man sich in extremere Gefilde, wie die des Ultra-Sports, begibt. Ich hatte das Riesenglück, dass mir diese optimalen genetischen Voraussetzungen in die Wiege gelegt wurden. Denn eines ist klar: Das perfekteste Training, die beste Regeneration und die optimalste Ernährung helfen nichts, wenn die körperlichen bzw. erblichen Voraussetzungen nicht passen und man bereits bei moderaten Belastungen orthopädische Probleme bekommt.“ Der ehemalige Extremsportler ist davon überzeugt, dass neben seinen Grundlagen sein Wissen und die Anwendung der Trainingsprinzipien sowie die regelmäßige Ausgleichs- und Funktionsgymnastik einen entscheidenden Anteil an seinen Erfolgen hatten. Ohne diesen Mix hätte er sich kaum an die Weltspitze kämpfen und dort mehrere Jahre verbringen, geschweige denn, diese intensive Zeit ohne nennenswerte gesundheitliche Schäden überstehen können.

Ganz spurlos ging das abrupte Ende der sportlichen Laufbahn an Wildpanner aber nicht vorüber. „Aufgrund des fehlenden Abtrainierens bekam ich leichte Herzrhythmusstörungen, die sich allerdings in Grenzen hielten und nicht weiter tragisch waren. Mein Körper hat es anfangs vermutlich nicht verstanden, warum ich plötzlich zu einem – im Vergleich zu früher – so faulen Sack wurde. In weiterer Folge nahm ich, vor allem aufgrund meiner Vorbildwirkung als damaliger Sportoffizier, an Wettkämpfen, wie dem militärischen Patrouillenlauf im Winter teil, auf den ich mich vor allem mit Schilanglaufen oder Schitouren vorbereitete. Das war natürlich in keiner Weise mit dem Aufwand einer Wettkampfvorbereitung für meine Ultra-Bewerbe vergleichbar. Aber gerade dann, wenn ich wieder intensiver Sport betrieb als gewöhnlich, traten meine Herzrhythmusstörungen häufiger auf, so als ob sich mein Körper gegen diese temporäre Belastungssteigerung als weiteres ‚Trommelfeuer des neuerlichen Wahnsinns’ zur Wehr setzen wollte.“

Achtfacher Sieger mit zwei zweiten Plätzen

Luis Wildpanner kann auf eine herausragende Rennbilanz zurückblicken. Insgesamt war er bei zwölf Ultra-Triathlons am Start. Zweimal, bei der WM im Double-Ultra-Triathlon in Panevezys (Litauen) im Jahr 2003 und ein Jahr später bei der WM im Deca-Ultra-Triathlon in Hawaii, musste er aufgrund seiner hartnäckigen Wadenprobleme aufgeben. Zwei Triathlons über die doppelte Ironman-Distanz konnte er „nur“ auf dem zweiten Platz beenden. Einer war sein letzter Double-Ironman in Moosburg 2007, den er noch bestritt, obwohl er bereits  den Entschluss gefasst hatte, seine Karriere zu beenden. Aus diesem Grund war er dort auch weder in seiner gewohnten Form noch mit seiner bedingungslosen Motivation zum Sieg am Start. Der andere Bewerb fand 2005 in Litauen statt, den Wildpanner noch aus dem Jahr 2003 in schlechter Erinnerung hatte. Im Jahr 2005 konnte er den Wettkampf zwar beenden, musste sich aber aufgrund eines kurz zuvor eingefangenen viralen Infekts mit dem zweiten Gesamtrang begnügen.

