• Veröffentlichungsdatum : 05.07.2016
  • – Letztes Update : 09.07.2016

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Anatomie einer Niederlage

Peter Aumüller

Der Name Benedek ist untrennbar mit Königgrätz verbunden. So sehr, dass er vielen überhaupt nur in diesem Zusammenhang bekannt ist. Über die geradezu zeitlos anmutenden, vorwiegend im politisch-finanziellen Bereich liegenden Hauptursachen für diese Niederlage musste Benedek zeitlebens schweigen. Und das stellt die Leistungen des vor 200 Jahren geborenen Offiziers bis heute in den Schatten.


"So schnell schießen die Preußen auch wieder nicht!" Dieser Ausspruch erinnert noch heute an die preußischen Zündnadelgewehre und an die damit verbundene österreichische Niederlage bei Königgrätz. Feldzeugmeister (FZM, ein hoher Generalsrang) Ludwig von Benedek wurde in der Folge die alleinige Verantwortung dafür zugeschoben - er durfte sich dazu nicht äußern, ja nicht einmal eine schriftliche Rechtfertigung veröffentlichen. Deshalb wurde er bald der "große Schweiger" genannt, eine Bezeichnung, die sinngemäß bald auch für die gesamte k. u. k. Armee übernommen wurde. Die Hauptursachen der Niederlage bei Königgrätz - die Benedek nicht nennen durfte - sind jedoch vielschichtig. Sie vorwiegend bei Benedek oder den an der Schlacht beteiligten Soldaten zu suchen, wird der Wahrheit jedenfalls nicht gerecht.

Benedek war ein verdienter Offizier

Vor etwas mehr als 200 Jahren - am 14. Juli 1804 - erblickte Ludwig Benedek in Ödenburg als Sohn des Arztes Johann Andreas Benedict ("Der Gesegnete") das Licht der Welt, in seiner Geburtsmatrikel steht allerdings bereits die magyarisierte Namensform Benedek. Seine Mutter Katharina war eine geborene Thurner, seine Vorfahren väterlicherseits stammten aus Buchschachen südlich von Pinkafeld. Dort leben heute noch Benedeks, ebenso wie im benachbarten Markt Allhau. Erst Benedeks Großvater war - in der Zeit Maria Theresias - nach Ödenburg gezogen. Benedek war demnach - ungeachtet der ungarischen Schreibweise seines Namens - kein "Vollblutmagyare". Er beherrschte aber neben seiner deutschen Muttersprache Ungarisch (fließend), daneben Französisch und Italienisch.

Die Ödenburger Division wurde von 1816 bis 1818 vom späteren Feldmarschall Radetzky befehligt, der zu dieser Zeit bei Benedeks Vater in ärztlicher Behandlung stand. Radetzky hatte 1813 als Chef des Stabes den Plan für die Völkerschlacht bei Leipzig ausgearbeitet und war seitdem entsprechend berühmt. Die Begegnungen mit Radetzky veranlassten Ludwig, die militärische Laufbahn einzuschlagen und sich um die Aufnahme an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt zu bewerben. Einer seiner Förderer war Erzherzog Johann.

Benedek musterte am 22. Oktober 1822 zum Infanterieregiment Nr. 27 (die "Belgier", Namensgeber der Belgierkaserne) aus, das kurz darauf für drei Monate nach Capua ins damalige Königreich Neapel verlegt wurde. Dort versahen die österreichischen Soldaten Ordnungsdienste im Auftrag der Heiligen Allianz (1815 durch die Herrscher Österreichs, Preußens und Russlands zur Erhaltung der Ordnung in Europa gebildet, später traten ihr noch andere christliche Herrscher bei). Anstelle von Kämpfen gab es zahlreiche Gunstbezeugungen der dortigen Bevölkerung. Von 1825 bis 1827 diente Benedek - nunmehr Unterleutnant - beim steirischen Infanterieregiment Nr. 47. Von 1827 bis 1830 führte er Mappierungsarbeiten (Erstellen von Landkarten) in Ungarn durch. Die Militärgeografen Fligely und Ganahl zählten zu seinen persönlichen Freunden.

Vor jedem Einsatz studierte Benedek die Karten des Einsatzgebietes. Bevor er 1846 im Auftrag der Heiligen Allianz (Vorläufer des späteren Völkerbundes und in gewissem Sinne auch der Vereinten Nationen) den Aufstand in der Republik Krakau (1815 bis 1846) durch das Gefecht von Gdów (damals noch südlich von Krakau, heute ein Stadtteil von Krakau am rechten Weichselufer) beendete, beschaffte er sich Kartenmaterial über Krakau. Auch als er 1866 das Kommando der Nord-Armee übernahm, ließ er sich über die geografischen Gegebenheiten des Einsatzraumes durch einen Fachmann einweisen.

Nach Königgrätz kursierten dennoch Schriften, in denen behauptet wurde, Benedek hätte sich in Böhmen (damals Teil des Deutschen Bundes) nicht ausgekannt und "nicht einmal gewusst, wo die Elbe sei". Das ist falsch. Der erfahrene Offizier Benedek war 1866 keinesfalls das erste Mal in Böhmen. Er hatte sich schon 1850 bei einem bereits damals drohenden Konflikt mit Preußen für ein Korpskommando in Böhmen zur Verfügung gestellt.

Zwischen Benedeks langjähriger Tätigkeit unter Feldmarschall Radetzky - zuletzt als dessen Generalstabschef in Mailand - und der eigenen Kommandoführung in Verona lag seine Einteilung als Generalkommando-Adjutant in Lemberg (Galizien). Dort hatte er seine Frau Julie kennen gelernt, die Tochter des Gubernialpräsidenten von Galizien, Freiherr vom Krieg von Hochfelden. Die am 19. Oktober 1843 geschlossene Ehe verlief ausgesprochen glücklich, obwohl ihr keine Kinder entsprossen.

Die Siege von Mortara, Novara und San Martino

Bei Mortara standen (im Krieg mit Sardinien-Piemont) am 21. März 1849 knapp 16 000 Österreicher mehr als 25 000 Piemontesen gegenüber. Im Gefecht verlor Österreich 190 Mann, Piemont 2 550. Benedek nahm mit nur 150 Mann Mortara handstreichartig in Besitz. 56 Offiziere und 2 000 Mann streckten vor ihm die Waffen.

Zwei Tage später hatte er am Erfolg Radetzkys bei Novara maßgeblichen Anteil. (Mortara liegt ebenso wie Novara zwischen den Flüssen Tessin und Sesia. Das ist jener Teil des vormaligen Herzogtums Mailand, den Österreich im Polnischen Erbfolgekrieg 1735 an Savoyen abtreten musste).

Der Mortara-Platz westlich der Brigittenauer Brücke und die Novaragasse beim Praterstern in Wien erinnern noch heute an diese österreichischen Siege, ebenso der Name des Ausmusterungsjahrgangs 1992 (Novara) der Theresianischen Militärakademie. Nach der von Österreich verlorenen Schlacht von Solferino (Krieg mit Frankreich und Sardinien-Piemont, Anlass für die Entstehung des Roten Kreuzes) galt Benedek durch den Sieg von San Martino (nördlich von Solferino) 1859 als "Retter der Ehre" Österreichs.

Benedek wird Kommandant der Nord-Armee

Als der Krieg mit Preußen unabwendbar schien, war ein Kommandant der Nord-Armee zu bestellen. Zur Wahl standen nur der 62-jährige Benedek und der 49-jährige Erzherzog Albrecht. Wie der Historiker Eduard Heller aus den Tagebuchaufzeichnungen von Erzherzog Albrecht nachweist, hatte sich dieser sogar um dieses Kommando beworben. Er wurde aber nicht in Betracht gezogen, weil er 1848 vor den Aufständischen in Wien kapituliert hatte.

Als Statthalter im 1849 wieder befriedeten Ungarn hatte er mitunter hart durchgegriffen und war deshalb bei ungarischen Soldaten wohl nicht so beliebt, wie der ihre Sprache beherrschende Benedek. Zudem fand bei den mit Österreich verbündeten deutschen Staaten (vor allem Bayern) ein bürgerlicher Heerführer mehr Zustimmung.

Die Neue Freie Presse schrieb dazu (am 27. April 1881 im Nachruf auf Benedek): "Es herrschte förmliche Begeisterung in der Armee, wie im Volke, als entschieden war, dass Benedek an die Spitze der Nord-Armee zu treten habe ..." Benedek wurde also nicht als "Bauernopfer" gegen die Preußen geschickt, um Erzherzog Albrecht die zu erwartende Niederlage zu ersparen. Für Österreichs Feinde galt Benedek als der am meisten gefürchtete Gegner.

Der Krieg mit Preußen

Der Preußisch-Östereichische Krieg (Deutscher Krieg, 1866) brach nicht primär aufgrund der Uneinigkeit über die Zukunft von Schleswig-Holstein aus, sondern weil Preußen Österreich die im Wiener Kongress festgelegte Vormachtstellung im Deutschen Bund streitig machte. Ein sehr großer Fehler war, dass Kaiser Franz I. (von Österreich) trotz zahlreicher Petitionen aus Deutschland die römisch-deutsche Kaiserwürde nicht wieder angenommen hatte. Denn dann hätte Wilhelm I. seinen Kaiser nicht so einfach bekriegen können.

Weil die Statuten (Bundesakte) des Deutschen Bundes die Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der Mitgliedsstaaten garantierten, war das am 8. April 1866 mit dem jungen Staat Italien abgeschlossene Bündnis Preußens aus völkerrechtlicher Sicht dennoch ein Hochverrat. War doch darin festgelegt, Österreich innerhalb von drei Monaten gemeinsam den Krieg zu erklären.

Das durch große Gebietsgewinne im Wiener Kongress (Rheinland-Pfalz, halb Sachsen, Westfalen, Schwedisch-Pommern) erstarkte Preußen strebte eine Teilung Deutschlands in einen preußischen Norden und einen österreichischen Süden an.

Nach dem Berliner Aufstand von 1848 betrachtete der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck die Wiederherstellung eines starken Königtums noch als Voraussetzung für die "Lösung der deutschen Frage". Daher hielt er 1850 noch das Einvernehmen mit Österreich für notwendig. Drei Jahre zuvor hatte er sogar seine Hochzeitsreise nach Wien gemacht. 1862 beurteilte er diese Übereinkunft allerdings bereits ganz anders: "Ich habe mir zum Ziele gesetzt ... dieses Österreich niederzuwerfen." Am 24. Mai 1862 wurde Bismarck preußischer Gesandter in Paris.

Am 23. September 1862 wurde er als Staatsminister und interimistischer Vorsitzender des Staatsministeriums nach Berlin gerufen und begann die unmittelbare Vorbereitung des Krieges mit Österreich. Eine Woche danach sagte er - nicht alleine auf Österreich gemünzt - in seiner programmatischen Rede im Berliner Abgeordnetenhaus: "Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf Preußens Macht - nicht durch Reden oder Mehrheitsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Eisen und Blut". Im Oktober 1865, bereits als preußischer Ministerpräsident, traf er das Abkommen von Biarritz mit Napoleon III. über das künftige Vorgehen gegen Österreich.

Welche Rolle spielte nun Schleswig-Holstein in diesem Konflikt? Schleswig und Holstein waren seit 900 Jahren mit Dänemark verbunden. Der dänische König herrschte (in Personalunion) zugleich als Herzog über diese beiden Länder und war seit 1815 für Holstein Mitglied im Deutschen Bund. Dänemark versuchte, sich diese beiden Länder direkt einzuverleiben. Preußen und Österreich erhielten vom Deutschen Bund den Auftrag, dies zu verhindern. Preußen stellte aber nun selbst den Anspruch auf Schleswig und Holstein (direkter Zugang zur Nordsee). Nach Österreichs Willen sollten diese jedoch - wie zuvor - wieder zum souveränen Doppelherzogtum werden.