Obwohl Wildpanner aus sportlicher Sicht auf eine Bilderbuchkarriere zurückblicken kann, gibt es doch auch ein paar Wermutstropfen: „Drei erwähnenswerte Ziele konnte ich trotz größter Anstrengungen leider nicht erreichen: einen Marathon schneller als 2:30 h laufen, einen Militärischen Fünfkampf über 5.000 Punkte beenden und einen einfachen Ironman unter neun Stunden absolvieren. Dennoch empfinde ich keine Bitterkeit, dass ich diese Ziele nicht erreichen konnte. Schließlich ist niemand immer nur gut, erfolgreich oder perfekt. Um die Leistungen erfolgreicher Menschen richtig beurteilen zu können, ist es auch wichtig zu wissen, welche persönlichen Ziele sie hatten und trotz aller Anstrengungen nicht erreichen konnten. Warum auch immer, schaffte ich trotz klarem Ziel und gewissenhaftem Training nie mehr als 4.963 Punkte beim Militärischen Fünfkampf, lief den Marathon nie schneller als 2:36 h (Graz 1995) und stellte bei meiner einzigen Teilnahme am Ironman 2000 in Klagenfurt gleichzeitig meine Bestzeit mit 9:21 h auf. Zwischen 2002 und 2006 war ich hingegen der beste Ultra-Triathlet der Welt und auf diese Leistung werde ich bis an mein Lebensende stolz sein!“  

Rückblick und Resümee

„An viele Dinge meiner sportlichen Laufbahn, nach denen ich häufig gefragt werde und die auch für mich interessant wären, kann ich mich heute einfach nicht mehr erinnern. Obwohl ich die wichtigsten Stationen meiner Karriere genau dokumentiert habe, gibt es doch einige weiße Flecken. Aufgrund der hohen zeitlichen Belastung fand ich oft nicht die Zeit, um alles lückenlos zu ordnen, archivieren und dokumentieren. Mir fehlte damals schlichtweg die Zeit und ein paar ruhige Stunden der Erholung und Entspannung waren für mich gerade in diesem intensiven Lebensabschnitt wichtiger als alles andere. So kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen, wie viele Marathons ich bis heute gelaufen bin. Neben meinen zwei 100-Kilometer-Läufen waren es aber zumindest 33, die meisten davon Mehrfach-Marathons im Zuge meiner Ultra-Triathlon-Bewerbe.

Aber selbst die Frage, wie schnell meine beste Zeit über die 2.400-m-Distanz war, die beim Bundesheer nach wie vor der Referenzwert für die körperliche Leistungsfähigkeit im Ausdauerbereich ist, kann ich nicht mit Sicherheit beantworten. Ich weiß es einfach nicht mehr, weil ich gerade in der Zeit meiner körperlichen Höchstform so viele verschiedene Wettkämpfe bestritt und deshalb diese sechs Runden zu je 400 m einfach keine Bedeutung für mich hatten. Ich weiß jedoch, dass ich meine Bestzeit über diese Distanz zu Beginn meiner Ausbildung am Bundesrealgymnasium an der Militärakademie lief, da damals meine Karriere als Mittelstreckenläufer noch nicht lange zurücklag. In weiterer Folge hat sich meine Zeit über diese Distanz jedenfalls verschlechtert, da jedes Ausdauertraining auf Kosten der Schnelligkeit über kürzere Distanzen geht. Mit Sicherheit aber kann ich sagen, dass ich diese Distanz das letzte Mal bei einer verpflichtenden Überprüfung vor einem Laufbahnkurs im Alter von 47 Jahren unter acht Minuten lief.“ Das ist eine Spitzenzeit für jemanden in diesem Alter, aber im Vergleich zu seiner Bestzeit 30 Jahre zuvor, in der er 1.000 m in 2:33 min lief, eher langsam.

Noch kurze Zeit bevor sich Wildpanner den extremen Distanzen widmete, absolvierte er bis zu drei Wettkämpfe an einem Wochenende, auch wenn es sich dabei „nur“ um Bewerbe mit kürzeren Distanzen, wie 5- oder 10-km-Straßenläufe handelte. „Aus heutiger Sicht war das hinsichtlich der Regeneration, die eine wesentliche Voraussetzung zur Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist, aber auch für die Aufrechterhaltung und Stabilisierung meiner Gesundheit nicht förderlich. Besonders die „kurzen Bewerbe“ sind aufgrund der hohen Geschwindigkeiten und der daraus resultierenden starken muskulären Beanspruchung eine intensive Belastung für den gesamten Körper. Deshalb benötigt ein Sportler auch nach kürzeren Wettkämpfen eine gewisse Zeit für seine Regeneration.“ Der Grund, warum sich Luis für diese hohe Belastungsdichte entschied, war die Ausprägung der Tempohärte, umgangssprachlich auch „Stehvermögen“ genannt. Einfach ausgedrückt wird dadurch das Wettkampftempo über diese Distanzen auf höchstem Niveau ausgeprägt, da man während eines Rennens von der Konkurrenz „gezwungen“ wird, das Tempo so hoch als möglich zu halten. Diese spezielle Situation gibt es eben nur im Wettkampf, und kann auch durch noch so intensive Trainingsläufe nicht ersetzt werden.