Im Februar 1865 drohte Bismarck: Wenn Österreich Preußens Bundesgenosse bleiben wolle, dann müsse es Preußen (in Schleswig und Holstein) Platz machen. Dem folgte die Besetzung der Holsteiner Hauptstadt Kiel durch preußische Marinekräfte. Auf Weisung Wiens unternahm der in Kiel residierende österreichische Feldmarschalleutnant Gablenz nichts dagegen. Als am 11. Juni 1866 preußische Truppen in Holstein einmarschierten, zogen sich die Österreicher kampflos zurück, immer noch hoffend, den drohenden Krieg mit Preußen vermeiden zu können.

Der österreichische Gesandte in Berlin, Graf Károlyi, meldete schon 1865 nach Wien, dass der preußische König Wilhelm I. zum Krieg entschlossen sei und berichtete über Bismarcks Ausspruch "vom Krieg bis aufs Messer mit Österreich". In den Berliner Berichten dieses Gesandten wird Bismarcks Vorgangsweise als "frevelhaft, perfid und hohnsprechend" bezeichnet. Bismarcks Absprachen mit Italien und seine Aktionen, Soldaten anderssprachiger Völker der Donaumonarchie gegen Österreich aufzuwiegeln, beurteilt auch der preußische Militärattaché in Wien (1861 bis 1863) General Schweinitz in seinen Lebenserinnerungen negativ. Im Krieg von 1866 blieben jedenfalls noch alle Versuche erfolglos, einen Keil zwischen die Völker der Donaumonarchie zu treiben. Die in Berlin aufgestellte Legion Klapka (aus ungarischen Freiwilligen) drang zwar über Galizien bis Neutra in Oberungarn (das heutige Nitra in der Slowakei) vor, musste aber mangels Zulauf wieder umkehren.

Friedrich II. hatte Österreich bereits im 18. Jahrhundert Schlesien entrissen. Dadurch war Preußen bei seinem Aufmarsch gegen Österreich 1866 strategisch im Vorteil: Es verfügte über das Glatzer Land (1 636 km2, böhmisch bis 1742), das weit in das übrige Böhmen hineinragte. Schon viermal war Preußen so in Böhmen eingefallen, diesmal mit dem Korps Steinmetz der Kronprinzen-Armee (2. Armee). Und wie schon im Zweiten Schlesischen Krieg kämpften die Preußen auch am 28. Juni 1866 bei Soor (südlich Trautenau).

Der preußische Kriegsminister Graf von Roon hatte den Friedensstand der Streitkräfte verdoppelt und den Kriegsstand von 330 000 auf 850 000 Mann hinaufgesetzt. Auch die Bewaffnung der Truppe mit dem Zündnadelgewehr war bereits abgeschlossen. Preußen wartete nur mehr auf einen Vorwand für den Krieg gegen Österreich.

Aufgrund der Kriegsvorbereitungen Preußens hatte Österreich im März 1866 Truppen nach Böhmen verlegt. Um eine Entspannung der Lage bemüht, bot Österreich aber an, diese "böhmischen Truppen" bis 21. April zurückzunehmen. Preußen nahm das Angebot an, ohne sich selbst an einen Termin zur Rücknahme der eigenen Truppen aus dem Grenzbereich zu Österreich zu binden. Österreich brauchte aufgrund der Sparmaßnahmen im Verteidigungsbudget (siehe nächstes Kapitel) drei Monate zur Mobilmachung, Italien z. B. nur zwei Wochen. Die österreichischen Infanteriekräfte hatten nur 38 Prozent des Kriegsstandes, die italienischen 56 Prozent.

Österreichs Mobilmachung der Süd-Armee gegen Italien war für Preußen der willkommene Anlass, am 3. Mai ebenfalls mobil zu machen. Allerdings betrug der preußische Präsenzstand bereits Dreiviertel des Kriegsstandes, und in Preußen bestand Wehrpflicht. Österreich führte diese erst 1867 ein - nach dem verlorenen Krieg.

Das "Streichquartett"

Während Preußen aufrüstete, rüstete Österreich unter dem Finanzminister DDr. Ernst von Plener sichtbar ab. Der Budgetanteil der zivilen Ressorts stieg, dem Militär hingegen wurden permanent Kräfte und Mittel gestrichen. 93 Kavallerie-Eskadronen wurden aufgelöst, ebenso 51 Batterien der Artillerie. 1864 bestand sogar die Absicht, eine ganze Armee und ihre Kommanden aufzulösen. Im selben Jahr wurden die für November angesetzten Manöver aus finanziellen Gründen abgesetzt.

Die Einsparungspolitiker hatten es u. a. darauf abgesehen, die Zwischeninstanzen - also die mittlere Führung - abzuschaffen. Bei Königgrätz waren deshalb die Stäbe überlastet, was die Erstellung und Weitergabe von Befehlen bzw. Meldungen deutlich verzögerte. Das Budgetjahr 1865/66 brachte mit einem Rückgang von 34,8 Prozent die einschneidendste Verminderung der Mittel für die Streitkräfte - und das angesichts der wachsenden Kriegsgefahr, also unmittelbar vor Königgrätz!

Benedek und John warnten bis 1866 immer wieder deutlich vor den verhängnisvollen Folgen dieser Sparpolitik. Benedek hatte schon am 2. November 1862 dem Kaiser gemeldet, dass Einsparungen ihre Grenzen haben, "welche ungestraft nicht überschritten werden dürften" und "die ewigen Änderungen im Gefüge der Truppen machen aus der Armee ein Stück- und Flickwerk". Er wies darauf hin, "dass unter dem legalen Vorwand von Sparmaßnahmen Angriffe gegen den Bestand und die volle Brauchbarkeit der Armee selbst verborgen sein könnten".

Kaiser Franz Joseph I. konnte sich offensichtlich gegen die von der Bevölkerung treffend "Streichquartett" genannten Politiker nicht durchsetzen. Er beauftragte zwar den Kriegsminister Feldzeugmeister Graf von Degenfeld, keine weiteren Einsparungen hinzunehmen. Doch Finanzminister Plener hatte 1863 - vier Jahre nach Solferino und drei Jahre vor Königgrätz - die Stirn, zu behaupten, Österreich sei "von niemandem bedroht", deshalb "kann man ruhig die Entwaffnung fortsetzen". Und Freiherr Dr. Lasser von Zollheim, der Leiter der politischen Verwaltung, erklärte mehrmals kategorisch "Militäraufwand führt zum Bankrott!" Die anderen Mitglieder des "Streichquartetts" waren Außenminister Graf Rechberg und der Abgeordnete und Advokat Dr. Giskra.

Besonders nachteilig wirkte sich 1866 aus, dass die Depotvorräte seit Jahren nicht ergänzt worden waren. Auch waren viele Offiziere mit gekürzten Gehältern außer Dienst gestellt. Bei der Mobilisierung war das Offizierskorps unvollständig und nicht vollkommen feldtüchtig. Aufgrund der Einsparungen gab es einen fühlbaren Mangel an Unteroffizieren und Chargen. Die Mannschaften wurden daher in (weniger) Bataillonen zu 1 020 statt 750 Mann Stärke zusammengefasst.

Die Einführung des Zündnadelgewehres (System Dreyse) wurde unter dem Vorwand, sonst kein ausgeglichenes Budget zu haben, mehrmals verschoben, zuletzt 1865 durch die parlamentarische Armeeaufwand-Kontrollkommission. Noch 1864 wurden Österreich 48 000 fertige, in Hamburg bereitliegende Hinterlader günstig angeboten. Auch dieser Ankauf wurde durch obige Kommission verhindert, und die Gewehre erhielt Russland. Als preiswerten Ersatz empfahl die Wiener Gewehrkommission 1865 die Umarbeitung der Vorderlader in Hinterlader. Irgendwann in der zweiten Jahreshälfte 1866 sollte damit begonnen werden ...

Am 29. Jänner 1866 wurde zwar die Einführung von Hinterladern bei der Kavallerie verfügt, aus finanziellen Erwägungen sollten sie aber bloß vier Bataillone und einige Eskadronen erhalten. Preußen hingegen hatte 1864 im Kampf gegen Dänemark das Zündnadelgewehr bereits im Einsatz erprobt. Das Ergebnis: Die Dänen erlitten im Schnitt 8 Prozent Verluste (Tote und Verwundete), die Preußen nur 3,5 Prozent. Die 1864 auf der Seite der Preußen kämpfenden Österreicher erkannten deutlich die Vorteile dieser Waffe. Schon 1850 lautete das Urteil des k.u.k. Generalstabes: "äußerste Zuverlässigkeit verbunden mit einer an das Unglaubliche grenzenden Schnelligkeit ihrer Wirkung."

Preußen wusste um die Schwächen der Ausrüstung der k. u. k. Streitkräfte genau Bescheid, hatten doch u. a. Prinz Friedrich Karl (ein Neffe Wilhelms I., bei Königgrätz Kommandant der 1. Armee) und Generalfeldmarschall Moltke 1865 das Arsenal in Wien besichtigt. Auch die Abrüstungsdebatten des österreichischen Reichstages wurden vom preußischen Militärbevollmächtigten, General von Schweinitz, aufmerksam verfolgt. Und Bismarck vernahm mit Befriedigung die Nachricht von der Verminderung der militärischen Rüstung Österreichs.

Das Zündnadelgewehr

Das Zündnadelgewehr war ein Hinterlader. Das Laden erfolgte ohne Ladestock und war damit auch in liegender Stellung und in Deckung möglich. Geladen wurden einzelne Patronen (noch ohne Metallhülse), die Geschoss, Treib- und Zündladung enthielten. Die Zündnadel (Vorläufer des Schlagbolzens) drang von hinten in die Patrone und stach so die Zündladung an. Mit den Zündnadelgewehren waren (theoretisch) zehn bis zwölf Schüsse pro Minute möglich, die drei- bis fünffache Feuergeschwindigkeit der Vorderlader. Die anfänglich häufigen Ladehemmungen wurden durch Verbesserungen praktisch ausgemerzt.

Das Zündnadelgewehr gilt als Erfindung von Johann Nikolaus Dreyse aus Sömmerda (nördlich Erfurt) in Thüringen. Für die Erfindung der Zündnadel wurde Dreyse 1864 geadelt. Er verstarb 1867, im Jahr nach Königgrätz. Sein Sohn Franz konstruierte den ersten Schlagbolzen.

In Österreich wurden Hinterlader erstmals 1770 - also bereits unter Kaiserin Maria Theresia - erprobt. Verbesserte Ausführungen kamen 1828 (ein Jahr nach Ressels Erfindung der Schiffschraube) und 1844 (im Jahr der Eröffnung der Eisenbahnlinie von Mürzzuschlag nach Graz) auf den Markt. 1848 (Revolutionsjahr) legte Adler seine Hinterladerkonstruktion dem Generalartilleriedirektor Augustin in Wien vor, der 1851 auch das Dreyse-Gewehr zu prüfen hatte.

Die serienmäßige Einführung moderner Hinterlader bei der Infanterie unterblieb allerdings nicht nur in Österreich (hier aus "Ersparnisgründen"). Auch der erst im Jahr vor Königgrätz zu Ende gegangene amerikanische Sezessionskrieg (1861 bis 1865) war noch generell mit Vorderladern geführt worden.