Weniger wichtig waren und sind dem mehrfachen Welt- und Europameister hingegen seine Trophäen. „Ich habe schon lange vor meinen größten Erfolgen damit begonnen, mich von den meisten meiner Pokale zu trennen. Einer der Gründe war schlichtweg der Platzmangel. Ein weiterer war die Unterstützung meiner damaligen Vereine, da die gespendeten Trophäen bei den Siegerehrungen ihrer Veranstaltungen eine sinnvolle Verwendung fanden. Außerdem wäre es mir unangenehm gewesen, wenn mich Gäste darauf aufmerksam gemacht hätten, dass meine Wohnung wie ein Juwelierladen aussehen würde. Die Auszeichnungen für meine besonderen Erfolge, beispielsweise die Goldmedaillen für meine WM-Titel, habe ich natürlich behalten. Aber bei manchen Pokalen und Medaillen weiß ich beim besten Willen nicht mehr, wann und wo ich sie errungen habe. Darüber hinaus wollte ich auch nie in der Vergangenheit leben, obwohl mir bewusst ist, dass ich das außergewöhnliche Privileg hatte, eine besondere sportliche Laufbahn zu erleben.“

Heute, viele Jahre nach dem Ende seiner Wettkampfkarriere, kann sich Luis seinen früheren Lebensrhythmus nicht mehr vorstellen. „Im Vergleich zu damals ist meine aktuelle Lebensqualität beinahe luxuriös. Früher konnte ich das nicht so sehen, weil ich vor allem meine sportlichen Ziele vor Augen hatte und zu dieser Zeit auch nichts Anderes wollte. Heute aber habe ich den Vergleich und weiß, wie stressig mein Leben damals war und welche Abstriche ich zur Erreichung meiner Vorstellungen und Ziele über viele Jahre in Kauf genommen habe. Damals war es für mich schon Luxus, wenn es am Wochenende kein schlechtes Wetter gab.“ Für all diese Entbehrungen hatte der Extremsportler zu dieser Zeit als Motivation nur ein Ziel: er wollte Wettkämpfe gewinnen.

Wesentliche Einschränkungen gab es für Wildpanner während dieses intensiven Lebensabschnittes vor allem bei seinen sozialen Kontakten, seiner Partnerin bis zu engeren Freunden und Bekannten, für die es nur wenig bis gar keine Zeit gab. Letztendlich war auch das ein wichtiges Argument seine sportliche Karriere zu beenden, da neben dem Extremsport und der beruflichen Beanspruchung einfach kein Platz für andere Lebensbereiche übrigblieb. Heute ist das anders: „Ich mache Sport, wann und so lange ich möchte und genieße die Bewegung in der Natur mit vollen Zügen. Wenn ich nach der Arbeit heimkomme und mir danach ist, laufe oder radle ich eine Runde in der herrlichen Natur und freue mich auf die Dusche danach. Ich genieße jeden einzelnen Augenblick, wenn ich beispielsweise mit meiner Frau auf unserer Hollywoodschaukel sitze, auf die wunderbare Bergwelt blicke und wir bei Kaffee und Kuchen über den vergangenen Tag sprechen. Dabei empfinde ich mein aktuelles Leben, das viel weniger anstrengend und stressig ist als mein altes, dennoch als intensiv und sehr erfüllt. Während meiner aktiven Sportzeit habe ich mein Dasein mit jeder Faser meines Körpers bewusst erlebt, aber das ist kein Vergleich zu den heutigen Annehmlichkeiten, die ich in der Erinnerung an damals umso mehr genieße.“

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Hofrat Gerold Keusch, BA ist Redakteur beim TRUPPENDIENST. Oberstleutnant Luis Wildpanner ist Diplomsportlehrer und Referent im Fachstab Luft.

 

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