Der Aufmarsch

Im vollen Wissen um diese schweren Mängel übernahm Benedek erst nachdem der Kaiser an seine Untertanentreue und Offizierspflicht appelliert hatte am 11. Mai das Kommando über die Nord-Armee. Am 27. Mai 1866 erfolgte deren Bahnverlegung nach Olmütz. Für den Fall der Besetzung feindlicher Orte bereitete er dort eine Kundmachung an deren Bevölkerung vor. Diese erschien am 17. Juni in der Breslauer Zeitung - allerdings mit gefälschtem Text, um die Schlesier gegen Österreich aufzuwiegeln.

In Schlesien rechnete man bereits mit dem Einmarsch der Österreicher. In der satirischen preußischen Zeitschrift Kladderadatsch war zu lesen: "Karlina, nimm den Löffel weg, es kommt der Marschall Benedek!" Die Nord-Armee wartete bis 20. Juni in Olmütz, das mit der Bahn leicht zu erreichen war, auf noch einrückende Unterführer und fehlende Ausrüstung. Die bereits am 15. Juni von den Preußen geschlagene sächsische Armee setzte sich inzwischen mit 23 000 Mann Richtung Böhmen in Marsch. Dort sollte sie sich mit dem I. österreichischen Korps Clam-Gallas (zur Iser-Armee) vereinigen. So sah sich Benedek gezwungen, loszumarschieren - von Wien wurde er ohnehin schon dazu gedrängt -, obwohl nicht einmal alle Soldaten Militärschuhe ausgefasst hatten und die große Mehrheit über kein zweites Paar Schuhe verfügte.

Bayern war mit Österreich verbündet, kam aber der dringenden Aufforderung nicht nach, sich gemeinsam mit der Nord-Armee den Preußen zu stellen. Der Sachse Karl Vitzthum schrieb 1889 rückblickend: "Vom Verrat Bayerns war damals allgemein die Rede!" Tatsächlich war der bayrische General von der Tann ein Anhänger Bismarcks.

Anders die Hannoveraner: Unter ihrem blinden König Georg V. versuchten sie, 18 000 Mann stark, sich mit den Sachsen und Österreichern, zuletzt mit den Bayern zu vereinigen. Bei Langensalza (an der sächsischen Grenze) wurden die Hannoveraner von den Preußen gestellt. Die Hannoveraner gewannen zwar unter hohen Verlusten das Gefecht, mussten aber zwei Tage später trotzdem kapitulieren. König Georg V. verbrachte daraufhin seinen Lebensabend im Exil im Schönbrunner "Stöckl" (heute das Hietzinger Postamt).

Der Krieg begann ohne förmliche Kriegserklärung Preußens. Preußische Emmissäre wurden zu jenen Grenzübergängen geschickt, bei denen der Einmarsch unmittelbar danach erfolgen sollte. Sie teilten den dortigen Grenzbeamten schriftlich mit, dass Preußen sich mit Österreich als im Kriegszustand befindlich ansehe. Der Einmarsch der preußischen Truppen in Böhmen begann am 21. Juni mit der Elb-Armee (48 800 Mann) und der Armee Friedrich Karls (1. Armee, 97 000 Mann, befehligt durch Friedrich Karl, einem Neffen Wilhelms I.).

Die Kronprinzen-Armee (2. Armee, 121 000 Mann befehligt durch Kronprinz Friedrich Wilhelm, dem Sohn Wilhelms I.) marschierte in drei Marschkolonnen über Hirschberg, Waldenburg bzw. Glatz an und überschritt zwischen dem 26. und 27. Juni die böhmische Grenze. (Königgrätz und dessen Umgebung gehörten zum tschechischen Sprachraum, ebenso fast alle anderen Gefechtsorte; Hühnerwasser und Trautenau waren aber deutsche Siedlungen.) Vor Königgrätz gab es zwischen dem 26. und 29. Juni in Böhmen zehn Gefechte mit den Preußen, von denen die Österreicher nur das von Trautenau unter Gablenz gewannen, aber schon am nächsten Tag von der preußischen Garde bei Soor geschlagen wurden.

In all diesen Gefechten fielen deutlich mehr Österreicher als Preußen: bei Hühnerwasser 5,5 mal so viele (27 zu 50), bei Trautenau 3,6 mal so viele (4 787 zu 1 338) und bei Nachod-Wysokow fünfmal so viele (5 719 zu 1 122, zahlenmäßig die höchsten Verluste vor Königgrätz). Beim Nachtgefecht von Podol betrug das Verlustverhältnis gar 8 zu 1 (1 048 zu 130). Kein Wunder, dass die österreichischen Soldaten schon vor der Entscheidungsschlacht von Koniggrätz munkelten "Gegen das Zündnadelgewehr ist nicht aufzukommen!" und dies ihnen den Glauben an einen Sieg nahm.

Die Iser-Armee, bestehend aus dem sächsischen Korps und dem I. österreichischen Korps Clam-Gallas, umfasste insgesamt 60 000 Mann. Benannt war sie nach der durch Trautenau und Münchengrätz (Begräbnisort Wallensteins) fließenden Iser. Eine Vereinigung aller drei preußischen Armeen, der Armee Friedrich Karls, der Elb-Armee und der Kronprinzen-Armee war zunächst bei Jitschin vorgesehen. Dort stellte sich am 29. Juni die Iser-Armee der Elb-Armee und der Armee Friedrich Karls entgegen und nahm in Erwartung der angekündigten Verstärkung durch die Nord-Armee den Kampf auf (zunächst nur mit der Avantgarde der Elb-Armee).

Da die Kronprinzen-Armee schneller als erwartet vorrückte und größer war als zuerst vermutet (österreichische Kundschafter konnten wegen Geldmangels erst Mitte Juni ausgeschickt werden), musste Benedek seine Absichten ändern und sah nun eine Aufstellung bei Dubenetz (südlich Königinhof) vor. Die Kronprinzen-Armee wäre dadurch bei ihrem Aufmarsch links der Elbe gewesen. Im Bestreben, alle verfügbaren Kräfte zusammenzuziehen, beorderte Benedek die Iser-Armee zu sich. Dieser Befehl erreichte Clam-Gallas während des Gefechtes mit der Avantgarde der Elb-Armee und dieser beging den Fehler, es abzubrechen. Beim Zurückgehen wurde Clam-Gallas Richtung Königgrätz abgedrängt. Dubenetz wurde daher - da nun für die Iser-Armee zu weit im Norden - aufgegeben und das weiter südlich gelegene Plateau von Chlum als neues Zentrum für die Nord-Armee aufgebaut.

Am 1. Juli - zwei Tage vor der Schlacht - traf der aus Wien zur Berichterstattung entsandte Oberstleutnant Beck bei Benedek ein. Das Hauptthema war "die furchtbare Wirkung des Zündnadelgewehres, die man allseits unterschätzt habe". In einem Telegramm an den Kaiser wurde Benedek noch deutlicher: "Bitte Eure Majestät dringend, um jeden Preis Frieden zu schließen, Katastrophe für Armee unausweichlich." Die Antwort des Kaisers lautete: "Einen Frieden zu schließen unmöglich. Ich befehle, wenn unausweichlich, den Rückzug in größter Ordnung anzutreten." Dazu schrieb Alois Crenneville, der Generaladjutant des Kaisers, die Frage "Hat eine Schlacht stattgefunden?" Benedek durfte also nur den Rückzug antreten, "wenn unausweichlich".

Am nächsten Morgen standen die Spitzen der preußischen Elb-Armee und der Armee Friedrich Karls bereits mit der österreichischen Nord-Armee in Sichtkontakt, am Abend fiel der Entschluss Preußens zum Angriff. Benedek musste die Schlacht annehmen. Seine Stellung war gut gewählt, zwar mit der Elbe im Rücken, dafür aber auf der Höhe von Chlum, Lipa und Langenhof durch 160 "treppenartig" aufgestellte Geschütze besonders gut bewehrt. Durch einen Frontalangriff konnte das dermaßen geschützte Zentrum der Nord-Armee kaum genommen werden.

Die Mannschaftsstärke der Nord-Armee betrug 270 000 Mann, die der drei preußischen Armeen zusammen etwa ebenso viel. Vor dem Herannahen der Kronprinzen-Armee war die Nord-Armee demnach zahlenmäßig weit stärker, das galt aber nicht für die Kampfkraft, die bei den Österreichern aufgrund der geringerwertigen Bewaffnung nur etwa halb so hoch anzusetzen war.

Preußische Kräfte Armee Friedrich Karls (1. Armee): 97 000 Mann Elb-Armee: 48 800 Mann Kronprinzen-Armee (2. Armee): 121 000 Mann Österreichische Kräfte Nord-Armee: 270 000 Mann (davon 60 000 Mann Iser-Armee) Verhängnisvoll wirkte auch der seit 1. Juli im Gange befindliche Austausch der operativen Berater Benedeks, der Feldmarschalleutnante Henikstein und Krismanic. Die Arbeit des zuvor eingespielten Stabes im Hauptquartier, der nächsten Umgebung von Benedek, war dadurch empfindlich gestört, vor allem in den entscheidenden Stunden der Schlacht.

Die Schlacht

Der 3. Juli begann düster, wolkenverhangen und neblig. Bei der Kampferöffnung um 0800 Uhr hatten bereits Regenschauer eingesetzt, die die Felder aufweichten. Die 7. und 8. preußische Infanteriedivision gingen bei Sadowa über die Bistritz vor, blieben aber dann im ostwärts anschließenden Hola- und Swiep-Wald liegen. Das Vordringen einer Kavalleriebrigade der Elb-Armee zur Elbe südlich von Königgrätz blieb ebenfalls im Ansatz stecken, aber auch der Umgehungsversuch der österreichischen Kavalleriedivision Edelsheim führte nicht zum Erfolg. Bevor die Kronprinzen-Armee am Schlachtfeld eintraf, war die Lage für die Preußen unsicher und König Wilhelm I. soll zu Mittag gesagt haben "Wir verlieren die Schlacht!" Benedek hatte für den Fall eines eigenen Vordringens über die Bistritz schon vor Beginn des Kampfes Pionierkräfte für den Brückenbau über diese bereitgestellt.

Bei besserer Bewaffnung hätten die Österreicher noch vor Mittag die Armee Friedrich Karls und die Elb-Armee geworfen und dann erst den Kampf mit der Kronprinzen-Armee vor sich gehabt. Um 1300 Uhr war es jedoch für ein offensives Vorgehen der Österreicher zu spät. Von der Festung Josefstadt wurde das Vorbeimarschieren der Kronprinzen-Armee telegrafisch gemeldet, und diese erschien noch vor 1400 Uhr auf dem Kampfplatz.

Der entscheidende Fehler war, dass sich die für die Abwehr der Kronprinzen-Armee nördlich von Chlum aufgestellten IV. (Festetics) und II. (Thun) Korps in einen Kampf im Swiep-Wald einließen. Festetics meldete Benedek seinen eigenmächtigen Entschluss und Benedek genehmigte diesen. Als Festetics schwer verwundet durch Mollinary abgelöst wurde, setzte letzterer mit Genehmigung Benedeks den Kampf im Swiep-Wald fort. Allerdings veranlasste Benedek kurz nach Mittag energisch das Beziehen der ursprünglich festgelegten Abwehrstellungen durch die beiden Korps. Doch diese konnten sich nur mühsam aus dem Gefecht im Swiep-Wald lösen und nur mit Teilen rechtzeitig in ihre Ausgangsstellungen zurückschwenken. Dadurch war es der Garde der Kronprinzen-Armee möglich, um 1445 Uhr bis Chlum und Rosberitz vorzudringen.

Die österreichischen Brigaden Rosenzweig und Poschacher eroberten zwar Rosberitz zurück und die ruthenischen Fünfundfünfziger (Infanterieregiment Nr. 55), die Hoch- und Deutschmeister (Infanterieregiment Nr. 4) und die Siebzehner-Jäger (Jägerregiment Nr. 17) warfen die preußische Gardeabteilung in Chlum bis zur Kirche zurück, mussten aber dann dem unüberwindlichen feindlichen Feuer weichen. Benedek war in diesen entscheidenden Kämpfen stets vorne zu finden, weil er erkannt hatte, dass er in dieser kritischen Lage durch sein Beispiel führen musste.

Um 1700 Uhr war Chlum wieder im Besitz der Preußen. Weil die Sachsen ab 1400 Uhr am linken Flügel zurückwichen, musste Benedek die Nord-Armee hinter die Elbe zurücknehmen, wollte er deren Gefangennahme oder Vernichtung durch Umfassung verhindern, was ihm gelang. Der Opfergang des I. Korps (Gondrecourt) und der Brigade Knebel beim Versuch, Chlum wieder zurückzuerobern, war umsonst gewesen. In 20 Minuten hatte das Korps 279 Offiziere und 10 000 Mann verloren, die Hälfte seines Bestandes.

Nicht umsonst hingegen waren die Opfer beim Zurückgehen: Um 1600 Uhr brachte ein Entlastungsstoß der 1. und 3. Kavalleriedivision mit 4 740 eigenen Reitern 5 100 preußische Reiter zum Stehen. Der halbstündige Reiterkampf von Stresetitz-Langenhof ermöglichte - ebenso wie der Kampf der 7. Kavalleriebatterie des VIII. Korps unter ihrem dabei gefallenen Kommandanten Hauptmann von der Groeben - den geordneten Rückzug. Die Kaserne in Feldbach trägt noch heute seinen Namen. Der preußische General Schlichting schrieb später - in Anspielung auf die Schlacht am Thermopylenpass - über Groebens Batterie: "Nur die Toten des Leonidas kommen solcher Aufopferung gleich!" Der Reiterkampf von Stresetitz-Langenhof und die "Batterie der Toten" sind Themen von zwei riesigen Ölgemälden Wenzel Sochors im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien. An den Opfergang dieser Batterie erinnern auch Ölgemälde von Otto von Ottenfeld und Max von Poosch-Gablenz.

Der Rückzug und die Folgen

Den österreichischen Pionieren gelang es, nach dem Übergang der Nord-Armee alle 13 Brücken über die Elbe entweder wieder abzutragen oder zu vernichten. Den Preußen war aber eine Verfolgung der zurückgehenden Nord-Armee aufgrund der eigenen Erschöpfung und dem Durcheinander ihrer Verbände am Ende der Schlacht ohnehin nicht möglich.

Benedek schaffte es, die Nord-Armee über Olmütz und das Waagtal auf das rechte Donauufer bei Preßburg zurückzuführen, wo er am 26. Juli, knapp nach seinem 62. Geburtstag, das Kommando über diese befehlsgemäß niederlegte. Es war ihm gelungen, trotz aller erlittenen Einbußen die Nord-Armee als Machtfaktor gegen allfällige Maßnahmen des Gegners kampfkräftig zu erhalten. Benedek hat dadurch den raschen Friedensschluss mit beeinflusst. (26. Juli Vorfriede von Nikolsburg, 23. August Friede von Prag mit Preußen.)

Trotz dieser Verdienste standen Benedek nun die Mühlen eines Rechtfertigungsverfahrens in Wr. Neustadt bevor. Das Verfahren wurde zwar eingestellt und er kam vor kein Kriegsgericht, wurde aber mit einem zeitlebigen Schweigegebot belegt. Er durfte sich zur Niederlage bei Königgrätz und zu deren wahren Hintergründen nicht äußern, ja nicht einmal eine schriftliche Rechtfertigung veröffentlichen. Vielleicht wünschte Benedek deshalb, in Zivilkleidung und ohne militärischen Kondukt beigesetzt zu werden. Hunderte von Militärs gaben ihm (am 27. April 1881) als Einzelpersonen in Uniform trotzdem das letzte Geleit.

Benedek hat geschwiegen, ebenso die Armee. Der Militärhistoriker Hugo Kerchnawe hingegen sprach Jahre später klar aus, wo die wahren Schuldigen für die Niederlage bei Königgrätz zu finden waren: "Solche Scharen in den Kampf für das Vaterland zu senden, sie so zu bewaffnen, so flüchtig ausgebildet einem solchen Feind entgegenzustellen, war Mord, und dieser Mord stand im Schuldbuch des Parlamentes". Die wahren Schuldigen zog niemand zur Verantwortung, nach drei Mitgliedern des "Streichquartettes" wurden sogar Straßen benannt.

Abgesehen von den Gefallenen und Verwundeten haben die Niederlage bei Königgrätz und der Friede mit Preußen Österreich ein Vielfaches dessen gekostet (Zahlungen an Preußen), was vom "Streichquartett" bei den eigenen Streitkräften eingespart wurde.

Vier Märsche, vier Ehrenbürgerschaften, eine Kaserne und eine Gasse ...

Feldzeugmeister Benedek war - vor und nach Königgrätz - derart hochgeschätzt, dass ihm vier Märsche gewidmet wurden:

  • Josef Strauß widmete ihm den "Benedek-Marsch" (Opus 199);
  • Nach der Schlacht von Mortara komponierte Benedeks Regimentskapellmeister Karl Sidler den "Dreiunddreißiger Siegesfestmarsch";
  • Rudolf Novacek schuf 1879 anlässlich der 30. Wiederkehr von Benedeks Übernahme des Infanterieregiments Nr. 28 den "Jubiläumsmarsch";
  • Johann Nepomuk Kral ehrte Benedek im "Brucker Lagermarsch".

Benedek hatte (ebenso wie Feldzeugmeister Mollinary) eindringlich und wiederholt die Anlage eines Truppenübungsplatzes gefordert, der groß genug für Brigadeübungen sein sollte. Er hatte dafür sogar Bruckneudorf vorgeschlagen. 1866 (allerdings nach Königgrätz) wurde das Brucker Lager tatsächlich angelegt. Es erhielt im Bundesheer der Zweiten Republik den Namen Benedek-Kaserne.

Der Feldzeugmeister war Ehrenbürger von Ödenburg, Kaschau (Kosice), Lemberg und Wien. Aber nur in Graz, wo er zurückgezogen seinen Lebensabend verbrachte, erinnert eine Gasse an ihn. Es ist dies eine Seitengasse der Straßganger Straße. Sie heißt - anscheinend bewusst ohne Einbeziehung seines militärischen Ranges - Ludwig Benedek-Gasse.

Benedek warnte vergeblich: "Einsparungen haben ihre Grenzen, welche ungestraft nicht überschritten werden dürfen!" "Die ewigen Änderungen im Gefüge der Truppen machen aus der Armee ein Stück- und Flickwerk!" "Unter dem legalen Vorwand von Sparmaßnahmen könnten Angriffe gegen den Bestand und die volle Brauchbarkeit der Armee selbst verborgen sein!" Seine Warnungen klingen noch heute geradezu beängstigend "aktuell".

Zum Nachdenken

Zeitlose Ursachen einer Niederlage Zu den Hauptursachen der Niederlage bei Königgrätz zählen u. a.:

  • ein politisches Wunschdenken ("Österreich ist von niemandem bedroht", deshalb "... kann man ruhig die Entwaffnung fortsetzen");
  • das Fehlen moderner Bewaffnung (Hinterlader) aufgrund von Sparmaßnahmen (Benedek hatte die Verantwortlichen lange vor Königgrätz vergeblich vor diesen Sparmaßnahmen gewarnt);
  • ein Fehl an Offizieren, Unteroffizieren und Chargen ebenfalls aufgrund der "Abrüstungspolitik" und dessen Folge, die Zusammenfassung der Soldaten in zu wenigen dafür aber zu großen, schlechter führbaren Verbänden;
  • die "Einsparung" von Manövern bzw. Verbandsübungen verbunden mit der zu späten und zu langsamen Mobilmachung aufgrund der "Entspannungspolitik" und der Sparmaßnahmen (auch derzeit werden aus ähnlichen Gründen Truppenübungen abgesetzt und das Wehrbudget zählt mit weniger als 0,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu den niedrigsten Europas);
  • die generell zu geringen personellen Ressourcen aufgrund des Fehlens der Wehrpflicht;
  • Führungs- und Organisationsprobleme, verursacht durch ständige Reformen und Umgliederungen (auch darauf hatte Benedek bereits 1862 hingewiesen, offenbar hatte auch er leidvolle Erfahrungen mit "Reformen");
  • der Wechsel von Stabsfunktionen während des Einsatzes; die Missachtung militärischer Einsatzerfahrungen (Zusammenhang von Fehl an moderner Bewaffnung und Verlustzahlen) durch Politiker;
  • ein "Sich-Verlassen" auf Bündnispartner (Bayern) anstelle einer ausreichenden militärischen Eigenvorsorge.

Kein Grund für die Niederlage war hingegen die Multinationalität der k.u.k. Truppen (die Mischung der Nationalitäten erfolgte generell erst "regimentsaufwärts"). Auch fehlte es den k.u.k. Soldaten kaum an persönlicher Tapferkeit und Verlässlichkeit, geschweige denn Benedek an militärischem Können. Die Schlacht bei Königgrätz wurde demnach verloren, bevor sie begann.


Oberst dhmtD Mag. Dr. Peter Aumüller, Jahrgang 1940 war Lehrbeauftragter am Geografischen Institut der Universität Salzburg und Offizier im Militärgeografischen Dienst.

Anmerkung: Dieser Artikel erschien im Jahr 2004 in der Truppendienst Folge 276 (TD-Heft 3/2004).

 

Ihre Meinung

Meinungen (4)

  • Kauf Michael // 07.07.2016, 14:29 Uhr S. g. Kameraden!

    Wieso kommt mir der letzte Absatz so bekannt vor?!
    Und ist offenbar nicht nur in Österreich schon lange beliebt, sondern - mindestens seit 1990 - auch in ganz Europa...

    Man kann viel mit Mut und Willen wettmachen, letztlich zählt aber fast immer, wer länger mit Material und Soldaten durchhält.
    Um aber einen politischen Erfolg zumindest als Vergleich/Pattstellung zu erzielen, sollte unser Heer doch so ausgerüstet sein, dass der Erfolg/Zeitgewinn erzielt wird, der für eine Verhandlungsbasis nötig ist.
    Ich hoffen, dass die Mittelvermehrung in letzter Zeit nicht nur ein Strohfeuer ist!
    Beste Grüße,
    Michael Kauf, OltdRes
  • Joachim Krammer // 07.07.2016, 14:40 Uhr Gratulation zu diesem erstklassigen Artikel und den daraus resultierenden Schlussfolgerungen!
  • Helmut LANGSTADLINGER // 17.01.2018, 09:30 Uhr Als militärhistorisch interessierter Leser kann man zu Ihren detailierten und fachlich profunden Beiträgen nur gratulieren. Abgesehen von meinem Spezialinteresse an Themen wie napoleonische Kriege, Königgrätz (Vorderlader allgemein), sowie Panzer und Eisenbahn bieten Sie eine Fülle an Interessanten Informationen die seines gleichen suchen. Ich habe Euch erst vor kurzem im Zuge meiner Recherchen über das Lorenz Gewehr entdeckt und bin bis dahin auf nicht endend wollenden interessanten Artikeln "picken" geblieben. Eine Hochachtung an all Ihren Mitarbeitern.
  • Fred Grunow // 13.10.2018, 13:48 Uhr Ein ausgezeichneter Artikel ! Ich wünschte, unsere politisch Verantwortlichen würden ihn lesen und verstehen.

    Völlig überzogene Sparmaßnahmen, eine Verleugnung der Realität und veraltete Ausrüstung - ein Spiegel der deutschen Bundeswehr 2018 !

    Fred Grunow, OTL d.R.